ED 04/12 Eine Welt ohne Öl (S.30-31)

Prokon: EnBW bleibt draußen

(7. Juli 2015) Die Gläubiger des insolventen Windparkentwicklers Prokon Regenerative Energien GmbH, Itzehoe, haben sich für die Fortführung des Unternehmens als Genossenschaft ausgesprochen. Sie stimmten mehrheitlich für das Genossenschaftsmodell unter Beteiligung der bisherigen Genussrechtsinhaber. Insgesamt nahmen an der Abstimmung in Hamburg Gläubiger mit Forderungen von 1,056 Mrd Euro teil. Davon sprachen sich 843 Mio Euro für den Genossenschafts-Insolvenzplan aus. Das entspricht 80% der im Termin vertretenen Forderungen und 50% aller Insolvenzforderungen.

Die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW), Karlsruhe, die mit ihrem Übernahmeangebot von 550 Mio Euro bevorzugter Investor war, bedauerte die Entscheidung. Prokon und EnBW hätten gut zusammengepasst und die Windkraft in Deutschland noch stärker voranbringen können, hieß es. EnBW setze den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter fort. Glückwünsche für die Entscheidung kamen von den Befürwortern des Genossenschaftsmodells, den beiden Ökostromversorgern Elektrizitätswerke Schönau (EWS) und Naturstrom AG, die ein klares Zeichen für eine "Energiewende in Bürgerhand" sehen.

Politisches Störfeuer gefährdet Energiegenossenschaften

In den vergangenen Jahren boomte das Genossenschaftsmodell. Doch inzwischen stockt die Entwicklung, weil die alte Energiewirtschaft politisch wieder obenauf ist.
Von Bernward Janzing

(26. September 2014) Die Zeiten werden härter für die Energiegenossenschaften: Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wirft Bürgerprojekten Steine in den Weg. Erst wurden die Einspeisevergütungen immer weiter gekürzt. Nun macht die „Sonnensteuer“ auch die Selbstversorgung aus PV-Anlagen und kleinen Blockheizkraftwerken unattraktiver. Unklar ist, ob einzelne Verbraucher und kleine regionale Bürgergenossenschaften überhaupt noch Chancen gegen finanzstarke Konzerne haben, wenn künftig die Projekte ausgeschrieben werden müssen. Und als wäre das alles nicht genug des Störfeuers, verunsichert auch noch die Novelle des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) die Initiativen vor Ort.

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Bernward Janzing | Freier Autor aus Freiburg, schreibt u. a. für taz, -Spiegel, Stern und Die Zeit.

Dabei sah es in den letzten Jahren so gut aus; die  traditionsreiche Unternehmensform der Genossenschaft erlebte einen neuen Boom. Meistens hatte das Geschäftsmodell mit Energie zu tun: Im Boomjahr 2011 waren in Deutschland zwei Drittel der Neugründungen Energiegenossenschaften. Besonders in Bayern und Baden-Württemberg war die traditionelle Gesellschaftsform in den letzten Jahren sehr beliebt, mehr als die Hälfte aller neuen Energiegenossenschaften hatten ihren Sitz in einem der beiden südlichen Bundesländer.

Ende einer Erfolgsgeschichte

Doch dann ging es langsam bergab. Nachdem im Jahr 2011 bundesweit noch 167 Energiegenossenschaften gegründet wurden, waren es 2012 noch 150 und 2013 nur noch 129. Der große Einbruch aber folgt wohl in diesem Jahr.

2136 Gründungen Energiegenossenschaften

Einer Erfolgsgeschichte droht das Ende. In Deutschland wurden seit 2006 unter dem Dach des DGRV 718 Genossenschaften im Sektor der erneuerbaren Energien gegründet. Photovoltaik dominiert weiterhin vor Biomasse und Windenergie. 16 Prozent der Genossenschaften sind im Wärmebereich aktiv, vier Prozent betreiben sogar ein eigenes Stromnetz.

Ein Bekenntnis zu gesellschaftlichen Werten

Die Genossenschaft genießt in der Gesellschaft sehr viel Sympathie, weil sie mehr ist als nur eine Unternehmensform – sie ist auch das Bekenntnis zu gesellschaftlichen Werten und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt von Bürgern. Da ist zum einen das Demokratieprinzip: Unabhängig von der Einlage hat in der Mitgliederversammlung jeder Genosse eine Stimme. Und auch das Solidaritätsprinzip gehört zum Konzept: Zumindest in der Aufbauphase und in Krisenzeiten sind unbezahlte Vorleistungen oder ehrenamtliche Arbeit üblich.

Bürgerbeteiligung und Selbstverwaltung

Dieses Modell wurde in der Vergangenheit häufig aus der Not heraus gewählt. Heute findet es aus anderem Grund wieder Freunde: Der Wunsch nach Bürgerbeteiligung und Selbstverwaltung vor Ort und in der Region wird bei den Menschen immer stärker. Sie suchen eine Alternative zu unbekannten profitfixierten Investoren und der damit einhergehenden Fremdbestimmung. So sind die lokalen Bürgergesellschaften in Zeiten der weltweiten ökonomischen Turbulenzen auch der bewusste Gegenentwurf zu den internationalen Finanzmärkten. Häufig sind zudem Genossenschaftsbanken an der Gründung beteiligt.

2136 Leute Genossenschaften

Burghard Flieger ist einer der engagiertesten Verfechter der Genossenschaftsidee in Deutschland. Er arbeitet für die innova eG, die Genossenschaften beim Aufbau unterstützt; sie organisiert Seminare, Tagungen und Lehrveranstaltungen über das Genossenschaftswesen und berät Interessenten. Auf diese Weise hat sie schon zahlreiche andere Genossenschaftsgründungen angestoßen.

Zwei unversöhnliche Gruppen geben ihre Rollen auf

Gerade im Energiesektor, der von starken gesellschaftlichen Debatten und Auseinandersetzungen geprägt ist, könne die Genossenschaft attraktiv sein, auch weil sie Interessenkonflikte auflöst, sagt Flieger.

„Identitätsprinzip“, nennt er das: „Zwei Gruppen, die sich sonst am Markt gegenüberstehen, wie Mieter und Vermieter oder Dienstleistungsanbieter und -nutzer, werden identisch, geben ihre ‚einseitige‘ Rolle auf.“

Die idealtypische Energiegenossenschaft versorgt sich selbst. Eine solche Genossenschaft gründete sich zum Beispiel vor einigen Jahren in St. Peter im Schwarzwald. Dort installierten die Bürger einen Hackschnitzelkessel und verlegten 4.800 Meter Rohrleitungen. Bei diesem reinen Bürgerprojekt taten sich unterschiedliche Akteure aus dem Ort zusammen, die ihr jeweiliges berufliches Wissen einbrachten. Einer der Antreiber war Markus Bohnert, beruflich als Förster tätig. Andere Unterstützer kamen aus dem Heizungsbau oder aus der Bauplanung. Sie investierten zusammen mehr als fünf Millionen Euro in das Heizwerk und die Wärmeleitungen. 

Damit ist allen Beteiligten gedient: „Energiegenossenschaften von heute vereinigen gesellschaftliche, wirtschaftliche und kommunale Interessen – gemeinsam organisiert von Bürgern, Kommunen, Stadtwerken und Unternehmen“, sagt Klaus Bellmann, Vorstandsmitglied im Genossenschaftsverband e.V. Die Kommunen könnten maßgeblich zum Erfolg einer Energiegenossenschaft beitragen, indem sie bei der Realisierung von Projekten mit den Bürgern und der lokalen Wirtschaft zusammenarbeiten.

Kommunen steigen mit ein

Mitunter bringen sich auch die Kommunen direkt in die Energiegenossenschaften ein. Es gibt sogar Fälle, in denen die Initiative zur Gründung einer Bürgergenossenschaft von der Stadt ausging – wie zum Beispiel in Aalen bei der „OstalbBürgerEnergie“.

Eine Genossenschaft kann aber auch beim örtlichen Versorger mit einsteigen, wie etwa in Titisee-Neustadt. Dort hat die Stadt zusammen mit den Elektrizitätswerken Schönau (EWS) die Energieversorgung Titisee-Neustadt (EVTN) gegründet. Im Mai 2012 übernahm sie die Netze in der Stadt.  Da die Hochschwarzwälder mehr Bürgerbeteiligung im Energiesektor wünschten, gehören zehn Prozent des Unternehmens einer Bürgergenossenschaft. Die Stadt hat mit 60 Prozent die Mehrheit an den Stadtwerken, 30 Prozent der Anteile halten die EWS, die ihrerseits eine Genossenschaft ist. Übrigens eine, die stark wächst und inzwischen mehr als 3.500 Mitglieder hat. 

Unweit von Titisee-Neustadt, in Saig im Hochschwarzwald gibt es übrigens eine der ältesten Energiegenossenschaften Deutschlands: Als im Jahr 1918 eine erste Stromleitung durch die Gemeinde gebaut wurde, entschied sich der Gemeinderat gegen einen Anschluss der Gemeinde. Daraufhin brachten Bürger privates Geld auf, und errichteten Strommasten, Leitungen und eine Trafostation. Den Strom bezogen sie fortan vom nahegelegenen Kraftwerk Laufenburg am Hochrhein und gründeten im Jahr 1932 eine Genossenschaft. Diese versorgt noch heute die rund 650 Stromkunden im Ort.

Viele Genossenschaften planen keine neuen Projekte mehr

Die Mehrzahl der Bürgerenergiegenossenschaften in Deutschland dienen bislang aber weniger der eigenen Versorgung, sondern sie agieren ähnlich den typischen Beteiligungsgesellschaften, die oft als GmbH & Co. KG geführt werden: Man sammelt Geld ein, investiert in Wind- oder Solarprojekte und verkauft den Strom an die Netzbetreiber. Der Vorteil der Genossenschaft liegt in diesem Fall vor allem darin, dass sie mit weniger Verwaltungsaufwand geführt werden kann als eine Gesellschaft anderer Rechtsform. Und da es keine Dominanz eines Großanlegers geben kann, verspricht diese Form auch beste Bürgerbeteiligung im demokratischen Sinne.

Soviel Sympathie die traditionsreichen Genossenschaften nach wie vor erfahren – wenn es um neue Unternehmen geht, prägen in diesen Monaten enorme Unsicherheiten die Branche. 30 Prozent der bestehenden Genossenschaften planen inzwischen keine weiteren Projekte mehr, hat der DGRV in einer Umfrage ermittelt. Der Grund ist für den Verband eindeutig: die „schädlichen Folgen der unsicheren Rahmenbedingungen“.

Denn nicht nur die gesunkenen Vergütungen für Solarstrom machen den Genossenschaften zu schaffen. Bitter ist auch der Wegfall des Grünstromprivilegs, das bisher durch eine reduzierte EEG-Umlage die Lieferung von selbsterzeugtem Ökostrom an Verbraucher begünstigte, etwa die Versorgung von Mietern mit Solarstrom vom Dach. Genossenschaftsexperte Flieger sieht hinter dem Gesamtpaket eine klare Strategie der Politik: „Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel macht mit der EEG-Novelle die PV-Genossenschaften kaputt, und das war auch sein Ziel.“

Auch das neue Kapitalanlagegesetzbuch (KA-GB) birgt noch Risiken für Genossenschaften. Für die operativen Tätigkeiten sei das KAGB zwar weniger kritisch, sagt Verbandsvertreter Wieg, aber es herrsche „eine große Unsicherheit“, da es um ein sehr komplexes Thema gehe. Und auch das lähmt jedes Engagement.

Und doch bleiben Optionen. Chancen bieten sich den Genossenschaften auch weiterhin im Wärmesektor, darin sind sich alle Beobachter einig: „Nahwärmenetze haben noch großes Potenzial, es gibt noch zahlreiche Biogasanlagen, deren Wärme nicht optimal genutzt wird“, sagt Verbandsvertreter Wieg. Entsprechend planten derzeit 18 Prozent der Genossenschaften Projekte in diesem Bereich – im Vorjahr seien es erst elf Prozent gewesen.

Trotz Gegenwind sich nicht geschlagen geben

Die Freunde der Bürgerbeteiligung wollen sich also trotz des heftigen Gegenwinds aus Berlin nicht geschlagen geben. „Die Modelle werden nun komplexer“, sagt Wieg und gibt sich trotz allem optimistisch. Ein Musterbeispiel sei die Energiegenossenschaft Odenwald (EGO) mit einem breiten Spektrum der Wertschöpfung.
Sie wurde 2009 gegründet und hat ihren Sitz in Michelstadt in Südhessen. Ihr Geschäftsmodell ist zum einen die Nutzung der erneuerbaren Energien im Odenwaldkreis und zum anderen die Verbesserung der Energieeffizienz sowie die Energieeinsparung. 1.800 Mitglieder hat die Genossenschaft inzwischen. Ab 100 Euro konnten die Bürger einsteigen.

Mehr als 60 Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als fünf Megawatt hat die EGO im Odenwaldkreis und der näheren Umgebung realisiert, außerdem zwei Windkraftanlagen. Investitionen von 25 Millionen Euro wurden getätigt: „Odenwälder investieren in den Odenwald“, heißt der Slogan. Und eine Rendite von bis zu 3,5 Prozent gab es in den letzten Jahren auch schon.

Seit Jahresbeginn 2013 beliefert die Genossenschaft auch ihre Mitglieder mit Ökostrom. Der Preis des EGO Naturstroms liege unter dem Angebot des regionalen Energieversorgers, heißt es. „Unseren Mitgliedern gewährleisten wir dadurch eine einfache, demokratische und transparente Möglichkeit, sich finanziell und ideell an der Energiewende vor Ort zu beteiligen“, sagt EGO-Vorstandsvorsitzender Christian Breunig.

Hinter allen Ansätzen der Genossenschaften steht vor allem eine Hoffnung: dass sich die Entwicklung zu einer Energiewirtschaft in Händen der Bürger nicht mehr zurückdrehen lässt. Obwohl das in Berlin gerade angestrebt wird.

Energiegenossenschaften in Zahlen

Energiegenossenschaften werden im Durchschnitt von 43 Mitgliedern gegründet, 92 Prozent der Mitglieder sind Privatpersonen. In fast drei Viertel der Genossenschaften kann man schon mit weniger als 500 Euro einsteigen. Im Durchschnitt ist jedes Genossenschaftsmitglied mit 3.298 Euro beteiligt. Energiegenossenschaften verfügen über ein durchschnittliches Startkapital in Höhe von rund 686.000 Euro; sie haben zuletzt eine durchschnittliche Dividende in Höhe von 4,26 Prozent ausgeschüttet.

Die 718 seit 2006 unter dem Dach des DGRV gegründeten Energiegenossenschaften vereinen rund 145.000 Mitglieder, darunter rund 130.000 Privatpersonen. Diese sind mit rund 470 Millionen Euro Eigenkapital engagiert. Die Genossenschaften haben insgesamt rund 1,35 Milliarden Euro in erneuerbare Energien investiert. Sie produzieren 830 Millionen Kilowattstunden Strom jährlich und können somit rund 230.000 Durchschnittshaushalte versorgen. Die Energiegenossenschaften erzeugen also deutlich mehr Strom, als die Haushalte der Mitglieder benötigen.

Wachstumstrend ungebrochen

Studie des Novy Instituts zu Energiegenossenschaften

Wachstumstrend ungebrochen

(18. März 2014) Energiegenossenschaften erfreuen sich bei Bürgern weiterhin großer Beliebtheit. Dies geht aus einer aktuellen Erhebung des Klaus Novy Instituts hervor, berichtet die „Agentur für Erneuerbare Energien“. Ende 2013 engagierten sich demnach 888 Energiegenossenschaften für den Ausbau erneuerbarer Energien. Damit stieg der Bestand gegenüber 2012 um 142.

„Im Durchschnitt wird jeden dritten Tag irgendwo in Deutschland eine Genossenschaft gegründet, die den Bau und den Betrieb von Solar- und Windenergieanlagen oder von regenerativen Heizsystemen zum Ziel hat“, erklärte Philipp Vohrer, Geschäftsführer der AEE. „Ein entscheidender Grund für den Boom der Bürgerenergie ist die Investitionssicherheit, welche dank der festgelegten Vergütungssätze und des Einspeisevorrangs für regenerative Energieanlagen besteht“, so Vohrer. Der positive Wachstumstrend der Energiegenossenschaften ist seit etwa sechs Jahren zu beobachten und geht stetig voran.

Die Erhebung untersucht auch die regionale Verteilung der Energiegenossenschaften nach Bundesländern. Dabei zeigt sich, dass die großen Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen beim reinen Bestand ganz vorne sind. Mit 237 Energiegenossenschaften sind die Bayern im Ländervergleich die aktivsten „Energiebürger“ – Baden-Württemberg und Niedersachsen folgen. Die dynamischste Entwicklung weist jedoch Thüringen auf. Im Vergleich zu 2012 wuchs die Anzahl der Energiegenossenschaften hier um 70 Prozent.

Genossen: 800 Mio für die Wende

mmer mehr Menschen beteiligten sich an Genossenschaften zum Ausbau erneuerbarer Energien.

Genossen: 800 Mio für die Wende

(24. Juli 2012) Immer mehr Menschen beteiligten sich an Genossenschaften zum Ausbau erneuerbarer Energien und trieben so die Energiewende voran, so der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband, der Bundesverband Solarwirtschaft und die Agentur für Erneuerbare Energien.

Aktuell hielten bundesweit mehr als 80.000 Bürger Anteile an gemeinschaftlich betriebenen Anlagen zur regenerativen Strom- und Wärmeerzeugung. Bei über 90% handle es sich um Solaranlagen, an denen sich Bürger schon mit kleinen Beträgen beteiligen.

Seit 2005 seien insgesamt 506 Energiegenossenschaften in Deutschland neu gegründet worden, die zusammen 800 Mio Euro in erneuerbare Energien investiert hätten. Energiegenossenschaften böten Bürgern einen idealen Rahmen, sich vor Ort für den Umbau der Energieversorgung zu engagieren und sie steigerten so die Akzeptanz für Energieprojekte in der Region, hieß es.

Zwei Drittel der Genossenschaften ermöglichen eine Beteiligung mit unter 500 Euro, bei einigen ist ein Mindesteinstieg mit weniger als 100 Euro möglich. Für Mitglieder seien der Umweltschutz, der Ausbau Erneuerbarer und die Förderung regionaler Wertschöpfung deutlich wichtiger als die Rendite. Unter www.neuegenossenschaften.de gibt es weitere Informationen dazu.

Immer mehr Energiegenossen

327 Genossenschaften

Immer mehr Energiegenossen

(25. Februar 2012) Ende 2009 gab es laut der DZ-Bank bundesweit 327 Energiegenossenschaften. 2010 kamen 129 neue dazu, 2011 noch einmal 174.

Vor allem im Süden und Norden gibt es einen Gründungsboom, Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen weisen die meisten Neugründungen auf. Am häufigsten werden Solaranlagen umgesetzt, aber auch Windkraft- und Bioenergieanlagen, Gas- und Wärmenetze sowie BHKW.

Online-Kaufgemeinschaften

Durch Verbrauchermacht Preise drücken: Mit diesem Konzept gehen verschiedene Anbieter in den Markt.

Online-Kaufgemeinschaft für Strom und Gas

(22. Dezember 2010, aktualiisert 16. März 2011, 1. September 2011) Durch Verbrauchermacht Preise drücken: Mit diesem Konzept gehen verschiedene Anbieter in den Markt. 

  • Buzzn: Gemeinsam geht's günstiger. Buzzn kauft auch Strom von Netzeinspeisern auf.
    Erfahrungen liegen uns noch nicht vor.
  • consumerpool.de organisiert gemeinsamen Strombezug.
  • Die Wir-Preis im Oktober 2010 mit einem Internetportal an den Start. Unter www.wirpreis.de können sich Interessenten kostenlos für Strom- oder Gasbezug anmelden. Das Portal sammelt die Anfragen und schreibt sie unter den Versorgern aus. An der 2010 in Hamburg gegründeten WirPreis GmbH sind die Gründer Arne Flick und Michael Grodd beteiligt. Die Firma verfügt nach eigenen Angaben über Kapitalreserven für die nächsten drei Jahre.
  • Ein ähnliches Konzept hat heizoelpool.de für Sammelbestellungen bei Heizöl realisiert.
  • Der in Belgien und den Niederlande tätige Internetdienstleister ichoosr will mit demselben Konzept auch in Deutschland einen gemeinsamen Anbieterwechsel beim Strom organisieren. Bei einem regional begrenzten Test mit dem Bund der Energieverbraucher e.V. hat sich die Zusammenarbeit allerdings nicht bewährt und wurde beendet. Auch bei der Kooperation mit der Tageszeitung Die Welt leistete sich ichoosr gewaltige Schnitzer.
  • Die Kofler Energies Club AG wollte für einen Jahresbeitrag von 75 Euro jährliche Einsparungen von mindestens 150 Euro verwirklichen. Der Club ging im Oktober 2010 an den Start. Bereits Anfang 2011 stellte der Club seine Arbeit ein, weil die erwarteten Mitgliederzahlen nicht erreicht wurden.
  • Der „Energiesparclub" von co2online wird staatlich gefördert und ist deshalb kostenlos: www.energiesparklub.de
  • Der enedi.de Energiesparclub bezeichnet sich selbst als "Gewerkschaft der Stromkunden" (www.enedi.de). Die einmalige Aufnahmegebühr beträgt 50 Euro, ein Jahresbeitrag wird nicht erhoben. enedi will von seinen Mitgliedern eine Vollmacht für den Stromanbieterwechsel. Der Kunde wechselt also automatisch zu dem von enedi ermittelte günstigsten Anbieter. Vor dem Wechsel wird man informiert und kann dann innerhalb von zwei Wochen dem Wechsel widersprechen. Enedie verspricht eine jährliche Mindestersparnis von 100 Euro.
Gemeinsam günstiger kaufen

Warum nicht mit anderen im Verbund Strom, Gas und Heizöl kaufen und dadurch Preisvorteile erzielen?

Gemeinsam günstiger kaufen

Gemeinsam geht's günstiger - warum nicht mit anderen im Verbund Strom, Gas und Heizöl kaufen und dadurch Preisvorteile erzielen? Was einfach und einleuchtend klingt, gestaltet sich in der Praxis oft schwierig.

(16. Dezember 2008) - Egal, ob auf dem Markt oder beim Energielieferanten: Wer große Mengen einkauft, freut sich in der Regel über deutlich günstigere Preise.

Der Vorteil für den Lieferanten liegt auf der Hand: Er braucht nur einmal liefern, schreibt nur eine Rechnung und profitiert von geringeren Vertriebskosten. Die Mengenrabatte bei Energie liegen oft jedoch weitaus höher als die Kostenersparnisse der Lieferanten. Denn Großabnehmern stehen mehr Angebote am Markt offen und sie verfügen über das Know-how für einen professionellen Einkauf und dadurch über eine wesentlich bessere Verhandlungsposition.

Schließen sich Verbraucher zusammen, dann können sie über eine Sammelbestellung beim Händler möglicherweise bessere Preise durchsetzen. Denkbar ist auch, dass die Verbraucher einen eigenen Energiehandel gründen, zum Beispiel als Genossenschaft.

Oft laufen die Vertriebswege über mehrere Stufen. Wer eine Stufe überspringt - etwa den Zwischenhändler - kann gewaltige Ersparnisse erzielen.

Schließen sich private Verbraucher zum Bezug großer Mengen zusammen, müssen sie jedoch ein Problem noch lösen: Wie gelangen Öl, Gas oder Strom zu den unterschiedlichen Abnahmestellen? Die Verteilung verursacht Kosten. Diese hängen von den Transportentfernungen und der Zahl der Abnahmestellen ab.

  • In Saig im südlichen Schwarzwald liegt die Stromversorgung in den Händen einer Genossenschaft von Bürgern. Alle versorgten Einwohner erhielten in den letzten Jahren von der Genossenschaft einen Umsatzbonus von 14 Prozent ihrer Stromkosten. Der Zusammenschluss entstand bereits 1919 und geht mit großem Elan in die Zukunft.
  • Im Phönix-Projekt organisierte der Bund der Energieverbraucher in den Jahren 1994 bis 2000 den stark vergünstigten Direktbezug von Solaranlagen vom Hersteller. Das brachte das gesamte Preisgefüge der Branche ins Wanken und verhalf fast 20.000 Haushalten zu einer preiswerten Solaranlage.

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  • Im Schwarzwaldort Schönau übernahmen die Bürger das Stromnetz in die eigene Hand und versorgen seither dort günstiger und umweltfreundlicher als vergleichbare Anbieter auf dem Markt.
  • Im Jahr 1999 konnten Vereinsmitglieder in ganz Deutschland "bunten Strom" besonders günstig beziehen. Der Verein war der erste überregionale Stromanbieter in Deutschland.
Verbraucherzusammenschlüsse haben eine Reihe von Vorteilen:
  • Das Engagement der Beteiligten ist höher. Die Lohnkosten fallen dadurch geringer aus.
  • Die Kommunikation erfolgt besser als zwischen Konzern und Kunde.
  • Der Schlendrian und die innerbetriebliche Konkurrenz sind geringer.
  • Die Organisation kann wesentlich effizienter erfolgen.
  • Es werden neue Wege beschritten und neueste Techniken und Erfahrungen eingesetzt.
  • Die betrieblichen Hierarchien sind flacher.
  • Verbraucherzusammenschlüsse genießen von vornherein die Sympathie der Öffentlichkeit und haben daher beim Marketing Vorteile.
Nachteilig dagegen wirken sich die folgenden Faktoren aus:
  • Verbraucher verfügen oft nicht über das Know-how und die Erfahrung von Energieprofis. Dadurch sind teure Fehler möglich, was die Effizienz beeinträchtigt.
  • Andere Marktteilnehmer betrachten die Verbraucherzusammenschlüsse als Eindringlinge und versuchen, sie vom Markt fernzuhalten. Das führt zu zusätzlichen Problemen und Kosten.
  • Zwar liegen die Personalkosten durch ehrenamtliches Engagement oder geringe Entgelte niedrig, doch der Selbstausbeutung der Engagierten sind Grenzen gesetzt: Auf Dauer und für einen größeren Personenkreis ist dies kein tragfähiges Konzept.
  • Wenn Verbraucher zu Verkäufern werden, wechseln sie faktisch die Seite. Das hat unweigerlich auch Konsequenzen - für das Denken und Handeln der Beteiligten, aber auch für ihre juristische Position. Aus Verbrauchern und Abnehmern werden Konkurrenten im Wettbewerb, die alle juristischen und wirtschaftlichen Spielregeln der Anbieterseite zu berücksichtigen haben.
  • Oft engagieren sich auf der Verbraucherseite besonders idealistische Menschen, die kaum Erfahrung in der Führung von Firmen und bei Vertragsverhandlungen, Rechtsgeschäften, Kalkulation und Marketing besitzen. Sie bekommen bei Banken kaum Kredite.
  • Verbraucher starten oft mit einem basisdemokratischen Anspruch als Genossenschaft. Das kann die Entscheidungsfindung im Tagesgeschäft ungemein erschweren oder gar unmöglich machen. Erfolgreiche Verbraucherzusammenschlüsse erfordern einfache und praktikable Entscheidungsprozesse.
  • Verantwortlichkeit: Wer Energie oder ein Produkt verkauft, haftet dem Käufer gegenüber dafür mit allen Konsequenzen. Daran ändert auch eine idealistische Motivation nichts.
  • Haftung: Handelt eine Gemeinschaft gemeinsam Preise aus, so kann das bereits als Gemeinschaftsunternehmen (GbR) angesehen werden und eine Haftung jedes einzelnen Beteiligten gegenüber der Gemeinschaft auslösen.

Ausschlaggebend für den Erfolg eines Verbraucherzusammenschlusses ist eine hohe Glaubwürdigkeit verbunden mit wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.

Allzu leicht gerät die verbraucherpolitische Zielsetzung in Vergessenheit und weicht dem rein wirtschaftlichen Erfolgsstreben. Beispiele dafür sind die Genossenschaftsbanken, die COOP-Bewegung und die Wohnungsgenossenschaft "Neue Heimat".

Die Zusammenschlüsse müssen sich dem Vergleich örtlichen Versorgern von Strom und Gas stellen. Diese Versorger haben je nach Stadtgröße 50.000 oder 200.000 Haushalte als Kunden. Verbraucherzusammenschlüsse haben zumindest anfänglich deutlich geringere Kundenzahlen und damit auch ungünstigere Bezugsbedingungen.

Im Vergleich zu einem örtlichen Versorger liegen die Kunden räumlich weit verstreut. Das bedeutet zusätzlichen Aufwand und zusätzliche Kosten.

2136 Ortschild Team Einzelkämpfer / Foto: Gerd Altmann Pixelio.de

Leitungsnetz entscheidend

Der örtliche Versorger ist Eigentümer eines Strom- oder Gasnetzes und kann darüber wesentliche Deckungsbeiträge erzielen. Alle erfolgreichen Genossenschaften und Verbraucherzusammenschlüsse verfügen im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung auch über ein eigenes Versorgungsnetz. Konsequenz: Am Anfang einer Bürgergemeinschaft muss die Übernahme des Versorgungsnetzes stehen. Auch kleine Netze innerhalb eines Hauses oder eines kleinen Gebiets sind wichtig. Ohne eigenes Netz haben Energiegemeinschaften keine Aussicht auf Erfolg.

Strom einfacher

Die Erfolgschancen sind bei der Stromversorgung deutlich höher als bei der Gasversorgung. Das zeigen die Beispiele aus der Praxis. Denn während es etliche erfolgreiche Zusammenschlüsse für den Bezug von Elektrizität gibt, fehlt ein solcher Zusammenschluss bislang für Gas. Bei Strom ist die Verteiltechnik einfacher und die Preisbildung transparenter. Darüber hinaus sind die Strompreise stärker überhöht als die Gastarife. Strom lässt sich zudem mit einer Vielfalt von Techniken dezentral erzeugen, während die Verbraucher Gas stets aus dem Ausland beziehen müssen.

Die Wärmeversorgung nimmt zwischen Strom und Gas eine mittlere Position ein. Die Wärmeversorgung ist eng mit der mietrechtlichen Problematik, mit dem Contracting-Problem und mit der gekoppelten Erzeugung von Wärme und Strom verbunden. Deshalb nimmt sie eine Sonderstellung ein. Die Bioenergiedörfer in Deutschland organisieren meist auch die Wärmeversorgung gemeinschaftlich und können so beträchtliche Kostenersparnisse realisieren.

Bei der Beschaffung von Heizöl oder Holzpellets entfällt das Problem des Leitungseigentums. Allerdings gibt es in diesen Bereichen eine mittelständische Lieferantenstruktur, die im Unterschied zur Strom- oder Gaslieferung wettbewerblich orientiert ist. Es fehlen daher fette Monopolgewinne und überzogene Vertriebsmargen. Erfolgreiche Verbraucherzusammenschlüsse gibt es dennoch, etwa den Bayerischen Maschinenring oder den Siedlerbund NRW. Die gemeinsame Pelletsbeschaffung gewinnt an Bedeutung. Die größte Einkaufsgemeinschaft, die "Pellets-Gemeinde", zählt mittlerweile mehr als 500 Mitglieder (www.pellets-gemeinde.de, www.pelletseinkauf.de, www.pelletsbestellung.de, www.obstkeller.de).

Bei der Flüssiggasbeschaffung gibt es ein Lieferkartell, das erst in jüngster Zeit durch freie Lieferanten und Missbrauchsverfahren des Bundeskartellamts in Bedrängnis gerät. Auch in diesem Bereich haben sich erfolgreiche Verbraucherzusammenschlüsse etabliert, etwa der Verband der Schweinezüchter oder Bezugsgemeinschaften (Siehe vorige ED) und nicht zuletzt auch die Flüssiggasbörse des Bundes der Energieverbraucher e.V.

Bei Massenprodukten wie Energiesparlampen liefern sich Internethändler und Baumärkte einen harten Konkurrenzkampf, so dass für Verbraucherzusammenschlüsse wenig Spielraum verbleibt.

Heizungen und thermische Solaranlagen nebst Zubehör gibt es zwar auch im Baumarkt. Es überwiegt aber der sogenannte dreistufige Vertriebsweg: Der Hersteller verkauft ausschließlich an Großhändler und diese beliefern das örtliche Handwerk. Auf jeder Stufe fallen neben den Kosten auch Verdienstmargen von 20 bis 40 Prozent an. Ein Direktbezug ist zwar deshalb sehr attraktiv, wird aber gerade deshalb streng bewacht und Verstöße werden hart sanktioniert. Wegen der komplexen Technik, der planerischen Vorleistungen und der Gewähr-leistungsproblematik gibt es praktisch keinen Direktbezug.

Fazit

Es lohnt sich auf jeden Fall, kritisch zu prüfen, ob man gemeinsam günstigere Konditionen aushandeln kann. Vor überzogenen Erwartungen in dieser Hinsicht muss jedoch ausdrücklich gewarnt werden. Nicht jede Firma, die sich als Verbraucherzusammenschluss bezeichnet, wird diesem Anspruch auch gerecht. Deshalbab sollten alle Verbraucher vor jedem Kauf Preise und Lieferbedingungen aufmerksam vergleichen.

Stromgenossenschaft Saig

Seit 1919 in Bürgerhand:

Seit 1919 in Bürgerhand: Stromgenossenschaft Saig

In Saig im südlichen Schwarzwald liegt die Stromversorgung in den Händen einer Genossenschaft von Bürgern. Alle versorgten Einwohner erhielten in den letzten Jahren einen Umsatzbonus von 14% ihrer Stromkosten von der Genossenschaft. Die Genossenschaft entstand bereits 1919 und geht mit großem Elan in die Zukunft.

Die Genossenschaft Saig liefert den Beweis, dass eine Stromversorgung in Deutschland sowohl günstiger als auch demokratischer als heute üblich möglich ist. Die ca. 800 Einwohner der Gemarkung und auch die 74 Gewerbebetriebe und 14 Bauernhöfe werden seit 1919 von der Strombezugsgenossenschaft Saig mit Strom versorgt.

Seit 1919 eigenständig

Als im Jahr 1918 eine erste Stromleitung durch die Gemeinde Saig gebaut wurde, entschieden sich Gemeinderat und Bürgerausschuss gegen einen Anschluss der Gemeinde an diese Stromleitung. Interessierte Bürger brachten privates Geld auf, um Strommasten, Leitungen und eine Trafostation zu bauen. Der Strom wurde vom nahegelegenen Kraftwerk Laufenburg (KWL) bezogen. Nach überstandener Inflation und Weltwirtschaftskrise wurde im Jahr 1932 aus dem Zusammenschluss eine von 60 Bürgern getragene Genossenschaft. Jeder Bürger der Gemeinde durfte höchstens 15 der insgesamt 392 Anteile erwerben. Die Gemeinde Saig ist heute ein Ortsteil von Lenzkirch in der Nähe von Titisee im Schwarzwald.

Schwarze Zahlen

Die Genossenschaft Saig versorgt ihre Bürger zu denselben Tarifen wie sie die Bürger von Laufenburg am Sitz des Stromlieferanten zu zahlen haben. Am Jahresende bekommen alle Stromkunden einen Umsatzbonus auf den Strombezug, im vorigen Jahr betrug er 14%. Das sind locker zwischen 50 und 100 Euro jährlich je nach Bezugsmenge, also mehr als man beim Wechsel des Stromlieferanten bestenfalls sparen kann. Trotz dieser Bonuszahlung bleibt noch genug für eine erfreuliche Ausschüttung an die Genossen übrig.

Fazit von Hobby- und Oberstromer Sigmund Sigwarth, Bauer und Leiter der Strombezugsgenossenschaft Saig eG : "Man kann mit wenig Mitteln etwas leisten, wenn man zusammenhält und bereit ist, sich zu engagieren. Das gilt nicht nur für Strom!"

Quelle: Energiedepesche 4/2002, Seite 16

letzte Änderung: 16.05.2018