Kommunale Wärmeplanung: Pflicht oder Kür?

Weil erneuerbare Wärmeversorgung im Quartier und gemeinsam viel günstiger ist, müssen sich Bürger darauf verständigen und das zusammen anpacken. Das leistet die Wärmeplanung, die jetzt sogar gesetzlich gefordert wird. Wie das konkret ablaufen soll, erläutert dieser Artikel. Die Energiewende zeigt, was sie kann.
Von Aribert Peters

(20. Dezember 2023) Bis 2045 muss der Gebäudesektor emissionsfrei sein, um die deutschen Klimaziele zu erreichen. 19 Millionen fossil befeuerte Heizungen müssen also auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Beispiele aus Europa und auch Deutschland zeigen, dass die gemeinschaftliche Versorgung mit Wärme die Nutzung von Erdwärme, Solarwärme, von Abwärme und Wärmespeichern ermöglicht, die im einzelnen Gebäude nicht möglich wäre. Deren Umsetzung bietet viele weitere Vorteile 
wie die Organisation von Bürgerenergiegemeinschaften, die Hilfestellung durch die Kommunen usw. Die gemeinschaftliche Wärmeversorgung wird organisiert und angestoßen durch eine kommunale Wärmeplanung.

 ED 04/2023 Kommunale Wärmeplanung: Pflicht oder Kür? (S.14/15) 

Die Wärmeplanung soll Bauherren, Eigentümer und Unternehmen informieren und ihnen bei ihren Investitionsentscheidungen für ein kosteneffizientes, klimagerechtes Heizen helfen. Deshalb ist es sehr sinnvoll, dass die Wärmeplanung durch ein Gesetz bundesweit zur Pflicht geworden ist. Das Wärmeplanungsgesetz (Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung von Wärmenetzen) tritt am 1.1.2024 in Kraft.

Die Wärmeplanung ist keine Hintertür, um die Umstellungspflichten für Heizungen hinauszuschieben – das wäre auch unklug wegen des Preisanstiegs von Fossilenergien. Sondern eine Chance für die Bürger und Gemeinden, sich gemeinsam und mit qualifizierter Hilfe und Unterstützung der möglichst schnellen Umstellung auf erneuerbare Energien zu stellen und daraus etwas Neues, Besseres zu machen.

Das Wärmeplanungsgesetz (WPG)

Das Gesetz wendet sich an die Bundesländer und verpflichtet sie, flächendeckend in allen Kommunen Wärmepläne zu erarbeiten. Um die Kommunen nicht zu überlasten, ist der Zeitplan für die Erstellung der Wärmepläne nach Einwohnerzahlen gestaffelt: ab 100.000 Einwohnern bis 2026 und bei weniger als 100.000 Einwohnern bis 2028. Es gibt auch ein vereinfachtes Verfahren für Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohnern. Und natürlich können Kommunen auch im sogenannten „Konvoi-Verfahren“ diese Wärmepläne zusammen erstellen.

Das WPG ist mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) verknüpft: Für den Neubau und Ausbau von Wärmenetzen gelten verlängerte Übergangsfristen beim Umstieg auf erneuerbare Energien (GEG § 71 b und § 71 j). Örtlich wird entschieden, wann entsprechende Fristen nach dem GEG in Kraft treten. Somit entscheidet die Umsetzungsstruktur vor Ort darüber, wann das 65-Prozent-Ziel erfüllt werden muss. Dabei definiert das Gesetz die Wärmeplanung als eine rechtlich unverbindliche, strategische Fachplanung: „Der Wärmeplan hat keine rechtliche Außenwirkung und begründet keine einklagbaren Rechte oder Pflichten.“ Durch Ratsbeschluss einer Kommune kann jedoch aus einer zunächst unverbindlichen Wärmeplanung ein verbindlicher Plan werden. Der Bund will die Erstellung von Wärmeplänen mit 500 Millionen Euro fördern und hat ein bundesweites Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende (KWW) in Halle ins Leben gerufen. 

Bürgerenergiegemeinschaften

Für Gemeinden mit über 45.000 Einwohnern gibt es sogar eine Vorgabe im Gesetz: Im Wärmeplan muss eine Bewertung der Rolle von Erneuerbare-Energien-Energiegemeinschaften oder anderer von den Verbrauchern ausgehenden Initiativen enthalten sein, die aktiv zur Umsetzung lokaler Projekte im Bereich Wärmeversorgung beitragen können (WPG § 21 Abs. 2). Auch muss der Plan eine Bewertung enthalten, wie die Umsetzung der Strategien und Maßnahmen finanziert werden kann, und Finanzierungsmechanismen ermitteln, die es den Verbrauchern ermöglichen, auf Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Quellen umzustellen.

Dekarbonisierung der Wärmenetze

Aktuell sind etwa 14 % der Haushalte an Fernwärme angeschlossen, die nur zu 20 % aus erneuerbaren Energien stammt. Bis 2045 soll die gesamte Fernwärmeversorgung klimaneutral erfolgen. 2030 sollen die Wärmenetze zu 30 % und bis 2040 zu 80 % Wärme aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme führen. Das hört sich einfach an, ist es aber ganz und gar nicht. Neue Wärmenetze müssen bereits ab dem 1. Januar 2024 mindestens 65 % erneuerbare Wärme führen. Allerdings sind keine Bußgeldvorschriften vorgesehen oder Betriebsverbote für Wärmenetze, welche die vollständige Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 verfehlen. 

Klassifizierung der Wärmebedarfsdichten (Endenergie)
nach potenzieller Eignung für Wärmenetze
Wärmedichte
 [MWh/haxa]
Einschätzung der Eignung zur Errichtung von Wärmenetzen
0 – 70 kein technisches Potenzial
70 – 175 Empfehlung von Wärmenetzen in Neubaugebieten
175 – 415 Empfohlen für Niedertemperaturnetze im Bestand
415 – 1.050 Richtwert für konventionelle Wärmenetze im Bestand
> 1.050 Sehr hohe Wärmenetzeignung
Quelle: Kommunale Wärmplanung, Handlungsleitfaden, Baden-Württemberg

In klassischer Betrachtung entscheidet die Wärmedichte, ob sich ein Wohngebiet für ein Wärmenetz eignet. „Die vorgegebene Betrachtungsweise verengt hinsichtlich der Wärmeliniendichte die Wärmenetze auf die langwierig zu planenden, aufwendig zu errichtenden, im Invest teuren und technologisch sehr betreuungsintensiven heißen Netze“, kritisierte der Bundesrat. Die kalte Nahwärme ermöglicht auch dort gemeinschaftliche Versorgung, wo das bisher nicht für möglich gehalten wurde.

Ablauf der Wärmeplanung nach WPG
  • Beschluss oder Entscheidung der planungsverantwortlichen Stelle über die Durchführung einer Wärmeplanung.
  • Eignungsprüfung (nach WPG § 14): Für Gebiete, die von vornherein als ungeeignet für ein Wärmenetz eingestuft werden, entfallen die weiteren Planungsschritte. 
  • Bestandsanalyse (nach WPG § 15): Erhebung des aktuellen Wärmebedarfs und -verbrauchs und der daraus resultierenden Treibhausgasemissionen einschließlich Informationen zu den vorhandenen Gebäudetypen und Baualtersklassen, der Versorgungsstruktur aus Gas- und Wärmenetzen, Heizzentralen und Speichern sowie Ermittlung der Beheizungsstruktur der Wohn- und Nichtwohngebäude.
  • Potenzialanalyse (nach WPG § 16): Ermittlung der Potenziale zur Energieeinsparung für Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme in den Sektoren Haushalte, Gewerbe/Handel/Dienstleistungen, Industrie und öffentliche Liegenschaften sowie Erhebung der lokal verfügbaren Potenziale erneuerbarer Energien und Abwärme, beispielhaft in Wien.
  • Entwicklung und Beschreibung eines Zielszenarios (nach WPG § 17): Entwicklung eines Szenarios zur Deckung des zukünftigen Wärmebedarfs aus erneuerbaren Energien zur Erreichung einer klimaneutralen Wärmeversorgung. Dazu gehört eine räumlich aufgelöste Beschreibung der dafür benötigten zukünftigen Versorgungsstruktur im Jahr 2050 mit einem Zwischenziel für 2030. Dies gelingt durch die Ermittlung von Eignungsgebieten für Wärmenetze und Einzelversorgung.
  • Einteilung des beplanten Gebiets in voraussichtliche Wärmeversorgungsgebiete (nach WPG § 18): Welche Wärmeversorgungsart eignet sich für das jeweilige beplante Teilgebiet besonders?
  • Entwicklung einer Umsetzungsstrategie mit konkreten Maß-nahmen, die innerhalb des beplanten Gebiets zur Erreichung des Zielszenarios beitragen sollen. 
Europarecht

Die gerade beschlossene Effizienzrichtlinie der EU (2023/1791) räumt den Verbrauchern in § 21 bei der Wärmeversorgung umfangreiche Rechte ein. Nach § 25 Abs. 4 dieser Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten Fernwärme- und Fernkälteinfrastrukturen aufbauen, wenn Analysen zeigen, dass dies vorteilhaft und kosteneffizient ist. Das ist von den Mitgliedstaaten bis 11. Oktober 2025 in nationales Recht umzusetzen. Ein Förderprogramm des Bundes unterstützt den Bau von Wärmenetzen: die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW). 

Als Abschluss dieses Artikels eignet sich, was der Abgeordnete Bernhard Herrmann von den Grünen bei der ersten Lesung des Gesetzes im Bundestag sagte: „Mit der kommunalen Wärmeplanung schaffen wir die Grundlage, um konsequent für alle sicher und bezahlbar von immer teurer werdenden fossilen Brennstoffen wegzukommen. Die Klimakrise wartet nicht. Ambitioniertere Klimaziele im Gebäudebereich erreichen wir im Tandem von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien. Steigen wir alle auf! Machen wir uns auf die Tour zu einer langfristig bezahlbaren, wirtschaftlichen, sicheren und ökologischen Wärmeversorgung.“ 

letzte Änderung: 25.06.2013