Der Klimawandel führt zu dramatischen Wetterveränderungen und stellt unsere Wohninfrastruktur vor neue Herausforderungen, sagt der Meteorologe Karsten Schwanke – und verrät, was ihm trotz aller Rückschläge im Klimaschutz Hoffnung gibt.

„Es wird immer extremer“

Der Klimawandel führt zu dramatischen Wetterveränderungen und stellt unsere Wohninfrastruktur vor neue Herausforderungen, sagt der Meteorologe Karsten Schwanke – und verrät, was ihm trotz aller Rückschläge im Klimaschutz Hoffnung gibt.
Von Volker Kühn

(21. Juni 2025)

Herr Schwanke, Sie bringen den ARD-Zuschauern seit 30 Jahren das Wetter ins Haus. Wann ist Ihnen erstmals bewusst geworden, dass sich unser Wetter grundlegend verändert?

Dass etwas auf uns zukommen würde, haben wir schon im Meteorologiestudium in den Achtzigern gelernt. Die Erderwärmung an sich ist ja schon sehr viel länger bekannt. In den Neunzigern konnten wir die Entwicklung dann auch deutlich in unseren Messdaten ablesen. Aber wirklich gespürt haben die meisten Menschen den Klimawandel vermutlich erst durch die massive Zunahme der Extremwetterereignisse in den vergangenen fünf bis zehn Jahren, durch den Hitzesommer 2018 etwa oder die Ahrtalflut von 2021.

 ED 01/2025 „Es wird immer extremer“ (S.16/17) 

Wir steuern auf eine Welt zu, für die unsere Körper nicht gemacht sind, sagt Moderator Karsten Schwanke – und unsere Häuser auch nicht.

Wie ordnet sich das Jahr 2024 in diese Entwicklung ein?

Das vergangene Jahr hat ein deutliches Ausrufezeichen gesetzt. Es war das erste Jahr, in dem wir global die 1,5-Grad-Marke des Pariser Klimaabkommens deutlich gerissen haben. Weltweit lagen wir bei 1,6 Grad. Allein in Deutschland hatten wir vier großflächige Überschwemmungen: erst in Niedersachsen, dann im Saarland und in der Pfalz, anschließend in Süddeutschland und zuletzt an Donau und Oder. Hinzu kamen unzählige Gewitter und Sturzregen. Außerdem war es das ganze Jahr über deutlich wärmer als zuvor. Der Februar lag sechs Grad über dem langjährigen Mittel. Das sind neue Welten, in denen wir uns bewegen.

Aber im Grunde nur Durchgangswelten – der Klimawandel schreitet ja fort.

Richtig, und das ist wichtig! Es gibt kein „neues Normal“, wie viele denken. Es wird immer extremer.

Worauf müssen wir uns in Deutschland einstellen?

Es wird wärmer, im Jahresmittel aber auch nasser. Mit Blick auf die zunehmenden Dürren in der Landwirtschaft hört sich das vielleicht gar nicht schlecht an. Aber das Problem ist, dass die Zahl der Regentage nicht zunimmt. Die zusätzliche extreme Regenmenge verteilt sich einfach auf die nassesten Tage – mit entsprechenden Überschwemmungen und Sturzfluten. Außerdem müssen wir mit viel höheren Temperaturen und längeren Dürrephasen rechnen.

Wenn wir nicht endlich entschieden handeln, bin ich mir sicher, dass wir spätestens zur Jahrhundertmitte Tage mit 45 Grad haben. Darauf ist unsere Infrastruktur nicht vorbereitet. Dafür braucht man besser gedämmte Wohnungen und Klimaanlagen. Wir sehen schon jetzt in Hitzewellen, dass die Sterberate in die Höhe geht. Viele unterschätzen die Gefahr, weil Hitze ein stiller Killer ist. Die Alten und Schwachen sterben oft allein in ihren Wohnungen; in den Nachrichten sieht man die Bilder nicht.

Trotzdem spielte das Thema Klima im jüngsten Wahlkampf kaum eine Rolle. Und die Fridays-Proteste sind ein Schatten ihrer selbst. Wie erklären Sie sich das?

Es hat sich offenbar in den Köpfen der Politiker eingebrannt, dass man mit Klimaschutz nicht gewinnen kann, weil man den Wählern dann sagen müsste, dass sich ihr Leben ändern wird. Das hört natürlich niemand gern. Unangenehmes blendet man lieber aus. Wir müssten versuchen, die Botschaft anders rüberzubringen.

Nämlich?

Indem man den Menschen sagt, was es beim Klimaschutz zu gewinnen gibt: ein Leben in einer Welt, für die unsere Körper gemacht sind und in der wir uns wohlfühlen. Mit sauberer Luft, lebenswerten Städten, einem guten Nahverkehr und, und, und.

Derzeit kommen aus der Politik ganz andere Töne, gerade in den USA. Dort verschwinden Klima-Infos von Behörden--Websites und die Wetterbehörde NOAA wird zusammengespart.

Das bereitet mir große Sorge. Mich erinnert das an die Zeit, in der in Deutschland Bücher verbrannt wurden oder die Wahrheit nicht gesagt werden durfte. Aber der Klimawandel lässt sich nicht totschweigen. Er drängt sich immer wieder ins Bewusstsein, leider auf katastrophale Art.

Gibt es etwas, dass Ihnen trotz allem Hoffnung macht?

Ja! Die enormen Fortschritte beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Früher haben die Energieversorger Kampagnen gefahren, in denen es hieß, dass die Stromnetze technologisch nicht mehr als vier Prozent Erneuerbare vertrügen. Heute sind wir bei gut 60 Prozent. Die Kurven gehen fast genauso schnell nach oben wie die der globalen Erwärmung.

Danke für das Gespräch.

 ED 01/2025 „Es wird immer extremer“ (S.16/17) 

letzte Änderung: 20.06.2025