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Das Ende des Ölzeitalters?

Bei der Heizölbestellung und an der Tankstelle ist der Anstieg der Ölpreise nicht zu ignorieren. Naht das Ende des Ölzeitalters? Wir erläutern einige Hintergründe dieser Entwicklung.
Von Aribert Peters

(22. März 2018) Die Heizölpreise steigen seit zwei Jahren beständig an. Daran ändern auch kurzfristige Auf- und Abwärtsbewegungen nichts. So liegt der Heizölpreis derzeit um 50 Prozent über dem Preis, der noch vor zwei Jahren zu bezahlen war. Kostete ein Liter Diesel im vergangenen Sommer durchschnittlich noch weniger als 1,10 Euro, sind es inzwischen etwa 1,20 Euro. Die Preise auf den Ölmärkten sind jedoch weit stärker gestiegen, als wir es an den Tankstellen spüren. Denn Öl wird weltweit in Dollar gehandelt und der Dollarkurs ist gesunken. Deshalb steigt die Nachfrage trotz der deutlich gestiegenen Preise.

337 Grafik Entwicklung des Rohölpreises der Sorte Brent

Obwohl die Ölpreise in den letzten sechs Monaten schon um rund ein Drittel geklettert sind, setzen Hedgefonds und andere Großanleger in großem Stil auf weitere Anstiege. Betrachten wir die weltweite Entwicklung der Ölpreise in den vergangenen Jahren, so fällt Folgendes auf:

  • Zwischen 2009 und 2014 lagen die Ölpreise in einem Band zwischen 75 und 100 USD pro Barrel, bevor sie 2014 abstürzten. Die derzeitigen Ölpreise steigen nun auf ein Niveau, das wir in den Jahren 2009 und 2014 schon hatten.
  • Der Peak in den Ölpreisen im Jahr 2008 auf nahezu 150 USD ging einher mit dem Kollaps des Weltfinanzsystems.

Wir schauen besorgt auf diese Entwicklung, denn steigende Energiekosten schwächen unsere Wirtschaft. Wir haben es leider versäumt, uns auf diese allzu absehbare Entwicklung einzustellen und uns von Öl und Gas zu verabschieden, wie es uns Dänemark vorgemacht hat. Denn der Weltenergiehunger steigt und das verfügbare Öl vermindert sich mit jedem Liter, der aus der Erde gefördert wird. Auch für nachfolgende Generationen steht das von uns verbrauchte Öl nicht mehr zur Verfügung.

Vorräte gehen zur Neige

Die Zeit des Nordseeöls ist vorbei. Die Förderung geht zurück und die Bohrinseln werden in ihre Bestandteile zerlegt.

337 Grafik Die wichtigsten Nordseeölfelder Norwegens

Norwegen war bisher der zweitwichtigste Erdöllieferant für Deutschland. Doch genau wie Norwegen geht auch Schottland, unserem drittwichtigsten Öllieferanten, das Öl aus. Überall schließen die Bohrinseln. Binnen fünf Jahren wird auch kein Gas mehr im niederländischen Groningen gefördert, der vormals größten Lagerstätte Europas. heise.de/-3937812

Wer nun meint, die USA würden uns künftig mit Öl versorgen, der irrt sich gewaltig. Die Ölimporte der USA haben von 13 Mio. Barrel pro Tag im Jahr 2007 auf derzeit rund 4 Mio. Barrel pro Tag abgenommen. Die Rohölförderung in den USA wurde gleichzeitig auf derzeit 9,7 Mio. Barrel täglich hochgefahren. Zwar importieren die USA dadurch jetzt selbst weniger Öl aus dem Ausland, doch die USA verbrauchen auch heute noch deutlich mehr Öl als sie fördern und sind deshalb ein wichtiger Nachfrager auf den Weltölmärkten. Zum Vergleich: Der deutsche Rohölverbrauch liegt bei rund 2 Mio. Barrel täglich. EIA-Ölverbrauchsstatistik der USA (englisch): bdev.de/ieaoil

Abhängigkeit vom Öl

Immer noch steigen die weltweit verbrauchten und geförderten Ölmengen Jahr für Jahr. Gleichzeitig ist der Anteil der erneuerbaren Energien am weltweiten Energieendverbrauch zwischen 2010 und 2014 nur leicht von 17,5 auf 18,3 Prozent gestiegen. Es ist erstaunlich, dass diese Abhängigkeit vom Öl und damit auch die daraus resultierende Verwundbarkeit kaum wahrgenommen wird. Selbst im Buch des Club of Rome „Wir sind dran“ wird dieses Problem nicht thematisiert. Gedanken von Prof. Ugo Bardi zu dieser Frage (englisch): bdev.de/bardisun

337 Mensch auf Straße  / Foto: Sascha Burkard/stock.adobe.com

Kulturelle Dimension

Das Öl prägt nicht nur unsere Wirtschaft, sondern auch unsere Kultur. Auf ein Forschungsprojekt des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte und das Projekt „Beauty of Oil“ wies die Süddeutsche Zeitung in ihrer Ausgabe vom 13. Januar 2018 hin: „Noch nie wurde so viel Öl verbraucht und produziert wie heute, dennoch erscheint uns unsere Öl-Sucht mit jedem Tag unzeitgemäßer. Wenn wir am Auto lehnend wieder die 60, 70 Liter in den Tank rauschen lassen, fühlen wir uns immer öfter wie die Comicfiguren, die über die Klippe hinausgerannt sind und realisieren, dass sie keinen Boden mehr unter den Füßen haben. Dieses Bewusstsein vom Irrsinn und nahen Ende des Öl-Zeitalters stand am Anfang der Arbeit von ‚Beauty of Oil‘, wie die Kulturwissenschaftler Benjamin Steininger und Alexander Klose und der Designer Bernd Hopfengärtner ihr Forschungsprojekt nennen. Wenn wir wirklich wegkommen wollen vom Öl, so finden sie, müssen wir die politischen, ökonomischen, ästhetischen und philosophischen Dimensionen der ‚Petromoderne‘ verstehen. Uns also klar darüber werden, wie grundlegend das Öl unsere Epoche geprägt hat. Öl steht für einen bis heute existierenden Kolonialismus, für die utopische Qualität des Kunststoffs, für sprudelnden Reichtum und für die Kriege, die mit und um Öl geführt wurden.“

„Es ist unmöglich, die Zukunft vorauszusagen. Aber eine Sicherheit bleibt uns: Die Sonne wird immer scheinen.“ Ugo Bardi
Der Wandel zur Sonne

Sonne und Wind, die am besten entwickelten erneuerbaren Energien, stellen heute einen geringen, aber dennoch signifikanten Beitrag zur weltweiten Energieversorgung. Sie erzeugen weltweit 6 Prozent des Stroms und 1,6 Prozent des gesamten Weltenergieverbrauchs. Könnten sie 100 Prozent der Energie liefern, ohne dass die Weltwirtschaft zusammenbricht oder das Klima kippt? Die Antwort lautet: Ja! Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie von Sgouris Sgouridis, Denes Csala und Ugo Bardi (englisch): bdev.de/bardistudy

Die drei Wissenschaftler haben eine sogenannte „Sower Strategie“ entwickelt. Diese ähnelt dem, was die Bauern früher taten, wenn sie einen Teil ihrer Ernte als Saatgut zurücklegten, um damit künftige Ernten zu sichern. Der Wandel zu einer völligen Sonnenwirtschaft ist nach dieser Studie dann möglich, wenn wir bereit sind, einen genügend großen Anteil unserer heutigen Energieproduktion für dieses Ziel einzusetzen.

Werden wir so klug sein wie unsere Vorfahren und genügend der heutigen Energiereserven zur Sicherung der künftigen Energieversorgung zurücklegen? Oder werden wir unsere verbleibenden Ressourcen im verzweifelten Versuch verschwenden, an fossilen Energien festzuhalten oder sogar auf ungetestete und möglicherweise kontraproduktive Technologien wie das Verpressen von CO2 zu vertrauen? Ganz zu schweigen von den Risiken und Unsicherheiten, die mit einer Rückkehr zur Atomenergie verbunden wären.

letzte Änderung: 23.03.2018