Urteil des Landgerichts München II vom 24. Mai 2007
Az: 8 S 6848/06
Dieses Urteil aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung nicht mehr aktuell!
Die Zahlungsklage des Stromversorgers ist erfolgreich. Die Kammer des Landgerichts München II verneint die Anwendbarkeit des § 315 BGB bei Stromlieferverträgen.
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Kommentar von Rechtsanwalt Karl Witopil
Die vorstehende Entscheidung scheint seinerzeit für Furore gesorgt – aber auch nur scheinbar.
Denn das Landgericht München II stützte sich bei seinem Urteil auf die Entscheidung des VIII. BGH-Senats vom 28.03.2007 (Az.: VIII ZR 144/06) und sah seine Auffassung vom BGH bestätigt, wonach es im Strommarkt keiner Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB bedürfe.
Nun wurde solches vom BGH weder im genannten Urteil ausgedrückt und/oder entschieden. Noch hat der BGH, auch nicht in seinen vielen späteren Entscheidungen, jemals ausgedrückt, dass die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB von der Existenz eines funktionierenden Marktes abhängig sei.
Dabei war es dem BGH am 28.03.2007 lediglich wichtig heraus zu arbeiten, ob dann, wenn den Parteien vertraglich vereinbarten Leistungsentgeltes wegen der Zugang zu § 315 BGB versperrt sei, unter gewissen Voraussetzungen dennoch – gleichsam in entsprechender Anwendung der Bestimmungen gem. § 315 BGB – der Zugang zur Billigkeitskontrolle eröffnet werden muss. Hierbei waren Überlegungen der Monopolstellung eines Versorgungsunternehmens und/oder die Existenz eines öffentlich-rechtlichen Anschluss- und Benutzungszwangs ausschlaggebend. Der am 28.03.2007 entschiedene Fall lag aber anders und so kam der BGH zu dem Schluss, dass der (vereinbarte) Anfangspreis keine Billigkeitskontrolle erlaube gleichsam wurde aber der Preisanpassungen in widersprochener Zeit wegen die Billigkeitskontrolle bestätigt.
Die Überlegungen des Landgerichts München II, wonach Preise nichts anderes wie billig sein könnten, wenn diese im Wettbewerb entstehen, weshalb dann aber eine Billigkeitsprüfung ausgeschlossen sein müsse, muten phantastisch an. Denn dann, wenn Wettbewerbspreise immer billig sein sollten, dann stellt dies eine Wertung dar und bestätigt diese Argumentation des Landgerichts München II, dass ja geradewegs eine solche Prüfung der Billigkeit erfolgte (wenn auch mit fragwürdigem Ergebnis). Hierdurch die Billigkeitsprüfung ausschließen zu wollen, stellt somit einen Zirkelschluss dar. Zudem ist diese Feststellung des Landgerichts München II contra legem. Denn entweder wird einer der Parteien ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zugebilligt, welches nur seinem (billigen) Ermessen unterliegt (§ 315 Abs. 1 BGB), dann ergibt sich zu Gunsten der anderen Partei (zwangsläufig) hierdurch ein Widerspruchsrecht (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Auch hierin besteht in Literatur und Praxis Einstimmigkeit, dass das Widerspruchsrecht ein schutzwürdiges Kontrollinstrument zu Gunsten der anderen Partei darstellt.
Der VIII. BGH-Senat geht aber, wie zeitlich nach der zitierten Entscheidung entschieden wurde (15.07.2009, VIII ZR 56/08) noch viel weiter, indem er sagt, dass dem Letztverbraucher dessen Wahlrecht unangetastet bleibt. Er hat die Wahl, am Vertrag festzuhalten und den Preis einer Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB zu unterziehen. Oder er kann kündigen und den Versorger wechseln.
Die vom Landgericht München II zitierte Gegenmeinung übersieht, dass der Gesetzgeber und mit ihm die höchstrichterliche Rechtsprechung ein schutzwürdiges Interesse des Verbrauchers an dieser Kontrolle ausdrücklich bejaht. Der explizite Hinweis auf § 315 BGB stellt kein Redaktionsversehen des Gesetzgebers dar (worauf auch das Landgericht Landshut, 22.01.2010, Az.: 12 S 2565/09, zitiert nach juris) hingewiesen hat.
Ebenso übersieht die Gegenmeinung, dass es wesentlichen Gedanken des gegenseitigen Vertrages widerspricht, wonach jede Partei deren Vertragspflichten einzuhalten hat, wollte man den Letztverbraucher zum Wechsel zwingen, wie dies vom Landgericht München II gesehen wurde.
Schlussendlich ist darauf hinzuweisen, dass die Ermittlung von Markt- oder Vergleichspreisen für sich kein geeigneter Maßstab für die Billigkeitsprüfung ist, indem sich auf irgendwelche Listen bezogen wird oder Vergleichsdaten aus statistischen Erhebungen (vgl. BGH, 08.07.2009, VIII ZR 314/07, Tz. 25; BGH, 19.11.2008, VIII ZR 138/07, Tz. 49 ff.,).
In solchen Fällen fehlt, auch wenn der Versorger zum Vergleich herangezogene andere Versorger namentlich bezeichnet, jedoch jeglicher Vortrag dazu, inwiefern diese (alternativen) Versorgungsunternehmen mit dem betroffenen Versorger und insbesondere die Räume, in denen diese ihre Leistungen anbieten, mit dem vom betroffenen Versorger versorgten Gebiet vergleichbar sein könnten (vgl. BGH, 19.11.2008, VIII ZR 138/07, Tz. 51;).
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