ED 03/14 Der Preis des Holzes (S.16/17)

Potenziale der Biomasse

Biomasse-Potenziale in Deutschland

Zwei von weltweit 40 Millionen Quadratkilometern Waldfläche könnten in nachhaltiger Forstwirtschaft genutzt den weltweiten Jahresölbedarf decken, so Hermann Scheer. Zwanzig Prozent des weltweiten jährlichen Zuwachses an Biomasse könnten den Primärenergiebedarf der Menschheit decken. Wie hoch ist das Biomasse-Potenzial im dicht besiedelten und energiehungrigen Deutschland?

(6. Juni 2004, aktualisiert Sept 2011) - Zur Biomasse zählen Energiepflanzen, Ernterückstände (Stroh, Restholz) sowie organische Reste (Gülle, Industrierestholz, Klärschlamm). Wie viel Biomasse wächst in den Wäldern und Feldern Deutschlands jährlich?

Die Studie "Analyse und Bewertung der Nutzungsmöglichkeiten von Biomasse" 2004 bis 2006 im Auftrag des Bundesverbandes der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW, Berlin) und der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfachs (DVGW, Bonn) untersuchte ausgewählte Biomasseanwendungen in Deutschland mit Schwerpunkt auf der Erzeugung von Biogas.

Rechnet man mit einem Hektarertrag von 50.000 Kilowattstunden (entsprechend zwölf Tonnen Trockenmasse je Hektar), so wachsen auf den 10,4 Millionen Hektar deutscher Waldfläche jährlich zehn Prozent des deutschen Primärenergiebedarfs (circa 4.000 Milliarden Kilowattstunden). Auf den doppelt so großen landwirtschaftlichen Flächen wächst Biomasse mit einem Energieinhalt, der weiteren 20 Prozent des derzeitigen deutschen Energiebedarfs entspricht.

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Damit ist der Rahmen klar, in dem sich die Biomasse-Nutzung in der Bundesrepublik bewegt: Zwischen heutigen drei Prozent und fiktiven 30 Prozent, wenn alle Wald- und Ackerflächen zur Energiegewinnung genutzt würden. Der von der Bundesregierung angestrebte Anteil von acht Prozent ist ein ehrgeiziges Ziel.

Acht Prozent möglich

Martin Kaltschmitt hat die mögliche Nutzung von Biomasse in Deutschland untersucht - unter anderem im Auftrag des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderung (WBGU). Ergebnis: Biomasse-Nutzung könnte jährlich etwa acht Prozent (1.200 Petajoule) zur Deckung des deutschen Primärenergieverbrauchs beitragen.

Dabei wurden nur die technisch, ökologisch und nach der Gesetzeslage möglichen Beiträge erfasst ("technisches Potenzial"). Der tatsächliche Beitrag der Biomasse liegt derzeit (2003) bei etwa drei Prozent. Mit diesem Beitrag ist Biomasse die wichtigste regenerative Energiequelle: Ihr Beitrag zur Energiebereitstellung ist dreimal höher als der von Windenergie (Bundesministerium für Verbraucherschutz: Konzept zur energetischen Nutzung von Biomasse).

Die Festbrennstoffe, also Holzrückstände aus Wald und Industrie (58 Petajoule) sowie Stroh (130 Petajoule) machen bereits mehr als die Hälfte des Biomasseanteils aus. Biogas, Klärgas und Siedlungsabfälle tragen circa 15 Prozent zum Potenzial bei. Ein Viertel des Potenzials erbringen die Energiepflanzen, die auf Restflächen anbaubar wären.

Deutschland hat circa 30 Millionen Hektar Wald- und Landwirtschaftsfläche. Experten schätzen, dass für den Energiepflanzenanbau circa zwei Millionen Hektar zur Verfügung ständen. Auf dieser Fläche ließe sich ein Energieertrag von 300 Petajoule erzielen.

Stoffstromanalyse-Forschungsprojekt des Umweltministeriums

Zahlreiche Forschungsinstitute haben gerade gemeinsam das Forschungsprojekt "Stoffstromanalyse zur nachhaltigen energetischen Nutzung von Biomasse" fertiggestellt. Sie entwickelten ein Software-Werkzeug zur Unterstützung von Biomassestrategien, das kostenlos zur Verfügung steht.

Das Forschungsprojekt kommt zu folgenden Ergebnissen: Bis 2020 kann die Biomasse einen Anteil von zehn Prozent an der Strom-, Wärme- und Benzinherstellung bereitstellen. Bis 2030 können bei Nutzung der Biomasserest- und Abfallstoffe sowie Energiepflanzenanbau 16 Prozent des Stroms, zehn Prozent der Wärme und 15 Prozent des PKW-Treibstoffs aus Biomasse erzeugt werden und gleichzeitig dadurch der Ausstoß an Treibhausgasen um 65 Prozent vermindert werden.

Die Stromerzeugungskosten liegen dabei unter fünf Cent je Kilowattstunde und die Wärmekosten unter sieben Cent je Kilowattstunde. Zudem könnten 200.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Insbesondere für ländliche Gebiete liegt der Deckungsanteil der Biomasse deutlich über dem Durchschnittswert der Bundesrepublik. Die Biomasse-Nutzung bringt für diese Regionen auch wesentliche wirtschaftliche Impulse und neue stabile Arbeitsplätze.

Potentiale und Hemmnisse für Biomasse

Biomasse hat als Energieträger in Deutschland bisher eher ein Schattendasein gefristet.

Potentiale und Hemmnisse für Biomasse

Biomasse hat als Energieträger in Deutschland bisher eher ein Schattendasein gefristet. Hauptanwendungsgebiete lagen im Wärmesektor - Verbrennung von Hackschnitzeln und Pellets, Biogasanlagen und Nutzung als Pflanzenöl in Motoren in Autos und Kraftwärme-Kopplungsanlagen. Andere Länder wie z.B. Österreich sind diesbezüglich wesentlich weiter entwickelt. Dort werden bereits 20% des gesamten Energiebedarfs von der Biomasse gestellt. Auch in Schweden nimmt die Biomasse einen deutlich höheren Stellenwert ein als in Deutschland.

(ED 03/2001) Die Biomasse wird bei uns aus mehreren Gründen unterschätzt:

  • Sie gilt im Gegensatz zur Sonnenenergie als veraltet, weil an Kriegs- und Nachkriegszeiten erinnernd. Auch ist sie belastet mit der Erinnerung an das Abholzen von Wäldern.
  • Das gewaltige energetische Potential von Biomasse ist weitgehend unbekannt. Es wird fälschlicherweise eine Flächenkonkurrenz mit dem Nahrungsmittelanbau angenommen.
  • Weil Biomasse in allen Energieverbrauchssektoren eingesetzt werden kann, leidet darunter ihre Profilierung als Energie-Alternative. Es fehlt eine strategische Zuordnung auf einen festen unverwechselbaren Platz im künftigen Energiemix.

Das energetische Potential von Biomasse wird auch deshalb oft unterschätzt, weil es an den Hektarerträgen von Rapsöl mit 1,5 t je Hektar festgemacht wird. Dabei gibt es andere Pflanzen, die einen deutlich höheren Hektarertrag haben, etwa Palmöl mit 10 t je Hektar, Schilfgras und Hirse mit gar über 30 t. Der Engländer David O. Hall, Professor am King"s College, hat sich ausführlich mit den weltweiten Biomassepotentialen befasst. Gegenwärtig gibt es weltweit etwa 10 Mio. qkm landwirtschaftlich genutzte Fläche und 40 Mio. qkm Waldfläche. Die Biomasseproduktion der Waldgebiete beträgt etwa 170 Mrd. t jährlich.

Jahreswachstum von Pflanzen 25 x höher als Jahreserdölförderung

Da 2 t Trockenmasse etwa 1 t Erdöl entsprechen, wächst weltweit in den Wäldern 25 mal mehr Energie nach, als der Jahreserdölförderung von 3,5 Mrd. t entspricht. Fünf Prozent der Weltwaldflächen könnten den jährlichen Jahreserdölbedarf decken. Dabei ist weder der Anbau von Energiepflanzen noch die Neukultivierung semi-arider Gebiete eingerechnet, die weltweit noch einmal 49 Mio. qkm Fläche ausmachen.

535 Waldbrand

letzte Änderung: 06.01.2015