zurück zur Übersicht

Preisanhebungen 2023 verboten?

Preisanhebungen 2023 verboten?

Die geplante Strom- und Gaspreisbremse 2023 erlaubt Preisanhebungen nur in engen Grenzen. Wie wirksam können diese Bestimmungen sein? Und wer kontrolliert sie? In der Grundversorgung gilt der § 315 BGB.
Von Leonora Holling

(11. Januar 2023) Durch die ab dem 1.1.2023 geltenden Gas- und Strompreisbremsen der Bundesregierung wird es Versorgern untersagt, ihre Preise gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern im gesamten Jahr 2023 anzuheben. Eine Preiserhöhung sei, so die Diktion der Regierung, „illegal“. Dies gilt aber leider nur grundsätzlich. Versorgern wird es nämlich zugleich gestattet, ihre Arbeitspreise anzuheben, wenn sie damit gestiegene, eigene Beschaffungskosten weitergeben. Ob tatsächlich gestiegene Beschaffungskosten vorliegen, soll dann das Bundeskartellamt prüfen. Die Regierung betont, dass den jeweiligen Versorger in möglicherweise anstehenden Verfahren die Darlegungs- und Beweislast treffen würde.

1700 Symbolbid Geld Verbrauchszähler / Foto: K.-U. Häßler / stock.adobe.com

Detailregelungen unklar

Dass mit dieser Prüfungsregelung der große Wurf gegen unangemessene Preiserhöhungen gelungen ist, darf allerdings bezweifelt werden. Unklar ist bereits, ob es für die Prüfung durch das Bundeskartellamt eines Antrages dort bedarf und wenn ja, wer diesen stellen muss. Möglicherweise wird das Bundeskartellamt aber auch von Amts wegen tätig. Dann stellt sich angesichts der erwartbaren Menge von Preisänderungen, die bereits früher mit steigenden Beschaffungskosten begründet wurden, die Kapazitätsfrage beim Kartellamt. Wie verhält es sich zudem mit der Zeit zwischen Preiserhöhungszeitraum und Prüfungsende? Ist in dieser Zeitspanne, die durchaus nach Wochen bemessen werden dürfte, die Preisänderung nicht wirksam? Oder ist sie wirksam und müssen dann im Fall eines negativen Urteils des Kartellamtes gezahlte Abschläge durch den Versorger zurückgezahlt werden? Offen ist zudem, wie Versorger ihrer Darlegungs- und Beweislast zur Angemessenheit ihres Preiserhöhungsverlangens nachkommen müssen.

172 1700 Leonora Holling

Leonora Holling | Rechtsanwältin mit Kanzlei in Düsseldorf, erste Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher

Unabhängige Prüfung wichtig

Verbraucherinnen und Verbraucher, die bereits seit Jahren gegen steigende Preise protestiert haben, kennen die Versuche der Versorgungswirtschaft Preiserhöhungen „plausibel“ erscheinen zu lassen. Gerade zu Anfang des Preisprotestes wurden private Wirtschaftsprüfergutachten vorgelegt, die dem Versorger jeweils bescheinigten, selbstverständlich nur erhöhte Beschaffungskosten weitergegeben zu haben. Bei genauerer Prüfung ergab sich dann, dass jene Wirtschaftsprüfer ihre Testate auf solche Unterlagen gestützt hatten, die ihnen der jeweilige Versorger überlassen hatte. Eine unabhängige Prüfung sieht völlig anders aus. So urteilten auch die Gerichte und erkannten diese Wirtschaftsprüfergutachten für die Prüfung der Angemessenheit von Preiserhöhungen nicht an.

§ 315 BGB bleibt unberührt

Fraglich erscheint, ob die Bestimmungen zur Strom- und Gaspreisbremse die eigenen Rechte von Verbraucherinnen und Verbraucher zum eigenen Preisprotest modifizieren oder sogar aufheben können. Der § 315 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bestimmt ausdrücklich: Wenn ein Preis von einer Partei eines Vertrages vorgeben wird, die andere Vertragspartei den Nachweis der Angemessenheit des Preises verlangen kann. Seit über 15 Jahren ist diese Bestimmung des BGB der absolute Kerngedanke des Preisprotestes. Erbringt der Versorger den Nachweis nicht, was bisher außergerichtlich nie der Fall war, so kann die Zahlung des erhöhten Entgeltes nach Widerspruch hiergegen verweigert werden. Geschuldet ist dann lediglich der Preis, der bisher unwidersprochen gezahlt wurde.

Dieses Recht des einzelnen Verbrauchers kann nach meiner Überzeugung nicht durch das Prüfungsrecht des Bundeskartellamtes ausgehebelt werden. Verbraucherinnen und Verbraucher können sich natürlich die Feststellungen des Bundeskartellamtes zu einer Preiserhöhung zu eigen machen. Bindend dürften diese Feststellungen jedoch nicht sein. Die verbindliche Feststellung des billigen Preises trifft nämlich nach § 315 Abs. 3 BGB letztinstanzlich ein ordentliches Gericht.

Verbraucherinnen und Verbraucher sind daher gut beraten, selbst bei Preise öhungen in der Grundversorgung durch Widerspruch unbedingt aktiv zu werden und zu prüfen, ob sie die Preiserhöhung tatsächlich zahlen werden/wollen. Hilfe bei der Bewertung gewährt dabei – der Bund der Energieverbraucher.