Kleine Windräder? Warnung vor zu viel Euphorie

Eine Windkraftanlage auf dem Balkon oder auf dem Dach? Kleine Windräder kann man für wenig Geld im Internet kaufen. Davon träumen viele Verbraucher. Doch die Wirklichkeit ist für private Betreiber oft ernüchternd. Denn die Windstärken reichen an vielen Standorten wie mitten im Wohngebiet meist nicht aus.
Von Aribert Peters

(26. Juli 2023) Als Spielzeug eignen sich Windräder bestens. Wer jedoch wirklich Strom erzeugen will, muss sich gut über die Windstärken an dem geplanten Standort informieren. Eine PV-Anlage erzeugt in Deutschland zwischen 800 und 1.100 kWh pro Jahr und kW Leistung. Eine kleine Windanlage mit 5 kW Nennleistung kann an windstarken Küstenstandorten mit einer mittleren Windgeschwindigkeit von 5 m/s bis zu 10.000 kWh erzeugen, das heißt 2.000 kWh pro kW Leistung. An weniger guten Standorten liegt der Energieertrag allerdings erheblich unter dem der PV-Anlage. 

  ED 02/2023 Kleine Windräder? Warnung vor zu viel Euphorie (S. 16/17)  

Die Effizienz des Kleinwindrades hängt sehr stark vom Standort ab.

Windgeschwindigkeit und Höhe

Es leuchtet jedem ein, dass ein Windrad ohne Wind keinen Sinn macht. Aber die wenigsten wissen, wie stark der Ertrag von der Windgeschwindigkeit und wie stark die Windgeschwindigkeit von der Höhe abhängt.

Bei doppelter Windstärke bringt das Windrad nicht etwa den doppelten Ertrag – sondern den achtfachen! Umgekehrt gilt leider auch: Bei halber Windstärke sinkt der Ertrag auf ein Achtel. Und in Bodennähe weht an vielen Stellen kaum stetiger Wind, es gibt Turbulenzen, die sich für die Stromerzeugung nicht nutzen lassen. Ein Diagramm zeigt, wie die ertragsentscheidende Windgeschwindigkeit in Bodennähe fast zum Erliegen kommt (siehe Grafik). Gut für Paraglider, die auf diese Art bequem landen. Schlecht für Enthusiasten, die vom Windrad auf dem Hausdach träumen.

 ED 02/2023 Kleine Windräder? Warnung vor zu viel Euphorie (S. 16/17) 

Die Höhe macht’s: Am Bolden herrscht leider Flaute

Am Beginn jeder Überlegung zu einer Windkraftanlage egal welcher Größe steht die Frage des Standorts: An welcher Stelle und in welcher Höhe soll das Windrad arbeiten? Das Baurecht limitiert die Gesamthöhe von Kleinwindanlagen auf 50 Meter. Gesamthöhe bedeutet: höchster Punkt der Flügelspitze. In der Praxis sind die allermeisten Kleinwindräder aber deutlich niedriger, meist unter 30 Meter, bei privat betriebenen Anlagen sogar unter 10 Meter. 

Standortbestimmung

Häufig überschätzen private Hausbesitzer die Windbedingungen des eigenen Grundstücks. Das wird von unseriösen Anbietern genutzt, um wenig informierten Käufern Anlagen für Standorte zu verkaufen, an denen kaum Ertrag zu erwarten ist. Der Wind strömt parallel zur Erdoberfläche. Je geringer die Entfernung zum Boden, desto stärker wirken sich Objekte auf der Erdoberfläche auf den Wind aus. Bei den geringen Aufstellungshöhen zwischen 
10 und 30 Metern sind Standorte inmitten von Siedlungsgebieten deshalb meist ungeeignet, weil aufgrund der umgebenden Häuser und Bäume der Wind nicht nur schwach, sondern auch verwirbelt und turbulent ist. Auch Täler und waldreiche Umgebungen sind weniger gute Standorte. Ortsränder, freie Flächen und Hügel dagegen sind möglicherweise geeignet. 

Windmessung am eigenen Standort

Wenn es um das Windpotenzial des eigenen Standorts geht, ist eine genaue Messung unumgänglich. Geeignete Windmessgeräte sind für private Nutzer aber sehr kostspielig. Inklusive Mast muss man ab 800 Euro rechnen. Von Wetterstationen und Handmessgeräten sollte man absehen, da die Qualität der Windsensoren zu schlecht ist. Mit dem Online-Tool mywindturbine.com kann man per Fernanalyse eine Schätzung des Windpotenzials vor Ort durchführen. Oder man beauftragt ein Windgutachten, hat dafür aber Kosten von mindestens 1.500 Euro zu tragen. 
Video Wichtig! Hat dein Grundstück genug Wind für eine Kleinwindanlage?

Aufstellung: Gebäude oder Mast

Ein Windrad auf einem Gebäude ist eine schlechte Idee. Denn selbst auf hohen Gebäuden sind die Windverhältnisse aufgrund von Turbulenzen schwierig. Hinzu kommt die Schwingung der Anlage, die sich auf das Gebäude überträgt und zu unangenehmen Geräuschen führen kann. Selbst eine Körperschallentkopplung hilft nicht immer weiter. Ein Mast am Boden ist deshalb auf jeden Fall die bessere Wahl und auch günstiger zu haben. 

Sollte es doch eine Anlage auf dem Dach sein, müssen unbedingt die Statik des Dachs und die Auswirkung des Windgenerators geprüft werden. Durch das Gewicht und die Rotorvibrationen können Schäden am Gebäude entstehen. Je höher der auf dem Dach montierte Mast und je größer die Windangriffsfläche des Rotors, desto größer werden die wirkenden Kräfte. Neben dem Gewicht der Windturbine müssen die auf den Rotor wirkenden Windlasten mit einbezogen werden. Die Bewährungsprobe wird bei starkem Sturm erfolgen. Eine große Lagerhalle mit Flachdach am Rande eines Industriegebiets ist ein besserer Dachstandort als das Einfamilienhaus mit Giebeldach im Wohngebiet.

Welche Anlagen gibt es auf dem Markt?

Vor dem Kauf einer Anlage sollte man unbedingt in den „Kleinwind-Marktreport“ von Patrick Jüttemann sehen (Juni 2022, aktuell auch für 2023). Dort wird für die meisten Hersteller aufgelistet:

Wie lange sind der Hersteller und die Anlage schon am Markt? Gibt es Zertifizierungen oder unabhängige Prüfungen? Ist die Anlage in Deutschland erhältlich? Betrieb auf Testfeldern? Es gibt auch unseriöse Anbieter, die falsche Angaben machen, Leistungskurven aufhübschen usw. Wenn eine Anlage im Marktreport fehlt, ist äußerste Vorsicht geboten. www.klein-windkraftanlagen.com

Genehmigung

Je nach Landesbauordnung können Kleinwindanlagen mit einer Höhe von 10 oder 15 Metern ohne Baugenehmigung errichtet werden. Teilweise braucht man das Bauamt nicht einmal zu informieren, teilweise muss man es zwar in Kenntnis setzen, benötigt aber keine Baugenehmigung. In manchen Bundesländern gibt es für Anlagen unter 30 Metern Höhe ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren. Welche Auflagen letztendlich gestellt werden, hängt vom einzelnen Bauamt vor Ort ab.

Nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht sollte ein Großteil des eigenen Windstroms der Selbstversorgung dienen. Auch das Baurecht verlangt, dass mindestens 50 % selbst verbraucht werden. Eine überwiegende Einspeisung ist nicht zuletzt aufgrund des niedrigen Einspeisetarifs von 7,4 ct/kWh nicht sinnvoll.

Laut Baugesetzbuch gehören Windkraftanlagen im Außenbereich (ländliche Gebiete) zu den privilegierten Nutzungen. Generell werden die Anlagen nur genehmigt, wenn die öffentlichen Belange wie Geräuschimmissionen, Schattenwurf, Natur- und Landschaftsschutz sowie Nachbarschutz berücksichtigt werden. Wer eine Windanlage kleiner als 10 Meter ohne Genehmigung baut, dem kann sie nachträglich untersagt werden, wenn sich beispielsweise ein Nachbar gestört fühlt. Deshalb empfiehlt es sich, frühzeitig mit den Nachbarn zu reden und ihr Einverständnis einzuholen. 

Kleinwindanlagen auf mobilen Objekten wie Segelbooten oder Wohnmobilen brauchen keine Genehmigung. 

Genehmigung und Recht für kleine Windkraftanlagen

Vertikale Windkraftanlagen

Kleine, senkrecht stehende Windkraftanlagen sind der Publikumsliebling. Die Optik und auch die vollmundigen Versprechen faszinieren viele Menschen. Die Realität dahinter ist jedoch ernüchternd. Die Versprechen haben wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Vertikale Windkraftanlagen sind seit den 1970er-Jahren am Markt. Sie konnten sich nicht durchsetzen und die zahlreichen Start-ups in diesem Markt halten nicht lange durch. Auf einem privaten Hausdach ein Windrad mit dem geringsten Wirkungsgrad (Savonius-Rotor) zu installieren – mehr kann man kaum falsch machen. 

Stecker-Windkraftanlagen

Stecker-Solarmodule breiten sich rasant aus. Stecker-Windanlagen dagegen gibt es kaum und auch kein vereinfachtes Anmeldeverfahren wie bei den Stecker-Solaranlagen. Aus -Sicherheitsgründen warnen Experten sogar davor. Denn an Standorten mit Wind muss es auch einen Schutz vor zu starkem Wind geben. Umgekehrt sind die Windbedingungen auf Balkon und Dach sehr dürftig. 

Wirtschaftlichkeit

Die Kosten für eine Kleinwindanlage liegen im Mittel bei 6.000 Euro pro kW installierter Leistung. Ein erheblicher Kostenfaktor ist der Mast. Je höher, desto teurer. Allerdings kann der Stromertrag mit einem höheren Mast deutlich steigen, sodass sich die Mehrkosten lohnen können. Das muss individuell geprüft werden. Kleinwindanlagen werden durch kostengünstige Darlehen staatlich gefördert (KfW-Programm 270 Erneuerbare Energien „Standard“ www.kfw.de/270).

Erfolgsfaktoren
  • Windstarke Lage
  • Hoher Eigenverbrauch des Windstroms
  • Baugenehmigung und Nachbarn
  • Hochwertige Anlagentechnik
Typische Fehler
  • Windverhältnisse überschätzen
  • Später und unvorbereiteter Kontakt mit dem Bauamt
  • Zu niedriger Mast
  • Montage auf dem Dach
  • Auswahl der Windanlage nach Nennleistung
  • Schönes Design als Auswahlgrund
  • Kauf mangelhafter Technik

letzte Änderung: 25.06.2013