Stromnetzausbau: Dezentrale Konzepte erforderlich

Deutschlands neuer Netzentwicklungsplan für erneuerbare Energien bis 2045 ist monumental. Doch Experten kritisieren den Mangel an Transparenz und hohe Kosten für Verbraucherinnen und Verbraucher. Studien und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) favorisieren dezentrale Lösungen, die effizienter, kostensparender und umweltfreundlicher sind.
Von Dr. Werner Neumann

(14. Dezember 2023) Seit einem Jahrzehnt erstellen Deutschlands vier Übertragungsnetzbetreiber – Tennet, Transnet BW, Amprion und 50 Hertz – den Netzentwicklungsplan (NEP). Der jüngste Entwurf, vorgestellt in diesem Frühjahr, ist ein Mammutprojekt: 7.000 Kilometer neue Leitungen für 49 Milliarden Euro, ein Zubaunetz mit 12.000 Kilometer für 95 Milliarden Euro und ein Offshore-Zubaunetz für weitere 145 Milliarden Euro. Das Ziel – immerhin: 100 % erneuerbare Energie bis 2045.

 ED 03/2016 Erneuerbare Energie – geht auch teuer! S.32/33
ED 02/2019 Wärmepumpen als Kosten- und Klimafalle S.32/33
ED 03/2023 Stromnetzausbau: Dezentrale Konzepte erforderlich (S.16) 

Dr. Werner Neumann, ehemaliger Leiter des Energiereferats der Stadt Frankfurt und Mitglied des Bundes der Energieverbraucher seit dessen Gründung, ist seit 2004 Sprecher des Bundesarbeitskreises Energie des BUND.

Kupferplatte Deutschland?

Diese Dimensionen beruhen auf dem Prinzip der „Kupferplatte Deutschland“ – eine Vorstellung, bei der Energie quer durchs Land ohne Beschränkungen fließt. Die Methodik dahinter lässt Transparenz vermissen. Aber sicher ist, dass sich die Kosten von rund 300 Milliarden Euro enorm auf die Verbraucher auswirken: mehr als 5 ct/kWh zusätzliche Netzentgelte. Solch hohe Kosten, verbunden mit gravierenden Eingriffen in die Umwelt, sollten eigentlich eine Minimierung erfahren. Zudem erhalten die Netzbetreiber eine gesicherte Rendite von bis zu 8 %. 

Reduzierungsmöglichkeiten vernachlässigt

Fachleute bemängeln, dass Lösungen zur Reduzierung des Netzausbaus ignoriert werden. Beispielsweise könnten durch eine Abregelung von nur 3 % des erzeugten erneuerbaren Stroms Einspeisespitzen um 30 % reduziert werden. Auch die Bedeutung von Biomasse, insbesondere Strom aus Biogas, ist im Plan minimiert, obwohl sie bis auf 30 GW ausgebaut werden könnte und damit erheblich zur Minderung des notwendigen Stromferntransports beitrüge.

 ED 03/2023 Stromnetzausbau: Dezentrale Konzepte erforderlich (S.16) 

Statt neuer 7.000 Kilometer langer Leitungen und einem Zubaunetz von 12.000 Kilometer Länge würde die dezentrale Stromerzeugung den Netzausbaubedarf spürbar reduzieren.

Integrativer Ansatz

Studien weisen darauf hin, dass dezentrale Stromerzeugung den Netzausbaubedarf spürbar reduziert. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW mit Prof. Claudia Kemfert und die TU Berlin schlagen einen integrativen Ansatz vor, der die Netzausbaukosten halbieren könnte. Hierbei würden der „zellulare Ansatz“ des VDE ETG  und regionale Energiegemeinschaften den Bedarf an großem Übertragungsnetzausbau verringern. „Energy Sharing“ rechtlich zu verankern, ist das Gebot der Stunde. Der BUND befürwortet schon länger alternative Ansätze. Ein Projekt von Amprion, „Systemvision 2050“, bestätigt, dass dezentrale Modelle effektiv sein können, mit dem Ergebnis: weniger neue Strom- und mehr Wasserstoffleitungen.

Es ist klar: Der aktuelle Plan für den Stromnetzausbau ist stark überdimensioniert. Es ist Zeit, innovative, dezentrale Lösungen zu verwirklichen, um die Stromnetzentgelte für Verbraucher und Industrie nicht explodieren zu lassen.

 

letzte Änderung: 27.06.2013