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ED 04/14 Bürgerprotest: Beispiel Lübeck (S.18)
Stadtwerke schummeln beim Rechnen Seit Jahren kämpfen Lübecker Bürger gegen die überhöhten Fernwärmepreise der Stadtwerke. Nun hat sie das Amtsgericht mit einem rechtskräftigen Urteil bestätigt.

Stadtwerke schummeln beim Rechnen

Seit Jahren kämpfen Lübecker Bürger gegen die überhöhten Fernwärmepreise der Stadtwerke. Nun hat sie das Amtsgericht mit einem rechtskräftigen Urteil bestätigt.

(2. Januar 2010) Am 22. Juni 2009 hat das Amtsgericht Lübeck die Preisbestimmungen für Fernwärme für unwirksam erklärt. Die örtlichen Stadtwerke durften daher die Klausel zur Änderung ihrer Preise nicht anwenden. Diese Entscheidung hat der Fernwärmekunde Dieter Nielsen, Mitglied der Regionalgruppe Lübeck im Bund der Energieverbraucher e. V. , nach eigenen Recherchen und langwierigen Überprüfungen endgültig für alle Verbraucher herbeigeführt.

Nielsen hatte damals in seiner Jahresrechnung die Arbeitspreise verglichen. Dabei war ihm aufgefallen, dass die Fernwärmepreise seiner Stadtwerke höher gestiegen waren als die durchschnittlichen Wärmepreise, die das Statistische Bundesamt veröffentlicht hatte.

Daraufhin begannen seine Nachforschungen: Zunächst stellte er fest, dass der Arbeitspreis der Stadtwerke laut Preisbestimmungen zuletzt 2003 korrekt war - und zwar anhand des Heizölbasiswertes. Seither hatten die Stadtwerke einige „Kunstgriffe" vollzogen, die zu überhöhten Arbeitspreisen führten.

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Dieter Nielsen, Fernwärmekunde, Mitglied der Regionalgruppe Lübeck im Bund der Energieverbraucher e. V.

Fernwärmekunde Nielsen fand dabei heraus:

  1. Die Stadtwerke hatten - ohne Bekanntmachung oder Kundeninformation - den neuen Basiswert in der Preisformel ab Januar 2004 bis September 2006 wieder gegen den alten Basiswert ausgetauscht. Allein dieser falsche Wert führte dazu, dass die Stadtwerke dauerhaft einen um durchschnittlich 6,8 Prozent überhöhten Arbeitspreis ermittelten und abrechneten.
  2. Weiterhin haben die Stadtwerke den Gasbezugspreis (Faktor fEG), der auch an den Heizölpreis gekoppelt ist, während der fEG-Laufzeit um stattliche 233,5 Prozent angehoben. Währenddessen stieg der Heizölpreis des Statistischen Bundesamtes nur um 134,3 Prozent. Dadurch kletterte der Arbeitspreis um weitere 16,1 Prozent.
  3. Mit den beiden vorgenannten „Kunstgriffen" kamen die Stadtwerke bis April 2006 auf einen unbilligen Netto-Arbeitspreis von 51,58 Euro je Megawattstunde. Doch damit nicht genug: Der Versorger übernahm den unbilligen Arbeitspreis ab September 2006 als Basisarbeitspreis in die neuen Preisbestimmungen. Durch die Übertragung dieses Fehlers „infizierten" die Stadtwerke ihre Preisänderungsklausel, wodurch diese ebenfalls unwirksam wurde.
  4. Ferner hatten die Stadtwerke ab dem 4. Quartal 2006 den Gasbezugspreis aus der Preisklausel ersatzlos entfernt. Obwohl die Fernwärme primär mit Erdgas erzeugt wird, orientierte sich der zu ermittelnde Arbeitspreis von diesem Zeitpunkt an nur noch an den von Spekulationen und Krisen abhängigen Heizölpreis. Damit ignorierten die Stadtwerke eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 11. Oktober 2006, wonach sich die Preisklauseln an der Primärenergie (hier: Gas) orientieren sollen.
  5. Anlässlich der angeblich „erlösneutralen" Umbasierung der Klauselwerte ab September 2006 berechneten die Lübecker Stadtwerke zusätzlich die prozentualen Anteile für den Arbeitslohn und Heizölpreis falsch und verwendeten die neue Preisformel fehlerhaft.

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Stadtwerke Lübeck setzen falsche Zahlen in Rechnung ein.

Bis heute stellen die Stadtwerke Lübeck den Kunden die falsch ermittelten Arbeitspreise in Rechnung. Dass sich die Richterin in diese komplizierten Zusammenhänge eingearbeitet und sie durchaus durchschaut hat, ist am Lübecker Amtsgericht nicht selbstverständlich.

Zusammenfassend hat das Amtsgericht also nicht nur die alte Preisanpassungsklausel ab Juli 1998, sondern gleichzeitig auch die neue Preisänderungsklausel ab September 2006 ausdrücklich für ungültig erklärt. Das Urteil vom 22. Juni 2009 - Aktenzeichen: 26 C 3042/07 - ist seit dem 7. August rechtskräftig. Somit können alle Fernwärmekunden, die wirksam Einspruch erhoben hatten, jetzt für den entsprechenden Zeitraum des eingelegten Widerspruchs Rückzahlungsansprüche geltend machen.

letzte Änderung: 14.12.2014