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Bisher fehlte es an einer empirischen Auswertung, über welche Stromanbieter sich Verbraucher besonders häufig beschweren.

Stromdiscounter im Beschwerderanking

Medien warnen regelmäßig vor unseriösen Stromanbietern und deren Geschäftspraktiken. Bisher fehlte es an einer empirischen Auswertung, über welche Stromanbieter sich Verbraucher besonders häufig beschweren. Diese Lücke schließt ein Beitrag von Matthias Moeschler.

(19. Januar 2018) Seit der Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes können Verbraucher ihren Versorger wechseln und Geld sparen. Die meisten Versorger sind seriös und gehen verantwortungsvoll mit ihren Kunden um. Leider gibt es auch Stromdiscounter mit besonders vielen Verbraucherbeschwerden, die die Branche in Verruf bringen und betroffene Verbraucher teuer zu stehen kommen. Für ein Verständnis der Hintergründe ist es hilfreich, zunächst die Ursachen für die zahlreichen Verbraucherbeschwerden zu betrachten, die vermutlich mit den Geschäftsmodellen der Stromdiscounter zusammenhängen, und im Anschluss daran werden die häufigsten Verbraucherbeschwerden und die am häufigsten beanstandeten Stromanbieter benannt.

3046 Dr. Matthias Moeschler

Dr. Matthias Moeschler wurde als Verbraucher Opfer einer versteckten Preiserhöhung. Als er die Preiserhöhung nicht anerkannte, wurde er mit einer Feststellungsklage konfrontiert. Seitdem informiert er unter www.verbraucherhilfe-stromanbieter.de darüber, wie sich Verbraucher wehren können.

Das Geschäftsmodell von Stromdiscountern

Millionen von deutschen Verbrauchern wissen aus eigener Erfahrung, wie riskant die Geschäftsmodelle einiger Stromdiscounter tatsächlich sind: In den Jahren 2011, 2013 und 2017 haben die Stromdiscounter Teldafax, Flexstrom und Care-Energy Insolvenz angemeldet. Zahlreiche deutsche Verbraucher mussten auch erfahren, dass einige Stromdiscounter äußerst kreativ sind, die Verluste aus dem ersten Vertragsjahr zu kompensieren: Bei Preiserhöhungen und Einbehalten von Neukundenboni blieb es allem Anschein nach nicht.

Eine Studie von A.T. Kearney aus dem Jahr 2012 kam zu dem Ergebnis, dass viele Stromdiscounter im ersten Vertragsjahr Verluste aufgrund geringer Margen, Provisionen an Vermittler und Boni für Neukunden realisieren. Das Geschäftsmodell der Stromdiscounter könne nur dann langfristig profitabel sein, wenn diese Verluste mit Hilfe von schnellen und drastischen Preiserhöhungen und dem Einbehalten von Neukundenboni kompensiert werden. Laut A.T. Kearney ist dieses Geschäftsmodell riskant und geht zu Lasten der Kundenzufriedenheit.

Auswertung der Reclabox-Beschwerden

Im Internetportal Reclabox können sich Verbraucher über Energieversorger beschweren. Im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2015 und dem 30. September 2017 wurden 3.710 Beschwerden auf Reclabox ausgewertet, um die häufigsten Beschwerdegründe und die Stromanbieter mit den meisten Verbraucherbeschwerden zu identifizieren.

Häufigste Beschwerdegründe

Die 3.710 analysierten Verbraucherbeschwerden umfassen auch Beanstandungen, die auf menschliche Fehler oder auf Missverständnisse zurückzuführen sind. In den meisten Fällen haben sich Verbraucher jedoch über folgende Sachverhalte beschwert:

  • Preiserhöhungen (ca. 10 %): Um die Verluste aus dem ersten Vertragsjahr zu kompensieren, versuchen einige Stromdiscounter, die Strompreise drastisch zu erhöhen. Verbraucher haben sich häufig über überzogene oder über intransparente Preiserhöhungen beschwert.
    Sehr häufig berichten die Verbraucher auch über Preiserhöhungen von 30 Prozent und mehr, die dem Grundsatz der Billigkeit nicht gerecht werden dürften. In den meisten Fällen werden die drastischen Preiserhöhungen in langen und positiv formulierten Schreiben oder in Texten, die Werbeflyern ähneln, versteckt. Die betroffenen Verbraucher erkannten die versteckten Preiserhöhungen oft nicht und konnten dadurch nicht von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen.
  • Kündigungen (ca. 11 %): Die Verluste aus dem Anfangsjahr können nur dann kompensiert werden, wenn die Kunden auch im zweiten Jahr beim Stromanbieter bleiben. Zahlreiche Verbraucher beschwerten sich, dass ihr Stromanbieter ihre Kündigung ignoriert oder aus formalen Gründen verweigert hat. Dadurch blieben sie länger bei ihrem Stromanbieter als gewollt.
  • Fehlerhafte Stromabrechnungen (ca. 15 %): An den Stromrechnungen wurden meist falsche Verbrauchsmengen und verweigerte Neukundenboni bemängelt. Nicht ausgezahlte Neukundenboni (beispielsweise aufgrund von Photovoltaikanlagen, Mehrtarifzählern oder gewerblicher Tätigkeit) werden besonders häufig in Verbindung mit dem Stromanbieter 365 AG (ehemals Almado) genannt. In den letzten Jahren haben sich darüber jedoch zunehmend weniger Verbraucher beschwert. Dies liegt womöglich daran, dass deutsche Gerichte wiederholt die Einschränkungen der Neukundenboni in den AGB als unzulässig eingestuft haben.
  • Verspätete Stromabrechnung (ca. 12 %) und verspätete Auszahlung von Guthaben & Sofortbonus (ca. 32 %): Am häufigsten werden die Stromdiscounter kritisiert, die den gesetzlichen Fristen zur Erstellung der Stromabrechnung und dem Auszahlen von Guthaben sowie Boni nicht nachkommen. Letztendlich gibt der Verbraucher den Stromanbietern unfreiwillig einen kostenlosen Kredit. Dadurch können sich Stromanbieter günstiger finanzieren. Problematisch wird es für die Verbraucher, wenn Rechnungen und Guthaben „vergessen“ werden oder die Unternehmen gar später Insolvenz anmelden.
  • Sonstiges (20 %): Es gibt zahlreiche weitere Anlässe, über die sich Verbraucher beschwert haben. Erwähnenswert sind insbesondere zwei Anlässe, die in den letzten Monaten stark zugenommen haben: Verbraucher beschweren sich über die 365 AG, weil nach der Kündigung der Stromanbieter seinerseits das Lastschriftmandat widerruft. Durch die nicht mehr automatisch erfolgenden Abbuchungen sind dann einige Verbraucher in Zahlungsrückstand geraten, was weitere Kosten nach sich ziehen kann. Über Fuxx Sparenergie und von der 365 AG wird in letzter Zeit zudem berichtet, dass von Verbrauchern, die beispielsweise aufgrund eines Umzugs den Stromanbieter gekündigt haben, ein Nichterfüllungsschaden eingefordert wird.

Nach Auffassung des Autors sind viele Verbraucherbeschwerden begründet und die betroffenen Verbraucher haben mit Unterstützung beispielsweise durch den Bund der Energieverbraucher e.V. gute Chancen, ihre Rechte durchzusetzen.

3046 Top 10 Stromanbieter mit den häufigsten Beschwerden auf Reclabox

Die Beschwerden der Verbraucher wurden sechs Beschwerdekategorien zugeordnet. Häufig beinhalten die Verbraucherbeschwerden auf Reclabox mehrere Beschwerdegründe. Deshalb war eine eindeutige Zuordnung nicht immer möglich. In diesen Fällen wurden die Beschwerden dem vorrangigen Beschwerdegrund zugeordnet.

Auffällige Stromanbieter

Die Auswertung zeigt, dass sich die meisten Beschwerden auf nur wenige Stromdiscounter konzentrieren. Über die weit überwiegende Anzahl der Stromanbieter gibt es kaum Beschwerden auf Reclabox. In den Medien wird insbesondere über ExtraEnergie, Care-Energy und 365 AG negativ berichtet. Recht unbekannt sind hingegen die erst seit wenigen Jahren aktiven Stromdiscounter Fuxx Sparenergie und BEV. Über diese beiden kleineren Stromanbieter haben sich weit mehr Verbraucher beschwert als über den Großkonzern E.on, der mehrere Millionen Haushalte mit Strom versorgt und wahrscheinlich insbesondere aufgrund seiner Größe in dieser Liste vertreten ist.

Der Vergleich zeigt, dass eine Auswertung über die Anzahl der Beschwerden pro 1.000 Kunden aussagekräftiger wäre, um die Seriosität von Stromanbietern vergleichen zu können. Dies scheitert jedoch daran, dass keine belastbaren Zahlen über die von den Versorgern belieferten Kunden vorliegen. Weitere Ungenauigkeiten ergeben sich auch daraus, dass die Stromanbieter teilweise auch Versicherungen oder Telefonie-Angebote vertreiben und Kunden sich auch darüber beschweren. Die obige Beschwerdestatistik spiegelt daher nicht ausschließlich Probleme mit dem Stromvertrag wieder.

Die Beschwerden unterscheiden sich zum Teil sehr stark zwischen den Stromdiscountern:

  • Bei ExtraEnergie und Fuxx Sparenergie kritisierte ungefähr jede zweite Verbraucherbeschwerde die verspätete Auszahlung von Guthaben und Boni.
  • Die Beschwerden gegenüber Care-Energy stehen hingegen fast ausschließlich mit der Insolvenz des Unternehmens im Jahr 2017 in Zusammenhang.
  • Gegenüber Stromio wurden insbesondere Preiserhöhungen (etwa ein Viertel der Beschwerden) und Probleme mit der Kündigung (etwa ein Drittel der Beschwerden) bemängelt.
  • Bei Primastrom und bei Voxenergie hat sich die Mehrzahl der Verbraucher über unerwünschte Vertragsabschlüsse per Telefon beschwert.
  • Enervatis gehört seit 2016 zur Bayerischen Energieversorgungsgesellschaft (BEV). In mehr als 70 Prozent der Fälle beschwerten sich Verbraucher über Verzögerungen bei der Erstellung der Stromrechnung sowie bei der Auszahlung von Guthaben und Boni.
  • Gegenüber der 365 AG beschwerten sich Verbraucher am häufigsten über verspätete oder falsche Stromrechnungen. In ungefähr einem Fünftel der Fälle wurden Preiserhöhungen bemängelt.
Fazit

Die Auswertung zeigt, dass sich die meisten Verbraucherbeschwerden auf nur wenige Stromdiscounter verteilen und dass die meisten Stromanbieter im Umkehrschluss wohl seriös arbeiten. Am häufigsten haben sich Verbraucher über nicht oder verspätet erfolgte Auszahlungen von Guthaben und Boni (32 %) beschwert, gefolgt von fehlerhaften Stromabrechnungen (15 %), Verspätungen bei der Stromabrechnung (12 %), Probleme mit der Kündigung des Vertrags (11 %) und Preiserhöhungen (10 %). In vielen Fällen waren die Beschwerden nach Auffassung des Verfassers begründet und die Verbraucher haben gute Chancen sich zu wehren.

Beim Wechsel des Stromanbieters sollten Verbraucher die Beschwerdestatistik berücksichtigen und Stromanbieter mit vielen Verbraucherbeschwerden meiden. Eine entsprechende Statistik wird mehrmals im Jahr auf www.verbraucherhilfe-stromanbieter.de aktualisiert.

letzte Änderung: 19.01.2018