Die Ratgeber für neue Heizungen in Einfamilienhäusern sind zahlreich, ebenso die Beratungsangebote. Doch wie sieht es mit der Klimaneutralität in Mehrfamilienhäusern (MFH) aus? Diese Blackbox wollen wir hier ausleuchten.

Mehrfamilienhäuser CO2-neutral beheizen

Die Ratgeber für neue Heizungen in Einfamilienhäusern sind zahlreich, ebenso die Beratungsangebote. Doch wie sieht es mit der Klimaneutralität in Mehrfamilienhäusern (MFH) aus? Diese Blackbox wollen wir hier ausleuchten.
Von Aribert Peters

(31. Mai 2025) Wie stellt sich die Heizungssituation in MFH dar? Dazu gibt es eine aktuelle Veröffentlichung, die auf Daten von über 100.000 Mehrfamilienhäusern von der Abrechnungsfirma Techem basiert (Energiewirtschaftliche Tagesfragen, Heft 12, 2024, S. 27 – 30). Die Energiepreiserhöhungen haben 2022 und 2023 zu Energieeinsparungen in Höhe von 9,3 % im Vergleich zu 2021 geführt. Die Energiepreise sind in diesem Zeitraum um 70 % gestiegen, die Verbrauchskosten um 32 %. Die MFH sind auf gutem energetischem Stand, so die Auswertung. Sie entsprechen dem Niveau der Wärmeschutzverordnung 1995. Der tatsächliche Verbrauch ist hier deutlich geringer als der errechnete. Die Wirksamkeit von Dämmmaßnahmen wird deshalb systematisch überschätzt.

Die CO2-Emissionen von Wohngebäuden müssen gemäß den Klimaschutzzielen bis 2030 um 30 % vermindert werden. Sie liegen derzeit  bei 3 Tonnen CO2 und sollten also bis 2030 um 0,64 Tonnen CO2 abnehmen. Gebäude mit Wärmepumpe liegen bereits heute 10 % unter dem Ziel.

 ED 01/2025 Mehrfamilienhäuser CO2-neutral beheizen (S.22/23)    

Die Wärmepumpe heizt die Luft im Raum und ist zugleich eine Klimaanlage, die im Sommer kühlt – auch sehr nützlich bei künftigen Hitzewellen.

Der Abschied von fossilen Brennstoffen ist mit einem Mix von Maßnahmen erreichbar, mit denen sogar die vollständige Dekarbonisierung bis 2045 möglich ist:

  • Allein durch einen verbesserten und kontrollierten Betrieb der Heizungen lassen sich 15 % Energieeinsparungen erreichen,
  • durch energiesparendes Lüften und Heizen weitere 5 %. 
  • Fast 50 % lassen sich durch Wärmepumpen im hybriden Betrieb erreichen
  • sowie durch dezentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung.
  • Weitere Potenziale bieten klimaneutrale Fernwärme und die Dekarbonisierung der Stromversorgung.

Die Techem-Auswertungen zeigen, dass wegen der großen Leistungsreserven der vorhandenen Heizkörper bereits heute 50 % der Gebäude für Wärmepumpen  geeignet sind. Bei weiteren 40 % genügt ein Heizkörpertausch auf größere Typen.

Eine Auswertung der vorhandenen Wärmepumpen zeigt Erstaunliches: Sie arbeiten oft extrem ineffizient. Die Jahresarbeitszahlen schwanken zwischen 1,5 und 5. Viel Energie wird verschwendet durch eine falsche Einstellung der Wärmepumpen. Im Mittel lassen sich hier 30 % Energie einsparen, bei einem Viertel der Anlagen sogar 50 %.

Handlungsempfehlungen und gute Beispiele

Bei der Umstellung von MFH sind die Möglichkeiten noch vielfältiger und die Lösungen komplexer als bei Ein- und Zweifamilienhäusern. Deshalb können hier nur ganz allgemeine Empfehlungen gegeben werden. Eine gute Zusammenstellung von Grundlagen, Möglichkeiten, erfolgreichen Beispielen und Checklisten wurde von der Dena zusammen mit dem Fraunhofer-Institut und dem Bundesverband Wärmepumpen erarbeitet („Praxisleitfaden für Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern“). Die folgenden Beispiele zeigen, wie erfolgreiche Sanierungen aussehen können:

 ED 01/2025 Mehrfamilienhäuser CO2-neutral beheizen (S.22/23)  

Beispiel 1: Heizung mit Klimaanlagen im Geschosswohnungsbau

Auch Klimaanlagen enthalten eine Wärmepumpe, mit der sie im Winter heizen können. Erwärmt wird dabei nicht das Heizungswasser, sondern die Luft in der Wohnung. Die Systeme sind deutlich günstiger als die üblichen sogenannten Luft-Wasser-Wärmepumpen. Mitsubishi, ein führender Klimaanlagenhersteller, und die Wohnungsgesellschaft LEG haben sich deshalb 2023 in Ratingen zusammengetan, um Erfahrungen zu sammeln. Für die Sanierung wurden Wohnungen mit Etagenheizungen ausgewählt. Denn dort mussten keine neuen Leitungen durchs Haus gezogen werden und die Umrüstung war in zwei Tagen erledigt.

Die Geräte (MXZ-Serie, Anschlussleistung 1,8 bis 2,8 kW, Heizleistung 6,4 bis 10,5 kW) wurden über den Türen montiert. Drei bis vier Innengeräte werden durch ein Außengerät versorgt (Multi-Split). Die Außengeräte brachte man in Erdgeschosshöhe an. Bäder wurden mit Infrarotheizungen bestückt wegen der Luftfeuchtigkeit. Die Warmwasserbereitung erfolgt dezentral mit Durchlauferhitzern oder 80-Liter-Elektroboilern. Die Mieter sind überwiegend sehr zufrieden, auch weil die Umrüstung warmmietenneutral erfolgte.

Im Sommer muss das Kondensatwasser des Kühlbetriebs abgeleitet werden. Innerhalb des ersten halben Jahres 2024 wurden 400 Wohnungen umgerüstet. Für 2025 hat man sich 1.000 Wohnungen vorgenommen. Problematisch war es, geeignete Handwerker zu bekommen, die auch als Klimatechniker zugelassen sind. Die Kosten lagen je Wohnung bei 10.000 bis 12.000 Euro einschließlich Warmwasser, Infrarot und Montage. Übliche Wärmepumpen wären rund doppelt so teuer gewesen. Die Wohnungen hatten meist einen schlechten Dämmstandard (F) und verbesserten sich durch die Sanierung auf Level B. 

Beispiel 2: Sanierung im Fließband--Verfahren

Ein zweites Beispiel verdeutlicht die Bandbreite der Möglichkeiten. In Köln-Zollstock wurde ein schlecht gedämmtes 16-Parteien-Mietshaus mit einer industriell vorgefertigten Wärmedämmfassade auf einen hohen Dämmstandard  (22 kWh/qm) gebracht – das sogenannte Energiesprong-Verfahren. Die Bewohner mussten während der Sanierung nicht ausziehen. Die Fassaden haben dezentrale Lüftungen mit Wärmerückgewinnung. Das Wasser wird mit Durchlauferhitzern in den Wohnungen erwärmt. Die Heizkörper wurden getauscht und mit Ventilatoren versehen. Sie werden nur noch höchstens 45 Grad warm. Eine PV-Anlage ergänzt den Strom für die beiden in Kaskade geschalteten zentralen Wärmepumpen. Der Energieverbrauch reduzierte sich von 200 auf -10 kWh/qm, das Gebäude erzeugt mehr Energie, als es verbraucht. Das Vorhaben wurde annähernd warmmietenneutral umgesetzt, das heißt, die Kaltmieten erhöhten sich um den Betrag, um den sich die Heizkosten verminderten. 

Beispiel 3: Genossenschaftliche Anergienetze in Bremen

Die Bremer Genossenschaft ErdwärmeDich Anergienetze eG setzt auf ein innovatives Modell für die Wärmewende: kostengünstige, skalierbare Geothermie-Netze, die Straßen zu Energiequellen machen. Das System basiert auf drei Elementen:

  1. Bohrungen bis 300 Meter Tiefe unter Bürgersteigen,
  2. Ringleitungen aus robusten PE-Rohren knapp unter der Oberfläche mit 15 Grad warmem Wasser,
  3. dezentrale Wärmepumpen in den Mehrfamilienhäusern der Straße, die bis zu 70 Grad Vorlauftemperatur erzeugen.

Durch die modulare Bauweise entstehen Netze schnell und preiswert – ohne teure Fernleitungen. Die Zirkulation läuft über die Wärmepumpen selbst, ohne teure Pumpstationen. Das Konzept könnte vor allem im urbanen Raum Schule machen: geringe Eingriffe, niedrige Investitionskosten und Teilhabe aller Anwohner. Die ersten Probebohrungen starteten im Februar 2025.

Fazit

Die Sanierung von Mehrfamilienhäusern stellt gewaltige Anforderungen. Es lohnt sich, auch ungewöhnliche Konzepte in die Betrachtung einzubeziehen.

Fossilfrei Heizen: Nicht ohne Erdwärme denkbar

Eine Wärmewende ohne Geothermie ist nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht möglich. Die oberflächennahe Geothermie sowie die Tiefe Geothermie können laut einer Studie mithilfe bewährter Technik zukünftig bis zu 42 % des Energiebedarfs für die Bereiche Raumwärme und Warmwasser abdecken. Doch wenn Kommunen oder Personen mit Hauseigentum an dieser beständigen Wärmequelle aus der Erde interessiert sind – wo erhalten sie Erstinformationen zu den Nutzungspotenzialen und zum Einstieg in die Geothermie? Forschende der Georg-August-Universität Göttingen (UGOE) entwickeln mit ihren Forschungspartnern und den Geologischen Diensten Deutschlands eine bundesweite Lösung: Im frei zugänglichen Geothermischen Informationssystem GeotIS stellen sie mögliche geothermische Ressourcen dar und zeigen mit Überblickskarten nach Ampelsystem auf, wo Erdwärmesonden zum Heizen und Kühlen von Gebäuden eingebaut werden können. Dadurch kann jedermann mit einem Mausklick erfahren, wie warm die Erde unter seinen Füßen in 100, 200  oder 1.000 Metern Tiefe ist. Das Ergebnis ist überraschend. Die Erde hat zum Beispiel in Hofheim im Taunus in 400 Metern Tiefe eine Temperatur von geschätzt 31 Grad. 

letzte Änderung: 27.06.2013