Einkommen für Alle
Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine mutige und menschliche Idee - und gar nicht so absurd, wie es sich zunächst anhört. Die Kombination mit einer hohen Energiesteuer macht die Vision bezahlbar und schafft gleichzeitig Anreize zum Energiesparen.
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(11. September 2010) Unsere Gesellschaft verfügt über ein geniales Steuerungsinstrument: das Geld. Was knapp ist, wird teuer. Damit wächst der Anreiz, damit sparsam umzugehen und nach Alternativen zu suchen. Wovon viel da ist, das verliert an Wert und der Preis sinkt.
Professor Götz W. Werner, Gründer und Aufsichtsrat von dm-drogerie markt, befürwortet ein bedingungsloses Grundeinkommen, das durch eine schrittweise Umgestaltung des Steuersystems in Richtung Verbrauchssteuern finanziert wird. Er plädiert dafür, dass Luxusgüter mit einem deutlich erhöhten Mehrwertsteuersatz veranlagt werden. Die Vorteile: Wer wenig verbraucht, zahlt auch weniger Steuern, wer viel verbraucht, höhere und mehr.
Beispiel 1: Energie
Je teurer Energie ist, umso sparsamer gehen Verbraucher damit um. Deshalb fordern Umweltschützer eine höhere Besteuerung der Energie. Dies würde zwar zu einem sparsamen Umgang führen. Doch weil die Politiker den Zorn der Wähler fürchten, die mehr zahlen müssen, schrecken sie vor dieser effektiven Maßnahme zurück.
Beispiel 2: Arbeit
Viele Arbeitsplätze werden wegrationalisiert, weil Maschinen die Arbeit übernehmen. Weil Arbeit aber auch Lohn bedeutet, sinken die Einkommen. Ein Ausweg wäre ein staatlich garantiertes Grundeinkommen für jeden Bürger, das alle bisherigen Sozialleistungen ersetzt.
Im ersten Beispiel kommt der Staat zu Geld auf Kosten der Bürger. Im zweiten Beispiel ist es genau umgekehrt. Deshalb ergänzen sich die beiden Vorschläge: Die Energiesteuer finanziert das Grundeinkommen, während sie gleichzeitig die soziale Gerechtigkeit gewährleistet.
Ein Beispiel: Schon heute reichen die Einnahmen aus der Mineralölsteuer, um jedem Bürger jährlich 62 Euro auszuzahlen. Wer 620 Liter Sprit jährlich kauft, der zahlt exakt so viel Benzinsteuer, wie er zurück bekommt. Wer weniger Sprit kauft, macht netto einen Gewinn, wer mehr braucht, zahlt drauf. Analog könnte das Grundeinkommen die zusätzlichen Energiekosten ausgleichen. Gleichzeitig gibt es einen zusätzlichen Anreiz zum Energiesparen: Wer weniger verbraucht, dem bleibt mehr vom Grundeinkommen. Wer viel Energie verbraucht, behält weniger übrig. Weil jede Person ein Grundeinkommen erhält - auch Kinder mit einem geringeren Betrag - sind auch große Familien nicht benachteiligt.
Grundeinkommen verhindert Energiearmut
Die aufwändige und entwürdigende Bedarfsprüfung für Hartz IV entfällt, was enorme Verwaltungskosten spart. Die ganze Sozialbürokratie kann abgeschafft werden: Es gibt 155 Sozialleistungen, die von 37 Stellen ausbezahlt werden, und allein die Bundesagentur für Arbeit beschäftigt 95.000 Mitarbeiter.
Weitere Argumente
Jeder kann durch das Grundeinkommen ein Minimum an Energie für Wärme und Strom bezahlen. Energiearmut gehört der Vergangenheit an. Jeder kann tun und arbeiten, was er will und kann. Das Grundeinkommen stärkt das Ehrenamt.
Getrennt betrachtet werden sowohl das Grundeinkommen als auch eine drastisch höhere Ökosteuer Fiktion bleiben: Das Grundeinkommen allein ist unfinanzierbar, während die Ökosteuer ohne die Ausschüttungen wohl kaum auf Gegenliebe beim Wähler stoßen wird. Beide Instrumente zusammen jedoch sind ideale Partner. Allerdings gilt es, die beiden nicht auf einen Schlag einzuführen, sondern allmählich: „Revolutionär denken, evolutionär umsetzen", sagt gern der Wortführer des Grundeinkommens und Chef der Drogeriemarktkette dm, Götz Werner. Ein Satz, der für die Ökosteuer gleichermaßen gilt.
Will dann noch jemand arbeiten?
90 Prozent aller Befragten würden weiter arbeiten. Jedoch 80 Prozent glauben, dass die anderen nicht mehr arbeiten würden - offenbar schätzen wir unsere Mitmenschen falsch ein. Ohnehin arbeiten derzeit nur 40 Prozent aller Bundesbürger gegen Bezahlung. Einkommen ohne Arbeitsleistung überwiegt also schon heute.
Unterschiedliche Modelle
Der ehemalig Thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) hat bereits 2006 ein „solidarisches Bürgergeld" vorgeschlagen. Nach seinem Modell sinken dadurch sogar die staatlichen Sozialausgaben. Der US-amerikanische Ökonom Milton Friedman sah 1962 die negative Einkommenssteuer als Chance, gleichzeitig die Armut zu bekämpfen und sozialstaatliche Bürokratie und Missbrauchsvorwürfe zu reduzieren. Friedmans Konzept wurde 1967 vom Nobelpreisträger James Tobin als Instrument für einen sozialen Ausgleich weiterentwickelt.
Der Chef der dm-Drogeriekette Götz Werner setzt sich stark für das Grundeinkommen ein. Er schlägt vor, auf jede Einkommenssteuer zu verzichten und stattdessen auf jede Form von Güterkonsum eine Steuer von rund 50 Prozent zu erheben. Vor allem Luxusgüter sollten sich durch Steuern deutlich verteuern. Die Umstellung soll schrittweise erfolgen.
Wer soll das bezahlen?
Der Finanzierungsbedarf für das Grundeinkommen ist geringer, als angenommen wird. Denn bei Erwerbstätigen verrechnet das Finanzamt das Grundeinkommen mit der Steuer. Und bereits heute zahlt der Staat jährlich 700 Milliarden Euro an Unterstützungen. Allerdings liegt das Grundeinkommen über dem heutigen Harz-IV-Satz - ansonsten wäre mit dem Grundeinkommen doch faktisch ein Zwang zur Erwerbsarbeit verbunden - und erfordert deshalb eine zusätzliche Finanzierung.
Für Erwachsene sollte das Grundeinkommen in der Größenordnung zwischen 800 und 1.000 Euro netto liegen. Die Vorschläge von Althaus und Werner liegen bei 600 Euro.
Ist das Grundeinkommen durchsetzbar?
Weltweit überall und auch in Deutschland engagieren sich Menschen für ein Grundeinkommen. Es gibt auch vereinzelt Orte, an denen zeitweise ein Grundeinkommen eingeführt wurde, so zum Beispiel in der Ortschaft Omitara in Namibia im Jahr 2007. Auch in Quatinga Velho in der Nähe von Sao Paulo liegen über eineinhalb Jahre Erfahrungen mit Grundeinkommenszahlungen vor. In Brasilien ist das Grundeinkommen sogar in der Verfassung verankert, aber nur in dem 100-Seelen-Dorf wurde es durch private Spender verwirklicht.
Das Grundeinkommen bewirkt eine Umverteilung zugunsten der Schwächeren in der Gesellschaft. Das erschwert seine Einführung gegen den Widerstand der vermögender und einflussreicher Eliten.
Erich Fromm schreibt dazu 1966:
„Nehmen wir für einen Augenblick an, jeder könnte in irgendeine Bäckerei gehen und sich so viel Brot nehmen, wie er wollte. (Der Staat würde der Bäckerei alles von ihr hergestellte Brot bezahlen.) Der Gierige würde dann zunächst mehr nehmen, als er gebrauchen könnte, aber nach kurzer Zeit würde dieser „Konsum aus Gier" sich ausgleichen, und die Leute würden sich nur so viel nehmen, wie sie wirklich brauchen. Ein solcher kostenloser Konsum würde meiner Meinung nach eine neue Dimension im menschlichen Leben schaffen.
Der Mensch würde sich dann von dem Grundsatz befreit fühlen: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen." Sogar schon Anfänge dieses freien Konsums könnten ein ganz neues Erlebnis der Freiheit bedeuten. Selbst wer kein Wirtschaftswissenschaftler ist, wird leicht einsehen, dass die kostenlose Versorgung aller mit Brot leicht vom Staat bezahlt werden könnte. Es könnten nicht nur alle minimalen Bedürfnisse nach Nahrung mit Brot, Milch, Gemüse und Obst befriedigt werden, sondern auch die minimalen Bedürfnisse an Kleidung, Transport und Wohnung" (aus: Psychologische Aspekte zur Frage eines garantierten Einkommens für alle).
Grundeinkommen: Die Idee
Ein Grundeinkommen ist ein Einkommen, das bedingungslos jedem Mitglied einer politischen Gemeinschaft gewährt wird, auch Kindern. Es soll
- für ein bescheidenes Leben ausreichen, ohne faktisch einen Arbeitszwang auszuüben,
- einen individuellen Rechtsanspruch darstellen,
- ohne Bedürftigkeitsprüfung ausgezahlt werden,
- keinen Zwang zur Arbeit bedeuten, aber Arbeit erlauben.
Es verhindert gesellschaftliche Ausgrenzung und baut Existenzängste ab. Es ermöglicht eine individuelle Lebensgestaltung auch jenseits klassischer Erwerbsarbeit.