Stromspeicher auf Rädern
Schon bald sollen Elektroautos nicht nur emissionsfrei fahren, sondern auch als Stromspeicher bares Geld sparen. Noch gibt es Hürden – doch Autokäufer sollten sich trotzdem schon mit dem bidirektionalen Laden befassen.
Von Julia Graven
(1. September 2025) Elektroautos bringen ihre Besitzer eine Stunde am Tag ins Büro oder zum Einkaufen. Die restlichen 23 Stunden stehen die meisten von ihnen ungenutzt herum. Ein Akku auf vier Rädern, spotten Kritiker. Ein Akku, der das Stromnetz entlasten könnte, sagen Visionäre. Sie sehen enormes Potenzial für Klima und Geldbeutel.
780 Euro kann ein Vier-Personen-Haushalt maximal durch eine intelligente Nutzung des Akkus einsparen
Quelle: Transport & Enviroment
Eine Studie im Auftrag des europäischen Verkehrsverbands Transport & Environment zeigt: Ein vierköpfiger Haushalt in Deutschland mit eigener Photovoltaikanlage könnte durch die clevere Nutzung eines E-Autos als Speicher zwischen 30 und 780 Euro im Jahr sparen. Überschüssiger Sonnenstrom aus der Solaranlage lädt die Autobatterie. Wenn Strom knapp und teuer ist, wird speist sie ihn in das Hausnetz zurück. Fachleute nennen das Vehicle to Home (V2H). Ein vollgeladener ID.3 von VW mit 77-Kilowattstunden-Akku könnte einen Zwei-Personen-Durchschnittshaushalt eine Woche lang mit Strom versorgen. Ein Blackout wie im April auf der Iberischen Halbinsel ließe sich so problemlos aussitzen – auch ohne überdimensionierten Hausspeicher.
Ex-VW-Chef Herbert Diess schwärmt von einer »Wunderformel«
Noch größer schätzen Fachleute den Nutzen von Autobatterien als Speicher für das öffentliche Stromnetz ein. Sie sprechen von Vehicle to Grid (V2G) und sehen darin einen Baustein für ein flexibles Energiesystem: Ein Schwarm kleiner Speicher könnte den Netzbetreibern helfen, beim Ausbau der Leitungen und Großspeicher zu sparen. Stattdessen würden Autobesitzer entlohnt, die ihre Akkus als Speicher zur Verfügung stellen. Optimisten wie Ex-VW-Chef Herbert Diess versprechen eine »Wunderformel«: Autofahren ohne Emissionen und fast ohne Kosten – oder zumindest viel günstiger.
Doch bislang bleibt diese Wunderformel ein Wunschtraum. Es fehlen klare Regeln, die aus der Idee ein Geschäftsmodell machen. Kritischer Punkt sind vor allem die Netzentgelte. Weil E-Autos rechtlich nicht als Speicher gelten, fallen für den zwischengespeicherten Strom doppelte Netzentgelte an. Die technischen Standards sind zwar geklärt, aber die Komponenten verschiedener Hersteller müssen noch aufeinander abgestimmt werden.
Vor allem Besitzer großer PV-Anlagen profitieren. Doch noch sind die Kosten hoch
Anica Mertins von der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur erwartet daher, dass das bidirektionale Laden (BiDi) zunächst im V2H-Bereich startet. Vor allem Hausbesitzer mit großer PV-Anlage können profitieren, indem sie ihren Sonnenstrom effizient nutzen. Der Hersteller OpenWB Pro etwa bietet eine Wallbox dafür an. Laut einer ADAC-Studie lagen die Mehrkosten für Messtechnik, Energiemanagement und eine Wallbox, die den Gleichstrom aus der Fahrzeugbatterie in Wechselstrom umwandelt, 2024 aber noch zwischen 2700 und 5800 Euro.
Marcus Fendt, Geschäftsführer von The Mobility House, beschäftigt sich seit 15 Jahren mit dem Laden von Elektroautos. Wer jetzt ein Auto kauft, solle auf ein »V2G-fähiges« Modell setzen, das später nur noch ein Softwareupdate benötigt. »Ab 2026 wird kein Auto mehr ohne diese Fähigkeit auf den Markt kommen«, so Fendt gegenüber der Energiedepesche. Wann es in Deutschland losgeht, ist offen, aber zum Start werde es Komplettpakete aus Wallbox, Smart Meter und flexiblem Stromtarif geben.
»Wenn man es richtig macht, kann sich durch kontrolliertes Be-und Entladen die Batterielebensdauer sogar um fünf bis zehn Prozent erhöhen«
Robert Kohrs, Fraunhofer ISE
Die Franzosen sind einen Schritt weiter: Dort laden Renault-5-Fahrer kostenlos
Die Sorge, das ständige Be- und Entladen könne den Batterien schaden, halten Fachleute für unbegründet. »Bidirektionales Laden ist nicht per se schädlich für die Autobatterie«, sagt Robert Kohrs vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. »Wenn man es richtig macht, kann sich durch kontrolliertes Be- und Entladen die Batterielebensdauer sogar um fünf bis zehn Prozent verlängern«, so der Experte im Gespräch mit der Energiedepesche. Volkswagen etwa gibt auch bei BiDi-Nutzung acht Jahre oder 160.000 Kilometer Gewährleistung auf seine Batterien.
Der Rivale Renault zeigt, dass emissionsfreies Fahren ohne Kosten möglich ist. In Frankreich können Besitzer eines Renault 5 ihren Akku dem Energiemarkt als Speicher zur Verfügung stellen. Dafür, dass sie das Netz mit dem eingespeisten Strom stabilisieren, erhalten sie kostenlosen Ladestrom, der für rund 10.000 Kilometer im Jahr ausreicht.
So zapft das Haus ...
Wie kann ich mit bidirektionalem Laden Geld sparen?
Beim bidirektionalen Laden fließt Strom aus dem Akku des Elektroautos zurück ins Hausnetz (Vehicle to Home, V2H) oder ins Stromnetz (Vehicle to Grid, V2G). Mit V2H speichern Sie überschüssigen Strom aus der eigenen Solaranlage im Akku und nutzen ihn, wenn Strom aus dem Netz teuer ist. Das Auto kann den stationären Batteriespeicher ergänzen, im Keller reicht also ein Speicher mit weniger Kilowattstunden – und deutlich niedrigeren Anschaffungskosten.
Kann ich damit sogar Geld verdienen?
Ja, mit V2G wird das in Zukunft wohl möglich sein. Sobald Ihr E-Auto Strom ins Netz einspeisen darf, können Sie sogenannte Netzstabilisierungsdienste leisten. Ihr Akku würde helfen, das Netz zu entlasten – und Sie erhalten dafür eine Vergütung. In Frankreich tanken Autofahrer bereits Gratisstrom: Wer sein Auto 13 Stunden täglich an der Wallbox parkt, erhält Fahrstrom für 10.000 Kilometer im Jahr umsonst.
... das Elektroauto an
Ist V2G bei uns schon möglich?
Technisch ja, praktisch kaum. Einige Fahrzeuge unterstützen V2G bereits. In der Praxis lohnt es sich aber nicht, da noch in beide Richtungen Netzentgelte anfallen. Bidirektionale Wallboxen sind zudem noch teuer. Und den meisten Haushalten fehlt das nötige Smart Meter (siehe „Smart Meter? Schön wär‘s!“).
Was muss noch passieren?
Sobald die Netzentgelte fallen, wird es Geschäftsmodelle geben, die V2G attraktiv machen. Experten rechnen ab 2027 in größerem Umfang damit, zunächst bei Premiumwagen. Bis dahin müssten die Rechtsgrundlagen geschaffen sein und Fahrzeuge die Technik serienmäßig anbieten.
Was müssen mein Auto und meine Wallbox dann können?
Das E-Auto braucht eine bidirektionale Ladefunktion, meist über den CHAdeMO- oder den CCS-Anschluss. Wichtig ist, dass die Software des Autos mit der Wallbox und dem Netzbetreiber kommunizieren kann.