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Archiv Ökosex 2011

Beiträge aus dem Jahr 2011 der Kolumne "Ökosex" verfasst von Martin Unfried

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Zu den aktuellen Beiträgen

Chinesen, Amerikaner und künftige Generationen

Warum meine Tochter anscheinend mehr Ahnung hat von internationaler Klimapolitik als ich

Chinesen, Amerikaner und künftige Generationen

Warum meine Tochter anscheinend mehr Ahnung hat von internationaler Klimapolitik als ich

(08. Dezember 2011) Oh Gott, bin ich alt! Dachte ich heute Morgen, da mir einfiel, wie unsäglich lange ich mich schon mit Klimaschutz beschäftige. Als ich in der Zeitung die Worte Durban und Klima las, fiel mir ein, ich war doch tatsächlich bereits im Jahre 1995 in Berlin bei einem Klimagipfel. 1995! Das war vor 16 Jahren und extrem spannend mit den ganzen internationalen Delegationen. Damals lebte die künftige Generation noch gar nicht, von der wir immer sprachen und deren Lebensgrundlage es zu schützen galt. Heute wohnt diese als pubertierende Vegetarier und Biobaumwollfreunde in meinem Haus.

Meine Tochter hat in dieser Woche ein Referat zum Thema gehalten. Wie selbstverständlich geht sie davon aus, dass wir den Klimawandel nicht mehr aufhalten können. Sie hat einfach nachgelesen, dass auf internationalen Konferenzen nicht genug rauskomme und hat mir erzählt, dass Länder wie die USA und China sowieso nicht bereit seien, sich auf konkrete Ziele einzulassen. Ich war ein bisschen geschockt, nuschelte aber kleinlaut, das könne man so sagen. Meine Tochter wusste auch, was das echte Problem sei: Staaten mit billiger Kohle hätten wenig Interesse, diese im Boden liegen zu lassen. Okay, auch da sei was dran, murmelte ich defensiv. Meine Tochter wies dann noch auf das unveränderte, weltweite Wachstumsmodell hin.

Ich muss bekennen, meine Tochter schätzt die Lage etwas realistischer ein, als ich das lange Zeit getan habe. Ich dachte die ganzen Jahre nach 1995, da könnte doch international ein Durchbruch gelingen. 1995 beispielsweise sprachen viele vom großen Verhandlungserfolg. Angela Merkel, damals deutsche Umweltministerin, wurde für ihre intelligente Verhandlungsführung gelobt, und für ein "Berliner Mandat" als wichtigen Schritt in Richtung Kyoto. Heute wissen wir: Ein kleiner Schritt für Merkel, aber ein großer Witz für die Menschheit.

Meine Tochter analysierte trocken: das Kyoto-Protokoll mit seinen lauwarmen Verpflichtungen für lediglich 37 Staaten war natürlich nicht genug. Die repräsentieren lediglich 30% der weltweiten Emissionen. China und die USA dagegen 45%. So findet meine Tochter es nicht weiter erstaunlich, dass die weltweiten Emissionen heftig gestiegen sind, seit ich damals in Berlin war. Exorbitant gestiegen. Seit 2002 habe China die Emissionen verdoppelt. Und auch bei den Europäern habe sich eines nicht grundsätzlich geändert: "Wir emittieren immer noch pro Kopf fast das 10fache dessen, was klimaverträglich ist", meinte meine Tochter kühl. Da konterte ich aber mit den tollen Zielen der EU in Sachen "low carbon economy": 80-90% weniger Emissionen bis 2050! Das werde dann echt so eine Art Nirvana der Erneuerbaren Energien! Meine Tochter lächelte mitleidig, war aber nicht wirklich überzeugt.

Eigentlich schlimm, denn es ist ihre Zukunft. Im Jahr 2050 wird sie 52 sein, ich wahrscheinlich nicht mehr Rennrad fahren. Idiotischer Weise bleibe ich ein verbissen optimistischer Vater. Ich sagte, aus Durban höre man gerade, dass die Chinesen sich doch bewegen würden. Ja, die hätten doch zum ersten Mal in Aussicht gestellt, ab 2020 vielleicht, womöglich, eventuell, unter Umständen, CO2-Ziele zu akzeptieren! Und dann, fügte ich verzweifelt hinzu, müssten sich die Amerikaner doch auch bewegen! Gut. Meine Tochter weiß jetzt zumindest, dass ich von internationaler Klimapolitik keine Ahnung habe.

Im Showbizz der Nachhaltigkeit

Warum Preisverleihungen und Galas der Nachhaltigkeit wichtig sind, auch wenn manchmal das komische Gaga-Gefühl bleibt

Im Showbizz der Nachhaltigkeit

Warum Preisverleihungen und Galas der Nachhaltigkeit wichtig sind, auch wenn manchmal das komische Gaga-Gefühl bleibt

(21. November 2011) Letzte Woche war Showtime: gleich drei Preisverleihungen in Sachen grünes Leben und Nachhaltigkeit. Eurosolar vergab nämlich den deutschen Solarpreis in Saarbrücken. Das ist der tollste deutsche Preis. Das sage ich aber nur deshalb, weil ich den selbst mal gekriegt habe. Der Showbizz-Faktor ist allerdings minimal. Wer sich für die Pioniere im Bereich Erneuerbare interessiert, kann hier mal vorbeischauen (www.eurosolar.de | Solarpreise) und findet wieder tolle Mutmacher.

Ebenso wichtig natürlich der Utopia Award. Leider konnte ich nicht in Berlin dabei sein, was aber nicht bedeutet, ich wüsste nicht genau, was dort so alles verliehen wurde. Ich habe mir das natürlich in Maastricht im Webstream angeschaut. Großes Kino: wie mein Bruder beispielsweise eine Laudatio gehalten hat und sich Hannes Jaenicke ganz cool via Schalte auf dem Flughafen bedankte. Seien wir ehrlich: mein großer Bruder sieht zwar besser aus, aber Hannes ist wahrscheinlich doch der größere Öko. Das war jetzt Spaß.

Besonders gefreut habe ich mich über den Publikumspreis für die Weltläden. Die Utopia Gemeinde wünscht sich glaube ich mehr Jaenickes im Weltladen, das ist für mich die spannende Mischung zwischen cool kämpferisch und gediegen beharrlich. Das zeigt auch, dass die künstliche Aufteilung der Welt in schrecklich moralische „Altökos und Gutmenschen“ versus unpolitische „Lohas und Konsumjunkies“ nichts mehr hergibt. Die Szene ist ein bisschen gemischter geworden und das ist super. Früher war es nämlich einfacher zu bestimmen, wer Freund und Feind ist. Ehrlich gesagt, muss ich mich immer noch daran gewöhnen, dass Telekom und Otto beispielsweise die Utopia Award Sponsoren sind und Philips einen Produktpreis kriegt.

Dabei verkörpert der von Utopia prämierte Energiesparfernseher Philips 55 PFL 6606 sehr schön das Dilemma der Nachhaltigkeit. Ich habe nämlich daheim noch ein Röhrenmonster mit einem ausgezeichneten Bild. Das braucht natürlich mehr Strom als der prämierte Philips, könnte allerdings noch 10 Jahre laufen.

Der gesellschaftliche Druck in Sachen digitale Flatscreens wird aber immer unerträglicher. Unser Kabelprovider hat schon einige analoge Sender abgestellt. Das ist unverschämte Nötigung in Sachen digitales Fernsehen. Will sagen: natürlich ist das kommerziell gesteuerte Verschrotten von Millionen funktionierender Fernseher Quatsch und ein Zeichen für eine perverse Wegwerfgesellschaft. Das heißt aber noch lange nicht, dass der 55 PFL 6606 nicht eine tolle Kiste ist und einen Preis verdient. Genau diese Spannung gilt es leider auszuhalten, wenn man sich auf grüne Preisverleihungen einlässt.

Wobei wir wieder bei der alten Frage wären, ob es das richtige, grüne Leben im falschen kapitalistischen Film gibt. Bei der noblen deutschen Nachhaltigkeitsgala am Freitag in Düsseldorf war dies wohl noch schwerer zu sagen. Der Preisträgerin Sina Trinkwalder sah ich das Unbehagen sogar im Webstream an. Die Modeunternehmerin von Manomama wurde dort vom deutschen Nachhaltigkeitsrat zum „social entrepreneur“ der Nachhaltigkeit geschlagen, und vermittelte den Eindruck, dass Sie die Veranstaltung ziemlich daneben fand.

Diese lächerliche Smokingverkleidung, die ministerielle Umarmung durch Herrn Pofalla und Frau Aigner und die Kuscheltour mit Unternehmen wie Siemens. Deshalb hatte Sina Trinkwalder am Tag ihrer Preisverleihung einen wütenden Artikel in der taz gegen Greenwashing veröffentlicht (www.taz.de/!81178/). Es gehe eben nicht nur oberflächlich um das Austauschen von Produkten, sondern um die gesamte Frage der Bedingungen der Produktion weltweit. Also zähle auch die ferne Umweltzerstörung, das globale Sozialdumping und die strukturelle Ausbeutung. Mit dieser Haltung kuschelt es sich tatsächlich nicht so toll mit globalen Unternehmen wie Siemens, das am Freitag eben auch einen deutschen Nachhaltigkeitspreis bekommen hatte.

Keine Sorge, den bekamen auch glaubwürdigere Unternehmen wie die Drogeriemarktkette dm. In einem kann ich Sina nicht zustimmen. Sie meint nämlich, es gäbe eine klar zu bestimmende Linie zwischen Ehrlichkeit und Fake in Sachen Nachhaltigkeit und beschwört ein höheres Gutes. Ich fürchte, die Grenzen sind leider nicht immer so einfach zu erkunden.

Interessanterweise dämmerte dies auch Peter Maffay, der prämiert wurde für seine Stiftung. Der gab auf offener Bühne zu, er habe am Anfang gedacht, er sei auf der falschen Veranstaltung und war dann doch überrascht über die Ernsthaftigkeit trotz Smoking. Aber so grenzwertig muss nachhaltiges Shobizz sein. Immer hart an der Grenze zu Gaga und Greenwashing. Hannes Jaenicke, der auch da war, hat nur gelächelt. Noch süffisanter also sonst.

Lang lebe der solare Eigenstrom!

Warum gerade die Photovoltaik manche Bürger irritiert, ihnen aber die größte Macht in Sachen Energiewende beschert

Lang lebe der solare Eigenstrom!

Warum gerade die Photovoltaik manche Bürger irritiert, ihnen aber die größte Macht in Sachen Energiewende beschert

(02. November 2011) Ich kenne viele engagierte Freunde der Ökologie und der Energiewende, die in einem Punkt seit Jahren ein Problem haben. Die Sonne scheine, so meinen sie doch, in Spanien länger als in Deutschland. Also bleibe Fotovoltaik doch ein teures Hobby. Sie liegen mir in den Ohren mit der Klage, dass durch die hohen Kosten des Sonnenstroms die ganze Akzeptanz der Energiewende gefährdet sei.

Und überhaupt, sei das alles gar nicht sozial. Da müssten doch die armen Haushalte in Gelsenkirchen mit ihren hohen Strompreisen für den schwäbischen Zahnarzt und dessen Fotovoltaik bluten. Dahinter steckt einiges, beispielsweise das Missverständnis, die EEG Umlage von heute 3.5 Cent (die mit der festen Einspeisevergütung der Erneuerbaren zu tun hat), müsse man nur mit dem Verbrauch an Kilowattstunden eines Haushalts multiplizieren und schon könne man sagen, was wir für die Erneuerbaren mehr bezahlen.

Das aber ist nicht so, denn der Strompreis zuhause hängt noch an anderen Faktoren, beispielsweise am Börsenpreis und an der Preispolitik der Konzerne. Die meisten Journalisten, die in diesen Tagen wieder über die neu berechnete EEG Umlage berichten (die mehr oder weniger stabil bleibt), verstehen das nicht und hauen wieder auf die PV als vermutlichen Preistreiber ein. Sie und viele andere haben die Bürgerfreundlichkeit dieser Technik nicht erkannt.

Zur Anregung hier ein Vergleich: Als IBM am Anfang des Computerzeitalters die Chance hatte, die Garagenfirma Microsoft zu kaufen, schlug man nicht zu. Waren die blöd! Werden sie heute sagen. Natürlich waren die Experten damals nicht blöd bei IBM, es mangelte nur an Fantasie. Der Computerriese baute nämlich zentrale Rechner, die wiederum mit anderen riesigen, zentralen Rechnern vernetzt waren.

Was fehlte, war die Fähigkeit über den eigenen Tellerrand zu denken. Man hielt es für abwegig, dass private Haushalte massenweise Rechner kaufen wollten. Tatsächlich hatten vor der Ankunft der Comodores und Ataris Privatleute wenig Interesse gezeigt, an Rechenmaschinen jenseits des Taschenrechners. Aus heutiger Perspektive natürlich absurd, wo vom Smartphone zur Kaffeemaschine alles über das Netz vernetzt ist. Wir würden allerdings niemals heute mit unserem Laptop einen Espresso schlürfen, wenn schlaue Volkswirte die Laptoppreise von 1990 mit denen von Großrechnern verglichen hätten, um dann zu sagen, dass die Rechnerleistung 100mal so viel koste und Laptops deshalb keine Option seien. Wir haben gesehen, wie bei Massenfertigung Preise purzeln. Und überhaupt wissen wir heute, dass es bei Computern nicht nur um den Kostenvergleich geht. Der eigene Computer und die intelligente Vernetzung ist ein Wert an sich und verändert alles.

Nun ähnelt die Fehleinschätzung von IBM der Fehleinschätzung des Mainstreams im Bereich der Energieversorgung in Sachen Fotovoltaik. Aber hier wurden lange Jahre die Preise einer am Anfang stehenden Technik mit denen abgeschriebener Kohle- und Atomkraftwerke verglichen. Mehr noch als Wind, der in seiner Offshore-Variante ja auch sehr zentral gedacht werden konnte, fiel die Fotovoltaik viele Jahre lang völlig aus den Rahmen herkömmlichen Mainstreamdenkens.

Es brauchte ebenso viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass Privatleute ein Interesse daran haben könnten, ihren Strom selber zu machen oder sogar selbst speichern zu wollen, um nicht von Konzernen kaufen zu müssen. Heute löst der Begriff  "Eigenstrom" schon recht handfeste Vorstellungen aus. Dem Eigenstrom gehört die Zukunft, nicht nur weil Solarworld in der Fernsehwerbung damit spielt.
Noch stärker als die Beteiligung an einem Windrad ist eben der direkt eingespeiste Sonnenstrom ein tolles Geschenk für den mündigen Energiebürger. Vielen dämmert, dass produzieren schöner ist als abhängig konsumieren. Und PV ist bald für alle da. Die Modulpreise fallen nämlich weiter. PV auf Freiflächen ist heute bereits so günstig wie Offshore-Wind mit all seinen Folgekosten in Sachen Leitungsbau.

Und wer als Privatmann über 20 Cent für die Kilowattstunde für Fremdstrom mit Steuern und Pipapo bezahlt, der wird bald so viel Eigenstrom wie möglich produzieren und verbrauchen. "Und was machen wir Mieter?", höre ich viele Stadtbewohner maulen. Da braucht es wohl ein neues Menschen- und Mietrecht: nämlich das Recht auf das eigene Modul an Balkon und Fassade.

Neues von der Ausredengesellschaft

Geht nicht gibt's nicht: Warum wir auf flaue Ausreden eine gute Antwort haben sollten

Neues von der Ausredengesellschaft

„Geht nicht" gibt's nicht: Warum wir auf flaue Ausreden eine gute Antwort haben sollten

(15. September 2011) Mein großes Thema ist ja bekanntlich die heitere Ausredengesellschaft, die an ihre eigenen Ausreden glaubt. Wenn es darum geht, das Offensichtliche nicht zu tun und/oder das ökologischere Produkt nicht zu kaufen, fällt unserer Gesellschaft nämlich so einiges ein. Entweder sind wir technisch noch nicht so weit (Elektroauto), oder es ist alles viel zu teuer (Elektroauto) oder der Verzicht auf das vertraute, viel bessere Produkt ist unzumutbar und reine Schikane (Glühbirne).

Gehen wir das mal der Reihe nach durch: Die technische Ausrede, wie in Sachen Elektroauto, möchte natürlich nur davon ablenken, dass die Deutschen nicht längst massiv vom 8 Liter auf das 3 Liter Auto umgestiegen sind. Dafür gibt es nämlich keinen technischen Grund. Natürlich schon gar keinen finanziellen, weil ja die volkswirtschaftliche Tankrechnung weniger als die Hälfte betragen würde. Womit wir bei der Frage sind, was wir uns in der Ausredengesellschaft alles leisten. Die Ausrede „Können wir uns nicht leisten!" sagt oft nur, dass jemand sein Geld statt in eine bessere und umweltverträglichere Landwirtschaft lieber in die zahlreichen Handyrechnungen der Familie investieren möchte. Das ist an sich okay, sollte aber auch als persönliche Priorität benannt werden. Aus eigener heiterer Erfahrung: Viele Bekannte haben mir in Sachen Biotomaten oft den hohen Preis an den Kopf geworfen. Dabei in der Kneipe allerdings noch locker ein drittes Bier bestellt, obwohl so ein Bier natürlich zuhause um einiges günstiger wäre. Komme mir also niemand, der ein einigermaßen geregeltes Einkommen hat, mit dem Preisquatsch.

In einem Zeit-Online Interview beschreibt der Design Professor Lutz Fügener sehr schön, wie die Ausredengesellschaft in Sachen Autos tickt. Er erinnert daran, dass die Deutschen im Schnitt 25.000 Euro für einen Neuwagen ausgeben, obwohl es ein Gebrauchter für 5.000 auch täte. Den Unterschied von 20.000 Euro, den blättere die Gesellschaft für sogenannte „weiche" Kriterien hin, den Großteil nämlich für emotionale Werte.

Und wie wichtig emotionale Werte sind, das sehen wir in den letzten Tagen wieder in Sachen Glühbirnenverbot. Vor Jahren hatte man Sprühdosen mit Treibgas aus dem Verkehr gezogen. Das war okay. In Deutschland wurden auch alte Heizungen mit schlechten Werten gesetzlich zum Auslaufmodell. Kein Grund zur Aufregung. Man sollte meinen, der Ausstieg aus der Produktion ineffizienter Glühbirnen sei gesellschaftlich ebenso Peanuts. Aber nein, die Feuilletons drucken seitenlange Tiraden. Journalisten, die vorher noch nie über Umwelt und Energiethemen geschrieben haben, fühlen sich berufen, die ästhetische und ökologische Unsinnigkeit zu beklagen (Quecksilber, hässliches Licht, Strahlen). Dahinter steckt meistens natürlich kein ausgebreitetes Wissen über Ökobilanzen, sondern nackte Gefühle: „Ja, natürlich bin ich auch für Klimaschutz, aber nicht wenn die mir meine schöne Glühlampe verbieten." Auch das ist Kulturkampf pur, allerdings gegen echte Politik, die tatsächlich Dinge unseres Lebens verändert. Wie sähe das erst aus, wenn die Politik aus Klimaschutzgründen wirklich mal in unser Leben eingreifen würde?

Interessant ist nun, dass die Glühbirnenfreunde nicht die üblichen Klimaschutzkritiker sind mit den alten ökonomischen und technischen Ausreden. Nein, das sind Leute, die sich auf eine ganz neue Ausrede konzentrieren: sie wollen nicht in einer Gesellschaft leben, in der die „Biospießer" einem alles vorschreiben. Dieser Begriff war in meiner Lieblingszeitung „taz" zu lesen. Da haben anscheinend einige Autoren die Seite gewechselt. Die sind im Kulturkampf plötzlich auf der Seite der Glühbirne. Jetzt wo der Mainstream mehr in Richtung Öko geht, wollen sich im Alternativbereich anscheinend einige schon wieder absetzen. Wissen Sie eigentlich, wer in Berlin noch mehr verhasst ist als der Biospießer. Das ist der schwäbische Biospießer. Ich glaube, die meinen mich.

Prioritäten der ökologischen Lebenskunst

Warum es gut ist, beim ökologischem Leben den Ball flach zu halten: Prioritäten statt Überforderung

Prioritäten der ökologischen Lebenskunst

Warum es gut ist, beim ökologischem Leben den Ball flach zu halten: Prioritäten statt Überforderung

(18. August 2011) Oft fragen mich Leute, was das eigentliche Thema meiner Kolumne Ökosex sei. Wenn ich von so faszinierenden Dingen wie Warmwasservorschaltgeräten für Waschmaschinen schreibe, schwärme ich im Grunde von der Leichtigkeit des Seins. Wenn ich damit angebe, dass ich in meinem Haushalt keine fossilen Brennstoffe mehr verbrenne, geht es natürlich um die faszinierende Idee vom guten Leben. Ja, da bin ich dabei eine Art "ökologische Lebenskunst" zu beschreiben. Am nächsten Wochenende darf ich über eine solche Lebenskunst diskutieren, bei einer interessanten Konferenz in Berlin (www.ueber-lebenskunst.org). Der Begriff Lebenskunst klingt natürlich ein bisschen philosophisch verstaubt, trifft es aber schön. Wie sollen wir leben in den Zeiten des Klimawandels und des Porsches Panamera?

Dazu habe ich einige Bücher gelesen und Vorträge gehört von Gelehrten, die das A und O des nachhaltigen Lebens theoretisch hübsch beschrieben haben. Interessanterweise habe ich aber unter diesen Gelehrten selten Profis getroffen, die mir von ihrem eigenen spektakulären ökologischen Leben vorgeschwärmt haben. Eher habe ich erfahren, dass viele Umweltexperten im Privatleben häufig blutige Amateure sind. Nach dem Motto: "Whow, ich habe jetzt einen Golf Bluemotion und fliege ein bisschen weniger."

Weil das sowohl sympathisch als auch symptomatisch ist, plädiere ich dafür den Ball flach zu halten. Nein, wir sollten den homo oecologicus nicht überfordern. Obwohl ich selbst hobbymäßig einen Heidenspaß am ökologischen Leben habe, ist mir klar, dass es in erster Linie politische Entscheidungen sind, die gesellschaftlich eine echte Wende bringen könnten. Weniger Duschen hilft meistens nicht. Bestes Beispiel: Privatleute hätten edel und gut viele Solaranlagen bauen können. Wenn es das geniale Instrument der Einspeisevergütung nicht gegeben hätte, und damit einen intelligenten ökonomischen Rahmen, wäre die Photovoltaik niemals in die Massenfertigung gelangt und zur Perle der globalen Energiewende geworden. Merke: politisches Engagement ist ein wesentlicher Teil ökologischer Lebenskunst, wenn sie denn nicht nur dem eigenen Wohlgefallen dienen soll. Also zum Bürgermeister rennen und den Windpark im Dorf fordern, kann ebenso wichtig sein, wie eigenes Biogemüse pflanzen.

Andererseits irritiert mich, dass es sehr wohl höchst private ökologische Tugenden gibt, die bis heute immer noch völlig unterschätzt werden. Wenn die atomkraftkritischen Haushalte (also so um die 30 Millionen) bereits vor Jahren ihre Geschäftsbeziehungen mit Atomkonzernen beendete hätten, dann wäre diese Technik für Eon und Co. rucki zucki untragbar gewesen. Hier hätte ich mir ein wenig mehr gesellschaftliche Lebenskunst gewünscht in Sachen Stromkündigung. Die Abhängigkeit von Atomkonzernen brechen ist doch ein anderes Kaliber als Energiesparlampen reinschrauben.
Ökologische Lebenskunst bedeutet deshalb für mich vor allem Prioritäten erkennen und gegebenenfalls verändern. Der erneuerbare 100% Haushalt kann beispielsweise heute ein schönes privates Ziel sein. Das heißt eben in Sachen Klimaschutz, keine fossilen Brennstoffe mehr im Haus zu dulden. Strom natürlich grün, am besten auch mit eigener Produktion, und die erneuerbaren Potentiale im Wärmebereich, bei der Heizung angehen. Ist ja heute kein Kunststück mehr. Und wenn das erledigt ist, wird es echt interessant: wie machen wir in naher Zukunft unsere private Mobilität 100% erneuerbar? ÖPNV oder solarer Carport? Dafür braucht es künstlerische Kreativität – echte Lebenskunst, eben.

Kulturelle Fragen: Atomgeschäfte, Dienstwagen, Poesie

Energiepolitik ist Kulturkampf – wie der beispielsweise in Erlangen toll geführt wird

Kulturelle Fragen: Atomgeschäfte, Dienstwagen, Poesie

Energiepolitik ist Kulturkampf – wie der beispielsweise in Erlangen toll geführt wird

(01. August 2011) Ich hab langsam das Gefühl, dass viele denken: “Och die Atomkraft, die ist abgehakt. Jetzt geht es gemütlich im Kuschelstil in Richtung Erneuerbare, weil ja alle irgendwie ganz dufte dafür sind.” Das ist natürlich Mumpitz. Gar nix ist abgehakt. Leider sehen wir, wie in Sachen Anti-AKW- Kultur schon wieder geschlampt wird. Die Kündigungen bei Atomkonzernen beispielsweise gehen bereits wieder zurück, kaum ist Fukushima aus den Nachrichten.

Anscheinend braucht es den ganz großen Schock, um die Leute zur Unterschrift bei Ökostromern zu bringen. Und dass, obwohl der ganz große Hammer eigentlich jetzt erst kommt. Diese netten Atom- und Kohlekonzerne, die doch immer nur unser Bestes wollen, verklagen uns, die Steuerzahler, auf Schadensersatz in Sachen Atomlaufzeiten. Das heißt, sie verklagen lustiger weise in vielen Fällen ihre eigenen atomkritischen Kunden.

Wenn Sie selbst Demütigungen lieben, sind diese Stromunternehmen prima Geschäftspartner für sie. Wenn nicht, dann sollten sie schleunigst die Geschäftsbeziehung beenden. Das ist beispielsweise eine Frage der Geschäftskultur.

Meine These wird in diesen Tagen schwer bestätigt: jetzt ist erst recht Kulturkampf angesagt in Sachen Energiewende. Der All-Parteien-Atomausstieg ist nämlich nur vordergründig Kuschelrock. Plötzlich trauen sich Politiker vorzuschlagen, man solle doch neue Kohle und Gaskraftwerke subventionieren. Aus dem Klimaschutzfonds, wie das Wirtschaftsministerium meint.

Ich wiederhole: fossil subventionieren. Das ist einer Kulturnation unwürdig. Zum Vergleich: Gestern lese ich in meiner Urlaubszeitung, dass ein Gemeinderat in Ostwürttemberg sich nicht traut, eine PV-Freiflächenanlage zu genehmigen, weil kritische Bürger das nicht schön finden. Es gibt nämlich immer noch unglaubliche emotionale und ästhetische Blockaden. Meistens handelt es sich um widersprüchliche Ansichten zu Landschaft und Technik. Auch das ist meistens Kulturkampf pur. Der muss in jeden Landkreis im Moment fröhlich geführt werden.

Mein Vorbild sind hier die früheren NRW Landesregierungen: die haben es sogar geschafft monstermäßige Mondlandschaften und plattgemachte Dörfer in Sachen Braunkohle als NRW Kultur zu verkaufen. Von Clement lernen heißt siegen lernen. Da wird es uns Freunden der Energiewende doch gelingen, vor Ort positive Vibrations für Wind, Sonne und Biogasanlagen auszulösen.

Zugegeben: ein härterer Brocken ist natürlich das Knacken der brumm-brumm Kultur. Die SPD in Baden-Württemberg hat jetzt beispielsweise ein Problem damit, dass die Dienstwagen der Landesregierung in Zukunft nur 130g/km CO2 emittieren sollen. Das hat der neue Verkehrsminister vorgeschlagen. Die SPD meint, das könne man doch nicht machen, weil ja der Eindruck entstünde, viele Produkte von schwäbischen Autobauern seien nicht ministrabel. Jawohl, liebe Sozis, genau darum geht es: um Fahrkultur. Die Landesregierung soll in Zukunft das Geld der Steuerzahler eben nicht mehr für Sprit und überzüchtete Steinzeitkisten aus dem Fenster werfen.

Hier noch ein tolles Beispiel, wie der Kulturkampf aktiv und lustvoll angezettelt werden kann: in Erlangen sammelt die Initiative “Poesie ohne Atomstaub” Geld, um im nächsten Jahr Hauptsponsor des Erlanger Literaturfestivals “Poetenfest” zu werden. Die Poesie wird nämlich bisher in Erlangen vom Atomkonzern Areva mit Gewinnen aus Uranabbau und Kraftwerksbau gefüttert. Da Areva ein wichtiger Arbeitgeber vor Ort ist, kann man sich vorstellen, was da los ist.

Viele lokale Politiker meinen natürlich, man könne doch nicht etwa behaupten, der Atomkonzern verdürbe die Lust an der Literatur. Tut er nicht? Wer heiter in den Erlanger Kulturkampf einsteigen möchte, kann ja mal mit einer kleinen Spende anfangen (www.Erlanger-Poetenfest-atomfrei.de).

Liebe Atomkraftgegner: Kein Gänsebraten an Weihnachten!

Alle sind gegen Atom – aber warum sind wir nicht professionell mit dem Vermeiden der Stromspitzen beschäftigt?

Liebe Atomkraftgegner: Kein Gänsebraten an Weihnachten!

Alle sind gegen Atom – aber warum sind wir nicht professionell mit dem Vermeiden der Stromspitzen beschäftigt?

(19. Juli 2011) Letzte Woche hörten wir von der Deutschen Energieagentur, dass wir doch noch in den nächsten Jahren ein Atomkraftwerk in "Kaltreserve" bräuchten. Kaltreserve klingt cool. Und meint, dass ein AKW, der acht abgeschalteten alten Schleudern, sozusagen im stand-bye Betrieb vor sich hin summt. Ob das Sinn macht, ist höchst umstritten. Zu langsam zuschaltbar sagen andere Experten, die lieber auf die Reaktivierung alter Kohleschleudern setzen wollen. Sehr unterschiedliche Meinungen also. Beide Ansätze allerdings vereint eines: die Furcht vor den Verbrauchsspitzen im nächsten Winter, die zu einem Blackout führen könnten. Blackout!

In Deutschland, wo es im internationalen Vergleich die wenigsten Stromausfälle gibt, ist das eine Horrorvorstellung. Merke: die verfluchten Verbrauchsspitzen machen uns Sorgen. Wir Hobbystromexperten haben ja in den letzten Monaten einiges dazu gelernt: nicht der durchschnittliche Stromverbrauch in Deutschland ist anscheinend das Problem. Überraschenderweise wurden acht Atomkraftwerke vom Netz genommen - und nix passierte. Glücklicherweise war Frühling und die Sonne scheinte.

Selbst Kritiker der Photovoltaik müssen nämlich jetzt zugeben, dass diese die Verbrauchsspitzen im Mai, Juni und Juli heftig rasierte. Ja, es stimmt: nachts scheint keine Sonne. Dafür umso mehr um die Mittagszeit. Und das ist eben die Primetime beim deutschen Stromverbrauch. Wer mal sehen möchte, was die PV an Leistung bereit stellt, kann auf der Seite www.sma.de vorbeischauen. Das waren in den letzten Tagen um die Mittagszeit häufig 10 Gigawatt Leistung.

Es stimmt allerdings auch, dass an einem regnerischen Dezembertag von der PV wenig zu erwarten ist. Wenn dann noch Windstille herrscht, dann fehlt einiges an Strom im Netz. Leider genau dann, wenn im kalten Deutschland die elektrischen Heizungspumpen auf Hochtouren laufen. Leider brennen an diesen Tagen in Haushalten und Betrieben alle Lampen, weil es auch tagsüber dunkel ist. Leider werden die Wäschetrockner angeworfen, weil draußen die Wäsche nicht trocknet und die Industrie auf Hochtouren produziert, weil ja keine Sommerferien sind. Kraftwerke zusätzlich anfahren, scheint da eine notwendige aber wenig originelle Lösung.

Interessanterweise hat noch niemand von der Regierung das große Spitzenstrom-Bekämpfungs-Programm verkündet. Natürlich könnten Industrie und Privathaushalte einen wichtigen Beitrag liefern, um diesen Blackout zu vermeiden. Große Betriebe könnten durch finanzielle Anreize dazu angehalten werden, zu bestimmten angespannten Zeiten die Produktion ein bisschen zurück zu fahren. Und warum sollten Millionen Atomkraftgegner nicht aktiv ihre Stromverbrauchszeiten verändern? Heute machen das nur die Haushalte mit Nachtstrom. Alle anderen haben überhaupt keine Ahnung, wann es denn vernünftig wäre, die Waschmaschine mal nicht anzuwerfen.

Hier findet Anti-AKW Deutschland ein wichtiges neues Aktionsfeld. Wir müssen ja nicht mehr demonstrieren gehen. Also könnten wir unsere Haushalte zu Anti-Spitzenstrom Haushalten umstellen. Dazu braucht es aber professionelle Information und Kommunikation, die von der Regierung nicht zu erwarten ist. Also müssen das die Umweltverbände machen. In jedem Fall muss beispielsweise die Gänsebraten-Spitze vermieden werden. Am ersten Weihnachtsfeiertag schmeißen 40 Millionen deutsche Haushalte den Elektroherd an. Weihnachten ohne Atom heißt also dieses Jahr, Weihnachten ohne Gans. Und wenn doch, dann eben kalt serviert.

letzte Änderung: 28.02.2012