ED 03/14 Der Preis des Holzes (S.16/17)
Politik killt Biosprit

Politik killt Biosprit

Am Ende des Ölzeitalters stützt die Bundesregierung noch einmal die Mineralölwirtschaft. Johannes Lackmann, Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Biokraftstoffindustrie, zeigt auf, wie uns die Politik einen wichtigen Weg aus dem Öldilemma verbaut.

(5. Juni 2009) Seit die Welt den Klimawandel als eminente Bedrohung verstanden hat, bieten Biokraftstoffe einen Ausweg aus der Öl-Abhängigkeit im Verkehrswesen. 2007 reduzierten sie in Deutschland bereits rund 15 Millionen Tonnen CO2, und das bei nur 7,3 Prozent Anteil am gesamten Kraftstoffmarkt. Die "Roadmap Biokraftstoffe" des Bundesumweltministeriums (BMU) vom November 2007 sprach sogar davon, dass "eine Steigerung der Biokraftstoffverwendung auf 17 Prozent ehrgeizig, aber machbar sei". Millionen waren zu diesem Zeitpunkt in die Forschung und Entwicklung von Kraftstoffen aus Energiepflanzen wie Raps und Weizen geflossen. In Deutschland wurde eine Industrie aufgebaut, die heute als weltweit führend gilt.

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Johannes Lackmann, Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Biokraftstoffindustrie

Hysterie um Biokraftstoffe

Doch dann kam die Hysterie. Biokraftstoffe seien ineffizient und würden eher mehr Treibhausgase (THG) verursachen, weil die Regierungen in Indonesien und Brasilien Regenwaldgebiete für Palmöl und Soja vernichten. Und als 2008 die Nahrungsmittelpreise in die Höhe schossen, waren Biodiesel und Bioethanol auch noch für weltweiten Hunger und Waldsterben verantwortlich. Die neue Parole hieß "Tank gegen Teller". Dabei decken sich die Vorwürfe nicht mit den Fakten.

Weniger Schaden am Klima

Der anerkannte Chemiker und Bioenergie-Experte Uwe Lahl, Ministerialdirektor im BMU, wies 2008 nach, dass Biokraftstoff im THG-Vergleich mit fossilen Treibstoffen in jedem Fall besser abschneidet. Auf Grundlage von Daten des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH errechnete er, dass Biokraftstoff bis zu 80 Prozent THG einsparen können, abhängig von der Herstellungsart und Verwendung von Nebenprodukten.

Falsche Tank-gegen-Teller- Argumente

Auch "Tank gegen Teller"-Argumente entbehren jeder Grundlage: Die EU-Kommission fand heraus, dass die erhöhten Preise von Preisabsprachen der Nahrungsmittelkonzerne, drastisch erhöhter Nachfrage in den Entwicklungsländern und verminderte Produktivität in der Landwirtschaft zur Preisexplosion 2008 führten. Von der weltweiten Getreideernte dienen nur knapp fünf Prozent zur Herstellung von Biokraftstoffen, während der Großteil in der Rinder- und Schweinemast landet. Die Preise für Agrarrohstoffe sind inzwischen wieder auf das Niveau von 2007 gesunken, während die EU-27 im letzten Jahr 50 Millionen Tonnen Getreideüberschuss produzierten. Die Silos sind voll, die Preise sind niedrig!

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Grüner Sprit hat es derzeit schwer

Zertifikate für Biokraftstoffe

In Brüssel hält man Biokraftstoffe weiterhin für unverzichtbar. In der "Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen" forderte die EU im Dezember 2008, dass jedes Mitgliedsland bis 2020 mindestens zehn Prozent seines Energieverbrauchs im Verkehrssektor aus Erneuerbaren Energien bestreitet. Biokraftstoffe müssen zu einer Treibhausgaseinsparung von mindestens 35 Prozent gegenüber fossilen Kraftstoffen beitragen, sonst werden sie nicht auf die nationale Klimabilanz angerechnet. Rohstoffe, die auf Kosten von Waldflächen, Feuchtgebieten und anderen Flächen mit hoher biologischer Vielfalt gewonnen wurden, werden ebenfalls nicht berücksichtigt - sie sind damit faktisch unbrauchbar für die Hersteller. Zurzeit arbeiten Experten fieberhaft an Zertifizierungssystemen, die in Zukunft jede einzelne Station des Biokraftstoffs von der Ernte der Energiepflanzen, über den Transport, bis hin zur Biokraftstoffanlage genau überprüfen. Ob Palmöl aus Indonesien oder Soja aus Brasilien: Ohne Zertifikat geht gar nichts!

Keine Flächenkonkurrenz

Deutsche Hersteller setzen aber ohnehin lieber auf heimische Energiepflanzen. Anders als von Kritikern oft behauptet, gibt es überhaupt keine Flächenkonkurrenz zwischen Biokraftstoffen und Lebensmitteln. In Deutschland dienen nur acht Prozent der Agrarflächen für den Anbau von Energiepflanzen. Weltweit sind es sogar nur zwei Prozent. Bis 2030 kann der Flächenanteil in Deutschland problemlos auf bis zu zwölf Prozent steigen, ohne dass sich dies auf die Nahrungsmittelproduktion auswirkt. Das Flächenpotential in Europa gibt noch mehr her: Der angesehene Biomasse-Experte beim Gießener Regierungspräsidium, Reiner Diemel, sieht allein in Lettland 500.000 Hektar Brachland. Jenseits der europäischen Grenzen in Russland, Afrika und Indien stehen sogar noch über 200 Millionen Hektar ungenutzter Fläche zur Verfügung. Studien belegen: Statt Entwicklungsländer mit Agrarüberschüssen zu Dumpingpreisen zu überschütten, sollten regionale Bioenergiepotentiale ausgenutzt werden.

Politik knickt ein

Aber Tatsachen spielen in der Diskussion scheinbar keine Rolle mehr. Eine beispiellose Kampagne gegen Biokraftstoffe ist in Gang gekommen, bei der immer unsachlicher argumentiert wird und Umweltschützer sich auf die Seite der sonst so verhassten Mineralölwirtschaft stellen. Die Politik ist unter diesem Druck eingeknickt.

Weniger Treibstoff höher besteuert

Am 23. April 2009 verabschiedete der Bundestag im zweiten Anlauf das "Gesetz zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen". Trotz erheblicher Zweifel einiger Abgeordneter wird die Quote für Biokraftstoffe am gesamten Kraftstoffmarkt rückwirkend zum 1. Januar 2009 auf 5,25 Prozent gesenkt. 2010 steigt sie auf 6,25 Prozent und wird bei diesem Wert bis 2014 eingefroren. Dagegen steigt die 2006 eingeführte Besteuerung weiter an - ein Doppelschlag für die Hersteller: Weniger Biokraftstoff kommt auf dem Markt, für den zudem höhere Steuern zu zahlen sind.

Biodiesel-Markt bricht ein

Der Markt für reinen Biodiesel, B100 genannt, ist im vergangenen Jahr völlig zusammengebrochen. Bei extrem niedrigem Ölpreis und gleichzeitig überhöhter Besteuerung war B100 nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (UFOP) errechnete für 2008 einen Absatzeinbruch von 739.000 Tonnen im B100-Markt, ein Minus von rund 40 Prozent. Allein die per Quote geregelte Beimischung von Biodiesel und Bioethanol zu Diesel oder Benzin hielt die Hersteller noch am Leben - bis jetzt.

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Firmen sind nicht ausgelastet

Die Auswirkungen dieser verfehlten Politik sind bereits jetzt spürbar. Die Auslastung der Mitgliedsfirmen des Verbands der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) lag Ende 2008 bei nur noch 60 Prozent. Von den bisher 32 Mitgliedern des VDB haben über 20 Prozent die Produktion eingestellt. Weitere drei Firmen haben ihre Belegschaft in Kurzarbeit geschickt - Tendenz steigend. Mehrere Unternehmen sind inzwischen von der Insolvenz bedroht, einige mussten bereits die Segel streichen. In Mecklenburg-Vorpommern warnte die SPD-Landtagsfraktion kurz nach Verabschiedung des Gesetzes vor dem Aus für 200 Biodiesel-Arbeitsplätze im Bundesland mit der deutschlandweit höchsten Arbeitslosenquote. Im wirtschaftlich angeschlagenen Franken ging die Campa-Biodiesel GmbH pleite. Die Bundesregierung verweist inzwischen immer häufiger auf Biokraftstoffe der "2. Generation" und Elektromobilität. Dabei ist nichts davon in naher Zukunft marktreif. "Biomass-to-Liquid", also synthetische Kraftstoffe aus Rohstoffen wie Holz oder Stroh, wird es für den Autotank auf absehbare Zeit nicht geben. Auch das Elektroauto steht noch immer auf der Hebebühne der Forschung. Wer schon heute Treibhausgasemissionen vermeiden will, hat nur eine einzige Alternative: Biokraftstoffe der 1. Generation, die aus Energiepflanzen wie Raps oder Roggen hergestellt werden.

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Öl-Lobby übt Druck aus

Die Mineralölindustrie wehrt sich indes mit allen Mitteln gegen den grünen Konkurrenten. Sie umgeht oder sabotiert die gesetzlich vorgeschriebene Beimischung von Biokraftstoff. Im April setzte Klaus Picard, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes, der Bundesregierung sogar die Preis-Pistole auf die Brust: Entweder die gesetzliche Quote sinkt, oder die Mineralölkonzerne wälzen die zu erwartenden Strafzahlungen von rund 500 Millionen Euro auf die Autofahrer ab. Diesel wäre dadurch zwei Cent teurer geworden. Diese Strafzahlung wäre nach dem alten Gesetz fällig geworden, weil die Konzerne schon vor der Neuregelung zu wenig Biosprit beigemischt hatten.

Berlin ließ sich erpressen

Die Ölmultis erpressten Berlin ... und Berlin ließ sich erpressen. Das Resultat: 600.000 Tonnen weniger Biokraftstoff in 2009 bedeuten 600.000 Tonnen mehr fossiler Kraftstoff in Deutschland. Das bedeutet eine Erhöhung der Netto-CO2-Emissionen um 1,5 Millionen Tonnen. Kein anderes Produkt wird heute intensiver und kritischer auf seinen Einfluss auf das Klima getestet wie Biokraftstoff. Wie nachhaltig Erdöl ist, fragt bis heute kein Mensch.

Hintergrundinformationen zu Biokraftstoff

letzte Änderung: 06.01.2015