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Preiserhöhung ohne Ankündigung

Europäischer Gerichtshof: Preiserhöhung ohne Ankündigung

Von Leonora Holling

(15. August 2020) Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich erneut mit den Folgen einer unterbliebenen Mitteilung über eine Preiserhöhung bei grundversorgten Verbrauchern beschäftigen müssen.

In früheren Urteilen hatte der EuGH dabei bisher die Auffassung vertreten, dass aus Gründen des Verbraucherschutzes und des Erfordernisses der Transparenz ein Grundversorger seine Kunden frühzeitig über eine anstehende Preiserhöhung in Kenntnis setzen muss. Gleichzeitig ist der Grundversorger dabei verpflichtet, auf die Möglichkeit der Kündigung hinzuweisen.

1700 339 Stromzähler statt Ziffern Eurozeichen / Foto: Bluedesign / stock.adobe.com

Der EuGH ist jedoch in seiner neusten Entscheidung vom 2. April 2020 (Az. C-765-18) nunmehr überraschend zu dem Ergebnis gelangt, dass eine fehlende Preisänderungsmitteilung nicht automatisch zu einer Unwirksamkeit der Preiserhöhung führen müsse. Vielmehr meint der EuGH nun, dass bei einer unterlassenen Mitteilung dem Verbraucher lediglich ein Schadenersatzanspruch entsteht.

Die Höhe dieses Anspruchs berechne sich, so der EuGH, aus dem Mehrpreis, den der Verbraucher wegen der nicht erfolgten Kündigung in der Folgezeit zu zahlen hatte. Aufgrund welchen Maßstabes sich dabei der „Mehrpreis“ errechnen soll, ist völlig unklar. Zudem dürfte sich der Anspruch wohl auf den Zeitraum beschränken, bis zu dem der Verbraucher nach Kenntnis von der Preiserhöhung frühestmöglich zu einem anderen Anbieter hätte wechseln können.

Für Verbraucher ist dieses Urteil doppelt bitter: Einerseits scheint selbst der bisher verbraucherfreundliche EuGH den Verbraucherschutz in der EU nicht mehr hochhalten zu wollen und andererseits ist das Urteil in der praktischen Anwendung für Verbraucher ohne anwaltliche Hilfe kaum umsetzbar. Doch selbst bei einer anwaltlichen Vertretung bleibt offen, wie die nationalen Gerichte den Mehrpreis berechnen werden, sodass für die betroffenen Verbraucher ein besonderes Prozessrisiko besteht, sofern die betroffenen Verbraucher keine Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen können oder über eine andere Absicherung wie den Prozesskostenfonds vom Bund der Energieverbraucher geschützt sind.

letzte Änderung: 11.07.2023