Stromversorgung: Neumodische Energieversorger
Von Louis-F. Stahl
(6. September 2021) Der regelmäßige Versorgerwechsel ist für Leser der Energiedepesche ein alter Hut: Bei Preiserhöhungen oder zum Ende der Vertragslaufzeit schnell einen Preisrechner im Internet oder den Wechselservice vom Bund der Energieverbraucher zum Angebotsvergleich nutzen, den Wechsel einleiten und fertig. Manche Energieversorger sind jedoch der Ansicht, dass dieses bewährte Vorgehen für die Generation Smartphone zu anachronistisch sei: Hippe Lösungen, idealerweise als App, gehöre die Zukunft. Zwei international erfolgreiche Energieversorger mit entsprechenden Angeboten haben kürzlich einen Ableger in Deutschland gestartet. Die Zeitung für Kommunale Wirtschaft konstatierte in Ausgabe 2/2021 auf der Titelseite: „Beeindruckt hat der Markteintritt der beiden Neulinge die deutsche Energiewelt schon. Verängstigt eher nicht.“
Octopus Energy stammt aus Großbritannien, hat nach eigenen Angaben über 2 Millionen Kunden, zählt damit zu den dort größten Energieversorgern und gehört zur „Octopus Group“, einer Investmentgesellschaft. Das Angebot in Deutschland erscheint auf den ersten Blick – zumindest noch – wenig smart und der Preis liegt bei einem Anbietervergleich für den Standort Unkel mit 2.500 kWh auf dem Niveau renommierter deutscher Ökostromversorger. Positiv hervorzuheben ist, dass keine Mindestvertragslaufzeit besteht. Was an dem Angebot disruptiv und modern sein soll, bleibt fraglich.
Tibber ist ein Start-Up aus Norwegen und bezeichnet sich selbst als Anbieter „für Rebellen“, der „keinen Cent an deinem Stromverbrauch“ verdient – was freilich nicht heißt, dass der Versorger in der Rechtsform einer GmbH keine Gewinnerzielungsabsicht hat. Die Webseite des Anbieters spart nicht mit hippen Marketing-Buzzwords wie „künstlicher Intelligenz“, „Algorithmen“ und „Data-Science“. Faktisch handelt es sich um einen Stromtarif mit monatlich variablem Preis basierend auf dem „durchschnittlichen Einkaufspreis an der Strombörse“. Die Abwicklung kann über eine App erfolgen. Die Einbindung eines Smart-Meter von Discovergy ist möglich. Smart-Meter der örtlichen Netzbetreiber werden hingegen (noch) nicht unterstützt. Die Kündigungsfrist ist mit vier Wochen kundenfreundlich ausgestaltet.
Disruptiver als die beiden viel beachteten Neulinge ist der bereits seit drei Jahren in Deutschland tätige Anbieter „aWATTar“ aus Österreich, der einen stündlichen Strompreis für Kunden mit Smart-Meter anbietet. Zum jeweils aktuellen Börsenpreis „EPEX Spot DE“ kommen feste Netzentgelte, Umlagen und Gebühren in Höhe von 19,517 Cent/kWh sowie ein monatlicher Grundpreis in Höhe von 16,17 Euro inklusive der Kosten für ein Smart-Meter von Discovergy. Für Verbraucher mit einem flexibel steuerbarem Verbrauch kann dieser spezielle Tarif von Interesse sein.