ED 01/12 Wärmedämmung - Zweitmauer gegen die Kälte (S.7)
In Zukunft müssen sich unsere Häuser selbst mit Energie versorgen, weil fossile Energien zur Neige gehen.

Das Haus der Zukunft

In Zukunft müssen sich unsere Häuser selbst mit Energie versorgen, weil fossile Energien zur Neige gehen. Die Bundesregierung will den gesamten Gebäudebestand bis 2050 nahezu klimaneutral gestalten. Und die EU schreibt ab 2021 für Neubauten ein Null-Energie-Niveau vor.
Matthias Hüttmann und Aribert Peters vergleichen zwei Gebäudekonzepte für die Zukunft.

(7. Juli 2015) Die verschärfte EU-Gebäuderichtlinie EPBD (Directive on Energy Performance of Buildings) gilt seit 18. Mai 2010 und schreibt für nahezu alle ab dem Jahr 2021 neu errichteten Gebäude das Niveau von Null-Energie-Häusern vor. Die auch als Niedrigstenergiegebäude bezeichneten Gebäude sollen ihren geringen Energiebedarf zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen decken, die am Standort oder in der Nähe erzeugt wird. In der Fachwelt ist man sich alles andere als einig, was der richtige Weg für die Zukunft des Bauens sein soll.

303 Matthias Hüttmann

Matthias Hüttmann | Ist seit 1994 in der Solarbranche tätig. Als freier Journalist ist er Verfasser von Fachbeiträgen, Buchautor, Chefredakteur der Zeitschrift SONNENENERGIE und Mitglied im Präsidium der DGS.

Das Problem ist nicht neu: Im Winter ist die Heizlast von Gebäuden groß, das solare Angebot jedoch niedrig. Am einfachsten wäre es, das Überangebot an Solarenergie im Sommer für die „dunkle Jahreszeit“ zu speichern und dann abzurufen. Aber wie geht das konkret? In diesem Artikel werden exemplarisch die Konzepte Passivhaus und Sonnenhaus vorgestellt. Wir beschreiben Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede und geben eine kurze Einschätzung zu den Zielen und Methoden.

Passivhaus: Kommt ohne Heizung aus

Ein Passivhaus ist so gut gedämmt, dass selbst im Winter keine zusätzliche Heizung erforderlich ist. Die sogenannten inneren Wärmequellen: Sonnenwärmeeinstrahlung durch Fenster und die Körperwärme der Bewohner sowie das Erwärmen der notwendigen Frischluft beheizen das Haus. Der Heizwärmebedarf des Passiv-hauses liegt unter 15 kWh/(qm*a), der Primärenergiebedarf unter 120 kWh/(qm*a). Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung vermeidet zusätzlich Wärmeverluste. Der dafür notwendige Wärmedurchgangskoeffizient der Gebäudehülle liegt bei rund 0,1 kWh/qmK und erfordert eine Außenwanddämmung von üblicherweise 18 bis 20 Zentimetern. Das Passivhaus ist viel besser gedämmt als ein Gebäude, das nach den derzeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen (Energieeinsparverordnung) gebaut ist. Das Passivhauskonzept wurde vom Passivhausinstitut in Darmstadt (Prof. Dr. Feist) entwickelt. Die Bezeichnung Passivhaus ist nicht geschützt. Eine Zertifizierung ist möglich, aber nicht verpflichtend. In der Schweiz wird der Passivhausstandard als Minenergie-P bezeichnet.

Sonnenhaus

Unter dem Begriff Sonnenhaus versteht man Gebäude, die ihren Jahreswärmebedarf an Heizung und Trinkwarmwasser mindestens zur Hälfte mit einer thermischen Solaranlage decken.

Als wirtschaftliches Optimum gilt ein solarer Deckungsgrad von 60 bis 70 Prozent, aber auch 90 Prozent sind möglich. Ein Sonnenhaus hat einen spezifischen Heizwärmebedarf von höchstens 40 Kilowattstunden pro Quadratmeter Nutzfläche. Sein Primärenergiebedarf ist mit maximal 15 kWh/(qm*a) sehr niedrig. Das ideale Sonnenhaus ist nach Süden orientiert und unverschattet. Die großzügig ausgelegte Solaranlage hat einen steilen Anstellwinkel. In Verbindung mit einem großen Langzeitwärmespeicher kann Energie über Tage oder gar Wochen gespeichert werden. Reicht die Solarheizung einmal nicht mehr aus, wird mit einem Pellet- oder Stückholzofen zugeheizt. Das Sonnenhauskonzept wird in Deutschland vom Sonnenhaus-Institut propagiert.

Endenergie und Primärenergie

Endenergie ist der nach Energiewandlungs- und Übertragungsverlusten übrig gebliebene Teil der Primärenergie, die den Hausanschluss des Verbrauchers passiert hat. Bei der Stromerzeugung sind die Umwandlungsverluste besonders hoch. Die EnEV 2014 schreibt angesichts des zunehmen Anteils erneuerbarer Stromerzeugung für Strom einen Primärenergiefaktor von 2,4 vor. Das bedeutet: Für eine Kilowattstunde aus dem Netz bezogenen Stroms werden 2,4 Kilowattstunden Primärenergie angerechnet. Heizöl und Erdgas haben einen Faktor von 1,1 und Holz von 0,2. Im Gebäude gewonnene Sonnenenergie wird weder der Primär-, noch der Endenergie zugerechnet.

Sonnenhaus und Passivhaus im Vergleich

Frappierend ist der unterschiedliche Primärenergieverbrauch von Passivhaus und Sonnenhaus. Das Passivhaus gestattet sich mit 120 kWh/qm einen zehnmal höheren Primärenergieverbrauch als das Sonnenhaus mit nur 15 kWh/qm. Allerdings: Der Haushaltsstrom ist im Primärenergieverbrauch des Passivhauses enthalten, beim Sonnenhaus dagegen nicht.

303 Sonnenhaus und Passivhaus: Kennwerte im Vergleich

Das Sonnenhaus darf aber kräftig Strom verbrauchen, zum Beispiel 7.000 kWh jährlich und würde dann primärenergetisch genauso dastehen, wie das Passivhaus je nach Größe des Hauses. Das zeigt, dass die großen primärenergetischen Unterschiede auch definitorisch bedingt sind. Beim Heizwärmebedarf ist wiederum das Passivhaus um den Faktor drei anspruchsvoller als das Sonnenhaus. Dahinter steht die Philosophie des Sonnenhauses: Warum viel Geld in Dämmung investieren, wenn die Sonne die Wärme günstig liefert. Während beim Passivhaus die Prämisse steht: Gut gedämmt ist halb geheizt. Also zuerst so gut wie möglich dämmen. Der verbleibende Rest ist so gering, dass er durch Hausgeräte und Personen oder kleine Mengen Elektrostrom gedeckt werden kann.

Beim Sonnenenergiehaus hat man also bei der Dämmung gespart, beim Passivhaus war man sparsam bei der aktiven Nutzung und Speicherung der Sonne. Wenn man die Stärken beider Konzepte kombiniert, kommt man – vereinfacht gesagt – zum Plusenergiehaus.

303 Die Freiburger Solarsiedlung Vauban / Foto: Architekturbüro Rolf Disch

Die Freiburger Solarsiedlung Vauban, 2010 errichtet, Plusenergiehaus in der Realität. Architekt: Rolf Disch

Plusenergie

Durch die Integration einer großen Photovoltaikanlage wird das Passivhaus zum Plusenergiehaus. Hierzu ist ein rechnerischer Nachweis eines Energieüberschusses sowie eines hohen Grades der Eigennutzung der gewonnenen Energie nötig. Durch einen Solarstromüberschuss im Sommer ist aufs Jahr gerechnet ein Plus möglich. Die Bezeichnung  „Plusenergiehaus“ ist ein geschütztes Markenzeichen des Solararchitekten Rolf Disch, langjähriges Mitglied im Bund der Energieverbraucher e.  V.

In der Freiburger Solarsiedlung Vauban wurden bereits 2010 59 Häuser errichtet, bei denen ein deutlicher Energie-Überschuss von im Schnitt 36 kWh pro Quadratmeter und Jahr (Primärenergie) bilanziert werden kann. Die Gebäude wurden im Passivhaus-Dämmstandard errichtet. Beheizt werden sie über ein Nahwärmenetz. Neue Techniken sollen -einen jährlichen Überschuss von bis zu 200 kWh/qm ermöglichen.

303 Rolf Disch

Rolf Disch, renommierter Solararchitekt mit Schwerpunkten auf ökologischem Bauen und Mitglied im Bund der Energieverbraucher, baute unter anderem die im Freiburger Stadtteil Vauban gelegene Solarsiedlung, das Heliotrop und erfand das Plusenergiehaus.

Die saisonale Illusion

Betrachtet man die Jahresbilanz eines Plusenergiehauses genauer, zeigt sich wie sich die Produktion und der Verbrauch in den jeweiligen Monaten verhalten. Das Ergebnis zeigt nichts Unerwartetes: Von November bis April wird meist aus dem Netz heraus geheizt, so dass im Winter eine deutliche Stromlast gezogen wird. Im Sommer ist es umgekehrt, die Erzeugung übersteigt den Verbrauch deutlich. Das Problem einer Winterlast liegt vor allem darin, wie Eva Hauser vom Saarbrücker IZES bereits veröffentlicht hat, dass die Überschüsse aus den fluktuierenden erneuerbaren Energien mittelfristig alles andere als synchron zur Wärmepumpennutzung laufen.

Ihr Fazit: Es gilt zu vermeiden, eine neue Stromnachfrage entstehen zu lassen, die systematisch nicht aus Erneuerbaren, sondern aus konventionellen Kraftwerken bedient werden muss.

Effizienzhaus Plus

Das  Förderprogramm „Effizienzhaus Plus“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVI) unterstützt Bauherren, deren Gebäude netto deutlich mehr Energie produzieren. Diese Energie soll insbesondere für die Elektromobilität zur Verfügung stehen. Würden lediglich Gebäude gemäß dem Effizienzhaus-Plus-Standard realisiert, gäbe es für Solarthermie keinen Platz mehr. Der Flächenbedarf für PV zur Bereitstellung von Wärme im Gebäude ließe nichts anderes mehr zu. Das ist in gewisser Weise absurd, da ja in Deutschland nahezu alle Gebäude an das Stromnetz angebunden sind. Solarthermie muss im Gegensatz dazu örtlich vorhanden sein, ein Kollektor auf dem Dach oder ein Wärmenetz ist notwendig.

Weiterentwicklung des Sonnenenergiehauses

Neben dem klassischen Sonnenhaus gelten für Sonnenhäuser, die mit einer Solarstromanlage ausgestattet sind, weitere Standards. Im Sonnenhaus Plus muss mehr Strom selbst erzeugt als verbraucht werden. Im Sonnenhaus Autark liegt der Schwerpunkt auf einer weitgehend netzunabhängigen solaren Eigenstromversorgung. Ziel ist ein möglichst hoher Autarkiegrad. Dies ist nur mit Hilfe eines niedrigen Stromverbrauchs möglich. Die Nutzung von Überschüssen für die Elektromobilität ist eine Option, die sich voraussichtlich in Zukunft mehr und mehr anbietet.

Im sächsischen Freiberg stehen seit dem Sommer 2013 zwei Häuser in unmittelbarer Nachbarschaft, konzipiert von Professor Timo Leukefeld. Die Häuser decken mehr als die Hälfte ihres Bedarfs an Heizung und Warmwasser mit der Sonne. Dazu sind in die steilen Dachflächen große Kollektorflächen integriert. In Kombination mit einem Langzeitwärmespeicher wird eine solare Deckungsrate von über 65 Prozent erreicht, der Rest wird mit Holz zugeheizt. Der selbst gewonnene Strom wird in zahlreichen Bleiakkus zwischengelagert. So kann das Haus vollständig ohne Stromnetzanschluss auskommen. Es entlastet sogar das öffentliche Stromnetz durch Einspeisung zu Hochlastzeiten.

Weiterentwicklung des Passivhauses

Aber auch das Passivhaus positioniert sich. Mittlerweile gibt es zwei neue Klassen des Passivhaus-Standards. Bei den Labels Passivhaus Plus und Passivhaus Premium wird berücksichtigt, wie die für den Betrieb des Hauses nötige Energie erzeugt wird. Es ist jedoch nach wie vor möglich, Energie einzurechnen, die im Haus gar nicht verbraucht wurde. Es muss kein zeitlicher Zusammenhang zwischen Produktion und Verbrauch bestehen. Selbst Investitionen in erneuerbare Energien können berücksichtigt werden. Auf dem Etikett muss zwar regional stehen, jedoch ist „regional“ noch nicht definiert.

Energiespeicherung

Die im Sommer erzielten Energieüberschüsse aus Solarenergie sind im Winter, wenn sie benötigt werden, nicht mehr greifbar, es sei denn, man speichert sie in Akkus oder Wasserspeichern. Kurzzeitspeicher gleichen dabei die täglichen Unterschiede zwischen Angebot und Bedarf, Langzeitspeicher saisonale Unterschiede zwischen Angebot und Bedarf aus.

Für kurze Zeitintervalle von einigen Stunden bis hin zu wenigen Tagen, gibt es zwei technologisch sinnvolle und wirtschaftliche Varianten: elektrische Speicher für den Strom aus der PV-Anlage und thermische Speicher für die Wärme aus der Solarthermie-Anlage.

Die Kosten der Energiespeicherung liegen für Stromspeicher aktuell bei etwa 20 bis 800 Euro/kWh und bei Wärmespeicher zwischen ein und 20 Euro/kWh. Bei beiden Speicherarten sind Entwicklungen zu erwarten, die deutliche Preisreduktionen mit sich bringen.

303 Wärmebedarf, Solarenergie und Speicherung im Wechsel der Jahreszeiten

Thermische Langzeitspeicher, also große Wassertanks, sind marktverfügbar, in der Praxis erprobt, in kleinem Maßstab realisierbar, kostengünstig und sind auch umweltfreundlich. Gleichwohl sie keinen Wärmetransport vom Sommer in den Winter erlauben, erhöhen sie die solaren Deckungsraten thermischer Anlagen ganz beträchtlich (siehe Abbildung). Will man die Deckungsrate allerdings auf über 70 Prozent erhöhen, steigt der Aufwand stark überproportional an. Auf diesem Gebiet wird an neuen technischen Lösungen intensiv geforscht.
Power-to-Heat ist ein Konzept der saisonalen Stromspeicherung, das bei sehr geringen Kosten sofort verfügbar ist. Überschussstrom wird dabei dort in Wärme umgewandelt, wo sonst fossile Brennstoffe eingesetzt würden. Die fossilen Brennstoffe werden dadurch eingespart. Sie können gespeichert und in Zeiten knappen solaren Angebots genutzt werden.

Autarkie als Altersvorsorge

Ein anderer Gedankengang beschäftigt viele Planer: Welche Bedeutung haben die Gebäude für unsere Altersvorsorge? Übereinstimmend mit Zukunftsforschern ist man zu dem Schluss gekommen, dass Einnahmen zunehmend an Bedeutung verlieren werden und künftig vielmehr die Einsparungen an Bedeutung gewinnen werden. Um sich vor steigenden Ausgaben im Alter schützen zu können, setzen sie auf möglichst hohe Autarkie und weniger auf den Austausch von Energie über das Netz. Große Speicher sollen helfen, den Zuheizbedarf zu reduzieren. Auch wenn es unter aktuellen Energiepreisen womöglich nicht ökonomisch erscheint, setzt man langfristig auf möglichst viel Eigennutzung von Sonnenenergie.

303 Energiespeicher im Neubau

Im Neubau lassen sich große Speicher gut einplanen.

Techniklastigkeit

Damit die Primärenergiejahresbilanz als auch die Endenergiejahresbilanz größer 0 ist, wird in vielen Gebäuden sehr viel Technik eingebaut, die es den Bewohnern erlaubt, ihren Energieverbrauch zu kontrollieren und zu optimieren. In einer sozialwissenschaftlichen Begleitforschung wurde unter anderem untersucht, wie viel Automation der Nutzer wünscht und welche Nutzerfreundlichkeit und Wohnzufriedenheit aus der Gebäudetechnik resultiert. Eines der Ergebnisse war, dass die Automatisierung von den Bewohnern als sehr sinnvoll erachtet wurde, jedoch ein hohes Maß an Technikkompetenz für die Programmierung nötig sei. Das Fazit der Nutzer:
so viel Automatisierung wie nötig und so wenig wie möglich. Zu viel Technik wurde auch als unheimlich und zu viel Automatisierung als Einschränkung erlebt.

Innovative Konzepte

Im solaren Zehnkampf („Solar Decathlon“) wetteiferten Studenten und Universitäten weltweit um den Bau des besten energieautarken Hauses im Jahr 2015. Die Häuser dürfen ihren Energiebedarf nur über selbst produzierten Solarstrom decken. Ein deutsches Team gewann den Wettbewerb im Jahr 2009 vor dem Kapitol in Washington. Seit 2008 gibt es auch einen Solar Decathlon in Europa.

Fazit

Das Haus der Zukunft ist noch nicht gefunden, auch wenn viele Ingenieure und Planer dies schon für sich beanspruchen. Bessere Dämmung und eine stärkere Nutzung der Sonne sind auf jeden Fall Schlüsselelemente für jeden Neubau und auch bei Sanierungen. Wie so oft liegt die Lösung in der Vielfalt von Möglichkeiten.

letzte Änderung: 22.09.2016