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Die Regierung hat mit der neusten Novelle das bisherige EEG weitgehend abgeschafft und will dadurch erklärtermaßen den Ausbau der Erneuerbaren bremsen. Die Stromkonzerne freuen sich.

Rolle rückwärts: EEG 2017 unter der Lupe

Die Regierung hat mit der neusten Novelle das bisherige EEG weitgehend abgeschafft und will dadurch erklärtermaßen den Ausbau der Erneuerbaren bremsen. Die Stromkonzerne freuen sich.
Von Aribert Peters

(9. September 2016) Am 7. Juli 2016 hat der Bundestag das neue EEG beschlossen. Nach der Billigung durch die EU kann das Gesetz mit Beginn des Jahres 2017 in Kraft treten. Vorausgegangen war eine monatelange und heftige Diskussion, an der sich auch der Bund der Energieverbraucher mit einer Protestmailaktion beteiligt hatte. Das neue EEG bringt eine Vielzahl von Änderungen, die selbst von Experten kaum mehr durchschaut werden.

510 PV-Zubau in Deutschland

Das Märchen von den Redispatch-Kosten

Die Ausbaubremse für Erneuerbare wird mit fehlenden Stromleitungen begründet. Eine weitere Förderung würde angeblich dazu führen, dass EEG-Anlagen gebaut würden, deren Vergütung die Verbraucher zu zahlen hätten, ohne das der Strom genutzt werden könnte. Hier wird jedoch mit zwei Zahlen argumentiert, die beide falsch sind. Die sogenannten Redispatch-Kosten – also die Kosten der Abregelung – lägen derzeit schon bei einer Milliarde Euro jährlich und würden alsbald bei vier Milliarden liegen.

Die Fakten: Im Bericht der Bundesnetzagentur werden die Redispatch-Kosten 2014 auf 187 Millionen Euro und für die ersten drei Quartale 2015 auf 393 Millionen Euro beziffert. Für die Abregelung von EEG-Anlagen wurden im dritten Quartal 2015 80 Millionen Euro aufgewendet (2. Quartalsbericht 2015 der Bundesnetzagentur für das Dritte Quartal 2015). Dazu Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung: „Die Stromleitungen wären frei, wenn sie nicht durch überschüssigen Kohlestrom belegt wären. Der Stromüberschuss ergibt sich, weil zu viel konventioneller Strom in den Leitungen fließt. Immer mehr neue Stromleitungen zu bauen wäre so, als wenn man alle Straßen so lange ausbaut, bis es nirgendwo mehr Staus gibt. Das ist überdimensioniert und teuer.“

Aus Platzgründen hier nur die wichtigsten Änderungen durch das neue EEG 2017:
  • Kleine Anlagen: Für alle PV- und Windkraftanlagen mit einer Leistung von weniger als 750 kW – eine Anlage auf einem privaten Hausdach hat zwischen 3 und 10 kW Leistung – gibt es auch künftig eine feste und garantierte Einspeisevergütung für 20 Jahre.
  • Altanlagen: Für alle vor 2017 in Betrieb genommenen Anlagen bleibt es bei der zugesagten Vergütung.
  • Windkraftausschreibung: Neue Windkraftanlagen ab 750 kW Leistung müssen sich um eine Förderung bewerben, indem sie an einer Ausschreibung teilnehmen. Entweder sie gehören zu den wenigen günstigen Anlagen und bekommen einen Zuschlag, also eine Vergütung. Oder die politisch festgelegte Ausbaugrenze wurde bereits durch Zusagen ausgeschöpft und die Anlage bekommt keine Vergütung. Jeder Anlagenprojektierer rechnet sich zunächst aus, wie hoch der Zuschuss sein muss, damit er die Anlage bauen und über 20 Jahre betreiben kann. Diesen Betrag meldet er der Bundesnetzagentur, wenn diese zur Abgabe von Angeboten aufruft. Die Bundesnetzagentur sortiert alle Angebote nach dem Preis.
    Die Preisgünstigsten bekommen einen Zuschlag, bis die politisch beschlossene Zubaugrenze von insgesamt 2.800 MW Anlagenleistung erreicht ist (Zubau 2015: 3.700 MW). Alle weiteren Bieter gehen leer aus und bekommen nicht einmal ihre Angebotserstellungskosten ersetzt. Faktisch können sich damit nur noch große Energiekonzerne die Teilnahme an den Ausschreibungen leisten. Eine Verpflichtung zum Bau der Anlage ist mit dem Zuschlag nicht verbunden.
  • PV-Ausschreibung: Für größere PV-Anlagen über 750 kW werden jährlich Zubauten von 600 MW ausgeschrieben und bezuschusst. Zum Vergleich: In den Jahren 2010, 2011 und 2012 wurden PV-Anlagen mit einer Leistung von jährlich mehr als 7.000 MW neu gebaut. Seither wurden die Einspeisevergütungen für neue Anlagen durch Bundestagsbeschlüsse drastisch herabgesetzt und der Zubau für 2014 und 2015 auf 2.500 MW gedeckelt. Weil die Vergütung aber so stark reduziert wurde, wurden 2015 nur 1.300 MW PV neu gebaut. Selbst diese Zahl wird nun durch das neue EEG auf nur noch 600 MW mehr als halbiert. Betroffen sind neben heimischen Solarherstellern insbesondere kleinere Elektro-Installationsbetriebe.
  • Bürgerenergie: Es gelten erstmals besondere Regeln für Bürgerenergiegesellschaften mit mindestens zehn privaten Anteilseignern, von denen keiner mehr als zehn Prozent der Anteile besitzt und die höchstens sechs Anlagen von nicht mehr als 18 MW Leistung betreiben. Bürgerenergiegesellschaften müssen zehn Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten. Bürgerenergiegesellschaften können auch ohne Bundesimmissionsschutz-Genehmigung an einer Ausschreibung teilnehmen. Das erspart Kosten bei der Projektplanung, solange eine Förderung noch ungewiss ist. Bürgerenergieanlagen, die einen Zuschlag bei der Ausschreibung erhalten, bekommen unabhängig vom gebotenen Preis die Vergütung der teuersten Anlagen, die einen Zuschlag bekommen haben. Die Ausschreibung bezweckt vor allem eine Ausbaubremse für Wind und PV. Das in der Koalitionsvereinbarung fixierte Ziel, den Ausbau der Erneuerbaren bis 2025 auf einen Anteil von 45 Prozent zu beschränken, entspricht einer Bestandsgarantie für 55 Prozent aller fossilen Kraftwerke.
Wer lobt das neue EEG?

Während die Bürgergesellschaft das neue EEG nahezu geschlossen ablehnt, lobt der E.on-Vorsitzende Teyssen das Gesetz mit einem zufriedenen Lächeln. Allen kann man es nicht recht machen. Wenigstens die Stromkonzerne hat die Regierung beglückt und auch die stromintensive Großindustrie. Wie die in Elmau und Paris verkündeten Klimaziele dennoch erreichbar sein sollen, darauf bleibt die Regierung eine Antwort schuldig.

Politik zeigt Wirkung: Einbruch in der Solarindustrie

Zwischen 2011 und 2014 sank der Umsatz mit Photovoltaikanlagen und Komponenten um 75,5 Prozent, genauer gesagt von 13,3 auf nur noch 3,3 Milliarden Euro. Auch im Bereich Solarthermie gingen die Umsätze stark zurück – von einer Milliarde im Jahr 2011 auf 0,4 Milliarden Euro im Jahr 2014.

letzte Änderung: 18.11.2021