Ziele für 2020 werden größtenteils verfehlt
Energiewende, das ist der schnelle Ersatz fossiler und atomarer durch erneuerbare Energien, der nur möglich ist durch Erhöhung der Effizienz, Einsparungen und dezentrales Bürgerengagement. Das ist seit dem Jahr 2008 offizielle Regierungspolitik und findet breite Zustimmung in der Bevölkerung.
(22. März 2017) Die Energiewende beschreibt die Richtung eines Weges, auf dem sich die Energieversorgung entwickeln soll. Ob der bisher eingeschlagene Weg richtig ist, ob er zum erwünschten Ziel führt oder über die Seneca-Klippe in den Abgrund führt, dazu gehen die Meinungen auseinander (siehe ED Heft 4 in 2016).
Der Monitoringbericht der Bundesregierung informiert über den bis zum Jahr 2015 erreichten Stand der Energiewende. Die Regierung lobt sich darin selbst.
Die von der Regierung eingesetzte Expertenkommission hat zum fünften Fortschrittsbericht eine 200 Seiten starke kritische Bewertung verfasst, die wir nachfolgend vorstellen. Die Expertenkommission untersuchte, ob die für 2020 gesteckten Ziele noch erreicht werden können. Basis dafür ist die zwischen 2008 und 2015 beobachtete Entwicklung im Vergleich zum für 2020 gesteckten Ziel.
Die Bewertung fällt für die einzelnen Handlungsfelder unterschiedlich aus: Die Entwicklung erneuerbarer Energien wird als gut betrachtet. Bis 2020 sollten 35 Prozent des Bruttostromverbrauchs aus Erneuerbaren kommen, bis 2015 waren bereits 31,5 Prozent erreicht. Auch der Anteil von 18 Prozent der Erneuerbaren im Bruttoendenergieverbrauch lässt sich bis 2020 erreichen (bisher 14,9 Prozent), ebenso der erneuerbare Anteil an der thermischen Energie (Ziel bis 2020: 14 Prozent; 2015 ermittelt: 13,2 Prozent). Der angestrebte Zehn-Prozent-Anteil Erneuerbarer im Verkehrsbereich wird bis 2020 nicht erreicht (2015: 5,2 Prozent).
Auf der Nachfrageseite sieht die Expertenkommission buchstäblich rot. Die bis 2020 gesteckten Ziele lassen sich nicht mehr erreichen. Die Energieproduktivität wollte die Regierung zwischen 2008 und 2050 pro Jahr um 2,1 Prozent erhöhen. Faktisch wurden witterungsbereinigt nur 1,1 Prozent erreicht. Um das Ziel bis 2020 zu erreichen, müsste man jetzt eine Steigerung um jährlich 3,5 Prozent schaffen. Eine wenig wahrscheinliche Wendung. Der Stromverbrauch sollte zwischen 2008 und 2020 um zehn Prozent sinken. Im Jahr 2015 war der Stromverbrauch um 3,8 Prozent geringer als 2008, das sind pro Jahr betrachtet nur 0,6 Prozent Fortschritt. Um das Ziel bis 2020 noch zu erreichen, müsste der Stromverbrauch insgesamt um 6,4 Prozent und jährlich um 1,3 Prozent zurückgehen. Um das zu erreichen, sind erhebliche zusätzliche Anstrengungen notwendig, so die Experten.
Der Endenergiebedarf der Gebäude ist von 2008 bis 2015 um 9,9 Prozent gesunken. Um das gesteckte Ziel zu erreichen, ist eine weitere Senkung um 9,9 Prozent nötig. Schwierig, aber nicht unmöglich. Im Verkehrssektor konstatieren die Experten ein Dunkelrot: Beträchtliche Zielverfehlung. Zwischen 2005 und 2020 sollte der Energieverbrauch um 20 Prozent gesenkt werden. Tatsächlich war er aber 2015 sogar um 1,2 Prozent höher als 2005. Die Verkehrsleistung ist um 12,1 Prozent gestiegen, Effizienzgewinne waren nur gering.
Primärenergie und Emissionen
Der Primärenergieverbrauch soll zwischen 2008 und 2020 um 20 Prozent sinken. Er ging aber temperaturbereinigt bisher erst um 6,3 Prozent zurück. Die Minderungsrate muss also um das 3,4-fache steigen, um das Ziel zu erreichen.
Und schließlich wollte man als zentrales politisches Ziel die Treibhausgasemissionen zwischen 1990 und 2020 um 40 Prozent senken. Dieses Ziel dürfte mit größter Wahrscheinlichkeit verfehlt werden. Bis 2015 wurde eine Minderung von 27 Prozent erreicht, der Wert stagniert allerdings seit sieben Jahren nahezu. Um das Ziel noch zu erreichen, müssen die Emissionen jährlich um 3,8 Prozent sinken. Es ist nicht zu erkennen, so die Experten, wie die Bundesregierung dies erreichen möchte.
Kritisch äußert sich die Expertenkommission zu den Vergünstigungen der stromintensiven Industrie bei den Netzentgelten und der EEG-Umlage: „Es ist nicht ersichtlich, wie sich die Reduktion der Netzentgelte für hohe Verbräuche bei gleichzeitig hohen Benutzungsstunden rechtfertigen lässt. Gerade ein hoher gleichmäßiger Verbrauch verursacht einen entsprechend hohen Bedarf an Netzkapazität“ (S. 127). „Aufgrund der Höhe der Entlastungen und der verhältnismäßig geringen Anzahl von Beschäftigten, kann die Expertenkommission der Argumentation der Bundesregierung nicht in Gänze folgen, die besondere Ausgleichsregelung sei von gesamtwirtschaftlichem Interesse und notwendig für den Erhalt industrieller Arbeitsplätze“ (S. 128).
Kritik auch an der Zubaubremse für onshore-Windenergie: Die Begrenzung des Zubaus der Windenergie an Land diene nicht der Kosteneffizienz, da es sich hierbei um die aktuell günstigste Option handelt (S. 11).
bdev.de/monitoring
schließen