ED 04/12 Eine Welt ohne Öl (S.30-31)
Solarenergie eröffnet den Menschen große Chancen, ihr Leben entscheidend zu verändern und zu verbessern. Der Verein hilft durch eine Spende.

Solarlicht gegen Armut

Jeder sechste Mensch lebt ohne elektrischen Strom. Die meisten von ihnen sind sehr arm. Ihnen fehlt es an vielem. Nur Sonnenlicht, das gibt es reichlich. Solarenergie eröffnet den Menschen große Chancen, ihr Leben entscheidend zu verändern und zu verbessern. Der Verein hilft durch eine Spende.
Von Thomas Ricke

(22. September 2017) Mit Solarenergie kann praktisch jedes elektrische Gerät betrieben werden: Mobiltelefone, Radios, Fernseher und Computer. Den wichtigsten Impuls, dass Leben der Ärmsten zu verändern, setzt aber eindeutig elektrisches Licht. Denn ohne künstliches Licht endet der Tag zwangsläufig mit dem Sonnenuntergang.

Gesellschaftlicher Wandel durch Solarlicht

In Äquatornähe geht die Sonne während des ganzen Jahres gegen 19:00 Uhr unter. Für die Menschen beginnt mit Einbruch der Dunkelheit die Nacht. Sie können den Tag nicht – so wie wir – durch einfaches Einschalten einer Lampe beliebig verlängern und ihr Tagesgeschäft womöglich bis weit in die Nacht fortsetzen. Mit Sonnenuntergang ist diesen Menschen die Möglichkeit verwehrt, nach Sonnenuntergang kreativ zu sein, produktiv zu sein, zu lesen oder zu lernen.

Wir in der westlichen Welt können uns kaum vorstellen, was es bedeutet, täglich alle Tätigkeiten um 19:00 Uhr einzustellen und ins Bett zu gehen. Die Konsequenzen für das Fortkommen des Einzelnen, aber auch einer ganzen Gesellschaft, sind immens. Ein kaum auszugleichender Wettbewerbsnachteil.

446 Thomas Ricke in Afrika / Foto: Schoolforests for West Africa e.V.

Thomas Ricke ist Initiator und Gründer von Villageboom. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg. Bereits als Student faszinierten ihn die ungeheuren Potenziale der wirtschaftlich nicht oder kaum entwickelten Länder. Aufgrund dieser Affinität ging er mit 34 Jahren für seinen damaligen Arbeitgeber, Procter & Gamble, als Manager nach Afrika und blieb dort an den Standorten Sanaa, Kairo und Lagos insgesamt 8 Jahre. Im Alter von 44 Jahren gab Ricke seinen Job als CFO bei P&G für Westafrika auf, um sich ausschließlich der Armutsbekämpfung durch nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu widmen.

Licht als Lebenselixier

Licht stimuliert die Gehirnzellen. Je heller das Licht, umso aktiver ist auch das Gehirn. Licht schafft Raum für Aktion, Motivation und Kreativität. Haben die Menschen Licht, ändert sich fast alles. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass viele Erwachsene, insbesondere Frauen, die Abendstunden für handwerkliche Tätigkeiten nutzen: sie nähen, weben, flechten und verkaufen ihre Produkte anschließend auf den regionalen Märkten. Sie erhöhen so das Familieneinkommen oft um 50 Prozent und mehr. Die Mehreinnahmen werden häufig wieder investiert in Nutzvieh wie Hühner und Ziegen. Ihre Produkte wie Eier, Milch und Käse werden wiederum verkauft oder ernähren direkt die Familie.

Kinder hingegen nutzen die Abendstunden zum Lernen und verbessern dadurch ihre Schulnoten und gleichzeitig ihre Chancen, eine weiterführende Schule zu besuchen, einen Berufsabschluss zu erlangen oder eventuell zu studieren. Bereits diese Beispiele zeigen: Licht setzt Impulse, die geeignet sind, strukturellen Wandel herbeizuführen.

Menschen können sich Licht nicht leisten

Einfach so können sich die wenigsten Bewohner von Ghana oder Nigeria den Kauf einer Solarleuchte leisten, denn sie leben von umgerechnet weniger als zwei Euro pro Tag. Die Menschen kaufen sich daher für einen Euro Petroleum oder für 20 Cent Batterien. Für den Erwerb einer Solarleuchte, die etwa 20 Euro kostet, haben die Wenigsten das Geld.

Tilgung ersetzt Petroleumkauf

Die Lösung liegt eigentlich auf der Hand: Der Kaufpreis wird in kleinen Raten getilgt. Da LED-Solarlicht nicht nur 10 bis 20 mal heller als Petroleumlicht ist, sondern gleichzeitig auch 80 Prozent günstiger, zahlt sich die Anschaffung schnell aus. Das Problem: Das Einsammeln der Raten ist aufwendig, damit teuer und die Ausfallraten der Mikrokredite sind hoch. Um sie zu reduzieren, haben sich vielerorts sogenannte „Pay-As-You-Go-Modelle“ etabliert. Hier wird täglich per Mobile Money über das Mobiltelefon eine Kaufpreisrate von wenigen Cent überwiesen. Bleibt die Zahlung aus, ermöglicht ein GSM-Chip die Deaktivierung der Leuchte aus der Ferne. Dieses Prinzip funktioniert, allerdings verteuert sich durch die Mobilfunktechnik und die Transaktionskosten das Solarlicht um mehr als 300 Prozent.

Solarleuchten von Villageboom

Villageboom, ein „Social Enterprise“ aus Münster, arbeitet seit acht Jahren an der Entwicklung nachhaltiger Solarleuchten, deren robuste Qualität und günstige Kostenstruktur den Bedürfnissen der ärmsten Menschen entspricht. Das Ergebnis ist eine einfach gebaute, aber besonders helle und sehr robuste Leuchte, genannt „VB High Power“. Mit 170 Lumen ist sie rund 17 mal heller als Petroleumlicht und stellt zudem einen Ladeanschluss für Mobiltelefone bereit. Sie kostet je nach Land zwischen 20 und 25 Euro einschließlich vier Watt Photovoltaikzelle, Akku und sechs Meter Kabel. Die Leuchte verlängert den Tag für jedes einzelne Familienmitglied um drei bis vier Stunden. Einer fünfköpfigen Familie stehen somit rund 5.500 Stunden pro Jahr zusätzlich zur Verfügung (5 Personen x 3 Stunden pro Tag x 365 Tage = 5.475 Stunden).

446 Solarleuchten von Villageboom / Foto: Schoolforests for West Africa e.V.

Eine gute Leuchte zu entwickeln, reicht alleine nicht aus. Die Leuchte muss so günstig sein, dass es selbst für die Ärmsten eine Möglichkeit zum Erwerb gibt. Und es muss auch ein Service- und Garantiesystem geben. Villageboom setzt hier auf eine extrem schlanke Unternehmensstruktur und eine hocheffiziente Distribution. Insgesamt wurden bereits 100.000 Leuchten geliefert, jedes Jahr rund 12.500 Stück.

Villageboom kooperiert hierzu überwiegend mit gemeinnützigen Organisationen wie Vereinen, Kirchengemeinden, Stiftungen und in der Entwicklungshilfe engagierten Privatinitiativen, die alle bereits vor Ort engagiert sind, wo die ärmsten Menschen ohne Strom leben. Mit ihrer Unterstützung setzt Villageboom seit zwei Jahren in Ghana, Nigeria, Bangladesch und im Kongo die sogenannte „Frauengruppen Solar-Kampagne“ um.

Frauengruppen Solar-Kampagne

Hinter diesem Stichwort verbirgt sich ein besonders attraktives Ansparmodell, das es auch den ärmsten Menschen ermöglicht, eine Solarleuchte zu erwerben. Genau genommen handelt es sich um eine Kombination aus Erwerb und unentgeltlicher Leihe.

Meist spendet eine gemeinnützige Organisation aus Deutschland eine gewisse Anzahl Solarleuchten an ihre jeweilige Partnerorganisation in Afrika oder Asien. Die Partnerorganisation identifiziert eine geeignete Frauengruppe vor Ort und leiht ihr über einen Zeitraum von drei Monaten unentgeltlich eine gewisse Anzahl an Leihleuchten.

446 Frauengruppe Solar-Kampagne / Foto: Schoolforests for West Africa e.V.

Die Leiterin der Frauengruppe verteilt die Leihleuchten an die Gruppenmitglieder, die die Leuchten unentgeltlich für drei Monate nutzen können. Während der Leihphase sparen die Mitglieder rund 8 bis 16 Euro, da die sonst anfallenden Kosten für Petroleum, für Batterien und für das Aufladen der Mobiltelefone entfallen. Anschließend geben die Mitglieder der Gruppe die Leuchten wieder zurück. Die Familien können anschließend ihre Ersparnisse aus der Leihphase zum Erwerb einer eigenen Solarleuchte einsetzen. Die Leihleuchten werden an die nächste Frauengruppe weitergegeben, die ebenso verfährt. So kann eine einzige Leihleuchte innerhalb von drei Jahren an zehn bis zwölf Familien verliehen werden.

Der Erfolg spricht für sich: 80 Prozent aller Teilnehmer einer Frauengruppen Solar-Kampagne haben eine eigene Solarleuchte erworben. Zuvor besaßen weniger als 5 Prozent eine Solarleuchte. In wenigen Jahren entstehen so ganze Solardörfer.

Weitere Informationen unter www.villageboom.com. Bei Fragen: info@villageboom.com.

Unterstützung durch den Bund der Energieverbraucher

Der Bund der Energieverbraucher e.V. hat 1.500 Euro des Preisgeldes des Verbraucherpreises genutzt, um 70 zusätzliche Solarleuchten für ein gerade in Nigeria gestartetes Frauenprojekt anzuschaffen: Im Dorf Ajibade in der Nähe von Ibadan. Wir werden über das Projekt selbstverständlich in Zukunft weiter berichten.

Wir bitten alle Vereinsmitglieder um zusätzliche Spenden für das Projekt. Für jeweils 20 Euro kann eine zusätzliche Leuchte angeschafft werden. Überweisen Sie bitte auf das Vereinskonto DE82 5746 0117 0005 8137 72 unter dem Stichwort „Solarlicht“ und überzeugen Sie Ihren Sportverein, Ihre Kirchengemeinde oder Ihren Kegelklub zu einer sinnvollen Spende.

Wir haben uns die Villageboom-Leuchten angesehen und sie ausprobiert. Sie machen einen sehr überzeugenden Eindruck: robust, helles Licht und einfach zu bedienen.

letzte Änderung: 03.03.2021