»Die Revolution läuft!«

Warum Strommarktexperte Tim Meyer trotz aller Widerstände an den Erfolg der Energiewende glaubt
Von Volker Kühn

(7. November 2025) Tim Meyer zählt zu den gefragtesten Interviewpartnern, wenn es um die Energiewende und die Pläne von Schwarz-Rot geht. Hier erklärt der Strommarktexperte mit langjähriger Erfahrung in der Energiebranche, warum sich die globale Elektrifizierung aus seiner Sicht zwar bremsen, aber nicht umkehren lässt.

Herr Meyer, Sie haben Ihr aktuelles Buch schlicht »Strom« genannt – ganz so, als sei längst ausgemacht, dass wir uns künftig vor allem mit dieser Form der Energie versorgen. Die aktuelle Debatte klingt aber ganz anders. Ist die Sache wirklich schon durch?

Tim Meyer: Weltweit betrachtet gehe ich fest davon aus. In Deutschland machen wir allerdings gerade mal wieder eine Rolle rückwärts, ähnlich wie in den USA. Dabei ist das, was wir »Energiewende« nennen, in Wirklichkeit eine industrielle Revolution, und die läuft! Man kann sie nicht aufhalten, wie wir aus der Geschichte wissen. Man kann sie allenfalls verzögern. Aber auch das sollten wir nicht tun, denn es ist eine gute Revolution. Sie hilft uns, den Klimawandel zu begrenzen, und bringt gewaltige Chancen für die Gesellschaft und Unternehmen mit sich. In der Bundesregierung scheint das allerdings noch nicht angekommen zu sein.

Was macht Sie so sicher, dass erneuerbare und nicht fossile Rohstoffe das Rennen machen?

Tim Meyer: Die unglaubliche Dynamik, mit der sich saubere Technologien weltweit verbreiten. Noch nie in der Geschichte der Menschheit ist eine Energiequelle so rasant gewachsen wie die Solar- und Windenergie. Und bei den Batterien geht es mit dem Preisverfall sogar noch schneller. Vor  Jahren wäre man für verrückt erklärt worden, wenn man prophezeit hätte, in welchem Ausmaß Batterien heute schon eingesetzt werden, um Schwankungen der Wind- und Solarenergie auszugleichen.

Aber haben Öl und Gas nicht die mächtigeren Lobbys?

Tim Meyer: Die Lobbys sind ohne Zweifel stark. Das sieht man schon daran, wie sie uns seit Jahrzehnten mit Desinformation überschütten. Der Internationale Währungsfonds – der ja nicht gerade als Öko-Thinktank gilt – hat ausgerechnet, dass weltweit jährlich sieben Billionen US-Dollar an Subventionen in fossile Energien fließen. Sieben Billionen! Doch noch nicht einmal diese gigantische Marktverzerrung zugunsten fossiler Energie kann die weltweite Energiewende aufhalten. Ich glaube nicht, dass es Trump gelingen wird, die Wende zurück ins fossile Zeitalter komplett durchzuziehen.

Woher kommt die enge Verbindung von Populisten und fossilen Energien?

Tim Meyer: Wer das genau verstehen möchte, dem empfehle ich das Buch »Männer, die die Welt verbrennen«. Darin hat Christian Stöcker auf sehr präzise Weise herausgearbeitet, wie ultrareiche Unternehmer aus den fossilen Energien jahrzehntelang mit viel Geld Falschinformationen in die Welt gesetzt, Politiker und Wissenschaftler gekauft und die Energiewende diskreditiert haben.

Dass die Öl- und Gasindustrie die Energiewende ablehnt, ist nicht überraschend. Aber es beschränkt sich nicht auf Populisten und Superreiche. Die Skepsis reicht bis in konservative Kreise, denen man nicht einfach finstere Motive unterstellen kann. Woran liegt das?

Tim Meyer: Einerseits glaube ich, dass die Veränderung so schnell geht, dass auch viele Entscheider in Politik und Wirtschaft sie noch nicht mitbekommen haben. Wer vor zwanzig oder vor zehn Jahren energiepolitisch sozialisiert wurde, hat vieles, was seither möglich geworden ist, nicht gelernt. Wir Menschen tun uns nun mal schwer damit, exponentielle Entwicklungen zu verstehen.

Und andererseits?

Tim Meyer: ... ist es auch eine Frage der politischen Agenda. Es ist der Wunsch, sich vom politischen Gegner abzusetzen. Wer im Wahlkampf aufs Schärfste gegen alles vermeintlich Grüne zu Felde gezogen ist, kann nun nicht einfach zugeben, dass manches davon richtig war.

letzte Änderung: 25.06.2013