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ED 04/14 Bürgerprotest: Beispiel Lübeck (S.18)

Dauerbrenner Fernwärmepreise

Bezahle ich zu viel für meine Fernwärme? Wie hoch ist überhaupt mein Fernwärmepreis? Diese Fragen stellen sich viele Fernwärmekunden. Einfache Antworten gibt es leider nicht.
Von Aribert Peters

(16. Oktober 2017)

Preise des eigenen Versorgers

Den Preis je Kilowattstunde, den Arbeitspreis für die verbrauchte Fernwärme, kann jeder Verbraucher leicht errechnen, indem er die Bruttogesamtkosten durch die bezogenen Kilowattstunden teilt. Aber ist dieser Preis hoch oder niedrig?

Der  Nachbar zahlt beim gleichen Versorger für die gleiche Energie möglicherweise einen anderen Preis. Die Versorger dürfen die Preise willkürlich festsetzen: Für Altkunden anders als für Neukunden, für Gebiet X anders als für Gebiet Y und für Mitglieder des örtlichen Fußballvereins nochmal wieder anders. Deshalb hilft auch ein Preisblatt nicht wirklich weiter, weil sich hieraus keine Ansprüche ableiten lassen.

Leider gibt es viele Versorger, die sich zudem weigern, ihre Fernwärmepreise im Internet zu veröffentlichen. Und es ist umstritten, ob es eine Veröffentlichungspflicht für alle Fernwärmepreise gibt. Eine Veröffentlichungspflicht im Internet gibt es zumindest laut einem Urteil des OLG Hamm nicht (Az. I-4 U 150/16). Deshalb hat Schleswig-Holstein eine Veröffentlichungspflicht gesetzlich verankert (siehe Infobox).

Veröffentlichungspflicht in Schleswig-Holstein

Am 30. März dieses Jahres trat in Schleswig-Holstein das „Gesetz zur Energiewende und zum Klimaschutz“ in Kraft. Darin wird als Ziel eine 40-prozentige Reduktion der Treibgasemissionen bis zum Jahr 2020, eine Verminderung um 55 Prozent bis zum Jahr 2040 und um 80 bis 95 Prozent bis zum Jahr 2050 festgelegt. Als Bezugspunkt gelten die Gesamtemissionen des Jahres 1990. Auch werden die nötigen Grundlagen für die Aufstellung kommunaler Wärme- und Kältepläne geschaffen: Energielieferanten und Schornsteinfeger können verpflichtet werden, relevante Daten in anonymisierter Form zu übermitteln.

Weiterhin sind in Schleswig-Holstein die Fernwärmeversorger seit dem 1. Juli 2017 verpflichtet, ihre Versorgungsbedingungen, die Preisregelungen und auch die Preislisten im Internet zu veröffentlichen. In der bundesweit gültigen Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) ist in § 1 Absatz 4 lediglich festgelegt, dass die Veröffentlichung in „geeigneter Weise“ zu erfolgen hat.

Dieses neue weitreichendere Veröffentlichungsgebot im nördlichsten Bundesland kann als Erfolg des Einsatzes der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein und der Regionalgruppe Lübeck vom Bund der Energieverbraucher für mehr Transparenz im Fernwärmemarkt gewertet werden. bdev.de/luebeck

Preise anderer Fernwärmeversorger

Das Statistische Bundesamt veröffentlicht einen Index bundesweiter Fernwärmepreise mit einer zeitlichen Verzögerung von drei bis sechs Monaten. Auf der Webseite der Behörde kann die derzeit aktuelle Excel-Tabelle „Daten zur Energiepreisentwicklung – Lange Reihen“ abgerufen werden. Die relevanten Fernwärmeindizes finden sich ganz hinten auf Tabellenblatt „5.10 Fernwärme“ unter der Zeile „Index der Verbraucherpreise“. bdev.de/stabufw

Bundesweite Fernwärmepreise für Mehrfamilienhäuser werden auch vom Bundeswirtschaftsministerium veröffentlicht. bdev.de/bmwidaten

Der Verband der Fernwärmeversorger (AGFW) veröffentlicht zudem jährlich die Mittelwerte der Fernwärmepreise für bestimmte Mustergebäude. Die Preise basieren auf einer Abfrage des Verbandes bei seinen Mitgliedsunternehmen und ist nach Bundesländern gegliedert. bdev.de/agfw

Preisvergleich und Vollkostenpreise

Der Bund der Energieverbraucher e.V. vergleicht regelmäßig die Entwicklung der Fernwärmepreise mit denen aller anderen Heizenergieträger. Datengrundlage sind die oben genannten amtlichen Statistiken. bdev.de/daten

Das Ergebnis: Fernwärmepreise liegen je Kilowattstunde betrachtet über denen aller anderen Energieträger (siehe Grafik). Jedoch gibt es bei der Fernwärme keine Umwandlungsverluste, keine Wartungskosten und keine Investitionskosten in einen Heizkessel. Der Verbrauch je Quadratmeter Wohnfläche ist zudem geringer als bei anderen Heizsystemen. Insgesamt liegt der Preis je Quadratmeter Wohnfläche deshalb, trotz höherer Kosten pro Kilowattstunde, oft etwa gleich hoch wie bei anderen Heizsystemen.

2531 Diagramm Brennstoffpreisentwicklung in Deutschland 2006-2016

Wer für seinen Neubau oder sein saniertes Gebäude beim Vergleich der verschiedenen Heizsysteme auch die Fernwärme einbeziehen möchte, sollte einen Vollkostenvergleich anstellen. Ein solcher ist für unterschiedliche Gebäude auf den Seiten der Uni Stuttgart zu finden. Da die Bedingungen der Fernwärmeversorger sehr unterschiedlich sind, können die dort aufgeführten Beispiele nur zur Orientierung dienen. bdev.de/iervollk

In der Statistik der großen Heizkostenabrechnungsfirma Techem werden die tatsächlich abgerechneten Kosten von vielen Hunderttausend Haushalten statistisch ausgewertet. Hier liegen die reinen Energiekosten für fernwärmeversorgte Gebäude im Jahr 2015 mit 9,8 Cent/kWh um 58 Prozent über den Energiekosten für Gas in Höhe von 6,2 Cent/kWh. Die Gesamtkosten liegen allerdings mit 9,40 Euro/(m2*a) für fernwärmeversorgte Gebäude „nur“ 27 Prozent über den Kosten für gasversorgte Gebäude mit 7,36 Euro/(m2*a).

Musterland Dänemark

In allen Studien zur Verbesserung des Klimaschutzes wird vorgeschlagen, den Anteil der Fernwärme bei der Heizenergieversorgung von Gebäuden zu erhöhen.

Im Musterland Dänemark liegt der Anteil von fernwärmeversorgten Gebäuden bereits viel höher als bei uns. Auch in Sachen Kundenfreundlichkeit und Transparenz sind uns die Dänen weit voraus. So werden die Preise aller Fernwärmeversorger im Internet veröffentlicht. Dort findet man nicht nur die Preise für verschiedene Abnahmefälle, sondern auch deren Veränderung. Dabei fällt auf: Die Fernwärmepreise sind auch in Dänemark von Netz zu Netz sehr unterschiedlich. bdev.de/dkfw

Fernwärmestreit in Hamburg

In Hamburg hat die Hansewerk Natur GmbH die Preisänderungsklauseln aller Altkunden einseitig geändert. Dagegen hat die Verbraucherzentrale Hamburg im Jahr 2015 Klage eingereicht. In der mündlichen Verhandlung im Mai 2017 hat der Richter zu erkennen gegeben, dass er die Auffassung der Verbraucherzentrale teilt. Daraufhin wurde er vom Versorger wegen Befangenheit abgelehnt, da der Richter selbst Fernwärmekunde ist. Das Verfahren wird sich wohl noch einige Zeit hinziehen.

Fernwärmepreise stark gestiegen

Die Fernwärmepreise sind von 2006 bis 2016 im gesamtdeutschen Mittel um circa 22,5 Prozent gestiegen, während die Gaspreise für Haushaltskunden im gleichen Zeitraum nur um gut acht Prozent gestiegen sind. Die Heizölpreise sind sogar kräftig gesunken um circa 17 Prozent und die Flüssiggaspreise um fast 21 Prozent. Auch die Kohlepreise sind um circa 4 Prozent zurückgegangen. In der auf dieser Seite veröffentlichten Grafik kann man den Preisverlauf der vergangenen zehn Jahre gut nachvollziehen.

Bei Gas und Strom hat sich vor allem ab 2006 nach und nach ein gewisser Wettbewerb eingestellt, so dass die Zeit der großen Margen dort der Vergangenheit angehört. Der Wettbewerbsdruck sorgt dafür, dass sich die Preise den Grenzkosten der Anbieter nähern.

Anders bei der Fernwärme: Dort gibt es keinen Wettbewerb von Anbietern untereinander. Fernwärmeanbieter haben eine marktbeherrschende Stellung in ihrem jeweiligen Versorgungsgebiet. Der höhere Preisanstieg von Fernwärme im Vergleich zu den anderen Energieträgern lässt vermuten, dass die Fernwärmeversorger überhöhte Preise in Rechnung stellen.

Allerdings müsste für eine genauere Betrachtung berücksichtigt werden, wie sich die Einsatzenergien der Fernwärme zeitlich entwickelt haben. Auf den konkreten Einzelfall lassen sich aus dem bundesweiten Pauschalvergleich ohnehin kaum Rückschlüsse ziehen. Beim Verdacht auf überhöhte Preise sollte man die Landeskartellbehörde informieren und um Stellungnahme bitten. Die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts bietet zahlreiche weitere Informationen. bdev.de/fwkartellamt

Kalte Fernwärme kostet weniger

Wenn das warme Wasser der Fernwärme im Haus für gemütliche Wärme gesorgt hat, fließt es zurück zur Heizzentrale, um dort erneut aufgeheizt zu werden. Je kälter das Wasser zurückfließt, umso vorteilhafter ist das! Der Wirkungsgrad der Fernwärmeerzeugung erhöht sich, der Wärmeverlust der Rohrleitungen sinkt. Das führt zu Kosteneinsparungen und, sofern die Einsparungen weitergegeben werden, auch für Verbraucher zu günstigeren Preisen.

Die Verbraucher können die Differenz zwischen Vor- und Rücklauftemperatur durchaus beeinflussen:

Warum erfolgt trotz dieser Win-Win-Win-Situation für Betreiber, Nutzer und Klima keine Aufklärung über diese Zusammenhänge und warum wird nichts unternommen, um dieses Effizienzsteigerungspotenzial zu nutzen?

Anschlusswert zu hoch?

Bei Fernwärmetarifen mit leistungsabhängigen Grundkosten führt eine falsch ermittelte Heizlast häufig zu unnötig hohen Kosten. Viele Versorger sind aber offen für die Anpassung der Leistung an den tatsächlichen Bedarf. Andererseits haben Vermieter und Verwalter oft nur geringes Interesse an einer Optimierung, weil die Heizkosten an die Mieter problemlos „durchgereicht“ werden können.

letzte Änderung: 16.06.2021