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ED 04/14 Bürgerprotest: Beispiel Lübeck (S.18)

Fernwärme


Preispoker bei Fernwärmeverträgen

Während Energieverbraucher zunehmend sensibler auf Preiserhöhungen reagieren und die Arbeitspreise von Wärmelieferanten mit anderen Energieträgern vergleichen, haben Gerichte in den vergangenen Jahren immer wieder Preisänderungsklauseln kassiert. Wärmelieferanten versuchen nun verstärkt über den Grundpreis auf ihre Kosten zu kommen.
Von Leonora Holling

(29. November 2021) Den Bund der Energieverbraucher erreichen zunehmend Anfragen von Mitgliedern, denen ihr Versorger ein vermeintlich gutes Angebot macht. Ganz offensichtlich hat die Wärmebranche inzwischen erkannt, dass VerbraucherInnen steigende Preise bei der Wärmebelieferung kritisch beleuchten und nicht mehr bereit sind, ungerechtfertigt überteuerte Preise zu zahlen. Wenn Ihnen aber Ihr Wärmeversorger das Angebot modifizierter Fernwärmebezugsverträge mit niedrigeren Arbeitspreisen unterbreitet – oder Ihnen gar eine Änderungskündigung ausspricht, dann ist höchste Vorsicht vor einer Falle geboten.

117 Papierschnipsel: unzulässige Arbeitspreis-Preisänderungsklausel aus alten Tagen

Eine unzulässige Arbeitspreis-Preisänderungsklausel aus alten Tagen – für Verbraucher nicht zu durchschauen und an Preisfaktoren gekoppelt, die mit der tatsächlichen Wärmeversorgung nichts zu tun hat.

Preisänderungsklauseln

In der Vergangenheit waren die Preisänderungsklauseln für den Arbeitspreis pro Kilowattstunde (kWh) häufig leicht zu beanstanden. Entweder stellte die Preisänderungsklausel nicht auf den tatsächlich verwendeten Wärmeträger, sondern auf Faktoren mit höheren Preissteigerungen ab, war vollkommen unverständlich formuliert – oder im schlimmsten Fall sogar beides. Reihenweise kassierten Gerichte Preisänderungsklauseln aus den genannten Gründen. Klagen von Energieverbrauchern gegen Preissteigerungen hatten vor diesem Hintergrund überwiegend Aussicht auf Erfolg.

Grundpreis, die sichere Nummer

Die Wärmelieferungsbranche regiert nunmehr verstärkt auf mit dem Angebot neuer Verträge, die bezüglich der Preisgestaltung die Arbeitspreise senken, dafür Grundpreise in den Fokus nehmen und nicht selten um weitere Serviceentgelte oder Dienstleistungspreise erweitern. Der „Grundpreis“ ersetzt dabei nicht selten einen bisherigen „Leistungspreis“, einen „Investitionspreis“ oder ähnlichen Preisbezeichnungen. Wahrscheinlich versucht die Versorgerseite hier mit dem Begriff des Grundpreises eine möglichst wenig angreifbare Einnahmequelle zu etablieren. Der Vorteil des Begriffes Grundpreis ist nämlich, dass nicht überprüfbar ist, was diesen ausmacht. Auch die Frage, wie die Wärme tatsächlich erzeugt wird, spielt hier keine Rolle mehr. Anders als beim Arbeitspreis dürfte es bei einem Grundpreis auch zulässig sein, auf Faktoren mit hohen Teuerungsraten abzustellen. Gerne genommen sind hier beispielsweise die Tarifentgelte von Lokomotivführern. Selbst ein Wärmeversorger, der kostenfrei verfügbaren Abfall verbrennt, darf hier gute Einnahmesteigerungen über die kommenden Jahre erwarten.

Energiesparen zwecklos

Ein weiterer Vorteil für die Versorger besteht bei einer Preisverlagerung vom Arbeitspreis auf einen Grundpreis zudem darin, dass Energieverbraucher durch ihr Verbrauchsverhalten nur noch sehr begrenzt Einfluss auf die Höhe ihrer Jahresrechnung nehmen können. Selbst die Investition in eine bessere Wärmedämmung von Gebäuden berechtigt den „Allgemeinen Bedingungen für die Fernwärme“ (AVBFernwärmeV) zu Folge nicht zur Reduzierung der Anschlussleistung und damit des Grundpreises. Egal, wie sparsam Energieverbraucher sind, egal wie viel Hausbesitzer in die Energieeffizienz von Gebäuden investieren: Die Rechnung bleibt hoch und der Versorger hat eine sichere Einnahme. Dabei wird die maßgebliche Anschlussleistung meist allein durch das Fernwärmeunternehmen vorgegeben, ohne dass hier ein Verhandlungsspielraum eingeräumt wird. Die vorgegebene Anschlussleistung muss seitens des Versorgungsunternehmens nur dann reduziert werden, wenn nachweislich eine Eigenversorgung mit erneuerbaren Energieträgern erfolgt. Ansonsten verbleibt es, im schlimmsten Fall unabhängig vom tatsächlichen Bedarf, bei der vereinbarten Wärmeleistung.

Drum prüfe, wer sich bindet

Energieverbraucher sollten wissen, dass sie sich mit der Unterzeichnung einer Vertragsänderung oder eines neuen Wärmelieferungsvertrages mit Verlagerung von Kosten auf einen Grundpreis über die nächsten Jahre sicheren Preissteigerungen ausliefern. Hiergegen nach Unterzeichnung vorzugehen, dürfte sehr schwierig werden. Deshalb rät der Bund der Energieverbraucher dazu, sich vor der Unterzeichnung langjähriger Verträge stets rechtlich beraten zu lassen und sich nicht von vermeintlich günstigeren Preisen pro Kilowattstunde blenden zu lassen.

Netzausbau wider Willen?

Fernwärmenetzneubau

Netzausbau wider Willen?

Von Leonora Holling

(2. Dezember 2020) Verträge über die Nutzung von Grundstücken zum Zwecke der Verlegung von Fernwärmeleitungen unterliegen keinen spezialgesetzlichen Regelungen. Vielmehr muss zwischen dem ausbauenden Fernwärmeunternehmen und dem Eigentümer, über dessen Grundstück die Leitung gelegt werden soll, ein individueller Vertrag geschlossen werden. Vielerorts lässt sich jedoch beobachten, dass neue Wohnbauprojekte zunehmend durch einen zwingenden Anschluss an eine Fernwärmeversorgung gekennzeichnet sind und entsprechende Gestattungen eine Bedingung zum Erwerb des Eigenheims gehören.

117 Fernwärmenetz Fernwärmeleitungen / Foto: Srdjan / stock.adobe.com

Neue Wärmenetze werden hingegen zumeist über öffentlichen Grund verlegt, sodass die Möglichkeit zum Wärmenetzausbau mit der Zustimmung oder Ablehnung der örtlichen Kommune steht oder fällt. Bisher wurde angenommen, dass Kommunen als Grundstückseigentümer über eine marktbeherrschende Stellung aufgrund ihres gesetzlichen Wegemonopols verfügen. Daher wurde bisweilen die Auffassung vertreten, dass Fernwärmeunternehmen gegenüber Kommunen einen kartellrechtlichen Anspruch auf Abschluss eines solchen Gestattungsvertrages aus § 19 und § 33 GWB besitzen.

Dies hat das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) mit Urteil vom 26. März 2020 (Az. 2 U 82/19) relativiert. Das OLG kommt zu dem Schluss, dass die Kommunen nicht verpflichtet sind, Wegenutzungsrechte für Fernwärme anzubieten. Dies folge daraus, dass § 46 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) für Fernwärme nicht gelte. Nicht diskutiert hat das OLG, ob das Wegemonopol der Kommunen eine kartellrechtliche Verpflichtung nach sich zieht, eine Gestattungsmöglichkeit ausschreiben zu müssen. Dies dürfte jedoch in der Praxis scheitern, da wohl kaum mehrere Fernwärmeunternehmen an einem Standort in Wettbewerb treten wollen. Auch im Hinblick auf Artikel 14 Abs. 4 der EU-Energieeffizienz-Richtlinie, dass die Mitgliedsstaaten angemessene Maßnahmen zu ergreifen haben, um eine Infrastruktur für effiziente Fernwärme und Fernkälteversorgung aufzubauen, erscheint diese Auffassung des OLG kontraproduktiv.

Netze nicht marktbeherrschend

OLG Rostock und BGH beschäftigten sich mit dem sogenannten Ausbeutungsmissbrauch bei Fernwärme

Netze nicht marktbeherrschend

Von Leonora Holling

(23. November 2020) Das OLG Rostock hat am 5. März 2020 geurteilt, dass Fernwärmeunternehmen keine marktbeherrschende Stellung innehaben, da der Kunde sich stets zwischen Fernwärme und anderen Heizsystemen entscheiden kann (Az. 16 U 1/18). Zudem gebe es, so das Gericht, bei Fernwärme einen echten Preiswettbewerb auf dem Wärmemarkt. Denn durch attraktive Preise zur Gewinnung von Neukunden würden auch Bestandskunden an diesen Preisgestaltungen teilhaben. Die Beratungspraxis vom Bund der Energieverbraucher zeigt entgegen der Annahme der Richter jedoch, dass in vielen Fällen Wärmenetzbetreiber mit jedem Kunden individuelle Tarife abschließen und Bestandskunden nur selten von Preissenkungen oder gar Neukundentarifen profitieren.

Auch der Bundesgerichtshof hatte sich jüngst mit Fernwärmepreisen im Hinblick auf einen sogenannten Ausbeutungsmissbrauch zu beschäftigen (Az. KZR 110/18). Dazu verglich der Kartellsenat die Preise eines in Verdacht geratenen Fernwärmeversorgungsunternehmens mit den Preisen anderer Versorger. Dies beachtet jedoch nicht die vielfältigen Faktoren der Preisgestaltung. Hier geht es etwa um die Brennstoffe, Einbindung externer Wärmequellen und Verteilung der Wärme. Außerdem müssen sich die Fernwärmeversorger im Wettbewerb der Heizsysteme behaupten. Verbraucher sind daher gut beraten, sich vor Anschluss an ein Fernwärmenetz genau über die zu erwartenden Wärmekosten zu informieren und sich diese durch den Anbieter individuell bestätigen zu lassen.

Kraft und Fernwärme koppeln

Mit der eigenen Heizung selbst Strom und Wärme erzeugen oder als Fernwärmekunde auch die Wärme bequem ins Haus kommen lassen: Beides ermöglicht die Kraft-Wärme-Kopplung.

Kraft und Fernwärme koppeln

Mit der eigenen Heizung selbst Strom und Wärme erzeugen oder als Fernwärmekunde auch die Wärme bequem ins Haus kommen lassen: Beides ermöglicht die Kraft-Wärme-Kopplung. Darüber hinaus handelt es sich um eine wichtige Technik für die Energieversorgung der Zukunft. Die vielen Gesichter dieser Technik sollen hier mit ihren jeweiligen Stärken und Schwächen zur Sprache kommen. Der Gesetzgeber versagt beim Schutz von Fernwärmekunden.

(11. Dezember 2014) Die gekoppelte Erzeugung von Strom und Wärme ist wie die Solar- und Windenergie eine zentrale Technologie der Energiewende.  Sie kann Abwärme aus Kraftwerken und Industriebetrieben verwerten und kann darüber hinaus wegen ihrer Steuerbarkeit den notwendigen Ausgleich für den fluktuierenden Wind- und Sonnenstrom bilden.

117 Fernwärme Rohrleitungen

Sie lässt sich auch hervorragend kombinieren mit Sonnenkollektoren, Erdwärme und Biomasse als Energiequellen des postfossilen Zeitalters. Und sie kann Edelenergien wie Erdgas oder Wasserstoff  optimal nutzen, indem Strom und auch Wärme erzeugt und genutzt werden. Durch die geschickte Abwärmenutzung lässt sich nämlich Energie und Geld sparen. Schließlich ist die KWK ein gewaltiger Hebel, um Dinge in Gang zu bringen:

  • Die gekoppelte Erzeugung lässt sich großtechnisch als Fernwärme nutzen, aber auch in kleinen Einheiten als Blockheizkraftwerk oder stromerzeugende Heizungen für einzelne Häuser, mit Erzeugungsleistungen zwischen einem und hunderttausend Kilowatt. Damit können Verbraucher ihre Strom- und Wärmeversorgung in die eigene Hand nehmen, sie gemeinschaftlich organisieren oder von einem Unternehmen betreiben lassen.
  • Deutlich billiger und sparsamer wird die gekoppelte Erzeugung durch gemeinsames Handeln: Fern- bzw. Nahwärme lohnt sich umso mehr, je mehr Verbraucher angeschlossen werden. Aber wie werden diese Einsparungen zwischen Erzeuger und Verbraucher aufgeteilt?
  • Die Wärmespeicherung ist ein wichtiger Baustein jeder Kraft-Wärme-Kopplung: Denn sie erlaubt die Stromerzeugung genau dann, wenn Strom gebraucht wird. Die anfallende Wärme geht in einen einfachen Wasserspeicher und steht dort abrufbereit zur Verfügung. Dieser Wärmespeicher lässt sich ideal nutzen für Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien entweder zur Speicherung über Tage, Wochen oder gar Monate. Die Speicherung von Wärme ist zudem deutlich kostengünstiger als die Speicherung von Strom.

 Diese gewaltigen Vorteile sind allerdings mit Schwächen und Nachteilen gepaart:

  • Wirtschaftlicher Macht und dem Monopol von Fernwärmeanbietern stehen die Verbraucher oftmals ohnmächtig gegenüber, weil sie vom Gesetz kaum geschützt werden, wenn sie nicht selbst das Zepter mittels Gründung einer eigenen Energiegenossenschaft in die Hand genommen haben.
  • Der Transport von Wärme ist vergleichsweise aufwändig, verlustreich und teuer.
  • Es ist schwierig, Menschen zu gemeinsamen Handeln – zum Beispiel in einer Bürgergenossenschaft – zu überzeugen.
  • Die rechtlichen Bedingungen für Nahwärmeverbünde sind komplex und anspruchsvoll.
  • Verbraucher werden in vielen Regionen zum Anschluss an die Fernwärme gezwungen, ohne dass sie gleichzeitig vor überhöhten Preisen im Vergleich zu anderen Heizsystemen geschützt werden.
  • In vielen Fällen ist die Kraft-Wärme-Kopplung gerade in Gebieten mit einer dünnen oder lückenhaften Bebauung nicht die beste Lösung, weil die zusätzlichen Verluste in Leitungen und Speichern die Effizienzgewinne überwiegen.
Wärmeverbund als öffentliche Infrastruktur

Die Energiewende kann nur erfolgreich sein mit einem deutlichen Ausbau der Stromerzeugung aus KWK. Darüber hinaus ist solar unterstützte Fernwärme unverzichtbar, um den Transformationsprozess im Wärmesektor hin zu erneuerbaren Energien zu schaffen. Beides ist jedoch nur zu erreichen, durch intensiven Ausbau von Fern- und Nahwärme. Eine unabdingbare Voraussetzung dabei ist jedoch deutlich mehr Verbraucherschutz für Fern- und Nahwärmekunden.

Ein Wärmeverbund, offen für Einspeisung und Entnahme, kann als öffentliche Infrastruktur betrachtet werden, ähnlich wie das Schienennetz oder die Autobahn. Er dürfte oft so vorteilhaft für alle Beteiligten sein, dass er so wenig als Monopol wahrgenommen wird, wie etwa das Stromnetz. Positive Beispiele dafür gibt es viele. Aber es gibt auch negative Beispiele von meist kleinen Netzen, schlecht geplant und gebaut, in denen die Verbraucher überhöhte Preise zahlen müssen, ohne sich wirksam wehren zu können – da hilft nur wegziehen, verkaufen oder abreißen, solange der Gesetzgeber die Betroffenen im Regen stehen lässt.

In einer Welt mit Passivhäusern, die mit 20 Prozent des gegenwärtigen Verbrauchs auskommen, können Wärmenetze, wenn überhaupt, nur dann sinnvoll sein, wenn die Rohre besonders gut gedämmt, kostengünstig verlegt und von Wasser mit geringer Temperatur durchströmt werden.

Für Verbraucher sind bei der Kraft-Wärme-Kopplung folgende Fragen von Bedeutung:

  • Wie kann ich gemeinsam mit anderen Verbrauchern Wärme und Strom herstellen und nutzen, sei es direkt im Gebäude oder gemeinsam in der Nachbarschaft?
  • Wie kann ich mit meiner Heizung Strom erzeugen?
  • Wie kann ich meine Haut retten, wenn ich mit überhöhten Fernwärmepreisen konfrontiert bin?
Die politische Diskussion

Das verkündete Ziel der Bundesregierung ist der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung von derzeit 16,2 Prozent auf 25 Prozent Marktanteil bei der Stromerzeugung bis zum Jahr 2020. Dieses Ziel wird mit der gegenwärtigen Politik allerdings deutlich verfehlt, da die KWK derzeit stagniert. Ein politischer Wille der Regierungsverantwortlichen, dies zu ändern, ist derzeit nicht zu erkennen.

Die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung durch das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) steht derzeit zur politischen Überprüfung. Es ist zu hoffen, dass die schlimmsten derzeitigen Ungereimtheiten beseitigt werden: Es gibt einen Investitionszuschuss nach dem Mini-KWK-Impulsprogramm für BHKW bis 20 kWel. Diese Zuschüsse gibt es jedoch nicht, wenn Fernwärme gleich welcher Art vorhanden ist. Die Förderung nach dem KWK-Gesetz wird zudem komplett versagt, wenn die örtliche Fernwärme einen KWK-Anteil von über 60 Prozent hat.

Neu in die politische Diskussion gehört ein gesetzlich verankerter Verbraucherschutz in der Fernwärmversorgung. Der Bund der Energieverbraucher e. V. fordert eine neutrale Schlichtungsinstanz, eine Clearingstelle Fernwärme, die unabhängig Fernwärmepreise prüfen, Einsicht in die Bücher nehmen und Schlichtungsempfehlungen abgeben darf. Er fordert eine Veröffentlichungspflicht für Fernwärmetarife. Er fordert, dass nach Wärmedämmung die Anschlussleistung angepasst werden muss. Und der Verbraucher muss das Recht bekommen, den mitunter vorhandenen Fernwärmevorbehalt im Grundbuch entfernen zu lassen, damit er nicht zur Fernwärmeabnahme verpflichtet ist.

Beim Contracting schützt ein neuer Paragraph im BGB  (§ 556c) mit Verordnung die Verbraucher, ähnlich wie § 29 GWB  den Kartellbehörden eine Preiskontrolle bei Strom und Gas erlaubt. Eine solche Regelung fordert der Verein auch zum Schutz von Fernwärmekunden. Fernwärmepreise dürfen nicht über den Vollkosten anderer Heizsysteme liegen. Solange diese Regelung fehlt, sind Fernwärmkunden den Preisen der Anbieter in einer Monopolsituation schutzlos ausgeliefert. Zumindest Preise, die mehr als 30 Prozent über dem Durchschnittspreis aller Fernwärmeversorger liegen, müssen als stark überhöht und auf jeden Fall als unzulässig betrachtet werden. 

Solche überhöhten Preise  widersprechen elementaren Menschenrechten und werden vom Bund der Energieverbraucher e. V. künftig nicht mehr hingenommen. Betroffene sollten mit dem Verein Kontakt aufnehmen.

Stiefkind des Verbraucherschutzes

Die Politik lässt die Energiewirtschaft auf allen Ebenen gewähren.

Stiefkind des Verbraucherschutzes

In großen Städten wohnen 70 Prozent aller Verbraucher zur Miete. Zwischen Versorgungsunternehmen und Vermieter sind ihre Handlungsmöglichkeiten gering. Besonders betroffen sind häufig Mieter in fernwärmebeheizten Wohnungen. Die Politik lässt die Energiewirtschaft auf allen Ebenen gewähren. Es ist an der Zeit, dass mit mehr Verantwortung für den Klimaschutz auch wieder politische Steuerungsinstrumente genutzt werden.
Von Gunhild Duske, Lübeck

(24. April 2007) - Zu den kommunalen Klimaschutzmaßnahmen gehört besonders in Ballungsgebieten die Förderung der Fernwärme. Um viele emissionsreiche Einzelfeuerungsanlagen wirtschaftlich zu ersetzen, ist eine hohe Anschlussdichte erforderlich. So lassen sich 20 bis 30 Prozent der durch Heizen verursachten Emissionen einsparen.

Glückliches Flensburg

Die günstigsten Fernwärmepreise bei einer Anschlussdichte von über 90 Prozent hat Flensburg. Bereits 1969 begann man dort mit dem Ausbau des Versorgungsnetzes. Das stadteigene Kraftwerk wurde 1971 zum Heizkraftwerk mit 170 Megawatt elektrischer und 800 Megawatt thermischer Leistung umgebaut. Vier Reserveheizwerke garantieren die Versorgungssicherheit. Unmengen von CO2-, Staub- und anderen Emissionen sind während mehr als 30 Jahren vermieden worden. Dieser Erfolg für den Klimaschutz ist einer vorausschauenden Planung und einer vernünftigen, maßvollen Preispolitik zu verdanken.

117 Flensburg

Glückliches Flensburg: Günstige Fernwärmepreise und hohe Anschlussdichte.

Fernwärme förderungswürdig

Damit sich umweltfreundliche Fernwärme durchsetzen kann, muss sie kostengünstig sein. Die Besteuerung von Heizkosten sollte sich an deren Umweltverträglichkeit orientieren. Fernwärme verdient daher einen reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Für eine geringere Besteuerung spricht Folgendes:

  • Raumwärme ist Teil der Daseinsvorsorge.
  • Wärmelieferung ist eine Dienstleistung.
  • Wärmelieferungen sind fast ausschließlich regionale Monopole.

Aber:

  • Es ist keine Preisregulierung durch Wettbewerb verschiedener Anbieter möglich.
  • Es gibt bislang keine Preisaufsicht für Fern-/Nahwärme. Nicht einmal die Landeskartellbehörden kümmern sich um Fernwärmepreise, obwohl dies zu ihrem gesetzlichen Auftrag gehört.

Die zu beheizenden Gebäude sollten einen guten Dämmstandard haben (+/- 150 kWh/m2) oder aber vor dem Anschluss an Fernwärme nachgedämmt werden. Denn diese Heizform ist je Kilowattstunde teurer als Öl oder Gas. Schlechte Dämmung ist deshalb ein unbezahlbarer Luxus. Ein kommunaler Anschluss- und Benutzungszwang ist durch örtliche Satzung nur für Neubaugebiete zulässig.

Öffentliche Preiskontrolle unabdingbar

Für die Fernwärme muss eine langfristige Preisbindung und -kontrolle sichergestellt werden (Negatives Beispiel: Böblingen). Die Preisbildung sollte transparent sein und öffentlich kontrolliert werden. Die Preisänderungsklauseln müssen den neuesten gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Die Verbrauchsabrechnungen sollten für die Mieter übersichtlich und nachvollziehbar gestaltet sein. Bei extrem hohen Heizkosten müssen die Stadtwerke eine "Plausibilitätsprüfung" vornehmen. Der Vermieter muss durch den Abrechnungsservice feststellen lassen, ob Ablesefehler vorliegen. Eine Energieberatung hilft dabei, das Verbrauchsverhalten der Betroffenen zu optimieren. Bei ungünstiger Lage der Wohnung im Gebäude sollte in bestimmten Wohnungen die Grundmiete gesenkt werden (Grafik).

Fernwärme im sanierungsbedürftigen Wohnungsbestand

Der Wohnungsbestand in Städten mit großen Kriegsschäden und/oder hoher Flüchtlingszuwanderung nach 1945 (z. B. Lübeck) hat schlechte bis miserable Wärmedämmung, also hohe Verbräuche (bis zu 290 kWh/m2) bei der Raumheizung. Meist gehören diese Miethäuser/Siedlungen großen Wohnungsbaugesellschaften, neuerdings zunehmend auch "Heuschrecken". Diese sind bekanntermaßen nicht an energiesparenden Investitionen - sondern an der nackten Rendite interessiert.

Mieter können keine baulichen Veränderungen vornehmen. Die Risiken einer Innendämmung (Holzverschalung, Thermotapeten etc.) sind noch nicht lange und vor allem nicht allgemein bekannt: Bauschäden und Schimmelbefall mit erheblichen gesundheitlichen Folgen! Mieter können praktisch nur durch rationales Heizen und kontrolliertes Lüften ihre Wärme-Verbräuche mindern. Das aber auch nur in den engen Grenzen, die durch die bauliche Substanz und die Lage der Wohnung im Gebäude gezogen sind. Wessen Wohnung im Erdgeschoss über einer ungedämmten Kellerdecke, im Dachgeschoss unter einem ungedämmten Bodenraum oder an der Nordost-Seite des Gebäudes liegt, der wundert sich, wenn er bei gleicher Größe der Wohnung doppelte oder dreifache Heizkosten hat wie ein anderer Mieter etwa im ersten oder zweiten Stock in einer innenliegenden Wohnung im gleichen Haus (Grafik).

117_Die Lage im Gebäude beeinflusst den Energieverbrauch 

Je nach Lage einer Wohnung im Gebäude ist der Heizenergieverbrauch unterschiedlich.

Die hohen Kosten können sie nicht senken, egal was sie tun. Denn durch den Umlageschlüssel ("Grundkosten": Verbrauchskosten) der Kosten für die gesamte Liegenschaft im Verhältnis von 50:50, seltener 40:60 oder 30:70 wird ein großer Teil der Heizkosten nach Quadratmetern umgelegt und nur die verbleibenden 50/ 60/70 Prozent nach den Verbrauchseinheiten. Durch vernünftiges Heizverhalten können Mieter nur zwölf Prozent bis maximal 20 Prozent der Kosten beeinflussen (vgl. Adolf Krohn).

Contracting

Nicht zu verwechseln mit dem sinnvollen Einspar-Contracting ist das Anlagen-Contracting oder Betriebsführungs-Contracting auf dem Wärmemarkt. Das ist vor allem ein einträgliches und dauerhaftes Geschäft. Der Versorger (Contractor) sichert sich oft sogar per Grundbucheintrag dauerhaft seine Rechte. Mit Geschick gelang es den Stadtwerken Lübeck, von den großen Wohnungsunternehmen per Contracting die Beheizung der Wohnblocks übertragen zu bekommen. Die längst abgeschriebenen, zum Teil rettungslos veralteten Heizzentralen wurden "outgesourced". Erneuerung und/oder Umrüstung übernahmen die Stadtwerke.

Eine "win-win"-Situation? So scheint es! Natürlich gibt es auch dabei Verlierer, nämlich die Mieter, die zum Beispiel in Lübeck innerhalb von zwei Jahren 100 bis 200 Prozent höhere Heizkosten hatten ("Lübecker Fernwärmeschock 2002!"). Doch so paradox es klingt: Auch an dieser Stelle war das Klima der größte Verlierer. Die Fernwärmeversorgung wurde für die Verbraucher unattraktiv. Viele Mieter glaubten, "… die Fernwärme ist schuld an der Kostenexplosion!" Tatsächlich war es die Preispolitik der Stadtwerke nach deren Privatisierung im Jahr 2000.

Der Weg zum gerechten Preis

Die "Preisfrage" lautet: Wie kommt man zu einer gerechten Preis-Bildung? Welche Modelle einer Staffelung des Fernwärmepreises sind sozial gerecht? Könnte ein Wärme-Pass, der bei jeder Neuvermietung einer Wohnung dem Mietvertrag beizufügen wäre, das Problem lösen? Das setzt allerdings voraus, dass die Mieter die begrenzten Einspar-Potenziale kennen und auch nutzen können. Zudem ist erforderlich, dass sie ihre Rechte als Verbraucher kennen und auch den Mut haben, sie zu nutzen, dass sie gegen undurchschaubare Abrechnungen und intransparente Preisbestimmungen Widerspruch einlegen. Das geschieht zum Beispiel indem sie sich Hilfe und Unterstützung beim Bund der Energieverbraucher oder bei den örtlichen Verbraucherzentralen holen, dass sie sich mit Nachbarn zusammentun und ihre Rechnungen vergleichen, dass sie Nachbarn, Kollegen und Freunde informieren und ihnen Mut machen, es ihnen gleich zu tun.

Zusammenfassung
  • Fernwärme/Nahwärme aus hoch effizienten Erzeugungsanlagen (Kraft-Wärme-Kopplung) dient dem Klimaschutz.
  • Dicht besiedelte Wohngebiete ermöglichen eine hohe Anschlussdichte. Das macht die Fernwärme für den Versorger und damit auch für den Kunden wirtschaftlich. Vorbedingung sind gut gedämmte Gebäude.
  • Maßvolle, transparente Preispolitik erhöht die Akzeptanz der Kunden und ermöglicht eine hohe Anschlussdichte.
  • MieterInnen brauchen eine intensive Energieberatung, um ihr Heiz-Verhalten zu optimieren und die Kosten zu minimieren. Sie brauchen mehr Beratung über ihre Rechte als Verbraucher gegenüber Versorgern und Vermietern und Unterstützung dabei, diese Rechte auch mutig durchzusetzen.

letzte Änderung: 29.11.2021