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ED 04/14 Bürgerprotest: Beispiel Lübeck (S.18)

Anschlusswerte zu hoch

Abwärmenutzung

Gericht kippt Fernwärmezwang

Abwärmenutzung: Gericht kippt Fernwärmezwang

Von Louis-F. Stahl

(24. Juni 2022) Das Verwaltungsgericht Freiburg hat entschieden, dass eine Fern­wärmesatzung mit Anschluss- und Benutzungszwang nicht recht­mäßig ist, wenn sie ausschließlich Ausnahmen im Falle einer Eigenversorgung aus erneuerbaren Energien vorsieht (Az. 1 K 5140/18).

Neben der Nutzung erneuerbarer Energien müssen auch gleichwertige „Ersatzmaßnahmen“ wie Abwärmenutzungen, Kraft-Wärme-Kopplung und ganzheitliche Konzepte zur Energieeinsparung eine Ausnahme vom Anschluss- und Benutzungszwang begründen.

Geklagt hatte ein Supermarktbetreiber, der die Abwärme seiner Lebensmittelkühlanlagen mithilfe von Wärmepumpen nutzbar machen wollte. Der Supermarktbetreiber argumentierte, dass durch diese ohnehin anfallende Abwärme bereits mehr als 50 Prozent der Heizlast seines Supermarktes ­gedeckt und das ganzheitliche ­System zudem im Sommer zur Kühlung der Ladenfläche genutzt werden könne. Daher sei ein zusätzlicher Anschluss an das Fernwärmenetz ökologisch und technisch nicht sinnvoll. Dieser Argumentation folgten die Freiburger Verwaltungsrichter.

Die Deutsche Energie-Agentur (dena) geht davon aus, dass die Nutzung von derartigen Abwärmequellen 125 TWh sparen könnte.

Fernwärme

Recht auf Leistungsanpassung

Recht auf Leistungsanpassung

Von Louis-F. Stahl

(16. Juni 2022) Fernwärmekunden zahlen häufig einen erheblichen Teil ihrer Wärmekosten nicht für tatsächlich verbrauchte Energie pro Kilowattstunde, sondern als festen Leistungspreis für die ihnen zur Verfügung gestellte Anschlussleistung. Bisher hatten Verbraucher nur geringe Chancen, eine einmal vereinbarte Anschlussleistung und damit ihre Grundkosten zu reduzieren. Im Fall energetischer Modernisierungen wie Dämmmaßnahmen sanken die Heizkosten somit kaum – Energiesparen wurde nicht belohnt. Selbst bei Neubauten auf Niedrigenergie- oder Passivhausstandard wurden von Fernwärmeversorgern in vielen Fällen deutlich überhöhte Anschlussleistungen festgelegt oder durch Vereinbarungen zwischen Versorger und Bauträger den künftigen Eigenheimbesitzern aufoktroyiert – Verbraucher waren dem bisher rechtlos ausgeliefert. Die Energiedepesche berichtete über diesen Missstand in den beiden vorangegangenen Ausgaben („Rechtlose Fernwärmekunden“ sowie „Preispoker bei Fernwärmeverträgen“).

507 Druckmesser Durchleitung / Foto: OlegDoroshin / stock.adobe.com

Das Bundeswirtschaftsministerium, in dessen Verantwortungsbereich die „Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme“ (AVBFernwärmeV) fällt, hat die Regelung zur Anpassung der Anschlussleistung in § 3 AVBFernwärmeV nach unserer Berichterstattung überraschend korrigiert. Energieverbraucher haben nunmehr das Recht, ohne Angabe von Gründen eine kurzfristige Anpassung der Anschlussleistung um bis zu 50 Prozent zu verlangen. Versorger sind verpflichtet, eine solche Anpassung mit einer Frist von nur vier Wochen zum Ende eines Kalendermonats umzusetzen.

Der Bund der Energieverbraucher begrüßt die neu geschaffene Möglichkeit zur Anpassung der Anschlussleistung auf den tatsächlichen Bedarf. Nah- und Fernwärmekunden rät der Verein, sich vor einem Anpassungsverlangen eine Heizlastberechnung erstellen zu lassen, damit eine sachgerechte Anpassung verlangt wird. Entsprechende Berechnungen erstellen beispielsweise Energieberater. Auch Mieter von mit Nah- oder Fernwärme versorgten Mehrfamilienhäusern können von der neuen Regelung profitieren. Vermieter sind auf Grundlage von § 556 BGB verpflichtet, wirtschaftlich und damit im Interesse ihrer Mieter zu handeln. Mietern rät der Verein daher, ihren Vermieter aufzufordern, eine Anpassung der Anschlussleistung zu prüfen oder darzulegen, warum die aktuell bezahlte Anschlussleistung angemessen ist.

OLG Köln

Rechtlose Fernwärmekunden

OLG Köln: Rechtlose Fernwärmekunden

Von Leonora Holling

(31. August 2021) Eine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 10. März 2021 stärkt die Rechte von Fernwärmekunden. Der BGH bestätigt in seiner Entscheidung, dass für Verbraucher auch im Fernwärmebereich ein umfassender Preisprotest zulässig ist (Az. VIII ZR 200/18). Dieser berechtigt zur Verweigerung überhöhter Entgelte und zu Rückforderungen überhöhter Preise. Diese Entscheidung hilft jedoch nur bei Altverträgen und nicht bei neueren Verträgen aus den letzten Jahren. Die Fernwärmeunternehmen haben ihre jüngeren Verträge so angepasst, dass diese juristisch nicht mehr einfach angreifbar sind und selbst exorbitante Preise Bestand haben können.

Jüngstes Beispiel für eine solche Kostenfalle war Gegenstand eines Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Köln (OLG). Mit Urteil vom 11. Juni 2021 hat das OLG den klagenden Verbrauchern nunmehr leider letztinstanzlich nicht umfassend Recht gegeben (Az. 19 U 117/20). Vorliegend ging es darum, dass die Verbraucher beanstandeten, die für ihr Passivhaus vorgesehene Anschlussleistung an das Fernwärmenetz sei ganz erheblich überdimensioniert. Das OLG entschied, dass eine Anpassung einer bestehenden Anschlussleistung nur dann möglich sei, wenn die Verbraucher ihren Bedarf selbst mit regenerativen Energien decken wollen. Dieses Recht ergibt sich aus § 3 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Fernwärme (AVBFernwärmeV). Dies sei bei einer bloßen Überdimensionierung der Anschlussleistung von vornherein jedoch nicht einschlägig. Soweit im Fernwärmevertrag eine Anschlussleistung vereinbart ist, bleibe diese verbindlich und sei zu bezahlen. Auch dann, wenn die Leistung nicht benötigt wird oder für das Gebäude unangemessen hoch ist. Einen Anspruch die Leistung und damit die Kosten auf den tatsächlichen Bedarf zu korrigieren, habe der Verbraucher nicht. Das Fernwärmeunternehmen habe auch keine Pflicht, die benötigte Anschlussleistung vor Vertragsunterzeichnung selbst zu ermitteln. Hier meint das OLG, dass die Angaben des Bauunternehmers zum voraussichtlichen Bedarf eines Gebäudes ausreichen. Selbst dann, wenn diese fehlerhaft seien. Geht man vom tatsächlichen Bedarf im streitgegenständlichen Fall aus, so kostet die Überdimensionierung die betroffenen Hausbesitzer doppelt so viel, wie in der Realität tatsächlich erforderlich wäre. Bei Vertragslaufzeiten von bis zu zehn Jahren ein teurer Fehler! Besonders im Bereich von Neubauten sind Verbraucher deshalb gut beraten, potenzielle Bau- und Fernwärmeverträge vorab durch Verbraucherschützer auf Kostenfallen prüfen zu lassen.

Fernwärmestreit vor Gericht

Von Leonora Holling

(17. Januar 2020) Fernwärme ist ein Energieträger, der die Energiewende voranbringen könnte. Allerdings gerät die Fernwärme seit Jahren zunehmend wegen überhöhter Preise einzelner Versorger in die Schlagzeilen. So auch in Leverkusen, wo in einem Neubaugebiet besonders sparsame Einfamilienhäuser errichtet wurden, die aufgrund eines Rahmenvertrages zwischen dem Bauträger und dem örtlichen Energieversorger mittels Nahwärme versorgt werden. Für die Hauskäufer erschien dies auch kein Pferdefuß zu sein: Die seitens des Versorgers vor Vertragsschluss mitgeteilten Anschluss- und Arbeitspreise waren nur wenig teurer als eine vergleichbare Erdgas-Brennwertheizung.

507 Neubaugebiet mit Fernwärme / Foto: Countrypixel / stock.adobe.com

Nach dem Bezug der Häuser traf es die Bewohner der Neubausiedlung jedoch wie ein Schlag: Die tatsächlichen Kosten der Versorgung überstiegen die erwarteten Summen um mehr als das Doppelte. Wie sich herausstellte, berechnete der Versorger den Anschlusswert nicht nach dem tatsächlichen Wärmebedarf der Effizienzhäuser, sondern pauschal mit einer Anschlussleistung von 8 kW. Der Einwand der Hausbewohner, dass dieser hohe Anschlusswert für die Sparhäuser vollkommen überdimensioniert ist, interessierte den Versorger nicht. Der Versorger bestand auf die Zahlung der überhöhten Rechnungen.

Der Bund der Energieverbraucher unterstützt eine Klage von betroffenen Verbrauchern, die den örtlichen Wärmemonopolisten zur Korrektur der überhöhten Anschlusswerte sowie zur Berechnung von angemessenen Preisen für die Wärme zwingen wollen. Das Verfahren ist beim Landgericht Köln anhängig (Az. 26 O 169/19). In der mündlichen Verhandlung am 4. November 2019 erschien neben dem Energieversorger auch der Vertreter des Bauträgers, dem der Versorger seinerseits den Streit verkündet hatte. Denn der Versorger behauptet, der Bauträger habe den Anschlusswert von 8 kW angefordert und er selbst trage keine Schuld an der zu hohen Anschlussleistung und Netzdimensionierung. Der Bauträger wiederum verwies darauf, dass die Angabe der pauschalen 8 kW den Versorger nicht von seiner Verpflichtung freigestellt hätte, den Anschlusswert im Einzelfall auf Plausibilität zu prüfen.

Den Kaufinteressenten war jedoch vorab nicht bekannt, dass pauschal 8 kW Anschlussleistung vorgegeben werden. Im Rahmen des Abschlusses des Hauskaufvertrages wurde vom Bauträger keine Anschlussleistung mitgeteilt. Die Hauskäufer wurden lediglich darüber informiert, dass die Ermittlung der benötigten Anschlussleistung seitens des Versorgers erfolge.

Anfang Dezember wird das Landgericht Köln mitteilen, wie es weiter in diesem Rechtsstreit verfahren will. Sollten Sie als Mitglied im Bund der Energieverbraucher ebenfalls von überhöhten Fernwärme-Anschlusswerten betroffen sein, können Sie sich an den Verein wenden.

Fernwärme: Recht auf Senkung?

Hinweise des Landgericht Kölns zur Senkung des Anschlusswertes

Recht auf Senkung?

(9. Januar 2016) Das Landgericht Köln hat in einem Beschluss (Az. 9 S 14/15 vom 10. Februar 2015) ein Urteil des Amtsgerichts Bergisch-Gladbach bestätigt. Der Verbraucher hatte einen Kamin­ofen angeschafft und ein Fenster erneuert sowie die Kellerwände isoliert. Er klagte vor Gericht auf eine Senkung seines Anschlusswertes von vorher 23 kW auf vier Kilowatt. Obwohl das Gericht diesen Anspruch im Ergebnis verneinte, gibt doch die Begründung dieser Ablehnung einige Hinweise darauf, wie in anderen Fällen erfolgreicher vorgegangen werden kann.

  1. Kündigen Sie Ihren Fernwärmevertrag sofort und schriftlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Oft laufen die Verträge sehr lange und verlängern sich automatisch, wenn sie nicht gekündigt werden. Denn ein Vertragsende eröffnet Ihnen eine Verhandlungsmöglichkeit, auch wenn Sie praktisch keine andere Wahl haben, als sich weiter von dem bisherigen Versorger beliefern zu lassen. Dennoch können Sie vor dem Abschluss eines neuen Vertrags eine Herabsetzung des Anschlusswertes verlangen. Das Landgericht Köln dazu: „Wärmedämmmaßnahmen ermöglichen nach Ablauf des Vertrags eine Neuverhandlung des Wärmeanschlusswertes auf der Basis des durch die energetischen Maßnahmen verminderten Wärmebedarfs. Bis dahin ist den Klägern ein Festhalten am Vertrag nicht unzumutbar“. Im Umkehrschluss sagt das Gericht damit: Nach Vertragsende ist eine Absenkung des Anschlusswertes durch den Versorger durchaus nicht unzumutbar, wenn es dafür nachvollziehbare Gründe gibt.
  2. Derzeit kündigen zahlreiche Fernwärmeversorger flächen­deckend die alten Verträge, um neue Preise und neue Preisanpassungsklauseln durchzusetzen. Nutzen Sie als Betroffener eine solche Kündigung auf jeden Fall, um eine eventuell sinnvolle Senkung des Anschlusswertes durchzusetzen.
  3. Legen Sie eine nachvollziehbare Heizlastberechnung (nach DIN 12831) vor, die belegt, um welchen Betrag sich der Wärmebedarf durch Sanierungsmaßnahmen verringert hat und welchen Wärmebedarf das Gebäude derzeit aufweist. Im dem vom Gericht verhandelten Fall war der vom Verbraucher verlangte neue Wärmeanschlusswert weder plausibel noch nachvollziehbar dargelegt worden.
  4. Viele Versorger reduzieren die Wärmeanschlusswerte problemlos, wenn ein nachvollziehbar dargelegtes Verlangen des Verbrauchers vorliegt.

Fazit: Einen rechtlichen Anspruch auf eine Verringerung ihrer Anschlussleistung im laufenden Vertrag haben Sie auf Grund der derzeitigen Gesetzeslage nicht. Wenn Sie Ihr Begehren aber gut begründen oder notfalls kündigen und bis zum Vertragsende abwarten, dann haben Sie gute Chancen, ihren Anspruch selbst in einer gerichtlichen Auseinandersetzung durchzusetzen. Prüfen Sie Ihren Fernwärme-Anschlusswert. Wenn er deutlich zu hoch ist, dann verlangen Sie eine Herabsetzung. Weigert sich der Versorger, dann sollten Sie auch vor einer Kündigung und gerichtlichen Durchsetzung nicht zurückschrecken, vorzugsweise wenn Sie durch eine Rechtsschutzversicherung geschützt sind oder in den Prozesskostenfonds vom Bund der Energieverbraucher einzahlen.

Höchstpreise bei Heizkosten

Die Tricks der Fernwärmeerzeuger

Höchstpreise bei Heizkosten: Die Tricks der Fernwärmeerzeuger

Fernwärmekunden können sich über ihre überhöhten Heizkosten oft nur wundern. Mit welchen Tricks die Fernwämeerzeuger die Rechungen in die Höhe getrieben haben und immer noch treiben, zeigt der folgende Beitrag*.

(28. Mai 2004)

Elisabeth Fiedler, 79 Jahre alt, schwerbehindert:

Seit dreißig Jahren wohnt sie in Hamburg-Eppendorf. Jetzt weiß sie nicht mehr Ein noch Aus - die letzte Heizkostenabrechnung hat sie um den Schlaf gebracht. 1000 Mark soll sie nachzahlen für das letzte Jahr. Dabei zahlte sie bereits Monat für Monat 300 Mark im Voraus.

O-Ton Elisabeth Fiedler:

"Das kann ich mir überhaupt nicht erklären. Das geht doch jetzt das ganze Jahr hindurch. Und ich habe doch nur ein paar Monate geheizt. Ich habe doch auch nicht so viel geheizt. Ich bin gar nicht so für überheizte Räume. Ich bitte Sie, ich kann doch nicht solche Rechnungen kriegen."

Frau Fiedlers Wohnung wird mit Fernwärme beheizt. Fernwärme ist eine besonders ökologische Heizenergie. Sie wird vorrangig aus der Abwärme von Strom-Kraftwerken gewonnen. Die hohen Öl- und Gaspreise haben auf die Fernwärme keinen Einfluss. Umso erstaunlicher ist der enorme Fernwärmepreis von Frau Fiedler.
Jedoch: absolut kein Einzelfall.

Die Arbeitsgruppe Energie in München hat Fernwärme-Heizkostenabrechnungen in vielen deutschen Großstädten überprüft. Sie fand unzählige Fälle, bei denen trotz sparsamen Verbrauchs irrsinnig hohe Heizkosten entstanden:

O-Ton Johannes D. Hengstenberg, Arbeitsgruppe Energie:

"Wir haben fernwärmebeheizte Gebäude untersucht - bundesweit viele tausend Stück - und haben festgestellt, dass es massive Überzahlungen gibt - Überzahlungen, die wir bundesweit auf über eine halbe Milliarde Mark schätzen. In Hamburg zum Beispiel dreißig Millionen Mark im Jahr, in München vierzig Millionen. Für die einzelnen Wohnungen bedeutet das Überzahlungen von drei-, vierhundert, sechshundert Mark pro Jahr."

Oder noch vielmehr. Auch für die Wohnung von Elisabeth Fiedler hat die Arbeitsgruppe-Energie jetzt ein Gutachten erstellt. Ergebnis: Frau Fiedler zahlt 1500 Mark zuviel im Jahr. Sie kann es nicht fassen.

O-Ton Elisabeth Fiedler:

"Wie Menschen das fertigbekommen, eine so hohe Überzahlung zu fordern. Das kann ich einfach nicht begreifen, wie man Mieter so ausnutzen kann."

Trotz geringen Verbrauchs unglaublich hohe Heizkosten

Trotz geringen Verbrauchs unglaublich hohe Heizkosten?. Der Grund liegt in der Abrechnungsweise der Energieversorger.

Die meisten Energieversorger teilen den Fernwärmepreis in einen Leistungspreis und einen Arbeitspreis auf. Den Leistungspreis zahlt man für die Bereitstellung der Wärme. Er ist eine Art Grundgebühr . Mit dem Arbeitspreis dagegen bezahlt man den tatsächlichen Verbrauch.

In Hamburg ein krasses Misverhältnis: Hier beträgt der Leistungspreis 66 Prozent des Gesamt-Preises. Der tatsächliche Verbrauch geht nur zu 34 Prozent in die Rechnung ein.

Elisabeth Fiedler heizt kaum, kontrolliert genau ihren Verbrauch. Doch selbst wenn sie überhaupt nicht heizen würde, müsste sie Monat für Monat 200 Mark Grundgebühr bezahlen - eben den hohen Leistungspreis.

Dieser Leistungspreis - die Grundgebühr - ergibt sich aus dem Wärmebedarf eines Gebäudes. Doch der Wärmebedarf wird von den Energieversorgern meistens viel zu hoch eingeschätzt. Viel zuviel Energie - die die Mieter gar nicht nutzen - wird sinnlos in die Häuser gepumpt.

O-Ton Johannes D. Hengstenberg, Arbeitsgruppe Energie:

"Diese Überzahlungen resultieren aus einer Fehleinschätzung des Wärmebedarfs der Gebäude. Diese Überzahlungen betragen für ein einzelnes Gebäude 10, 20, 30 000 Mark und werden auch über Jahre hinweg nicht korrigiert."

Der Leistungspreis, der vom Mieter bezahlt werden muss, würde für sibirische Winter reichen. So zahlt man jahrelang für etwas, das man gar nicht braucht. Die Energieversorger wissen das ganz genau.

O-Ton Johannes D. Hengstenberg, Arbeitsgruppe Energie:

"Die Energieversorger sind die Profis, und die sehen sehr wohl , wann ein Hauseigentümer zuviel Leistung bestellt hat. Das sehen sie vor allem am überhöhten Preis. Und sie könnten das korrigieren, tun dies aber nicht."

Beispiel: ein Mietshaus in Hamburg-Eppendorf. Hier zahlen die Mieter pro Quadratmeter im Jahr 24 Mark 52 Heizkosten. Zum Vergleich: Ein Mietshaus in Hamburg-Barmbeck, gleich groß, gleicher Verbrauch. Die Heizkosten hier: nur 18 Mark 28 pro Quadratmeter - 25 Prozent weniger. Denn hier ist der Wärmebedarf korrekt eingestellt.

Die Korrektur des Leistungspreises ist sehr einfach. Die Hausverwaltung muss nur den Energieversorger auffordern, den Wärmebedarf zu überprüfen. Ist er zu hoch, dreht ein Monteur einfach an der Schraube des Heißwasserdurchflusses und schon ist der Wärmebedarf reduziert und optimal angepasst.

Die Hausverwaltungen machen das Spiel mit

Jedoch: Die Hausverwaltungen oder Eigentümer melden sich nur selten bei den Energieversorgern. Sie wissen gar nicht, dass man den Wärmebedarf reduzieren kann, und: Sie müssen die Heizkosten schließlich nicht bezahlen, sondern die Mieter.

Elisabeth Fiedler hat mehrfach ihre Hausverwaltung HIH Johannes Reese angerufen, ist sogar hingefahren, doch geholfen hat man ihr nicht.

O-Ton Elisabeth Fiedler:

"Ich habe im Gegenteil so das Gefühl, als ob es sie stört, wenn ich mal frage und dass ich froh sein könnte, hier wohnen zu dürfen. Und was ich denn für Beschwerden hätte, das könnten sie nicht verstehen."

Schlimmer noch: Die Hausverwaltungen werden in der Regel prozentual nach den Brutto-Warmmieten entlohnt. Je höher die Miete inklusive der Heizkosten ist, desto höher ist der Verdienst der Hausverwaltung.

Ein Skandal meint der Chef des Deutschen Mieterbunds, Franz Georg Rips, dass die Hausverwaltungen an den hohen Heizkosten kräftig mitverdienen dürfen.

O-Ton Franz-Georg Rips, Deutscher Mieterbund:

"Das ist ein absolutes Unding. Es müsste ja eigentlich genau umgekehrt sein. Eine erfolgreiche Hausverwaltung, also mit möglichst wenig Bewirtschaftungskosten, müsste belohnt werden. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn man schlampt, wenn man hohe Kosten produziert, wird man wirtschaftlich dafür noch belohnt. Das kann natürlich nicht richtig sein."

Die Hausverwaltung HIH-Johannes Reese hat "Kontraste" gegenüber ein Interview abgelehnt - aus Zeitgründen, wie es hieß.

Hauptproblem sind aber die Energiekonzerne mit ihrer mieterunfreundlichen Preisgestaltung. Die Hamburger Elektrizitätswerke rechtfertigen die extrem hohe Grundgebühr - den Leistungspreis - mit angeblich hohen Investitionen in die Fernwärme.

O-Ton Mario Spitzmüller, Hamburgische Electricitätswerke:

"Diese Investitionen für ein Leitungsnetz, für die Übergabestation, für die Kundenanlagen. Wir haben mehr Personalaufwand als zum Beispiel für Gas oder Strom. All das schlägt sich in einem Grundpreis nieder. Das ist damit gerechtfertigt."

Nach ein paar warmen Wintern wären die Energieversorger ohne Grundgebühr pleite, sagen sie. Denn: Die Kosten für das teure Netz würden auch anfallen, wenn keine Fernwärme verbraucht würde. So wird laufend Wärme ins Netz gepumpt. Die Mieter müssen zahlen, ohne sie abzunehmen. Blanker Unfug: Es geht auch anders.

Beispiel Kiel: Es geht auch anders

Die Stadt Kiel. Dort gibt es seit Jahren nur einen Verbrauchspreis. Der Kunde zahlt, was er wirklich verbraucht, nicht mehr. Pleite sind die Stadtwerke deswegen nicht - im Gegenteil.

O-Ton Eckhardt Sauerbaum, Kieler Stadtwerke:

"Die Ergebnisse der letzten Jahre widerlegen diese Vorwürfe. Wir haben eigentlich immer nur milde Winter gehabt und unsere Jahresergebnisse in der Fernwärme haben sich von Jahr zu Jahr nicht verschlechtert, sondern verbessert."

Modernes Energiemanagement mit neuester Technik. Die Kieler produzieren nur das, was wirklich abgenommen wird. Und nur das müssen die Kieler Mieter bezahlen.

Frage Autor: "Warum können das die Kieler, warum können das die HEW nicht?"

Mario Spitzmüller, Hamburgische Electricitätswerke: -----,,----- (Schweigen)

Die Preise sprechen für sich: Im Vergleich zu den Hamburger Mietshäusern beträgt der Preis für ein ähnliches Kieler Haus im Jahr nur 10 Mark 99 pro Quadratmeter - rund die Hälfte der Hamburger Preise.

Elisabeth Fiedler in Hamburg wird erdrückt von den drastisch überhöhten Fernwärmerechnungen.

O-Ton Elisabeth Fiedler:

"Also der Heizkosten wegen müsste ich überhaupt sagen, ich bin pleite. Aber ich versuche zu überleben. Ich habe meine Heizung noch mehr reduziert und ich spare ein , wo ich kann und ich spare jede Mark, um keine Schulden zu machen und es ist manchmal wirklich an der Grenze der Verzweifelung."

Ein unheilvolles Zusammenwirken von Energieversorgern und Hausverwaltungen. Die Dummen sind die Mieter, die die Zeche zahlen müssen, ob sie können oder nicht.

* Skript einer ARD-"Kontraste"-Sendung.

letzte Änderung: 24.06.2022