Energiegemeinschaften: Praktisch und einfach
Stellen Sie sich vor, überschüssiger Solarstrom aus einer Photovoltaikanlage würde nicht für ein paar Cent ins öffentliche Netz fließen, sondern direkt an die Mieter oder Miteigentümer in einem Haus verteilt. Genau das ermöglicht das Konzept des Start-ups Pionierkraft. Es ist viel unkomplizierter als sogenannter Mieterstrom.
Von Aribert Peters
(28. Mai 2025) Bisher werden überschüssige Strommengen aus Photovoltaikanlagen oft für wenig Geld (ca. 8 Cent pro kWh) ins öffentliche Netz eingespeist, während Haushalte Strom aus dem Netz für 30 bis 40 ct/kWh zurückkaufen müssen. Mit Pionierkraft kann der Betreiber einer Solaranlage seinen Überschuss direkt mit anderen Wohnparteien im gleichen Haus teilen – ohne Umweg über das öffentliche Stromnetz. Eine intelligente Technologie misst dabei exakt, wie viel Strom zu den Haushalten fließt, und sorgt für eine faire Abrechnung.
Prinzip von Pionierkraft: Ein kleines Schaltkästchen außerhalb des Sicherungskastens verteilt den Strom der PV-Anlage an die einzelnen Wohnungen und zählt die gelieferten Strommengen. Der restliche PV-Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist. Die einzelnen Wohnungen können den Stromversorger frei wählen. Sie bekommen den PV-Strom zu deutlich günstigeren Preisen.
Ein Praxisbeispiel: Familie Müller und Familie Schmidt
Familie Müller besitzt eine Photovoltaikanlage, die an sonnigen Tagen mehr Strom produziert, als sie selbst verbraucht. Statt den Überschuss billig ins Netz einzuspeisen, liefert sie ihn direkt an Familie Schmidt, die im selben Haus wohnt und keinen eigenen Solarstrom hat. Familie Schmidt zahlt dafür zum Beispiel 25 ct/kWh, deutlich weniger als für Strom aus dem Netz. Gleichzeitig verdient Familie Müller damit mehr als doppelt so viel wie bei der Einspeisung ins öffentliche Stromnetz.
Technologie und Kosten: Was steckt dahinter?
Das zentrale Element ist das sogenannte Pionierkraftwerk. Es handelt sich um ein von der Firma Pionierkraft hergestelltes und verkauftes kleines Gerät, das den Stromfluss zwischen einer PV-Anlage und bis zu 20 Wohnungen im Haus steuert. Es kostet rund 1.900 Euro einmalig für jede angeschlossene Wohnung einschließlich Installation und Mehrwertsteuer. Jährlich kommen noch 100 Euro je Wohnung für die Softwarelizenz dazu. Das amortisiert sich je nach Strommenge und -preis innerhalb von drei bis sechs Jahren, für den Anlagenbesitzer, der das Gerät bezahlt und die Mieter, die den Strom günstiger beziehen. Und man spart sich komplizierte Verträge und zusätzliche Zähler, die beim klassischen Mieterstrommodell zu bezahlen wären. Die PV-Anlage kann auch mit Batteriespeichern ergänzt werden, um den Eigenverbrauchsanteil zu erhöhen. Pionierkraft funktioniert für jede Art der eigenen Stromerzeugung, auch für BHKW-Anlagen. Auch ältere PV-Anlagen können problemlos mit dem System nachgerüstet werden. Weder ein Smart Meter noch ein digitaler Stromzähler sind erforderlich. Das Modell eignet sich für Mietshäuser, Bürogebäude und auch für Wohnungseigentümergemeinschaften.
Technischer Hintergrund
Das Pionierkraftwerk überträgt den Wechselstrom aus dem Wechselrichter der PV-Anlage über eine einphasige, netzparallele Verbindung in die einzelnen Abnehmernetze der Wohnungen in einem Gebäude. Dabei werden die Wohnungsnetze nicht verändert. Der Erfinder des Konzepts, Andreas Eberhard, hat Geräte und Software speziell für diesen Zweck entwickelt und 2019 in München die Firma Pionierkraft gegründet. Schon mehr als 2.000 Geräte sind in Betrieb.
Gesetzeskonform und flexibel
Ein entscheidender Vorteil von Pionierkraft: Es unterliegt nicht den komplexen Regelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Da jeder Haushalt für die Reststromversorgung seinen eigenen Stromzähler behält, handelt es sich bei diesem Modell um eine Ergänzungsstromlieferung. Der Betreiber einer Photovoltaikanlage wird damit nicht zum Stromversorger im juristischen Sinne wie beim Mieterstrommodell. Bei der Pionierkraft bleibt das öffentliche Netz außen vor. Trotzdem lassen sich Autonomiegrade von 80 % erzielen.
Nachhaltigkeit zum Anfassen
Pionierkraft bietet eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Betreiber von Photovoltaikanlagen profitieren von höheren Einnahmen, Nachbarn sparen Stromkosten, und die Umwelt profitiert durch die lokale Nutzung erneuerbarer Energien. Zudem macht das Konzept Haushalte unabhängiger vom öffentlichen Stromnetz und unterstützt die Energiewende.
- Weitere Informationen: www.pionierkraft.de
- Pionierkraft im Video: www.bdev.de/videopionier
Mieterstrom und auch die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung sind technisch und rechtlich komplizierte Konstruktionen. Ein gute Einführung kann man auf der Internetseite des Solarenergie-Fördervereins einsehen: www.sfv.de/mehrfamilienhaus
Man kann sich das Leben vereinfachen und alles an eine Firma übergeben, den sogenannten Contractor. Über Vor- und Nachteile und mögliche Contractoren informiert: www.sfv.de/contracting
Ähnlich unbürokratisch:
- das sogenannte solidarische Balkonkraftwerk von Holger Laudeley. Der Vermieter errichtet in diesem Modell für jede Mietpartei eine PV-Anlage auf dem Wohnhausdach. Die Einspeisevergütung teilen sich Mieter und Vermieter.
- das Einzählermodell des Solarenergiefördervereins: www.sfv.de/einzaehlermodell