Das stilisierte Wunder
800.000 Heizungen müssten kurzfristig erneuert werden, sonst drohten Hausbesitzern Bußgelder. Angeblich machen sich neue Kessel im Handumdrehen bezahlt. Diese Nachrichten werden seit Monaten sehr intensiv von der Heizungswirtschaft und nahestehenden Institutionen verbreitet. Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus. 99 Prozent aller Heizungen sind in Ordnung.
Ein kritischer Kommentar von Dietrich Beitzke
(aus ED 02/2004)
Behauptung 1
"Die Anschaffung eines neuen Heizkessels macht sich schnell bezahlt."
Die Kessel haben sich seit den 60ern kaum verändert - sie sind immer noch nur ein eisernes Loch vor dem Kamin. Zugegeben: die Heizflächenbelastungen sind ein wenig zurückgenommen worden, um niedrigerere Abgastemperaturen zu erreichen, aber sonst: unverändert!
Wozu dann ein neuer Kessel? Höchstens wegen der besseren Isolierung oder Brennwertnutzung. Wenn Sie aber einen neuen Kessel einbauen, bauen Sie immer eine neue Steuerung mit ein - DAS ist das Element, das Energie einspart! NUR DAS!
Nachgewiesenermaßen spart eine neue Steuerung mit einigen Änderungen an einem uralten 35 Jahre alten Umstellbrandkessel bis zu 45 Prozent Brennstoffkosten. In den kurzen Brennerlaufzeiten von ungefähr 1.500 Stunden jährlich, also bestenfalls während etwa 17 Prozent des Jahres, können auch mit den besten Kessel-Wirkungsgraden von 99,8 Prozent (Procondens) diese Einsparungen gar nicht erreicht werden. Verändert sich der Abgasverlust um etwa sechs Prozent, ändert sich der Kesselwirkungsgrad nur um weniger als ein Prozent.
Die geringere Heizflächenbelastung kann man mit einer Leistungsreduzierung des Brenners weit billiger erreichen - und reduziert damit die verbrauchstreibende Überdimensionierung der Vergangenheit. Eine neue Steuerung für 1.000 Euro amortisiert sich spätestens in zwei Jahren (vergleiche Tipp auf Seite 12), ein neuer Kessel amortisiert sich nie. Betroffen sind vor allem Eigentumswohnanlagen, die in den 80er-Jahren überteuert und schon mit Reparaturrückständen von den Wohnungsgesellschaften verkauft wurden.
Behauptung 2
"... müssen mit einem Bußgeld für das Begehen einer Ordnungswidrigkeit rechnen."
Betroffen sind von der Bauart her Hochtemperaturkessel, nicht aber Niedertemperatur- oder Brennwertkessel. Kleine Änderungen lassen Kessel, denen bisher offiziell jahrzehntelang Umweltverträglichkeit attestiert wurde, die geforderten Werte einhalten. Andernfalls greifen automatisch die übergeordneten Bestimmungen des Energieeinspargesetzes ("Schutz des Eigentums durch das Gebot der Wirtschaftlichkeit") und §16 und § 17 der Energieeinsparverordnung, die Befreiungen ermöglichen.
Betroffen wären vor allem die bußgeld-ausstellenden Kommunen selbst, betreiben sie doch in Schulen und Verwaltungsgebäuden massenhaft öl- und gasfressende Altanlagen. Geld zum Kauf von Brennstoff ist genügend da, zur Erneuerung nicht.
Behauptung 3
800.000 Heizungsanlagen sind betroffen und von Bußgeldern bedroht.
Laut Schornsteinfeger-Statistik "Sonderdruck 2002" (www.schornsteinfeger.de) sind von rund 14 Millionen Kesseln beanstandet worden wegen Abgasverlust und Alter: Ölfeuerungen 84.900 Gasfeuerungen 45.900 Summe 130.800 9,3 Promille aller Anlagen! Das sind also Peanuts!
Die Kesselhersteller wollen sich diesen Schluck aus der Pulle ein wenig aufgepeppt gönnen und erhöhen die Anlagenzahl auf 800.000, die sie gern von Bußgeldern bedroht sähen ...
ENEV § 16 Ausnahmen
"(2) Soweit die Ziele dieser Verordnung durch andere als in dieser Verordnung vorgesehene Maßnahmen im gleichen Umfang erreicht werden, lassen die nach Landesrecht zuständigen Behörden auf Antrag Ausnahmen zu.
ENEV § 17 Befreiungen
"Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können auf Antrag von den Anforderungen dieser Verordnung befreien, soweit die Anforderungen im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen. Eine unbillige Härte liegt insbesondere vor, wenn die erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer, bei Anforderungen an bestehenden Gebäuden innerhalb angemessener Frist durch die eintretenden Einsparungen nicht erwirtschaftet werden können."