Wirtschaftsminister Dr. Rhiel fordert 80 Euro Preisabschlag für Gas
- Hessisches Wirtschaftsministerium leitet kartellrechtliche Untersagungsverfahren gegen 12 Gasunternehmen in Hessen ein.
(1. Juli 2005) Hessens Wirtschaftsminister Dr. Alois Rhiel hat heute zwölf hessische Gasunternehmen aufgefordert, Preisabschläge bei ihren Gaspreisen vorzunehmen. Das Hessische Wirtschaftsministerium habe gegen diese zwölf Gebietsmonopolisten kartellrechtliche Untersagungsverfahren wegen des Verdachts missbräuchlich hoher Gaspreise eingeleitet, sagte Dr. Rhiel und stellte fest: "Die Überprüfung der aktuellen Gaspreise sowie die Auswertung der Stellungnahmen der Gasunternehmen haben ergeben: Die Gaspreise sind überhöht. Die Gasversorger missbrauchen ihre Monopolstellung zu Lasten der Kunden, die derzeit keine Chance haben, zu billigeren Anbietern zu wechseln. Die Preisüberhöhungen reichen bis zu 19 Prozent. Die geforderten Preisabschläge würden einen durchschnittlichem Gaskunden im Reihenhaus um 77 Euro pro Jahr entlasten, für ein Einfamilienhaus würde die Gasrechnung um 82 Euro verringert."
Der Minister erklärte weiter: "Falls die Unternehmen sich im nun begonnenen rechtsförmlichen Kartellverfahren weiter weigern, Preisabschläge freiwillig vorzunehmen, dann müssen sie noch in diesem Sommer mit Untersagungsverfügungen, die Preisabschläge anordnen, rechnen. Falls die Gebietsmonopolisten gegen die Untersagungsverfügungen vor Gericht zögen, ist zu erwarten, dass Untersagungsverfügungen erst nach Gerichtsverfahren und frühestens im kommenden Jahr wirksam werden. Wenn allerdings das zuständige Oberlandesgericht Frankfurt die geforderten Preisabschläge bestätigt, werden Preisabschläge rückwirkend gelten. Die Gaskunden hätten dann Anspruch auf Rückzahlungen ab dem in der Verfügung benannten Datum im Jahr 2005, zu dem die Abschläge angeordnet würden."
Die kartellrechtlichen Untersagungsverfahren betreffen folgende Gasunternehmen:
Butzbach: Energieversorgung Butzbach GmbH Frankfurt: Mainova Aktiengesellschaft Friedberg: Stadtwerke Friedberg Gelnhausen: Main-Kinzig-Gas GmbH Haiger: Stadtwerke Haiger Hanau: Stadtwerke Hanau GmbH Herborn: Stadtwerke Herborn GmbH Rüsselheim: Gasversorgung Rüsselsheim GmbH Wetzlar: enwag energie- und wassergesellschaft mbH Wetzlar: Gasversorgung Lahn-Dill GmbH Wiesbaden: Gaswerksverband Rheingau AG Wiesbaden: ESWE Versorgungs AG
Nach Ansicht des Wirtschaftsministers haben die zwölf Gasunternehmen in ihren bisherigen Stellungnahmen die Preisunterschiede zu billigeren Anbietern nicht rechtfertigen können. Höhere Preise seien nur mit Kosteneinflüssen zu begründen, so Dr. Rhiel, die "nicht durch unternehmerische Fehlentscheidungen, sondern durch objektiv vorhandene ungünstige Verhältnisse im Versorgungsgebiet verursacht sind. Beispiele wären unterschiedlichen Kosten des Gasleitungsbaus." Die Preisabschlagsforderungen sind nach der Höhe des Gasverbrauchs in fünf Gruppen gestaffelt:
1. Für Kleinverbraucher (4.652 kWh pro Jahr, wenn z.B. Gas nur zum Kochen, nicht aber für die Heizung genutzt wird) soll die Gasrechnung um 14,6 Prozent oder knapp 43 Euro pro Jahr sinken (Durchschnitt der zwölf Gasunternehmen).
2. Bei einem Haushalt mit geringem Gasverbrauch (20.817 kWh pro Jahr, Reihenhaus) soll die Gasrechnung durchschnittlich um 8,2 Prozent oder 77 Euro pro Jahr sinken.
3. Im Fall eines Haushalts mit höherem Gasverbrauch (34.000 kWh pro Jahr, Einfamilienhaus) wird ein Preisabschlag von durchschnittlich 5,7 Prozent gefordert, wodurch die jährliche Gasrechnung um 82 Euro verringert wird.
4. Im Fall eines großen Gasverbrauchs (92.233 kWh pro Jahr, 6-Familienhaus) beträgt der geforderte Preisabschlag 3,6 Prozent oder 136 Euro pro Jahr.
5. Im Fall eines sehr großen Gasverbrauchs (150.854 kWh pro Jahr, 12-Familienhaus) soll die Rechnung um 3,3 Prozent oder 199 Euro pro Jahr sinken.
Dr. Rhiel erläuterte, dass sich die geforderten Preisabschläge auf das Energiepreisniveau bezögen, das seit April 2005 gelte. Die eingeleiteten Maßnahmen sollten diejenigen örtlichen und regionalen Versorger zu Korrekturen zwingen, deren Preisniveau deutlich über ein Niveau hinausragten, das unter Wettbewerbsbedingungen zu erwarten sei. Dazu diene der unternehmensübergreifende Vergleich mit den Preisen der Stadtwerke Bad Vilbel als durchschnittlich günstigstem Anbieter. Die Preisabschläge bei den 12 Gasunternehmen würden bewirken, dass deren Preise maximal um fünf Prozent über dem Niveau des derzeit günstigsten Anbieters liegen.
Dr. Rhiel: "Wenn es gelingt, die geforderten Preisabschläge durchzusetzen, entlasten sie die Energieverbraucher. Sie belassen den Konsumenten mehr Geld im Portemonnaie und helfen den Unternehmen, weil sie die Energiekosten am Produktionsstandorts Hessen begrenzen. Kein anderes Bundesland tritt so konsequent für eine Verminderung der Energiekosten ein wie Hessen. Bereits der im Rahmen unserer Gaspreisüberprüfungen im April 2005 erreichte Verzicht auf Preisanhebungen bei 19 hessischen Gasunternehmen bewirkte, dass sich ein vierköpfiger Durchschnittshaushalt pro Jahr Kosten von 70 Euro spart."
Sollte es aufgrund des anhaltenden weltweiten Preisauftriebs für Gas und Öl zu weiteren Steigerungen der Einkaufspreise der Gasversorger kommen, könne das kartellbehördliche Einschreiten möglicherweise keine absoluten Preissenkungen erreichen. Dr. Rhiel: "Den weltweiten Trend am Energiemarkt können landeskartellrechtliche Verfahren natürlich nicht stoppen. Aber sie leisten einen Beitrag, um überhöhte Anstiege zu verhindern. Es darf nicht zugelassen werden, dass einzelne Versorger die Situation nutzen, die eigenen Preise monopolistisch zu überhöhen."
In diesem Zusammenhang wies Dr. Rhiel auf den "relativ geringen Umfang" der Kosten hin, die kartellrechtlich überprüft werden könnten: "Lediglich die vom örtlichen Gasunternehmen selbst verursachten Kosten dürfen überprüft werden." Nicht überprüft und beeinflusst werden können die Kostenbestandteile aufgrund gestiegener Gasimportpreise, hoher Netzentgelte für den Ferntransport durch Gasleitungen und hoher Öko-Abgaben, erinnerte Dr. Rhiel und sagte: "Diese Input-Kosten sind der landeskartellrechtlichen Überprüfung entzogen. Steigerungen bei diesen Einstandskosten können die Gasunternehmen weitergeben an den Endverbraucher - dies müssen wir leider selbst dann hinnehmen, wenn die Mutterkonzerne der örtlichen Gasunternehmen dabei dicke Gewinne einstreichen."
Dr. Rhiel erklärte weiterhin: "Kartellrechtliche Missbrauchsverfahren sind zwar ein bekanntes Instrument der Wettbewerbspolitik, doch in Monopolmärkten wie dem Gasmarkt mit fundamentalem Wettbewerbsversagen im Leitungsbereich kein ausreichendes Instrument zur Vermeidung von Monopolmissbrauch." Der Minister betonte, dass das Wirtschaftsministerium lediglich nachträglich Missbrauchsverfahren durchführen dürfe: "Im Unterschied zu den Stromtarifen für Haushaltskunden, die erst nach Genehmigung der Länderwirtschaftsministerien gültig werden, gibt es im Gasmarkt keine gesetzliche Regelung für eine Vorabkontrolle der Gaspreise. Das Kartellrecht erlaubt es nur, nach umfassenden Untersuchungen festgestellte Missbrauchstatbestände von marktbeherrschenden Gasanbietern zu untersagen."
Dr. Rhiel unterstrich: "Nötig war und ist eine Vorab-Regulierung der Entgelte für die Gasleitungen, wie sie auf Vorschlag Hessens im neuen Energiewirtschaftsgesetz verankert wurde. Bis das neue Energiewirtschaftsgesetz wirkt, nutzen wir selbstverständlich die wenigen Möglichkeiten des Kartellrechts zur nachträglichen Kontrolle des bisherigen Endpreisniveaus, wenngleich die gesetzlichen Handlungsspielräume eng sind. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowie die Verfahrensvorschriften billigen den Gasunternehmen hier umfassende Rechte zu."
Zugleich warnte der Minister vor zu optimistischen Erwartungen an kurzfristige Erfolge, sollte es zu Rechtsstreitigkeiten kommen. Bereits die Verfahrensvorschriften des Kartellrechts erzwängen einen gewissen Zeitbedarf; weitere Einwendungen der betroffenen Versorger könnten die Verfahren verzögern. Sollten Versorger gegen Entscheidungen der Kartellbehörde Rechtsmittel einlegen, werde der weitere Gang der Verfahren und insbesondere die Verfahrensdauer durch das Gericht bestimmt.
Ferner erläuterte Dr. Rhiel, dass gemäß dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nur Gasunternehmen, die ausschließlich in Hessen tätig sind, von der Landeskartellbehörde überprüft werden dürfen. Damit fielen in Hessen vier Gasunternehmen - EAM in Kassel, Süwag in Frankfurt, Entega in Darmstadt und die EVL in Limburg - grundsätzlich in die Zuständigkeit des Bundeskartellamts.
Die Preisstruktur im hessischen Gasmarkt werde vom Hessischen Wirtschaftsministerium weiter genauestens beobachtet. Dr. Rhiel: "Es ist nicht ausgeschlossen, dass die jüngst angekündigten Preissteigerungen hessischer Gasunternehmen im kommenden Jahr zu weiteren Preisüberhöhungen führen, die kartellrechtliche Preisüberprüfungen erfordern, falls sich Anhaltspunkte für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ergeben." Dr. Rhiel betonte abschließend: "Ich bin aber weiterhin bereit,, einvernehmliche rechtskonforme Lösungen mit den Versorgern zu erarbeiten, die dem Kundenschutz dienen und gleichzeitig gerichtliche Auseinandersetzungen vermeiden." Der Minister erläuterte die bisherigen Schritte und das geplante Verfahren wie folgt:
1. Das Hessische Wirtschaftsministerium hatte im Januar 2005 eine Gaspreisabfrage bei allen hessischen Gasversorgern durchgeführt. 19 Unternehmen, deren Preise am 01. Februar 2005 um mehr als 10 Prozent über denen der günstigsten Anbieter lagen, sind im Februar 2005 "abgemahnt" worden. Drei weitere kamen im April 2005 hinzu. Sie wurden damit - seinerzeit noch nicht rechtsförmlich - aufgefordert, ihre Preise zu senken oder zu rechtfertigen. Dies stellt ein in der Praxis der Kartellbehörden übliches Verfahren dar.
2. In intensiven Gesprächen haben die 19 von Abmahnungen betroffenen Versorger der Kartellbehörde im März 2005 die Zusage gemacht, ihre Preise trotz inzwischen gestiegener Bezugskosten am 01. April 2005 nicht zu erhöhen.
3. In den Monaten April, Mai und Juni 2005 ist auf der Basis eines zum Preisstand 01. April 2005 aktualisierten Vergleichs eine Überprüfung gebietsstruktureller Daten der betroffenen Versorger durchgeführt worden (z.B. Gasabsatz pro Kilometer Leitungslänge, pro Hausanschluss usw.). Zweck ist es, mögliche Kostenunterschiede bei der Belieferung der Haushaltskunden aufzudecken. Weitere Stellungnahmen der Versorger wurden ausgewertet.
4. Nunmehr werden erstmals rechtsförmliche Schritte - kartellrechtliche Untersagungsverfahren wegen des Verdachts missbräuchlich hoher Gaspreise - gegen 12 teure Versorger eingeleitet. Entsprechende Schreiben wurden gestern versandt. Damit ist die zweite Phase im laufenden Kartellverfahren begonnen worden. Aufgrund gesetzlicher Erfordernisse muss den Gasunternehmen noch einmal eine Frist zur Stellungnahme bis zum 22. Juli 2005 eingeräumt werden.
5. Im Lichte der neuerlichen Stellungnahmen wird das Wirtschaftsministerium über abschließende kartellrechtliche Untersagungsverfügungen entscheiden. Diese würden auf der Basis des § 32 GWB ergehen. Nach dieser Vorschrift kann die Kartellbehörde ein Verhalten untersagen, das gesetzlich verboten ist. Verboten ist es, Preise zu fordern, die über denjenigen liegen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. (§ 19 GWB)
6. Falls von den Gasunternehmen gefordert, muss ein mündliche Verhandlung über die beabsichtigte Entscheidung anberaumt werden. Um eine mehrwöchige Verzögerung zu vermeiden, dringt das Ministerium auf einen einvernehmlichen Verzicht auf eine solche Anhörung. Untersagungsverfügungen können von den Gasunternehmen am Oberlandesgericht Frankfurt angefochten werden.