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BGH im Schussfeld

Verfassungsbeschwerden: BGH im Schussfeld

(18. März 2017) Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in seiner Entscheidung vom 28. Oktober 2015 geurteilt, dass dem Grundversorger ein Preisänderungsrecht aus dem Gesichtspunkt der sogenannten „ergänzenden Vertragsauslegung“ zusteht.

1700 Holzhammer / Foto: Pixabay.com

Zur Erinnerung: Grundversorger hatten in der Vergangenheit Preiserhöhungen damit begründet, dass ihnen § 5 Abs. 2 der Grundversorgungsverordnungen (StromGVV und GasGVV) ein Preisänderungsrecht einräume. Diese Entscheidung war sodann durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) kassiert worden. Denn sie war mit dem verbraucherorientierten EU-Recht nicht vereinbar.

Der BGH, der das Urteil des EuGH eigentlich in Deutschland umsetzen sollte, hatte daraufhin angeführt, dass ohne § 5 Abs. 2 GVV dem Versorger überhaupt kein Preisänderungsrecht mehr zur Seite stehen würde. Dies sei eine „Lücke“, da Endverbraucher und Versorger eine solche Folge sicher vermeiden wollten. Somit sei der Vertragswille auszulegen mit dem Ergebnis, dass ein Preisänderungsrecht des Versorgers bestehe.

Gegen dieses Richterrecht hatten Anfang 2016 drei betroffene Endverbraucher mit Unterstützung durch den Bund der Energieverbraucher Verfassungsbeschwerde eingelegt. Der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichtes hatte die erste Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Besonders erfreulich ist deshalb, dass im Rahmen einer der beiden anderen Verfassungsbeschwerden (Az. 2 BvR 1131/17 und 2 BvR 1396/16) der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts inzwischen die Bundesregierung zur Stellungnahme aufgefordert hat. Er will offensichtlich näher in eine Prüfung eintreten.

Viele Zivilgerichte haben ebenfalls bereits reagiert und setzen laufende Verfahren weiterhin aus. Betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern, die derzeit Klageverfahren wegen Preisanhebungen in der Grundversorgung führen, ist dringend zu raten, weiterhin auf Aussetzung zu drängen. Die meisten Versorger stimmen einem solchen Antrag erfahrungsgemäß zu.

Auch der EuGH hat sich vor kurzem nochmals im Rahmen eines ähnlich gelagerten Verfahrens zu Wort gemeldet. Er hat die Einhaltung von verbraucherschutzrechtlichen Vorschriften ausdrücklich – möglicherweise auch gerade an die Adresse des BGH gerichtet – angemahnt. „Eine zeitliche oder inhaltliche Beschränkung von Rückzahlungsansprüchen aufgrund einer gegen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG verstoßenden Klausel ist unzulässig“, so das Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2016. Aus dem Urteil ergeben sich einschneidende Folgen, so Prof. Markert. Das Verfassungsgericht wird diese ebenfalls zu berücksichtigen haben.

bdev.de/eughdez16

bdev.de/markerteugh

letzte Änderung: 11.07.2023