ED 04/12 Eine Welt ohne Öl (S.30-31)
Krimi von Hannover

Leiche am Strand: Krimi von Hannover

(09. Januar 2017) Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ist eine unabhängige Forschungseinrichtung in Hannover, die dem Bundeswirtschaftsministerium untersteht. Ein von der Industrie gut gefüllter Geldtopf, die „gemeinnützige“ Hans-Joachim-Martini-Stiftung, steht der BGR als Portokasse zur Verfügung. Ob zur Ehrung verdienter Mitarbeiter und zur Finanzierung fragwürdiger Studien, das Geld fließt.

ED 04/16 Leiche am Strand: Krimi von Hannover (S.26)

Nun sind 4.000 Seiten interne Dokumente der Stiftung an die Öffentlichkeit gelangt und von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung ausgewertet worden. Sie lassen die BGR denkbar schlecht dastehen. Politiker sehen die Unabhängigkeit und Seriosität der BGR kompromittiert, so auch Sylvia Kottig-Uhl, Bundestagsabgeordnete der Grünen.

Der Hans-Joachim-Martini-Fonds wurde 1982 gegründet, um die BGR zu unterstützen und 1987 in eine Stiftung umgewandelt. Die Idee für diesen Fonds wird dem Chefgeologen des Bayer-Konzerns Gerd Anger zugeschrieben. Schon im Gründungsjahr wurden 120.000 DM in den Fonds eingezahlt. Selbst der damalige BGR-Präsident Martin Kürten warb persönlich bei der Industrie um Spenden für den Fonds. Anger war später Schatzmeister des Fonds. Viele Industriefirmen haben einen Sitz im Kuratorium der Stiftung, dem auch der Präsident des BGR und ein Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums angehören. Mit Anger hat es kein gutes Ende genommen: Er bediente sich letztendlich sogar persönlich aus der Stiftungskasse. Die fehlenden 200.000 Euro ersetzte Bayer anstandslos und versetzte Anger in den Ruhestand. Keine vier Monate später wurde seine Leiche in Dänemark angespült. Todesursache bis heute ungeklärt.

In der Stiftungskasse sind derzeit 400.000 Euro. Der Fonds schweigt über Einnahmen und Ausgaben. Aus den Unterlagen geht hervor, dass neben Bayer auch Preussag, Rheinbraun, BP, Ruhrkohle AG, Wintershall und der Stahlriese Salzgitter in den Fonds einzahlten.

Die Stiftung bezahlte Tagungen, Computer und auch Forschungen. Die Forschungsprojekte der Stiftung decken sich oft erstaunlich gut mit den Interessen der Unternehmen, die Geld für die Stiftung lockergemacht hatten. Ein Preisträger der Stiftung bescheinigte dem Salzstock Gorleben die Eignung als atomares Endlager. Ein anderer Preisträger versuchte, den schädlichen Einfluss von „Infraschall“, der von Windrädern ausgehen soll, zu belegen. Die Innenrevision des Bundeswirtschaftsministeriums kritisierte die Vergabepraxis der Preisgelder zumindest bis zum Jahr 2003 als „angreifbar“. Auch zur unterirdischen Lagerung von CO2, dem sogenannten CCS und zum Fracking vertritt die BGR erschreckend vorbehaltlos und unreflektiert die Positionen der Industrie.

Besonderes Aufsehen erregte eine BGR-Studie, die von der Stiftung bezahlt wurde: Nicht die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas verursache den Klimawandel, sondern schlichter Wasserdampf. Die BGR legte nach und veröffentlichte wenig später auf der Basis dieser Studie das Buch „Klimafakten“, bis heute eine Bibel aller Klimaskeptiker. „Schlicht haarsträubend“, nennt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung die Studie.

Die politischen Interventionen aus Hannover haben weder Fracking, noch CCS zum Durchbruch verholfen. Und die Arbeit an Gorleben, ein besonderes Anliegen von Anger, sind eingestellt worden.

Die Unabhängigkeit von Bundesbehörden ist jedoch nun zum politischen Thema geworden. Sowohl die Stiftung als auch die BGR wehren sich bis heute entgegen aller Fakten empört gegen den Vorwurf, die Industrie nehme über die Stiftung Einfluss auf die BGR.

letzte Änderung: 27.04.2019