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Auf die Weltmeere entfällt gut 70 Prozent der solaren Einstrahlung und fast 90 Prozent der Windenergie.

Ein Ozean voller Energie

Auf die Weltmeere entfällt gut 70 Prozent der solaren Einstrahlung und fast 90 Prozent der Windenergie. Sie halten damit den größten Teil der globalen Ressourcen an erneuerbaren Energien bereit. Jochen Bard, Leiter der Abteilung Umwandlungsverfahren am Kasseler Institut für Solare Energieversorgungstechnik, berichtet über die Möglichkeiten zur Stromerzeugung mit Meeresenergie.

(8. September 2008) Allein in Form von Wind, Wellen und Strömungen bergen die Ozeane ein Energiepotenzial, das etwa 300-mal so groß ist wie der Primärenergieverbrauch der ganzen Welt. Technisch und wirtschaftlich lassen sich aus heutiger Sicht jedoch nur Bruchteile davon nutzen. Das Potenzial schrumpft auch dadurch, dass es gerade entlang der Küsten vielfältige konkurrierende Nutzungen gibt. Darüber hinaus darf der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht die Meeresökosysteme gefährden. Dies schränkt insgesamt die Flächen für eine nachhaltige Nutzung der erneuerbaren Energie erheblich ein.

3056 Kraft einer Welle

Energieausbeute: Bis zu einem Megawatt auf 25 Meter Wellenkammlänge

Wellenreiten einmal anders

So schätzen europäische Studien das weltweite technische Erzeugungspotenzial der Wellenenergie auf 11.400 TWh jährlich. Nachhaltig lassen sich davon etwa 2.000 TWh pro Jahr nutzen, also mehr als zehn Prozent des heutigen Strombedarfs. Allein die europäischen Küsten könnten technisch 770 TWh pro Jahr erzeugen. Etwa 20 Prozent davon gelten als wirtschaftlich nutzbar.

Es liegt in der Natur der Wellenbewegung - einfach ausgedrückt laufen die Wasserteilchen auf einer Kreisbahn - dass die Stromerzeugung mithilfe von Wellenkraft eine echte Herausforderung ist. Die Leistung von Wellen ist aber enorm: Auf offener See kann eine Anlage, die auf 25 Metern Breite die Energie von Wellen einfängt, eine mittlere Leistung von einem Megawatt erreichen. An der Küste sind die Leistungen in der Regel deutlich kleiner.

Es gibt eine Vielzahl von Konzepten und Ideen zur Nutzung von Wellenenergie. Die wichtigsten Wandlungssysteme lassen sich in drei unterschiedlichen Bauformen zusammenfassen. Dies sind
• sogenannte OWC-Systeme mit schwingender Wassersäule (oscillating water column), mit Wasser oder Luft als Arbeitsmedium für eine Turbine;
• überspülte schwimmende oder ortsfeste Reservoirs, in die Wellen über eine Rampe einlaufen. So entsteht eine kleine Fallhöhe, die konventionelle Wasserturbinen antreibt.
• sowie punktförmige Absorber, die durch ihre Bewegung mit den Wellen einen mechanischen Antrieb für einen Generator darstellen.

Die Erwartungen an die Entwicklung der Wellenenergie in den kommenden Jahren sind hoch. Der weltweit erste Wellenenergiepark mit drei Anlagen vom Typ Pelamis mit je 750 Kilowatt geht in Kürze vor Portugal in Betrieb. Die Anlage besteht aus schwimmenden Systemen mit beweglichen Gliedern, das an eine Seeschlange erinnert. In Spanien und Portugal sind weitere Parks im Megawattbereich mit sogenannten Punktabsorbern geplant. Großbritannien will in einem speziell ausgewiesen Bereich der Nordsee einen Netzanschluss mit einer Kapazität von 20 Megawatt für die Installation von Wellenenergiewandlern (sogenannte "Wavehubs") bereitstellen.

Vom Strömen zum Strom

In Küstennähe treten unter anderem durch die Gezeiten starke Meeresströmungen auf, die sich ebenfalls zur Energiegewinnung nutzen lassen. Dabei gibt es zwei Konzepte, die sich wesentlich unterscheiden. Zum einen werden große "Tidenbarrieren" vorgeschlagen, die so in einer Meerenge errichtet werden sollen, dass das gesamte Wasser durch die Rotoren strömen muss. Das erste Gezeitenkraftwerk wurde 1967 an der Atlantikküste in der Mündung der Rance bei Saint-Malo in Frankreich erbaut: Das Wasser strömt in ein Staubecken, in dessen Staudamm Turbinen eingebaut sind. Technologisch mit der Windenergienutzung vergleichbar sind demgegenüber Meeresströmungsturbinen, deren frei umströmte Rotoren allerdings etwa nur 20 Prozent der Strömungsenergie des Wassers nutzen.

Das internationale Forschungsprojekt SEAFLOW realisierte ein Konzept für die kommerzielle Nutzung von Meeresströmungen zur Stromerzeugung. Eine Anlage mit etwa 300 Kilowatt Nennleistung ging im Juni 2003 vor der Britischen Westküste (Bristol Channel, North Devon) in Betrieb. Seit April 2008 läuft ein erster Prototyp für eine kommerzielle Anlagentechnik in der nordirischen Meerenge bei Strangford - übrigens mit Förderung durch das Bundesumweltministerium und Technologie aus Deutschland. Die Anlage arbeitet mit zwei nebeneinander angeordneten Rotoren und besitzt eine Gesamtleistung von 1,2 Megawatt. Sie könnte etwa 300 Haushalte mit Strom versorgen.

Seit dem Jahr 2002 läuft im Rahmen des italienischen ENERMAR-Projektes eine schwimmende 60 kW-Versuchsanlage in der Straße von Messina. Das norwegische "Blue Concept Projekt" ging mit einem dreiflügeligen Rotor mit 20 Metern Durchmesser im September 2004 im Kvalsund-Fjord nahe der Stadt Hammerfest an das Stromnetz. Auch in China, Korea, Kanada, USA und Großbritannien laufen zurzeit Pilotanlagen mit Leistungen von etwa 50 bis mehreren hundert Kilowatt.

Strom durch Meersalz: Osmose

Ein ganz anderes Verfahren zur Energieerzeugung nutzt den sogenannten osmotischen Druckes, der an Flussmündungen aufgrund des unterschiedlichen Salzgehalts zwischen Süß- und Meerwasser herrscht. Diese Technologie befindet sich aber noch im Labormaßstab. Weltweit ist nach Angaben von Voith Siemens Hydro an Flüssen mit einem Volumen von über 500 Kubikmeter pro Sekunde theoretisch eine Leistung von etwa 730 Gigawatt erreichbar, beziehungsweise etwa 2.000 TWh pro Jahr als nachhaltiges Potenzial.

Auch Deutschland beteiligt sich

Insgesamt befinden sich von Neuseeland bis Norwegen weit über 100 Projekte in der Realisierungsphase. In vielen Fällen steht der Anlagenbau aber noch aus. Es bleibt fraglich, ob die Mehrzahl heutiger Projekte überhaupt realisiert wird. Die Investitionen sind jedoch erheblich: Allein in Europa werden aktuell etwa 250 bis 300 Millionen Euro in die Entwicklung und den Bau von Meeresenergieanlagen investiert. Auch Deutschland beteiligt sich. Etwa 25 Anlagen- und Komponentenhersteller aus dem Bereich der Windenergie oder Wasserkraft beliefern internationale Projekte. Die vier großen Stromkonzerne in Deutschland haben sich ebenfalls an entsprechenden Projekten beteiligt. Sie rechnen damit, dass sich dieser Zweig zu einer Exporttechnologie entwickelt, die langfristig weltweit einen nennenswerten Beitrag zu einer nachhaltigen Energieversorgung leistet.

Technologie mit Startproblemen

Auf dem Weg zur Markteinführung sind aber auch die kommerziell viel versprechenden Ansätze auf Unterstützung angewiesen. In vielen Fällen treiben junge und kleine Unternehmen die Entwicklung voran. Neben den technischen und wirtschaftlichen Risiken stehen die betroffenen Firmen dann vor dem Problem, mit ihren installierten Pilotanlagen einen "Return of Investment" zu erreichen. Mit einzelnen Prototypen lässt sich nicht ohne weiteres die für große Investitionen erforderliche Reife der Technologien erzielen und nachweisen.

Daher müssen differenziertere Strategien zum Durchbruch verhelfen. Heute sind vor allem Betriebserfahrungen mit den neuen Anlagen notwendig, um die Verfügbarkeit zu verbessern und wirtschaftlich sinnvolle Lebensdauern nachzuweisen. Entscheidend sind dabei die richtigen Förderinstrumente wie zum Beispiel der Britische Marine Renewables Deployment Fund, der die Installation von Demonstrationsanlagen mit bis zu neun Millionen Pfund je Technologie fördert. Daneben gibt es in Großbritannien und Portugal Ansätze, in geeigneten Meeres-gebieten potenzielle Standorte für Wellenkraftanlagen auszuweisen und dem Projektentwickler einen kostenlosen Netzanschluss anzubieten. Damit sind die Bau- und Betriebsgenehmigungen stark vereinfacht und die relativ hohen Netzanschlusskosten für die zunächst noch überschaubar kleinen Testinstallationen ent-fallen. Dies könnte in Kombination mit geeigneten Einspeisevergütungen nach dem Vorbild des deutschen Energieeinspeisegesetzes den nötigen Impuls für den Markteintritt der Meeresenergietechnologien liefern.

Fazit

Die Nutzung vorwiegend küstennaher und aus heutiger Sicht technisch erreichbarer Meeresflächen ergibt unter Berücksichtigung von Wellen, Strömungen und Osmose ein weltweit nutzbares Potenzial von insgesamt etwa 5.000 TWh pro Jahr. Theoretisch lassen sich also damit knapp ein Drittel des Weltstrombedarfs decken. Angesichts des starken Handlungsdrucks, den der Klimawandel ausübt, und der dramatischen Kostenentwicklung für fossile Energieträger sind nur noch solche Technologien zukunftsträchtig, deren Markteintritt in Sicht ist und deren Kosten mit denen der Windkraft und Solartechnologien langfristig konkurrieren können. Die Meeresenergie ist zumindest ein aussichtsreicher Kandidat.

3056 Wellenkraftwerk

Zehn Prozent des Weltstrombedarfs lassen sich durch Wellenenergie decken.

letzte Änderung: 14.12.2015