Synthesebericht des Weltklimarats

Mit dem Abschluss des sechsten Berichts des Weltklimarats (IPCC) hat die Wissenschaft unmissverständlich klar gesprochen. Weiter so wie bisher führt unweigerlich in die Klimakatastrophe. Unser größtes Problem ist die Dringlichkeit. Denn die Klimakrise duldet keinen Aufschub.
Von Aribert Peters

(3. August 2023) Sind wir schlauer als eine Bakterienkultur in einer Petrischale, die so lange weiterwächst, bis sie ihren Nährboden komplett aufgebraucht hat, und dann zugrunde geht? Jeder, der es wissen will, weiß, dass die weitere Nutzung fossiler Energieträger ein Brandbeschleuniger für die nächsten noch viel schlimmeren Katastrophen sein wird. 

Sechster IPCC-Bericht

Der Weltklimarat (IPCC) hat im vergangenen Jahr die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel umfassend analysiert und in drei Teilberichten zu seinem sechsten Bericht zusammengefasst. Aus diesen drei Berichten mit vielen Tausend Seiten hat er einen Synthesebericht destilliert und veröffentlicht. Daraus wurde eine knapp 40-seitige Kurzfassung „summary for policymakers“ kondensiert, die auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Es handelt sich im Unterschied zu den Langfassungen um ein diplomatisches Dokument, das mit den Regierungen abgestimmt wurde. Das im Bericht Festgehaltene gilt als unbestritten. Es stellt das von der Wissenschaft sozusagen in Stein gemeißelte Wissen zum Klimawandel dar. 

Das verleiht dem Synthesebericht einen besonderen Stellenwert. Auf dessen Grundlage müssen die UN-Staaten gemäß des Pariser Klimaabkommens bis 2025 neue eigene Klimaziele, sogenannte Nationally Determined Contributions (NDC) vorlegen.

Synthesebericht

Im Synthesebericht sind deswegen erstmals auch globale Reduktionsziele für 2030 und 2035 prominent aufgeführt. Damit gibt es eine Art Benchmark, einen Maßstab für die nötige Emissionsminderung: Soll das 1,5-Grad-Limit für die Erderwärmung zumindest auf längere Sicht eingehalten werden, müssen danach die globalen Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 43 % und bis 2035 um 60 % sinken, ausgehend vom Basisjahr 2019. Für die Zwei-Grad-Grenze ist immer noch eine Treibhausgas-Reduktion um 35 % bis 2035 nötig (SPM AR6 SYN Tabelle). Das Minderungsziel für 2030 wurde in der politischen Debatte im Abschlusstext gestrichen, nicht aber in der Tabelle. Die deutschen Emissionsminderungsziele beziehen sich auf das Jahr 1990 und sind deshalb nicht direkt vergleichbar mit den hier genannten Prozentzahlen des IPCC.

Die sieben größten Industrienationen haben sich auf ihrem Treffen vom 19. bis 21. Mai 2023 in Hiroshima unter anderem auf Folgendes verständigt: „Wir betonen unsere große Besorgnis, verstärkt durch die neuesten Erkenntnisse des Weltklimarats (IPCC) und des Sechsten Sachstandsberichts (AR6), über die beschleunigenden und verstärkenden Auswirkungen des Klimawandels und unterstreichen die erhöhte Dringlichkeit, die globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 um etwa 43 Prozent und bis 2035 um 60 Prozent im Vergleich zum Stand von 2019 zu reduzieren, gemäß der neuesten Erkenntnisse des IPCC.“

Klimapläne laufen auf 2,8 Grad Erwärmung hinaus

Welche Einsparlücke sich da auftut, lässt sich im Synthesebericht allein daran ablesen, dass die Umsetzung der derzeitigen nationalen Klimapläne für 2030 auf eine globale Erwärmung um 2,8 Grad gegenüber vorindustrieller Zeit bis zum Jahr 2100 hinausläuft. Sollten die nationalen Klimaziele nicht eingehalten werden, dann ist noch eine höhere Erwärmung zu erwarten. Der Bericht zeigt auch klar die Unterschiede zwischen einer Erwärmung um 1,5 und um 2,8 Grad auf. 

Damit ist wissenschaftlich erwiesen, dass die weitere Emission von Treibhausgasen schwerwiegende Konsequenzen für das künftige Klima hat und sehr viele Menschen gesundheitlich schädigt oder sogar das Leben kostet. Ferner ist auch unbestreitbar, dass eine deutliche Änderung des Klimas bereits stattgefunden hat.

Zäsur für den Klimaschutz

Kurz gesagt: Wer weiter Treibhausgase emittiert, macht sich schuldig an der Zerstörung des Klimas und des dadurch verursachten Leides. Damit hat dieser Bericht eine grundsätzliche moralische und auch rechtliche Qualität. Er bildet eine Zäsur: Konnte man bisher noch daran zweifeln, ob der Klimawandel wirklich stattfindet und welche Schäden er verursacht, so ist solcher Zweifel von nun an nicht mehr möglich. Es ist nicht vage, sondern ganz gewiss, welche Konsequenzen unser Tun und Unterlassen haben. Und keiner kann sich darauf herausreden, nichts gewusst zu haben. Ein „weiter so“, „geht mich nichts an“ ist nach diesem Bericht nicht mehr möglich. 

Hauptaussagen des Syntheseberichts

Die Hauptaussagen des Syntheseberichts lauten sinngemäß zusammengefasst: Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass menschliche Aktivitäten, insbesondere Treibhausgasemissionen, die globalen Temperaturen ansteigen lassen. Die Oberflächentemperatur der Erde lag zwischen 2011 und 2020 um 1,1 °C höher als zwischen 1850 und 1900.

Klimaextreme in allen Weltregionen nehmen zu und führen zu weitreichenden negativen Folgen für Mensch und Natur. Dabei sind gerade die verletzlichsten Bevölkerungsgruppen betroffen, die historisch gesehen am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben.

Als so gut wie sicher werden folgende künftige Schäden durch den Klimawandel herausgestellt:

  • Häufigere Hitzeextreme
  • Schäden an Ökosystemen
  • Waldbrandschäden
  • Überschwemmungen
  • Infrastrukturschäden
  • Unterernährung
  • Völkerwanderungen
Anpassung

Die derzeit ergriffenen Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel sind unzureichend, es klaffen weiterhin erhebliche Lücken. In manchen Bereichen sind die Grenzen der Anpassungsfähigkeit bereits erreicht. Die globalen Finanzmittel für Anpassungsmaßnahmen reichen insbesondere in Entwicklungsländern nicht aus.

Fortschreitende Treibhausgasemissionen drohen die globale Erwärmung in den kommenden Jahrzehnten weiter zu beschleunigen, wobei die 1,5-Grad-Marke in diesem oder im nächsten Jahrzehnt überschritten werden könnte. Diese Zunahme wird erhebliche Gefahren mit sich bringen und zu komplexen und schwer kontrollierbaren Risiken führen.

Die klimabedingten Risiken nehmen mit jedem Grad Erwärmung zu und die langfristigen Folgen könnten weitaus gravierender ausfallen als derzeit beobachtet. Einige dieser Veränderungen sind unvermeidbar und/oder unumkehrbar. Ihre Auswirkungen könnten jedoch durch tiefgreifende, rasche und anhaltende Minderung der globalen Treibhausgasemissionen eingedämmt werden.

Alle globalen Modelle, die die Erwärmung auf 1,5 oder 2 °C begrenzen, erfordern sofortige und drastische Reduzierungen der Treibhausgasemissionen. 

Die Zeit läuft ab

Die Zeit, die wir haben, um unseren Lebensraum zu retten und eine nachhaltige Zukunft zu sichern, läuft ab. Die Entscheidungen, die wir in diesem Jahrzehnt treffen, werden das Schicksal unserer Nachfahren für Tausende von Jahren bestimmen.

Der Sieg über diesen Feind erfordert schnelle und entschlossene Maßnahmen. Wir müssen alle Bereiche unseres Lebens überdenken – von der Art, wie wir unsere Häuser heizen, bis hin zu den Lebensmitteln, die wir essen, und wie wir uns fortbewegen. Glücklicherweise gibt es bereits eine Reihe von kostengünstigen Lösungen, um unsere Emissionen zu senken und uns an die Veränderungen anzupassen.

Unsere politischen Entscheidungsträger müssen mutig sein, klare Ziele setzen und alle einbeziehen. Sie müssen einen koordinierten und umfassenden Ansatz verfolgen. Die Uhr tickt und die Zeit zum Handeln ist jetzt. 

Zusammenfassung der Kernaussagen des IPCC Syntheseberichts 2023

 ED 02/2023 Synthesebericht des Weltklimarats (S. 26/27)
 

Die Grafik zeigt sowohl beobachtete Veränderungen der globalen Oberflächentemperatur von 1900 bis 2020 im Vergleich zum Zeitraum von 1850 bis 1900 als auch projizierte Veränderungen von 2021 bis 2100. Diese Veränderungen stehen in Verbindung mit den Veränderungen der Klimabedingungen und den daraus resultierenden Auswirkungen. Sie verdeutlichen, dass sich das Klima bereits verändert hat und sich im Laufe des Lebens von drei repräsentativen Generationen (geboren 1950, 1980 und 2020) weiter verändern wird. Die zukünftigen Projektionen der globalen Oberflächentemperatur für den Zeitraum von 2021 bis 2100 werden für verschiedene Treibhausgasemissionsszenarien dargestellt. Diese Szenarien reichen von sehr niedrigen Emissionen (SSP 1–1,9) bis hin zu sehr hohen Emissionen (SSP 5–8,5). Die Veränderungen der jährlichen globalen Oberflächentemperaturen werden in Form von „Klimastreifen“ präsentiert. Dabei zeigen die zukünftigen Projektionen die langfristigen Trends, die durch menschliche Einflüsse verursacht werden, sowie die fortlaufende Modulation durch natürliche Variabilität. Die verwendeten Muster der natürlichen Variabilität basieren auf beobachteten Ebenen vergangener Variationen.

Die Farben auf den Symbolen der Generationen in der Grafik repräsentieren die Klimastreifen der globalen Oberflächentemperatur für jedes Jahr. Die Segmentierung auf den zukünftigen Symbolen differenziert mögliche zukünftige Erfahrungen. Die Informationen in der Grafik stammen aus verschiedenen Quellen und Abschnitten des IPCC-Syntheseberichts (2.1, 2.1.2, Abbildung 2.1, Tabelle 2.1, Abbildung 2.3, Querschnitts-Box.2, 3.1, Abbildung 3.3, 4.1, 4.3).

letzte Änderung: 27.06.2013