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Die negativen Nachrichten aus der Klimawissenschaft und die trostlose Verschleppung der notwendigen Klimawende durch die Politik führen zu fatalem Pessimismus und lähmen unser Handeln. Das neue Buch „The Future We Choose: Surviving the Climate Crisis“ von Christiana Figueres und Tom Rivett-Carnac ermuntert zum Optimismus.

Wir verantworten unsere Zukunft

Die negativen Nachrichten aus der Klimawissenschaft und die trostlose Verschleppung der notwendigen Klimawende durch die Politik führen zu fatalem Pessimismus und lähmen unser Handeln. Das neue Buch „The Future We Choose: Surviving the Climate Crisis“ von Christiana Figueres und Tom Rivett-Carnac ermuntert zum Optimismus.
Von Aribert Peters

(6. August 2020) Was das Buch besonders interessant macht, ist der Blickwinkel der beiden Autoren. Sie betrachten nicht nur den fortschreitenden Klimawandel und die Untätigkeit der politischen Entscheider weltweit, sondern ergründen die Ursachen. Christiana Figueres hat als UN-Verhandlungsleiterin das Pariser Klimaabkommen durchgesetzt und kennt damit die Wurzeln der bestehenden Probleme. Tom Rivett-Carnac ist als Umweltmanager ebenfalls ein ausgewiesener Experte und ermuntert als früherer Zen-Mönch zum Optimismus. Ihr gemeinsames Werk ist bisher nur im englischen Originaltext verfügbar. Wir haben nachfolgend für Sie die wichtigsten Darstellungen und Argumente aus dem Buch zusammengestellt und übersetzt. Die englische Originalausgabe ist im deutschen Buchhandel bestellbar.

2712 Cover Buch The Future We Choose: Surviving the Climate Crisis  The Future We Choose: Surviving the Climate Crisis 

  Christiana Figueres und Tom Rivett-Carnac

  Englische Originalfassung 25. Februar 2020

  240 Seiten | Knopf Verlag | ISBN: 9780525658351 | etwa 12 Euro

 

Wo wir stehen

Am Anfang des Buches steht eine nüchterne Analyse der Handlungsnotwendigkeiten: Bis 2050, besser noch bis 2040, müssen wir den Ausstoß von Treibhausgasen in die Atmosphäre beenden. Bis 2030 müssen wir die Emissionen halbiert haben. Das ist das absolute Minimum für eine 50-prozentige Chance, die Menschheit vor dem Schlimmsten zu bewahren.

Der Klimawandel geht nicht auf einer geraden Linie: Ein bisschen mehr Emissionen bringen nicht nur ein bisschen Verschlechterung. Viele Teile des Klimasystems sind am Kippen, wie das arktische Sommereis, das Grönlandeis, die Permafrostböden oder Amazonaswälder. Wenn diese Systeme kippen, führt das zu irreparablen Schäden weltweit. Ein unkontrollierbarer Domino-Effekt der Verwüstung. Dieser Geist kann, einmal freigelassen, nicht wieder in die Flasche zurückgezwungen werden. Die Meilensteine 2030 und 2050 basieren auf den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Bald wird es zu spät sein.

Wohin wir gehen

Die bevorstehende Verwüstung ist immer wahrscheinlicher geworden, aber keine unumstößliche Tatsache. Die ganze Geschichte ist noch nicht zu Ende geschrieben, wir halten den Stift noch in der Hand. Tatsächlich halten wir ihn fester als je zuvor. Die Welt, die wir jetzt gerade erschaffen, führt zu einer Erwärmung um 3 Grad Celsius, wenn die Regierungen, Unternehmen und die Menschen keine höheren Anstrengungen unternehmen. Wenn nicht einmal die Zusagen aus dem Pariser Abkommen aus dem Jahr 2015 eingehalten werden, dann ist sogar eine Erwärmung um 4 bis 5 Grad zu erwarten. Dieses Bild ist dunkel. Selbst wenn die schlimmsten Dinge erst nach 2050 passieren, wird die Misere bis dahin groß sein und wir werden in einer Welt leben, die sich beständig verschlechtert ohne eine Erholungsmöglichkeit. Wir haben unser Aussterben eingeleitet.

2712 Globus-Kugel auf Weltatlas / Foto: Mtys / stock.adobe.com

Unbeugsamer Optimismus

Im Zentrum des Buches steht die Kraft des Optimismus. Wenn wir vor einer komplexen Aufgabe stehen, mag es seltsam scheinen, zuerst ins eigene Innere zu schauen. Aber es ist entscheidend. Wandel ist eine zutiefst persönliche Angelegenheit. Unsere sozialen und wirtschaftlichen Strukturen ergeben sich aus unserem Denken. Ein heller Geist bringt dich voran, ohne ihn gibt es keinen Fortschritt. Buddha verstand auch, dass wir unseren Einstellungen nicht ausgeliefert sind, sondern sie selbst hervorbringen. Für die meisten von uns bedeutet das, dass wir uns selbst umprogrammieren müssen.

Hilflosigkeit allerorten

Hinsichtlich des Klimaschutzes haben sich die meisten von uns mit einer Situation der Machtlosigkeit und Hilflosigkeit abgefunden. Wir sehen, welchen Weg die Welt nimmt und wir heben die Hände über den Kopf: Es ist schrecklich und noch dazu komplex, groß und überwältigend. Wir können nichts tun, um es zu stoppen. Diese Reaktion ist nicht nur unwahr, sie ist auch verantwortungslos.

Optimismus lässt sich lernen

Wenn Sie denken, es ist zu spät, erinnern Sie sich, dass jeder kleine Bruchteil geringerer Erderwärmung einen großen Unterschied ausmacht und jede Emissionsminderung die künftigen Belastungen mindert. Wenn Sie das alles zu deprimierend finden und sich lieber auf Dinge konzentrieren, die Sie direkt beeinflussen können, erinnern Sie sich daran, dass wenn Sie sich dieser Generationsaufgabe stellen, sich Ihr Leben mit Sinn, Bedeutung und Verbindung füllt.

Wenn Ihr Kopf sagt, es sei unmöglich, die Abhängigkeit von Fossilenergien zu verringern, erinnern Sie sich daran, dass sich Großbritannien zu 50 Prozent aus sauberer Energie versorgt und Costa Rica inzwischen zu 100 Prozent sauber ist.

Wenn Ihr Kopf sagt, das politische System sei unheilbar krank, so dass man ohnehin nichts machen kann, erinnern Sie sich daran, dass das politische System auf die Ansichten von Menschen reagiert. Es gab in der Geschichte immer Menschen, die in aussichtslosen Lagen politische Änderungen herbeigeführt haben.

Wenn Ihr Kopf sagt, als Einzelner könne man doch nichts ausrichten und das eigene Verhalten spiele daher keine Rolle, erinnern Sie sich daran, dass selbst kleine Wirkungen große Änderungen herbeiführen können. Und viele kleine Aktionen können zu einer neuen Welt führen. Immer, wenn Sie sich als verantwortungsvoller Hüter dieser schönen Erde fühlen, tragen Sie zu dieser großen Änderung bei.

Positive Signale wahrnehmen

Ohne die vielen schlechten Neuigkeiten der Klimawissenschaft und der Medien zu ignorieren, können Sie sich auf die Wahrnehmung positiver Signale konzentrieren. Die Preise für Erneuerbare fallen ständig, immer mehr Länder wollen bis 2050 oder noch früher emissionsfrei sein, viele Städte verbieten Verbrennungsautos und immer mehr Geld wird in öffentliche Verkehrsmittel sowie Erneuerbare investiert. Alles das geschieht noch nicht im notwendigen Umfang. Aber es passiert.

Optimismus besteht darin, dies bewusst wahrzunehmen und damit die erwünschte Zukunft aktiv herbeizuführen.

Das Paris-Abkommen

Die Kraft des Optimismus wird in der Schilderung des Paris-Abkommens deutlich, das die Buchautorin Christiana Figueres zum Erfolg führte. Als Figueres von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die Verantwortung für die internationalen Klimaverhandlungen übertragen bekam, glaubte keiner der UN-Verantwortlichen, dass ein weltweites Klimaabkommen möglich sei. Jeder dachte, das sei zu kompliziert, zu teuer und außerdem sowieso zu spät. Eine der schwersten Aufgaben bestand darin, diese negativen Meinungen zu ändern. Der erste Schritt war die eigene Haltung.

Als neugebackene Stimme des gesamten internationalen Prozesses gab sie ihre erste Pressekonferenz im fensterlosen Saal des Maritim Hotels in Bonn. Sie wurde gefragt: „Ist ein weltweites Klimaabkommen möglich?“ Sie antwortet spontan: „Nicht im Leben“, und drückte damit die Überzeugung aller Anwesenden aus. Sie erkannte diese negative Haltung als das Problem, das es zu überwinden galt. „Unmöglich“ ist kein Fakt, sondern nur eine Haltung. Sie wusste nun, dass es ihre Aufgabe war, jedermann einen Beitrag zu einer gemeinsamen Lösung zu ermöglichen. Wie das möglich sein sollte, war unklar. Aber es gab keine Alternative.

Der entscheidende Erfolgsfaktor war die ansteckende Geisteshaltung des Optimismus. Optimismus bedeutet Mut, Hoffnung, Vertrauen, Solidarität und der tiefe Glauben, dass wir Menschen einander helfen können, das Schicksal der Menschheit zu verbessern.

Es war ein unglaublicher Moment, als im Dezember 2015 das Paris-Abkommen beschlossen wurde: 5.000 Menschen sprangen auf von ihren Sitzen, klatschten, weinten, schrien, hin- und hergerissen zwischen Euphorie und Zweifel, ob das wirklich wahr sei. So viele Menschen hatten jahrelang auf diesen Moment hingearbeitet, und jetzt war es Wirklichkeit geworden.

www.globaloptimism.com

Was Sie jetzt tun können.

Die Autoren geben in ihrem Buch abschließend konkrete Anregungen: „Das ist eine Handlungsanleitung für die wachsende Bewegung von unbeugsamen Klimaaktivisten.“

Genau jetzt

  1. Einen tiefen Atemzug nehmen und sich dafür entscheiden, das gemeinsam zu tun und dabei deinen Part übernehmen. Du wirst ein hoffnungsvoller Visionär der Menschlichkeit sein in diesen dunklen Tagen. Von diesem Moment an endet die Verzweiflung.
  2. Reduziere die durch dich verursachte Klimabelastung bis zum Jahr 2030 um die Hälfte des heutigen Wertes. Versuche 60 Prozent zu erreichen. Es wird dich nicht aufhalten, dass du noch nicht weißt, wie du das anstellen sollst. Wir lernen alle.

Heute oder Morgen

  1. Ernähre dich mindestens einen Tag in der Woche fleischfrei. Und entscheide dich, wie schnell du weitere Tage hinzufügen willst.
  2. Erzähle anderen von deinem Engagement – Personen oder sozialen Medien. Sei nicht schüchtern. Ermutige andere, dir zu folgen. Dein Beispiel wird sie motivieren.

Diesen Monat

  1. Finde jemand in deinem Umfeld, der politische Aktionen gegen den Klimawandel unternimmt. Mach dabei mit. Demonstriere und marschiere. Erlebe die Inspiration durch eine engagierte Gruppe, die die Welt ändern will.
  2. Pflanze Bäume. So viele wie du kannst. Suche eine örtliche Gruppe, die Bäume pflanzt.
  3. Unterhalte dich mit jemandem, der nicht aktiv im Kampfe gegen den Klimawandel engagiert ist und versuche seine Sichtweise zu verstehen.
  4. Entscheide über dein Engagement. Was genau willst du dieses Jahr noch tun? Wie willst du die beabsichtigten Änderungen in Angriff nehmen?
  5. Beginne mit Achtsamkeitsübungen oder Atemübungen. Mache das jeden Tag für ein paar Minuten. Bringe Licht zwischen dich, die Welt und deine Reaktionen.
  6. Prüfe dein Verbrauchsverhalten. Was hast du gekauft und wie viel Freude hat es dir gebracht. Hinterfrage deine Kaufimpulse und spüre, wie befreiend es ist, weniger zu kaufen.

letzte Änderung: 14.02.2020