1964

Die Party ist vorbei!

"Das Ende der Ölvorräte und die Zukunft der industrialisierten Welt" nennt Richard Heinberg sein aufrüttelndes Buch. Die Energie-Depesche zitiert als Denkanstoss die Zusammenfassung des dritten Buchkapitels "Nachspiel: Den letzten beißen die Hunde."

(21. September 2007) - ...Wir haben ein äußerst beunruhigendes Bild gezeichnet. Es zeigt das neue Jahrhundert als eine Zeit voller Hunger, Krankheit, wirtschaftlichem Zusammenbruch, Despotismus und Krieg um Ressourcen. Der Leser wird sich fragen: Übertreibt dieser Autor nicht ganz bewusst die vor uns liegenden Gefahren, um seine Ansichten ganz klar zu machen? Oder ist er einfach eine pessimistische und depressive Person, die ihre eigenen Neurosen auf die Welt projiziert?

Zukunftsbild zutiefst beunruhigend

Nichts in diesem Kapitel wurde absichtlich so geschrieben, dass es alarmieren oder deprimieren sollte. Die Zukunftsprojektionen stellen keine möglichen, aber unwahrscheinlichen Katastrophen dar - wie ein Asteroid, der morgen auf die Erde trifft -, sondern die wahrscheinlichen Ergebnisse bereits heute existierender Trends. Und ich möchte betonen, dass ich bei allen Frustrationen und Enttäuschungen, die auch mein Privatleben aufzuweisen hat, doch ein von Natur aus ziemlich fröhlicher und optimistischer Mensch bin. Wie jeder andere auch, finde ich das von mir entwickelte Zukunftsbild zutiefst beunruhigend. Aber jeder, den ich getroffen habe und der etwas von Bevölkerungs- und Ressourcenproblemen versteht, kommt im Wesentlichen zu den gleichen Schlussfolgerungen und hat sich mit denselben Gefühlsreaktionen auseinander zu setzen, die im Allgemeinen die ganze Skala von Schock, über Verleugnung, Verzweiflung, Wut bis zu einer schließlichen Zustimmung durchlaufen und mit dem Entschluss enden, alles zu tun, um vielleicht doch noch das Allerschlimmste zu verhindern.

Versagen der Stromversorgung markiert das Ende

Richard Duncan vom "Institute on Energy and Man" gelangte im Wesentlichen zu den gleichen Schlüssen, als er Weltenergieverbrauch und Bevölkerungsdaten hinsichtlich Überentwicklung und Kollaps miteinander in Beziehung setzte. Seine daraus entstandene "Olduvai-Theorie" sagt voraus, dass das Leben der industriellen Zivilisation nur ein schrecklich kurzes Intervall von nicht einmal 100 Jahren (von 1930 bis 2030) sein wird, dessen Höhepunkt mit dem Maximum des globalen Pro-Kopf-Energieverbrauchs zusammenfällt, der im Jahre 1979 stattfand. Er nannte seine Theorie nach der Olduvai-Schlucht in Tansania, die im öffentlichen Bewusstsein mit dem Ursprung des Menschen und dem Steinzeitleben assoziiert wird.

Duncan glaubt, dass die Menschheit nach dem Ende der fossilen Brennstoffe und des Industrialismus zu einer steinzeitähnlichen Existenz zurückkehren wird. Ich stimme mit Duncan nicht überein, dass dies das unabänderliche Ergebnis der Energiewende sein wird, da bereits viele Zivilisationen existierten, bevor fossile Brennstoffe in Gebrauch kamen. Die industrielle Zivilisation entwickelt sich nicht, schreibt Duncan. Vielmehr verbraucht sie sehr schnell die notwendigen physikalischen Voraussetzungen ihrer eigenen Existenz. Sie ist kurzlebig und nicht nachhaltig. Nachdem er über ein Jahrzehnt an seiner Theorie gearbeitet hat, ist Duncan heute der Ansicht, dass die Elektrizität die Quintessenz der industriellen Zivilisation sei und dass es das Versagen der allgemeinen Stromversorgung und nicht der Höhepunkt der globalen Ölförderung sein wird, die das Ende des Industrialismus auslösen wird.

Cover The Party\'s over von Richard Heinberg

Richard Heinberg: The Party's Over. Das Ende der Ölvorräte und die Zukunft der industrialisierten Welt (Riemann-Verlag München, 2004, ISBN 3-570-50059-4, 21 Euro), Englische Originalausgabe: Party's Over: Oil, War and the Fate of Industrial Societies

Weitere Informationen und Links zum The, ma unter : www.richardheinberg.com und unseren Seiten 337 oder http://de.wikipedia.org/wiki/Peakoil mit vielen weiteren links.

Emotionale Reaktion

Was aber war Duncans emotionale Reaktion auf seine eigene Theorie? Darüber schreibt er:

Damals im Jahre 1989 war ich tief deprimiert, als mir klar wurde, dass unsere größten wissenschaftlichen Erkenntnisse bald vergessen sein werden und unsere am meisten geschätzten Monumente zu Staub zerfallen werden. Außerdem wusste ich, dass meine eigenen Kinder den Druck verspüren und wahrscheinlich darunter leiden werden. Das tat wirklich weh. Mit der Zeit begann sich aber meine Sicht zu ändern. Jetzt gehe ich mit der Olduvai-Theorie wie mit jeder anderen wissenschaftlichen Theorie um. Da ist nichts Persönliches mehr. Jedes Jahr sammle ich die Daten (...) und sehe, wie sich die Theorie entfaltet.

Falsche Hoffnungen

Aber warum sollte jemand überhaupt auf die düsteren Voraussagen eines Analytikers, der den Zusammenhang zwischen Bevölkerungszahl und Ressourcen nüchtern betrachtet, Acht geben, wenn es doch so viele angenehmere Zukunftsbilder von Wirtschaftlern, Politikern und Kirchenführern gibt? So wie die menschliche Natur nun einmal ist, gehe ich realistischerweise davon aus, dass die überwiegende Mehrzahl der Menschen glückliche Illusionen der nackten Wahrheit vorziehen wird, egal wie zwingend die Argumente in diesem Buch oder irgendeinem anderen Buch über Energievorkommen auch sein mögen. Aber diese Tatsache bleibt bestehen: Solange wir falschen Hoffnungen nachjagen, graben wir das Loch nur noch tiefer, in dem wir bereits stecken.

Das Beste draus machen

Wenn die Optimisten das Glas für halb voll halten und glauben, dass alles gut sei und noch besser werde, könnten sie daraus den Schluss ziehen, dass man sich nicht über die Zukunft Sorgen machen sollte, worauf sie dann das notwendige Handeln versäumen. Wenn andererseits die Pessimisten das Glas für halb leer halten und glauben, dass es mit der Welt bergab gehe und sie jeden Tag schlechter werde, könnten sie den Schluss ziehen, dass man eh nichts tun könne, und deshalb ebenfalls das notwendige Handeln versäumen. Es sind die Realisten, die zwar sehen, dass die Gesellschaft unheilvollen und wachsenden Bedrohungen ausgesetzt ist, gleichzeitig aber erkennen, dass man viel tun kann, um die schlimmsten der zu erwartenden Auswirkungen abzumildern und die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um das Beste aus der Situation zu machen.

Zurück auf niedrigere Stufe

(...) Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem der globale gesellschaftliche Zusammenbruch - das heißt ein Zurückgeworfenwerden auf eine niedrigere Komplexitätsstufe - in den nächsten Jahrzehnten wahrscheinlich und vielleicht sogar unvermeidlich geworden ist. Wenn die Menschen einmal diese kommende Periode zurückgehender Komplexität durchlaufen haben wird, ist es durchaus möglich, dass unsere Nachkommen einen durch geringeren Verbrauch geprägten, erfüllenden Lebensstil erreichen werden. Aber der Prozess, von hier dorthin zu gelangen, wird wahrscheinlich äußerst schwierig sein, und ob wir dann dessen Ergebnis mögen werden, hängt zum großen Teil von unseren heutigen Aktionen ab.

Weiterfeiern oder aufräumen?

(...) Die meisten von uns - zumindest die meisten, die in Industrieländern aufgewachsen sind - lebten frei von Hunger, mit heißem und kaltem fließendem Wasser, mit Maschinen, die immer zur Hand waren, um uns schnell und bequem von einem Ort zum andern zu befördern, und mit anderen Maschinen, die unsere Kleider reinigten, uns unterhielten, informierten und so weiter und so weiter.

Es war wirklich eine prima Party. Aber von denen, die viel bekommen haben, sollte man auch eine Menge erwarten. Wenn wir begriffen haben, worum es geht, müssen wir eine Entscheidung treffen: Sollten wir vergeblich versuchen, das Fest bis zum bitteren Ende weiterzufeiern und dabei die ganze übrige Welt mit uns in den Abgrund reißen? Oder sollen wir zugeben, dass die Party endgültig vorbei ist, hinter uns ausfegen und denen Platz machen, die nach uns kommen?

Mein Vater ritt auf einem Kamel. Ich fahre ein Auto. Mein Sohn fliegt ein Düsenflugzeug. Sein Sohn wird auf einem Kamel reiten. (Saudi-arabisches Sprichwort).

letzte Änderung: 09.01.2015