ED 04/12 Eine Welt ohne Öl (S.30-31)

Klimakonferenzen

Hermann Scheer:

Eine dynamische Strategie gegen den Klimawandel beginnt also mit der Erkenntnis des ökonomischen Nutzens, der aus einer Revolutionierung der Energieversorgung erwächst.

Hermann Scheer:

Eine dynamische Strategie gegen den Klimawandel beginnt also mit der Erkenntnis des ökonomischen Nutzens, der aus einer Revolutionierung der Energieversorgung erwächst.

26. UN-Klimakonferenz in Glasgow

Der Weltklimagipfel im schottischen Glasgow hat im November 2021 die Vertreter von über 200 Staaten sowie Aktivisten und Klimaforscher zusammengeführt. Es wurde unmissverständlich und unüberhörbar klar, dass schnelle Emissionsminderungen bis 2030 unumgänglich sind, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten und katastrophale Auswirkungen der Klimakrise abzuwenden.
Von Dr. Aribert Peters

(29. Juni 2022) Die Staaten der Welt haben in Glasgow den sogenannten „Glasgow Climate Pact“ beschlossen. Er fasst die gemeinsame tiefe Besorgnis der Regierungen über den Klimawandel in Worte. Und er ruft zu gemeinsamen Maßnahmen auf. Der Text fordert, dass die Länder ihre Klimaversprechen bis Ende 2022 „überdenken und verstärken“ sowie eine „Reduktion“ der Kohlenutzung einleiten. Eigentlich sollte über die Forderung des „Endes der Kohleverstromung“ verhandelt werden. Diese Formulierung wurde jedoch auf Drängen von China und Indien zu einer „Reduktion“ aufgeweicht.

Der Pakt legt fest, wie ein globales Ziel der Klimaanpassung, höhere Klimafinanzierung und Verlustfinanzierung zu erreichen sind. Gemeinsam wurde anerkannt, dass für die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad bis zum Jahr 2030 eine Emissionsminderung von 45 Prozent gegenüber 2010 notwendig ist. Die Finanzhilfen für arme Staaten sollen bis 2025 verdoppelt werden, damit diese sich an die vielerorts fatalen Folgen der Klimakrise anpassen können. Auch die Verhandlungen über das sogenannte Regelbuch des Paris-Abkommens wurden abgeschlossen.

2626 26. UN-Klimakonferenz 2021 in Glasgow  / Foto: UNclimatechange/flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Emissionsminderung

Über 140 Staaten haben in Glasgow ihre Emissionsminderungsversprechen erhöht und streben das Erreichen einer „Klimaneutralität“ an. Das UN-Klimasekretariat hat die jeweiligen Versprechen bewertet und daraus abgeleitet, dass unsere Welt, selbst wenn diese Versprechen eingehalten werden, immer noch auf 2,7 Grad Erwärmung zusteuert.

Die beiden Staaten mit den weltweit höchsten Emissionen, die USA und China, haben sich überraschend in Glasgow auf eine gemeinsame Erklärung verständigt. Sie erkennen darin die Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit der Klimakrise an. Sie verpflichten sich im kritischen Jahrzehnt der 2020er-Jahre, die Krise anzugehen, „um katastrophale Auswirkungen zu vermeiden“.

Öl- und Gasausstieg

Eine „Beyond Oil and Gas Alliance“ (BOGA) wurde unter der Führung von Dänemark und Costa Rica gegründet. Einer Kerngruppe der Allianz haben sich Frankreich, Grönland, Irland, Schweden und Wales angeschlossen. Die Allianz strebt einen geordneten und gerechten Ausstieg aus der Öl- und Gasproduktion an.

Methanemissionen

Die USA und die EU-Staaten haben alle Staaten dazu aufgerufen, ihre Methanemissionen bis 2030 um 30 Prozent zu vermindern. 105 Staaten haben sich der Verpflichtung im Verlauf der Konferenz angeschlossen. Die drei größten Methanemittenten China, Indien und Russland gehörten nicht zu den Unterzeichnern.

Verbrennungsmotoren

Rund 30 Staaten haben sich für ein Verbot von Neufahrzeugen mit Verbrennungsmotor ausgesprochen. Deutschland gehört nicht dazu.

Demonstrationen

Zwischen 20.000 und 100.000 Klimaaktivisten protestierten innerhalb und außerhalb der Konferenz. Viele nichtstaatliche Organisationen und Aktivisten haben von der Staatengemeinschaft schnellere und konkretere Schritte gegen den Klimawandel gefordert, weil sie kein Vertrauen in die Einhaltung der staatlichen Versprechen haben.

Abholzung

Über 100 Staaten haben versprochen, gemeinsam darauf hinzuwirken, dass bis 2030 der Verlust von Wäldern gestoppt und umgekehrt werden soll. Dafür werden mehr als 19 Milliarden US-Dollar bereitgestellt.

Bewertungen

Die Verhandlungsführerin von Paris, Christiana Figueres resümiert: „Mit allen Versprechungen, die im Jahr 2021 abgegeben wurden, einschließlich der in Glasgow gegebenen Versprechen, sind wir nun bei 2,4 Grad, im Jahr 2015 waren es noch 3,7 Grad. Das ist immer noch unakzeptabel viel. Aber wir bewegen uns in die richtige Richtung. Im Abschlusstext, der in Glasgow beschlossen wurde, wird anerkannt, dass wir uns in einer kritischen und entscheidenden Dekade befinden und sich die Emissionen bis zum Jahr 2030 halbieren müssen, also um 7 Prozent jedes Jahr. Das Klimaziel ist jetzt eindeutig mit 1,5 Grad benannt“. Der UN-Generalsekretär António Guterres fasst den Klimagipfel wie folgt zusammen: „Die Konferenz war ein wichtiger Schritt, aber die Beschlüsse sind nicht genug. Es ist Zeit, in den Notfallmodus zu gehen.“

Was der Gipfel bringt

In Paris verpflichteten sich zum ersten Mal alle 195 Vertragsstaaten, den globalen Treibhausgasausstoß in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auf Null zu bringen.

Was der Gipfel bringt

(16. Dezember 2015) In Paris verpflichteten sich zum ersten Mal alle 195 Vertragsstaaten, den globalen Treibhausgasausstoß in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auf Null zu bringen. Die Emissionen sollen so sinken, dass die weltweite Erderwärmung bis 2100 auf unter 2 Grad, wenn möglich sogar auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau gehalten wird. Der neue Vertrag tritt 2020 in Kraft, wenn ihn bis dahin die 55 Staaten ratifizieren, die zusammen mindestens 55% der globalen Emissionen verursachen.

Von 2023 an überprüfen dann unabhängige Experten alle fünf Jahre, ob die einzelnen Staaten ihre Ziele erfüllt haben oder eventuell sogar höhere erreichen können. Die Industrieländer zahlen an die Entwicklungsländer für den Klimaschutz und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels ab 2020 rund 100 Mrd Dollar pro Jahr. Nach 2025 soll der Betrag steigen und Schwellenländer wie China oder die Ölstaaten sollen sich freiwillig beteiligen.

Die Irrtümer von Weltklimakonferenzen

Zur Weltklimakonferenz von Kopenhagen im Jahr 2009 hat der ­inzwischen verstorbene deutsche Politiker Hermann Scheer Überlegungen veröffentlicht, die unverändert auch für die Klimakonferenz 2015 in Paris gelten und lesenswert sind.

Die Irrtümer von Weltklimakonferenzen

(09. Dezember 2015) Zur Weltklimakonferenz von Kopenhagen im Jahr 2009 hat der ­inzwischen verstorbene deutsche Politiker Hermann Scheer Überlegungen veröffentlicht, die unverändert auch für die Klimakonferenz 2015 in Paris gelten und lesenswert sind.

Die 15. Weltklimakonferenz in Kopenhagen samt ihrem monatelangen Vorlauf verlief wie eine Schallplatte, die zum 15. Mal seit der ersten Aufführung in Berlin 1995 aufgelegt wurde. Die jeweiligen Konferenzen endeten bestenfalls in ­einem Minimalkompromiss, der die Klimaka­tastrophe nicht wirklich aufhalten kann. Dieser wird dann von den verhandelnden Regierungen als Erfolg gewertet, damit sie nicht mit leeren Händen dastehen. Manchmal wird dann sogar als Erfolg hingestellt, dass eine Folgekonferenz beschlossen worden ist. Die Weltklimakonferenzen sind zu einer selbst­referentiellen Veranstaltung geworden. Es ist höchste Zeit zu erkennen, dass damit ein globaler Klimaschutz nicht erreicht werden kann.

Kleinster gemeinsamer Nenner

Vordergründig klingt die Grundüberlegung der Weltklimakonferenzen einleuchtend, dass ein globales Problem eine gemeinsam getragene globale Entscheidung erfordere. Doch dies hat eine prinzipielle und eine praktische Crux. Die prinzipielle ist, dass ein internationaler Vertrag mit verbindlichen Handlungspflichten nur durch breiten Konsens unter den Regierungen zustande kommen kann. Konsens bedeutet aber immer Verwässerung der Maßnahmen, weil die Ausgangsbedingungen der verschiedenen Länder zu unterschiedlich sind. Es gibt nun einmal Energieexport- und Energieimportländer mit total unterschiedlichen Interessen. Und es gibt Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer mit total unterschiedlichen Möglichkeiten. Dies alles auf einen Nenner zu bringen, kann bestenfalls zu einem Minimalkompromiss führen, der weit hinter der real gegebenen Herausforderung zurückbleibt, die aber Beschleunigung verlangt. Konsens und Beschleunigung stehen aber prinzipiell in einem unüberbrückbaren Widerspruch zueinander.

Gleicher Politikansatz für Alle?

Die zweite Crux ist, dass zugleich der heillose Versuch gemacht wird, einen gleichen Politikansatz für alle zu installieren. Dieser ist aber identisch mit dem im Konsens erreichten Minimalkompromiss, weil dieser das einzige vereinbarte Kriterium darstellt. Mit anderen Worten: Damit wird ein ökonomischer Anreiz für alle geschaffen, nicht mehr als dieses Minimum zu tun.

Falsche Prämissen

Daraus folgt: So gestrickte Weltklimakonferenzen programmieren ihr eigenes Scheitern gegenüber dem Problem. So kann es nicht weitergehen. Regierungen müssen sich von der falschen Prämisse verabschieden, die alles lähmt: dass die beiden einzigen tragbaren Wege zum Klimaschutz – der Wechsel zu erneuerbaren Energien und die Steigerung der Energieeffizienz – eine wirtschaftliche Last seien, die man nur auf sich nehmen dürfe, wenn es alle anderen „im internationalen Gleichklang“ ebenfalls tun. Die richtige Prämisse ist, dass es sich um einen elementaren volkswirtschaftlichen Vorteil für jeden handelt, der das für sich vorantreibt. Dafür braucht man aber nicht auf einen internationalen Vertrag zu warten. Was anstelle dessen erforderlich ist, ist ein nationaler Politikansatz (oder im Sonderfall der EU ein gemeinsam auf den Weg gebrachter), der die makroökonomischen Vorteile in mikroökonomische Anreize übersetzt.

Die Geschichte liefert viele Beispiele für technologische Revolutionen, die die Welt verändert haben und dabei zunächst immer auf massiven Widerstand stießen. Keine dieser Revolutionen wurde durchgesetzt, indem ein Konsens mit denjenigen getroffen wurde, die die Verlierer dieser bevorstehenden Entwicklung sein würden, und erst recht waren solche Umwälzungen nie Bestandteil eines internationalen Vertrages – auch wenn ihre Auswirkungen einen globalen Maßstab hatten.

Trotzdem brauchten diese revolutionären Veränderungen einen politischen Rahmen, damit sie zum Durchbruch kommen konnten. Dies galt für den Eisenbahnbau, die Elektrifizierung, das Auto, die Luft- und Schifffahrt und aktuell die Telekommunikations- und Informationstechnologien. Dieser Rahmen wurde von solchen Ländern gesetzt, die früher als andere die damit verbundenen neuen Chancen für sich erkannten – und damit zum Vorbild für andere wurden.

Jeder, der vorgeschlagen hätte das Internet auf Grundlage eines aufwendigen internationalen Systems verbindlicher Quoten in festgelegten Fristen zu verbreiten, um so damit zwangsläufig einhergehende wirtschaftliche Strukturbrüche abzufedern, wäre als Spinner verspottet worden. Die Mikroelektronik-Revolution passierte wegen der Produktivitätsgewinne, die sie bescherte und trotz der grundlegenden strukturellen Um­brüche, die sie verursachte. Länder, die die Mikroelektronik förderten – zum Beispiel mithilfe staatlicher Forschungsprogramme – konnten später davon entsprechend profitieren und diejenigen, die sich zurückhielten, um damit wirtschaftliche Strukturbrüche zu vermeiden, haben sich selbst geschadet.

Eine dynamische Strategie gegen den Klimawandel beginnt also mit der Erkenntnis des ökonomischen Nutzens, der aus einer Revolutionierung der Energieversorgung erwächst.

Wir könnten eine Stromversorgung aus 100 Prozent erneuerbarer Energie in 15 Jahren schaffen, wenn entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen gesetzt werden. Nichts kann schneller installiert werden als dezentrale Anlagen für erneuerbare Energie. Die Zeitspanne zwischen Investition und Inbetriebnahme der Anlagen ist sehr kurz, ein Windrad kann beispielsweise innerhalb von zwei Wochen gebaut werden.

(Gekürzte Fassung, Erstveröffentlichung: SOLARZEITALTER 4/2009, S. 1-3)

2626 Hermann Scheer

Hermann Scheer (†) hat als Politiker und Buchautor den weltweiten Wandel zur Sonnenenergie entscheidend mit auf den Weg gebracht.

Klimakonferenz Cancún

Einigung auf einen Kompromiss zur Bekämpfung der Erderwärmung.

Klimakonferenz Cancún

(15. Dezember 2010) Die Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen im mexikanischen Cancún einigte sich auf einen Kompromiss zur Bekämpfung der Erderwärmung. Gegen den Widerstand der bolivianischen Delegation verständigten sich die Teilnehmer auf zwei Abschlussdokumente. Sie sehen u. a. die Einrichtung eines Klimafonds und kleinere Schritte im Kampf gegen den Klimawandel vor. Eine Einigung auf eine konkrete Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen erzielten die Delegierten nicht.

Greenpeace wertete Cancún als "Zeichen der Hoffnung". Mit dem einstimmigen Beschluss über die Einrichtung eines Klimaschutzfonds, der Sicherung von Biodiversität sowie der Rechte indigener Völker seien die Grundpfeiler für einen globalen Klimaschutzvertrag gelegt worden, auch wenn der Klimawandel damit noch nicht gestoppt sei.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) meint, dass das Ergebnis des Gipfels die Erderwärmung nicht unter zwei Grad halte. Leider hätten Staaten wie die USA, Japan, Kanada, Australien und China weitere Fortschritte blockiert. Wirksamer Klimaschutz sei erneut vertagt worden, dieses Mal ins Jahr 2011 nach Durban in Südafrika.

Warum Kopenhagen floppte

Laue Kompromisse statt effizienter Klimaschutzpolitik: Alle 15 Weltklimakonferenzen blieben in Sachen Klimaschutz weit unter ihren Möglichkeiten. Das liegt im Verhandlungskonzept selbst begründet, was auch künftige Konferenzen scheitern lässt.
Von MdB Hermann Scheer

(15. März 2010) Die 15. Weltklimakonferenz in Kopenhagen samt ihrem monatelangen Vorlauf verlief wie eine Schallplatte, die zum 15. Mal seit der ersten in Berlin 1995 aufgelegt wurde. Jedes Mal wurde ein großer Erwartungshorizont aufgebaut, der kurz vor der Konferenz wieder heruntergeschraubt werden musste, weil das Gefeilschte um die Lastenverteilung erneut keinen Erfolg signalisierte. Dann mündeten die jeweiligen Konferenzen bestenfalls in einen Minimalkompromiss, der die Klimakatastrophe nicht wirklich aufhalten kann. Dieser wird dann von den verhandelnden Regierungen als Erfolg gewertet, damit sie nicht mit leeren Händen dastehen. Manchmal wird dann sogar als Erfolg hingestellt, dass eine Folgekonferenz beschlossen worden ist. Die Weltklimakonferenzen sind zu einer selbstreferentiellen Veranstaltung geworden. Es ist höchste Zeit zu erkennen, dass damit ein globaler Klimaschutz nicht erreicht werden kann.

2626 Hermann Scheer

Dr. Hermann Scheer
Mitglied des Deutschen Bundestages, Präsident von Eurosolar, Vorsitzender des Weltrats für erneuerbare Energien, Autor und wissenschaftlicher Publizist, Träger des alternativen Nobelpreises und des Weltsolarpreises.

Konsensprinzip bremst

Vordergründig klingt die Grundüberlegung der Weltklimakonferenzen einleuchtend, dass ein globales Problem eine gemeinsam getragene globale Entscheidung erfordert. Doch dies hat eine prinzipielle und eine praktische Crux. Die Prinzipielle ist, dass ein internationaler Vertrag mit verbindlichen Handlungspflichten nur durch breiten Konsens unter den Regierungen zustande kommen kann.

Konsens bedeutet aber immer Verwässerung der Maßnahmen, weil die Ausgangsbedingungen der verschiedenen Länder zu unterschiedlich sind. Es gibt nun einmal Energieexport- und Energieimportländer mit total unterschiedlichen Interessen. Und es gibt Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer mit total unterschiedlichen Möglichkeiten. Dies alles auf einen Nenner zu bringen, kann bestenfalls zu einem Minimalkompromiss führen, der weit hinter der real gegebenen Herausforderung zurückbleibt, die aber Beschleunigung verlangt. Konsens und Beschleunigung stehen aber prinzipiell in einem unüberbrückbaren Widerspruch zueinander.

Unterschiedliche Politiken notwendig

Die zweite Crux ist, dass zugleich der heillose Versuch gemacht wird, einen gleichen Politikansatz für alle zu installieren. Dieser besteht in der Zuteilung von Emissionsrechten und deren allseitige Verrechnungsmöglichkeit für deren Kauf oder Verkauf. Dafür ist aber ein Preisbindungsmechanismus für CO2-Emissionen notwendig, der von dem vereinbarten Maximum an zugeteilten Emissionsrechten ausgeht.

Nationale Politik ist entscheidend

Dieses Maximum ist aber identisch mit dem im Konsens erreichten Minimalkompromiss, weil dieser das einzige vereinbarte Kriterium darstellt. Mit anderen Worten: Damit wird ein ökonomischer Anreiz für alle geschaffen, nicht mehr als dieses Minimum zu tun. Das unverantwortliche Ergebnis ist, dass man mit hängender Zunge hinter der gestellten Herausforderung her hinkt.

Klimaschutz ist wirtschaftliche Chance

Daraus folgt: So gestrickte Weltklimakonferenzen programmieren ihr eigenes Scheitern gegenüber dem Problem. So kann es nicht weitergehen. Regierungen müssen sich von der falschen Prämisse verabschieden, die alles lähmt: dass die beiden einzigen tragbaren Wege zum Klimaschutz - der Wechsel zu erneuerbaren Energien und die Steigerung der Energieeffizienz - eine wirtschaftliche Last seien, die man nur auf sich nehmen dürfte, wenn es alle anderen „im internationalen Gleichklang" ebenfalls tun.

Die richtige Prämisse ist, dass es sich um einen elementaren volkswirtschaftlichen Vorteil für jeden handelt, der das für sich vorantreibt. Dafür braucht man aber nicht auf einen internationalen Vertrag zu warten. Was anstelle dessen erforderlich ist, ist ein nationaler Politikansatz (oder im Sonderfall der EU ein gemeinsam auf den Weg gebrachter), der die makroökonomischen Vorteile in mikroökonomische Anreize übersetzt. Dies ist nötig, weil die volkswirtschaftlichen Vorteile des Energiewechsels nicht zugleich einzelwirtschaftliche Vorteile für jeden Wirtschaftsteilnehmer sein können. Auf jeden Fall ist man selbst gefordert, statt sich einfach auf den Ausgang von Weltklimakonferenzen zu verlassen.

Zielgerichtete technologische Revolution.

Die Menschheit steht an der Schwelle zu einer Ära beispielloser Möglichkeiten. In den letzten Jahrzehnten entstanden viele neue Technologien, die unsere bisher auf fossilen, umweltschädigenden Energieträgern basierende Wirtschaft grundlegend verändern werden. Dieser Wandel wird Millionen neue Arbeitsplätze schaffen. Er kann die globale Erderwärmung nicht nur aufhalten, sondern sogar reduzieren, unsere Umwelt sauberer machen und zu einer gerechteren Welt beitragen. Das Stichwort hierfür ist die Ingangsetzung einer zielgerichteten technologischen Revolution.

Revolution nicht im Konsens durchsetzbar

Die Geschichte liefert viele Beispiele für technologische Revolutionen, die die Welt verändert haben und dabei zunächst immer auf massiven Widerstand stießen. Keine dieser Revolutionen wurde durchgesetzt, indem ein Konsens mit denjenigen getroffen wurde, die die Verlierer dieser bevorstehenden Entwicklung sein würden, und erst recht waren solche Umwälzungen nie Bestandteil eines internationalen Vertrages - auch wenn ihre Auswirkungen einen globalen Maßstab hatten.

Nationaler Rahmen notwendig

Trotzdem brauchten diese revolutionären Veränderungen einen politischen Rahmen, damit sie zum Durchbruch kommen konnten. Dies galt für den Eisenbahnbau, die Elektrifizierung, das Auto, die Luft- und Schifffahrt und aktuell die Telekommunikations- und Informationstechnologien. Dieser Rahmen wurde von solchen Ländern gesetzt, die früher als andere die damit verbundenen neuen Chancen für sich erkannten - und damit zum Vorbild für andere wurden.

Jeder, der vorgeschlagen hätte, das Internet auf Grundlage eines aufwendigen internationalen Systems verbindlicher Quoten in festgelegten Fristen zu verbreiten, um so damit zwangsläufig einhergehende wirtschaftliche Strukturbrüche abzufedern, wäre als Spinner verspottet worden.

Die Mikroelektronik-Revolution passierte wegen der Produktivitätsgewinne, die sie bescherte, und trotz der grundlegenden strukturellen Umbrüche, die sie verursachte. Länder, die die Mikroelektronik förderten - zum Beispiel mithilfe staatlicher Forschungsprogramme - konnten später davon entsprechend profitieren und diejenigen, die sich zurückhielten, um damit wirtschaftliche Strukturbrüche zu vermeiden, haben sich selbst geschadet.

Erfolg durchs EEG

Eine dynamische Strategie gegen den Klimawandel beginnt also mit der Erkenntnis des ökonomischen Nutzens, der aus einer Revolutionierung der Energieversorgung erwächst. Deutschland ist hierfür ein gutes Beispiel: Hierzulande werden weltweit die meisten Solaranlagen installiert, obwohl es eindeutig nicht das Land mit privilegierter Sonnenstrahlung ist. Der Erfolg der Solarenergie und der anderen erneuerbaren Energien ist Ergebnis des Erneuerbare Energie Gesetzes (EEG) - und nicht des Kyoto-Protokolls.

Der Schlüsselpunkt dieses Gesetzes ist, dass allen erneuerbaren Energien absoluten Vorrang gegenüber konventionellem Strom eingeräumt wird und zu einem garantierten Vergütungssatz in das Netz eingespeist werden kann. Dadurch können die konventionellen Energieanbieter diese Entwicklung der erneuerbaren Energien nicht behindern. Dieses einfache Gesetz hat bereits über 40 Länder inspiriert, diesem Beispiel zu folgen.

Wir könnten eine Stromversorgung aus 100 Prozent erneuerbarer Energie in 15 Jahren schaffen, wenn entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen gesetzt werden. Nichts kann schneller installiert werden als dezentrale Anlagen für erneuerbare Energie. Die Zeitspanne zwischen Investition und Inbetriebnahme der Anlagen ist sehr kurz, ein Windrad kann beispielsweise innerhalb von zwei Wochen gebaut werden. Auf der anderen Seite benötigt man Jahre für ein einziges Großkraftwerk. Die Umstellung auf dezentrale, erneuerbare Energie ist technisch und ökonomisch deutlich schneller - ein enormes Potential, das in 10.000 Jahren noch genau so vorhanden ist, wie es bereits vor 10.000 Jahren war.

Die Gesellschaften müssen weltweit die politischen Entscheidungen treffen, um im Eigeninteresse diese neue Perspektive zu ermöglichen. Es muss eine selbstverständliche Tatsache werden, dass wir nicht wie bisher die Umwelt schädigen können, wenn es billigere und saubere Alternativen gibt. Deutschland hat gezeigt, dass es möglich ist, öffentliche Aufmerksamkeit und Unterstützung für erneuerbare Energie zu gewinnen und den Umstieg auf erneuerbare Energie erfolgreich zu beginnen.

Schöpferische Zerstörung konventioneller Energiewirtschaft

Es kann aber keine Revolutionierung der Energieversorgung geben ohne die schöpferische Zerstörung der existierenden konventionellen Energiewirtschaft, wie sie Joseph Schumpeter, einer der bedeutendsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts, für jeden Strukturwandel für notwendig hält. Dies ist letztlich eine Frage, die die vom Volk gewählten Politiker zu beantworten haben: Ob es wichtiger ist, die Interessen der alten Energiewirtschaft zu vertreten, oder die Zukunft der gesamten Gesellschaft.

Quelle: Solarzeitalter 4/2009, Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

letzte Änderung: 29.06.2022