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Viel Geld wird mit veralteten Zählern gemacht

Too smart to meter?

Stromzähler werden meist von den Netzbetreibern installiert und betrieben: ein einträgliches Geschäft. Aber es gibt auch freie Messstellenbetreiber, die sofort Unabhängigkeit vom Netzbetreiber und den Komfort von Smart-Meter-Lösungen zu überschaubaren Kosten liefern.
Louis-F. Stahl berichtet über Neues vom Zählermarkt.

(2. Juli 2015) Wer etwas liefert, dem obliegt für gewöhnlich das Wiegen und Messen. Auf diesen Grundsatz gestützt, begannen die Betreiber kleiner PV-Anlagen und stromerzeugender Heizungen vor rund 15 Jahren einfach mit eigenen Zählern ihre Einspeisung zu messen. Der Gesetzgeber sprach ihnen dieses Recht später sogar ausdrücklich zu (§ 8 Abs. 1 KWKG 2002) oder sah eine Einspeisemessung durch Netzbetreiber zumindest nur als eine Alternative an (§ 13 Abs. 1 EEG 2004). Für die Netzbetreiber selbst war die Messung lange Zeit nur notwendiges Übel zu durchlaufenden Kosten.

198 288 1246 1845 3238 Louis-F. Stahl

Louis-F. Stahl ist Herausgeber des BHKW-Branchenportals www.bhkw-infothek.de und Vorsitzender der Betreibervereinigung BHKW-Forum e. V.

Wer darf messen?

Erst Bestrebungen seitens der Politik, nicht nur die Energielieferung, sondern auch die Messung zu liberalisieren und die beginnende Debatte um „Smart Meter“ führten zur Entdeckung des Messwesens als Einnahmequelle für die Netzbetreiber. Ab 2007 musste sich daher die Clearingstelle EEG mit der von Netzbetreibern aufgeworfenen Frage befassen, ob Erzeuger und Einspeiser ohne besondere Fachkundeprüfung überhaupt selbst messen können und dürfen. Das Ergebnis war wenig überraschend: „Alle des Lesens und Schreibens kundigen Menschen“ seien „fachkundig zur Messung, d. h. zum Ablesen der Messwerte in Kilowattstunden“ befand die Clearingstelle EEG (Az. 2008/20, 2011/2/2, 2012/7). Eine Tatsache, die auch heute noch einige Netzbetreiber anzweifeln, aber zeitgleich Postkarten zur Zähler-Selbstablesung an einfache Stromverbraucher senden, um die Kosten für eigene Ablesemitarbeiter zu sparen.

Messung als Geschäftsmodell

Für Letztverbraucher wurde erst mit der Einfügung des § 21b in das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) im Jahr 2005 der grundlegende Rechtsrahmen für eine Liberalisierung im Messwesen geschaffen. In der Praxis sahen sich die ersten freien Messstellenbetreiber jedoch mit hunderten Netzbetreibern konfrontiert, die jeweils unterschiedlichste Verträge und Prozesse durchsetzen wollten. So beschränkte sich die freie Wahl des Stromzählers für Verbraucher zunächst auf Sonderlösungen von lokalen Elektrobetrieben und fand lediglich in größeren Anlagen wie Wohnungseigentümergemeinschaften praktische Relevanz. Einzig der Stromanbieter Yello begann ab 2007 seinen „Sparzähler“ bundesweit für Letztverbraucher anzubieten. Der Zähler von Yello kann gleichwohl bis heute nicht als Angebot eines unabhängigen Messstellenbetreibers betrachtet werden, da die Nutzung des Yello-Sparzählers an eine Stromlieferung von Yello gekoppelt ist. Im Ergebnis handelt es sich also lediglich um eine Maßnahme, Verbraucher mit Hardware am Anbieterwechsel zu hindern.

Freie Messstellenbetreiber

Erst mit der Messzugangsverordnung (MessZV) von 2008 und dank sehr detaillierter Vorgaben für Wechselprozesse (WiM) sowie verbindliche Rahmenverträge durch die Bundesnetzagentur (Az. BK6-09-034) konnte sich ab dem Jahr 2010 überhaupt ein freier Markt im Bereich des Messwesens mit standardisierten Produkten sowie Abläufen und damit niedrigen Kosten entwickeln. Dabei können Messstellenbetreiber auch innovative Messprodukte anbieten, da sie unabhängig von den „Technischen Anschlussbedingungen“ der Netzbetreiber selbst berechtigt sind, die „Art, Zahl und Größe von Mess- und Steuereinrichtungen“ zu bestimmen (§ 8 Abs. 1 MessZV). So lässt beispielsweise die Telekom durch ihr Tochterunternehmen „PASM“ deutschlandweit in tausenden VDSL-Verteilerkästen am Straßenrand den Stromverbrauch dieser Verteilerkästen mit besonders kleinen Stromzählern erfassen, die bestückt mit normal großen Stromzählern der verschiedenen Netzbetreiber um ein Vielfaches größer ausfallen müssten. Ähnlich verfuhr LichtBlick bei seinen ZuhauseKraftwerken: Statt bei Kunden teure und große Zählerschränke an die Hauswand zu schrauben, verbaute der unternehmenseigene Messstellenbetrieb die Zähler einfach direkt ab Werk in seine stromerzeugenden Heizungen.

Abzocke bei PV-Volleinspeisung

Auch um die Kreation neuer Einnahmequellen aus dem Nichts sind einige Netzbetreiber nicht verlegen: Bis vor einigen Jahren wurden kleine PV-Anlagen typischerweise so errichtet, dass der gesamte erzeugte Strom in das Netz eingespeist wird. Wird jedoch zum Beispiel nachts kein Strom vom PV-Generator erzeugt, dann kann je nach Wechselrichter theoretisch ein geringer Eigenverbrauch bestehen. Dieser Verbrauch liegt allerdings unterhalb der Anlaufstromstärke und Genauigkeitsanforderungen für Messungen entsprechend MID MI-003, DIN EN 50470, VDE 0418. Daher einigten sich Interessenvertreter von Netz- und Anlagenbetreibern im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium im Rahmen mehrerer Empfehlungen der Clearingstelle EEG darauf, nur die Einspeisung mit nicht rücklaufgesperrten Ein-Richtungs-Zählern zu erfassen. Seit Kurzem bauen einige wenige Netzbetreiber diese bestehenden Zähler wieder aus und neue Zwei-Richtungs-Zähler ein – die PV-Anlagenbesitzer sollen dann typischerweise zwischen 60 und 300 Euro im Jahr für eine unsinnige zusätzliche Messung und die theoretische Strombezugsmöglichkeit (Leistungspreis) zahlen.

Mögliche Gegenwehr

Sofern das neu installierte Bezugszählwerk dauerhaft null kWh anzeigt, ist die Rechtslage aus Sicht der Schlichtungsstelle Energie eindeutig: Es besteht kein Anspruch seitens des Netzbetreibers (Az. 4977/12 und 4615/13). Unter der Adresse www.aerger-mit-eon-und-avacon.de berichtet ein Betroffener zudem von einem erfolgreichen gerichtlichen Verfahren gegen diese Masche. Wenn aber ein Bezug gemessen wird, müssten es Betroffene auf ein risikoreiches und teures Verfahren mit ungewissem Ausgang ankommen lassen. Wer seine PV-Anlage auf dem eigenen Wohnhaus betreibt, hat aber auch eine andere Möglichkeit: Wenn die Volleinspeisungs-PV-Anlage nicht direkt an das Stromnetz angeschlossen wird, sondern wie bei einer Anlage mit vorrangigem Eigenverbrauch hinter einem Zwei-Richtungs-Zähler, aber mit bilanzieller Volleinspeisung betrieben wird (siehe Grafik), fällt zumindest die Grundgebühr für die theoretische Stromentnahme der PV-Anlage aus dem Netz weg. Darüber hinaus können betroffene Verbraucher natürlich auch noch einen freien Messstellenbetreiber für dieses Messkonzept beauftragen und dreisten Netzbetreibern damit ein Schnippchen schlagen.

1845 PV-Einspeisung mit Stand-by-Verbrauch

Wenn für bestehende PV-Anlagen mit Volleinspeisung (links) nachträglich eine Bezugsstrommessung vom Netzbetreiber gefordert wird und dafür ein 2-Richtungs-Zähler installiert werden soll (Mitte), empfiehlt es sich die Anlage im Verbraucherstromkreis anzuschließen und den Strom als bilanzielle Volleinspeisung komplett durchzuleiten (rechts). Dadurch lässt sich die sonst fällige Strom-Grundgebühr für den theoretisch möglichen Stand-By-Bezugsstrom der PV-Anlage sparen.

Einträgliches Geschäft mit alter Technik

Die Netzbetreiber verdienen schon heute sehr gut mit den über 40 Millionen teilweise steinalten und längst abgeschriebenen mechanischen Ferraris-Zählern mit Drehscheibe und Rollenzählwerk, für die Verbraucher Jahr für Jahr zwischen sechs und 57 Euro bezahlen müssen. Das erklärt, warum die Netzbetreiber versuchen, die Messhoheit zu behalten. Hausbesitzer mit einer kleinen Erzeugungsanlage und vorrangigem Eigenverbrauch erhalten hingegen bereits seit etwa zehn Jahren im Regelfall zumindest einen halbwegs modernen elektronischen Zwei-Richtungs-Zähler. Dabei handelt es sich ebenfalls um einfache „Standardlastprofilzähler“ (SLP), die nur eine Anzeige für den gesamten gemessenen Verbrauch und die gesamte gemessene Einspeisung besitzen.

1845 Rollout-Plan Smart Meter

Der neuste Rolloutplan für Smart Meter des Wirtschaftsministeriums sieht ab 2017 den regulären Einsatz vollwertiger Messsysteme „iMSys“ vor. Alle neuen Zähler sollen ab 2017 mindestens „iZ“ Basiszähler sein, die sich später zu einem iMSys aufrüsten lassen.

Amtlicher Fahrplan für Smart-Meter-Rollout

Schon 2008 hatte der Gesetzgeber mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) den Einsatz von Smart-Metern ab dem 1. Januar 2010 vorgesehen, sofern es „technisch machbar und wirtschaftlich zumutbar“ sei. Auch einige Novellen des EnWG später und nicht zuletzt aufgrund immer weiter verschärfter Datenschutz- und IT-Sicherheitsanforderungen hapert es an diesen beiden Ausschlusskriterien bis heute. Nach Jahren der schwammigen Grenzen hat das Bundeswirtschaftsministerium im Februar 2015 mit der Veröffentlichung von Eckpunkten für das Verordnungspaket „Intelligente Netze“ Nägel mit Köpfen gemacht:

  • Einfache „intelligente Zähler“ (iZ) mit SLP-Messung sollen den Verbraucher jährlich maximal 20 Euro kosten und ab 2017 regulär verbaut werden. Bis 2032 sollen die rund 40 Mio. bestehenden Zähler in Deutschland sukzessiv gegen iZ ausgetauscht werden.
  • Wird ein solcher intelligenter Zähler mit einem Smart-Meter-Gateway zu einem „intelligenten Messsystem“ (iMSys) mit Fernauslesung aufgerüstet, sollen maximal 100 Euro pro Jahr anfallen. Ab 2017 soll für Verbraucher mit mehr als 20.000 kWh Bezug sowie alle bestehenden Erzeugungs-anlagen ab sieben kW Leistung ein iMSys zur Pflicht werden.

Kann die „einheitliche Kosten- und Preisobergrenze für Einbau und Betrieb von intelligenten Messsystemen und Zählern“ nicht eingehalten werden, soll es „keinen Rollout um jeden Preis“ geben, so das Ministerium. Mit diesen eng gesetzten Kostengrenzen könnte der Rollout von Messsystemen auch weiterhin eine ferne Zukunftsmusik bleiben. Der angesetzte Rolloutstart von iMSys im Jahr 2017 ist jedenfalls sehr optimistisch.

1845 intelligente zähler.jpg

Intelligente Basiszähler „iZ“ in BKE-Bauform (links) sind von heute üblichen „eHZ“ nach EDL21-Standard äußerlich kaum zu unterscheiden, unterstützen aber die Kryptografie des MessSystems 2020. Größere Basiszähler (rechts) verfügen über eine Klappe, hinter der sich ein Smart-Meter-Gateway installieren lässt, das mehrere iZ zu einem Messsystem „iMSys“ aufwerten kann.

Stand der Technik

Die technischen Spezifikationen für die neuen Zähler wurden 2013 veröffentlicht (VDE-FNN-Lastenhefte „MessSystem 2020“). Im gleichen Jahr wurde auch das IT-Security-Schutzprofil vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik von der EU abgenommen. Erste Basis-zähler (iZ) nach diesen Regeln wurden Ende 2014 zertifiziert, Smart-Meter-Gateways zur Aufrüstung der iZ zu einem iMSys befinden sich derzeit jedoch noch im Entwicklungsstadium. Inwieweit die bisher als Ausgangsbasis für Messsysteme gehandelten und von Netzbetreibern seit Jahren verbauten elektronischen EDL21-Zähler fit für das anspruchsvolle und weiterentwickelte „MessSystem 2020“ gemacht werden können, ist fraglich. Für Messsysteme dürften nur neue iZ in Frage kommen, wohingegen bisherige EDL21-Zähler einfach dort eingesetzt werden könnten, wo die Integration in ein iMSys nicht erforderlich ist.

Freie Messstellenbetreiber

Für Letztverbraucher und Besitzer kleiner PV-Anlagen oder eines BHKW gibt es kaum wirklich freie Alternativen zum Standardzähler des Netzbetreibers. Angebote wie der Yello „Sparzähler“, E.ON „EnergieNavi“ oder die Angebote von Stadtwerken sind zumeist an unattraktive Tarife gekoppelt und daher für mündige Verbraucher keine Alternative. Mit einem bundesweiten Angebot an Messlösungen für Sonderfälle oder größere Projekte hat sich das seit 2010 als Messstellenbetreiber tätige Unternehmen Mediaelektrik Bock einen Namen gemacht. Eher auf den Massenmarkt zielt hingegen das Angebot von Discovergy: Mit einem Jahrespreis von 60 Euro pro Smart-Meter, egal ob dieses als Bezugszähler für eine Wohnung, als Erzeugungszähler einer PV-Anlage, als Zwei-Richtungs-Zähler oder im Rahmen einer Summenmessung in Mehrfamilienhäusern eingesetzt wird, ist das Angebot auch preislich sehr attraktiv. Darüber hinaus reduziert sich die Rechnung des Energieversorgers um die Preisbestandteile für Messstellenbetrieb und Messung, da diese nicht mehr vom Netzbetreiber erbracht werden.

In der Praxis müssen Verbraucher auf diesen Umstand aber oft hinweisen und ggf. mit Unterstützung von Discovergy hartnäckig bleiben. Wie hoch dieser Betrag beim jeweiligen Netzbetreiber genau ist, lässt sich durch einen Blick auf den Versorgungsvertrag (§ 2 Abs. 3 GVV) herausfinden, da diese Angabe seit einiger Zeit vorgeschrieben ist.

Transparenz dank Smart-Meter

Das Smart-Meter von Discovergy bietet ein Web-Portal sowie eine App für Smartphones zur Analyse des eigenen Verbrauchs (Bericht in ED 2/2013), aber auch der Produktion und ggf. Eigennutzung aus einer PV-Anlage. Nur eine Erkennung einzelner Geräte und deren Verbrauch, wie es der Energiekostenmonitor Smappee bietet (Bericht in ED 1/2015), lässt das Portal von Discovergy noch vermissen. Aber auch für Sonderfälle bietet der freie Messstellenbetrieb Lösungen: Liefert der Besitzer eines Discovergy-Zählers beispielsweise Strom direkt an weitere Letztverbraucher in der gleichen Kundenanlage, können ohne Aufpreis Rechnungsvorlagen erstellt werden oder die Durchleitung von Strom von externen Lieferanten für drittversorgte Letztverbraucher einer Summenmessung organisiert werden.

1845 DISCOVERGY

Der Messstellenbetreiber Discovergy bietet Verbrauchern detaillierte Analysen ihres Verbrauchsverhaltens und kann auch eine PV-Anlage mit Eigenverbrauch in die Auswertungen einbinden. Ein Demozugang ist unter www.discovergy.de erreichbar.

Ausblick

Auf Smart-Meter warten Verbraucher mindestens, seit die EU 2006 mit der Endenergieeffizienzrichtlinie den flächendeckenden Einsatz  solcher Zähler zu „wettbewerbsorientierten Preisen“ ausgerufen hat. Geht es nach dem Wirtschaftsministerium, sollen ab 2017 Verbraucher zumindest beim Zählerwechsel zwingend „intelligente Zähler“ erhalten und bis 2032 alle Zähler im Bestand gewechselt werden. Da diese Zähler schon heute kaum teurer sind als veraltete Ferraris-Zähler mit Drehscheibe, erscheint dieses Vorhaben realistisch. Ob hingegen wirklich ab 2017 auch intelligente Messsysteme – und damit das, was man gemeinhin unter einem Smart Meter versteht – flächendeckend zu angemessenen Preisen installiert werden kann, darf bezweifelt werden.

Verbraucher, die sich den Mehrwert eines Smart Meter sofort wünschen, oder ihrem Netzbetreiber mit einer speziellen Messlösung ein Schnippchen schlagen wollen, können entsprechende Systeme jedoch schon heute von freien Messstellenbetreibern wie Discovergy beziehen.

Sonderkonditionen für Mitglieder im Bund der Energieverbraucher

Im Rahmen des Interviews zu diesem Artikel hat der Messstellenbetreiber Discovergy einen dauerhaft um 30 Euro pro Jahr reduzierten Sondertarif für Mitglieder im Bund der Energieverbraucher e. V. angeboten: Mitglieder erhalten die Smart-Meter-Messung einer Erzeugungsanlage (PV/BHKW) sowie einen Zwei-Richtungs-Zähler im Paket für 90 Euro im Jahr. Das Mitgliederangebot kann bis voraussichtlich Ende 2015 unter der Rufnummer 0241-53809410 in Anspruch genommen werden.

letzte Änderung: 19.04.2023