Urteil des Landgerichts Duisburg vom 10. Mai 2007
Az: 5 S 76/06
Dieses Urteil aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung nicht mehr aktuell!
In der Berufung wird das Urteil des AG Dinslaken vom 13. Juli 2006 (Az: 31 C 295/05) teilweise aufgehoben und die Zahlungsklage des Versorgers abgewiesen, weil dieser seine Kalkulation nicht offen gelegt hatte und deshalb das Gericht die Billigkeit der Preise nicht prüfen konnte.
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Zur Revision: BGH-Urteil vom 19. November 2008 - Az: VIII ZR 138/07
Ergänzt am 23. Mai 2011:
Urteil Landgericht Duisburg vom 21. April 2011 - Az: 5 S 76/06
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Urteil des Landgerichts Duisburg vom 10.05.2007
Az.: 5 S 76/06
Sachverhalt
Das Landgericht entscheidet über die Berufung eines Verbrauchers gegen die (Wider-) Klage seines Erdgasversorgers auf Zahlung des im Rahmen des Unbilligkeitseinwandes einbehaltenen Betrages. Der Verbraucher hat unter Berufung auf § 315 BGB nur den Preis von Ende 2004 zuzüglich eines Aufschlags von 2% weitergezahlt, nachdem das Versorgungsunternehmen den Arbeitspreis zum 01.01.2005 erhöht hatte.
Das Unternehmen trägt vor, es habe nicht einmal die Bezugskostensteigerung bei der Preiserhöhung in vollem Umfang weitergegeben. Das belege die Billigkeit der Preisfestsetzung. Auch die Landeskartellbehörde habe gegen die Preiserhöhung keine Einwände gehabt, ein Preisvergleich mit anderen Versorgern unterstreiche die Angemessenheit des Preises zusätzlich. Das Amtsgericht Dinslaken hat den Verbraucher auf Zahlung des ausstehenden Betrages verurteilt. Dagegen richtet sich die Berufung des Verbrauchers.
Urteil
Das Landgericht Duisburg bejaht die Anwendbarkeit des § 315 BGB. Der Verbraucher habe nicht auf einen anderen Wärmeanbieter ausweichen können. Aus der Monopolstellung des Versorgers folge die entsprechende Anwendung des § 315 BGB. Der vom Unternehmen vorgetragene "Substitutionswettbewerb" mit anderen Heizenergien ändere daran nichts. Der Verbraucher könne als Erdgasbestandskunde nicht auf andere Wärmeenergien zurückgreifen. Ihm stehe der Erdgasversorger daher als Monopolist gegenüber.
Unabhängig von der Monopolstellung sei § 315 BGB auch direkt anwendbar, da der Versorger über § 4 AVBGasV zur einseitigen Veränderung des Gaspreises berechtigt sei. Dieses gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht begründe die Anwendbarkeit des § 315 BGB, ohne dass es darauf ankomme, ob der Verbraucher auch auf einen anderen Versorger zurückgreifen hätte können. Aufgrund der unterschiedlichen Zielrichtung sei der Unbilligkeitseinwand auch nicht durch Kartellrecht ausgeschlossen, der Entscheidung der Landeskartellbehörde komme daher keine Bedeutung zu.
Der Einwand nach § 315 BGB fällt nach Ansicht des Gerichts auch nicht unter den Einwendungsausschluss des § 30 AVBGasV. Den vom Gericht geforderten Darlegungen zur Kosten- und Erlöslage war das Unternehmen nicht nachgekommen. Der Vortrag des Versorgers hätte sich auf die gesamte Preisfestsetzung beziehen müssen. Die Informationen allein zur Preiserhöhung reichten nicht aus. Der alte Arbeitspreis, den auch der Verbraucher zahle, sei einer Billigkeitskontrolle nicht als Sockelbetrag entzogen. Schließlich kalkuliere das Unternehmen die Preiserhöhung nicht ohne Berücksichtigung des bisherigen Preises. Dass es die Bezugskostensteigerung nicht in vollem Umfang weitergegeben habe, zeige, dass das Unternehmen über Reserven verfüge, die aus dem ursprünglichen Preis resultierten. Schon deshalb sei der gesamte Preis zu kontrollieren. Das Unternehmen hätte zumindest unter Vorlage der Bezugsverträge die Bezugskostensteigerungen begründen müssen. Weiterhin habe das Unternehmen nicht vorgetragen, welche Anstrengungen es zur Verringerung der Bezugskosten unternommen habe. Eine Weitergabe von Bezugskostensteigerungen sei zudem nicht zulässig, wenn schon der Preis zuvor überhöht gewesen sei. Private Gutachten reichten dem Gericht zur Darlegung der Bezugskostensteigerung nicht aus.
Einem Preisvergleich maß das Gericht keine Bedeutung bei, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass alle Gaspreise unbillig überhöht seien. Geheimhaltungsinteressen des Unternehmens stünden den Offenlegungsanforderungen an das Unternehmen nicht entgegen. Da das Unternehmen nicht bereit war, die zur Billigkeitskontrolle erforderlichen Kalkulationsgrundlagen offen zu legen, gab das Landgericht der Berufung des Verbrauchers statt und wies die Zahlungsklage des Versorgungsunternehmens als unbegründet ab.
Stellungnahme
Das Landgericht Duisburg stützt sein Urteil mit einer überzeugenden Argumentation. Insbesondere die Ausführungen zur Notwendigkeit den Gesamtpreis zu kontrollieren, der fehlenden Aussagekraft von Wirtschaftsprüferbescheinigungen und Preisvergleichen sowie die Ablehnung der Konstruktion eines "Substitutionswettbewerbs" berücksichtigen auch betriebswirtschaftliche und energiewirtschaftliche Zusammenhänge in einer im Rahmen der Billigkeitskontrolle erforderlichen Weise. Das Urteil ist in der Revision beim BGH. Es wird interessant sein, wie sich der BGH nach seinem teilweise anders lautenden Urteil vom 13.06.07 zum Urteil des Landgerichts äußert.
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- .1: Urteil OLG FFM 13.12.07.
- .2: Urteil LG Oldenburg 29.11.07 9 S 574/06 .
- .3: Urteil LG Oldenburg 29.11.07 9 S 59/06.
- .4: Urteil LG Oldenburg 22.11.07.
- .5: Urteil OLG Bremen 16.11.07.
- .6: Beschluss OLG SH 15.11.07.
- .7: Urteil BGH 15.11.07.
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- .10: Urteil LG Köln 24.10.07.
- .11: Urteil BGH 11.10.07.
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- .22: Urteil BGH 13.06.07.
- .23: Urteil LG München II 24.05.07.
- aktive Seite ist .24: Urteil LG Duisburg 10.05.07.
- .24: Urteil AG Lübeck 08.05.07.
- .25: Urteil LG Rostock 26.04.07.
- .26: Urteil LG Essen 17.04.07.
- .27: Verfügung OLG Bremen 13.04.07.
- .28: Urteil BGH 28.03.07.
- .29: Beschluss LG Düsseldorf 28.03.07.
- .30: Beschluss OLG Düsseldorf 22.03.07.
- .31: Beschluss BGH 14.03.07.
- .32: Urteil LG FFM 07.03.07.
- .33: Urteil LG Hannover 19.02.07.
- .34: Hinweisbeschluss LG Düsseldorf 14.02.07.
- .35: Urteil LG Kassel 05.02.07.
- .36: Urteil LG FFM 19.01.07.
- .37: Urteil LG Köln 11.01.07.