Kommentar

Kommentar: Kurskorrektur statt Bremsmanöver

Der Monitoring-Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums macht kluge Vorschläge für eine effizientere Energiewende. Doch die Ministerin zieht daraus die falschen Schlüsse: Ein Beitrag von Aribert Peters

(8. Dezember 2025) Der laut angekündigte Kassensturz der Energiewende, der »Monitoring-Bericht«, liegt nun endlich auf dem Tisch. Entgegen allen Befürchtungen mahnt er zur Eile bei der Energiewende, zum Ausbau der Erneuerbaren, und er benennt klar die Defizite.

Erinnern wir uns an die Ausgangslage: Bis 2045 muss Deutschland klimaneutral sein. Wir sind beim Ausbau der Erneuerbaren zwar auf dem richtigen Weg, aber noch zu langsam. Wenn wir wie bisher weitermachen, verfehlen wir die Ziele. Deshalb muss der Ausbau beschleunigt werden, so der Bericht. Es gibt nicht zu viele Erneuerbare, wie Ministerin Reiche meint, sondern zu wenig. Obendrein sind sie günstiger als Fossilenergien, selbst wenn Netzausbau und Speicherung einbezogen werden.

  ED 03/2025 Kommentar: Kurskorrektur statt Bremsmanöver (S.35)  

Aribert Peters ist Vorsitzender des Bundes der Energieverbraucher.

Ja, die Energiewende hat Defizite. Nein, sie muss deswegen nicht gestoppt werden

Zudem mahnt der Bericht an, das gesamte Energiesystem besser aufeinander abzustimmen, das Orchester braucht einen Dirigenten, wie Reiche sagt. Sven Becker, Chef der Stadtwerke-Kooperation Trianel, meint: »Wir müssen den Ausbau der Erneuerbaren enger mit den Netzen verzahnen, mehr Flexibilitätsoptionen schaffen, den Wasserstoffhochlauf beschleunigen, H2-ready-Kraftwerke als Rückgrat der Versorgung aufbauen und ein verlässliches Kapazitätsmarktdesign etablieren.«

Es sind noch viele wichtige Weichenstellungen auf dem Weg dorthin neu zu treffen. Das betrifft nicht nur die Erneuerbaren, sondern auch die Netzentgelte, die Strommärkte, die Digitalisierung und den Netzausbau. Das Gestrüpp von 15.000 Rechtsnormen muss stark gelichtet werden. Ohne Rücksicht auf attraktive Geschäftsmodelle müssen Märkte effizienter werden.

Beispiele zeigen, wie unnötig kompliziert und teuer es wird, wenn der Bau von Stromleitungen nicht den Regeln der Physik sondern der verqueren Gesetzeslage folgt. Die »Strombörsenfiktion« von einer engpassfreien Strompreiszone etwa macht die Kraftwerksabregelung im Norden und die Neuerzeugung im Süden notwendig. Dieser Redispatch kostet zwei bis vier Milliarden Euro jährlich und wäre vermeidbar, wenn man regional unterschiedliche Großhandelspreise einführt, wie es zwölf namhafte Energiewissenschaftler, die Monopolkommission und auch die EU gefordert haben. Doch der Bund und die Südländer blockieren marktwirtschaftliche Lösungen.

»Es braucht eine gründliche Überarbeitung bestehender Anreizsysteme und Vorgaben – keine stumpfe Rückbesinnung auf alte Technologien«

Die Stromerzeugung wird günstiger, der Netzausbau teurer. Das spricht für lokale Lösungen

Das Monitoring kommt zu dem Schluss, dass die Klimaziele bis 2030 erreichbar sind, aber der derzeitige Weg sie verfehlt. Es ist also ein Politikwechsel notwendig. »Der Ausbau von EE-Anlagen ist für die Erreichung der Klimaziele weiterhin in hohem Umfang notwendig«, so der Bericht. Und er zitiert, dass Wind- und Sonnenstrom für vier bis zehn Cent pro Kilowattstunde erzeugt werden kann.

Wenn die Erzeugungskosten für Strom sinken und die Verteilkosten steigen – der Bericht beziffert den Netzausbau bis 2045 auf über 700 Milliarden Euro –, wird es noch attraktiver, Strom dezentral zu erzeugen, zu speichern und zu nutzen. Wir sind damit wieder bei lokalen Gemeinschaften, Flexibilitäten und Entbürokratisierung. Im Koalitionsvertrag steht: »Wir machen Wirtschaft und Verbraucher stärker zu Mitgestaltern (durch Entbürokratisierung, Mieterstrom, Bürgerenergie und Energy Sharing).« 
Wie das praktisch funktioniert, lesen Sie auf den Seiten 10 bis 15. Der Monitoring-Bericht beschreibt viele örtliche Lösungen, die die Stromkosten senken können. Die Journalistin Catiana Krapp schreibt im »Handelsblatt«: »Es wäre gut, wenn die breitere Öffentlichkeit versteht, dass die Substanz beim Thema Energiewende erheblich weniger kontrovers ist als die Rhetorik.« Wichtig ist jetzt, von banalen Forderungen abzurücken. Es braucht eine gründliche Überarbeitung bestehender Anreizsysteme und Vorgaben – keine stumpfe Rückbesinnung auf alte Technologien.

letzte Änderung: 08.12.2025