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Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V.

 „Trübe Funzel“ für E.on und SH Netz

Besonders verbraucherunfreundliches Verhalten ahndet der Bund der Energieverbraucher mit dem Negativpreis „Trübe Funzel“. Ein Messstellenbetreiber sowie ein Energieversorger haben die Auszeichnung verdient.
Von Leonora Holling und Louis-F. Stahl

(5. Dezember 2019) Stolze 11.384,47 Euro forderte der Energieversorger E.on aus heiterem Himmel von Heribert Heilmann (Name geändert, Details siehe ED 3/2019, S. 25). Dabei zahlte der Senior die Rechnungen seines im Mai 2009 abgeschlossenen Heizstromvertrages stets pünktlich. Auch wenn Ablesekarten ins Haus kamen, sendete er seinem Netzbetreiber beziehungsweise seinem Energieversorger eine Antwort.

Versagen von SH Netz

Was Herr Heilmann nicht bemerkte: Bei der Zuordnung der Zählerstände der beiden Zählwerke seines Zählers und hinsichtlich der Nachkommastelle schien es Unstimmigkeiten zu geben. So hat der Netzbetreiber Schleswig-Holstein Netz AG die Meldungen des Verbrauchers stets als „unplausibel“ verworfen oder die Meldungen zurückgewiesen. Dennoch kam der Netzbetreiber, der für „Messung und den Messstellenbetrieb“ stets gut kassierte, nicht auf die Idee, den Stromzähler vor Ort abzulesen und Herrn Heilmann die korrekte Ablesung seines Mehrtarifzählers zu erklären, sondern erfand einfach „maschinell geschätzte“ Werte, die an den Versorger E.on übermittelt wurden.

Erstes Versagen von E.on

Auch beim Energieversorger E.on kam über Jahre hinweg niemand auf die Idee, dass eine Erstellung von Abrechnungen auf Basis von „maschinellen Schätzungen“ möglicherweise keine gute Idee ist und mit dem realen Verbrauch nichts zu tun hat. Dabei wurden die Ablesewerte, soweit es dem Bund der Energieverbraucher bekannt ist, stets als „Schätzwert“ oder „korrigierter Wert“ von SH Netz an E.on übermittelt. Diese Umstände veranlassten E.on aber weder dazu, selbst abzulesen, noch auf eine offizielle Ablesung durch den für die Messung bezahlten Netzbetreiber zu drängen. Erst als die Enkeltochter der Heilmanns im Jahr 2016 Zählerwerte an E.on statt SH Netz übermittelte, kamen beim Versorger Zweifel auf, ob der Verbrauch von Familie Heilmann nicht tatsächlich höher als die abgerechneten Schätzungen sein könnte. Eine Vor-Ort-Ablesung durch den Netzbetreiber fand am 16. September 2016 statt, hatte aber nicht sofort eine korrigierte Abrechnung zur Folge.

Untätigkeit von E.on

Erst im Januar 2018 rechnete E.on schließlich unter Berufung auf § 18 der Stromgrundversorgungsverordnung genau nach, korrigierte mit den „neuen Erkenntnissen“ die zurückliegenden Rechnungen und kam auf den Betrag in Höhe von 11.384,47 Euro. Letztlich führte dies nach Einschaltung der auch für den Bund der Energieverbraucher tätigen Rechtsanwältin Michaela Sievers-Römhild, einer Befundprüfung des Stromzählers und einem Schlichtungsverfahren zu einer durchsetzbaren Forderung seitens E.on gegenüber dem betroffenen Verbraucher in Höhe von 7.280,75 Euro. Diese wollte E.on sofort und in einer Summe unter Androhung der Versorgungssperre eintreiben.

Verbraucher haben schlechte Karten

Mit den Folgen des doppelten Versagens von SH Netz und E.on müssen sich im Fall von Heribert Heilmann nun seine Hinterbliebenen herumschlagen. Herr Heilmann verstarb im Verlauf des Verfahrens und seine Frau ist ebenfalls nicht mehr ansprechbar. Für E.on war dies indes kein Grund Gnade walten zu lassen. Auch im Verfahren hatten die Heilmanns schlechte Karten, da die geltende Rechtslage eine nachträgliche Rechnungskorrektur bei fehlerhaften Abrechnungswerten zulässt.

Trübe Funzel

Der Vorstand vom Bund der Energieverbraucher hat am 8. November 2019 einstimmig beschlossen, dem Energieversorger E.on sowie dem über die Hansewerk AG zum E.on-Konzern gehörenden Netzbetreiber Schleswig-Holstein Netz AG die „Trübe Funzel“ zu verleihen. Verbraucher müssen sich darauf verlassen können, belastbare Abrechnungen zu erhalten, die auf tatsächlichen Messwerten basieren, für deren Erhebung die Verbraucher im Rahmen der Messstellenentgelte bezahlt haben. Für E.on ist es nach einer ersten Auszeichnung im Jahr 2017 das zweite Mal, dass der Negativ-Verbraucherpreis an diesen Versorger geht. Eine Aufforderung zur Stellungnahme ließ E.on unbeantwortet. Die Schleswig-Holstein Netz AG teilte lapidar mit, den Fall aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht kommentieren zu wollen.

Kein Einzelfall

Aus der Beratungspraxis des Vereins und auch vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) ist bekannt, dass das Schicksal von Familie Heilmann leider kein Einzelfall ist. So liegt dem VZBV derzeit ein ähnlicher Fall vor. Der VZBV prüft daher, ob eine Verbraucherwarnung zum Verhalten von E.on im Hinblick auf die jahrelange Abrechnung auf Basis von Schätzwerten mit anschließenden Horror-Rechnungen herausgegeben werden sollte. Der Bund der Energieverbraucher e.V. unterstützt die Verbraucherzentralen in dieser Hinsicht.

Bisherige Preisträger der „Trüben Funzel“
  • 3117 2882 Trübe Funzel1991: Flüssiggasbranche
  • 1994: Stadtwerke Aachen
  • 1994: Daimler Benz und TWS
  • 1998: RWE
  • 2004: EVB Butzbach
  • 2010: Stadtwerke Bad Homburg
  • 2010: Taunagas Oberursel
  • 2011: Flexstrom
  • 2011: Stromio
  • 2012: Philipp Rösler & Rainer Brüderle
  • 2015: Almado-Gruppe
  • 2017: E.on

letzte Änderung: 06.04.2020