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ED 04/14 Bürgerprotest: Beispiel Lübeck (S.18)

Fernwärmesonderkündigung durch Versorger möglich?

Von Leonora Holling

(2. Mai 2023) Verträge im Fernwärmebereich wurden häufig bereits vor Jahrzehnten geschlossen. Auch wenn der aktuelle § 32 Abs. 1 der Allgemeinen Bedingungen für die Fernwärmeversorgung eine maximale Laufzeit von zehn Jahren mit einer Verlängerungsoption von weiteren fünf Jahren vorsieht, gilt dies doch nicht automatisch für Altverträge. Gerade in lang laufenden Verträgen sind häufig Preisänderungsklauseln enthalten, die einer Überprüfung durch die Gerichte nicht standhalten. Dies gilt insbesondere dann, wenn der für die Wärmeerzeugung tatsächlich genutzte Energieträger in der Klausel gar nicht abgebildet ist. Die Klausel kann auch unzulässig intransparent sein, wenn zwar der zutreffende Energieträger genannt ist, die Überprüfung einer konkreten Preisanhebung aber aufgrund objektiv nachprüfbarer Umstände ausscheidet. Wenn beispielsweise statt dem tatsächlich zum Einsatz kommenden Hausmüll Erdgas als Energieträger in der Formel eingestellt ist und die Klausel eine Preisanhebung aufgrund des gemittelten Wertes aller Rechnungen des Erdgaslieferanten über den Jahreszeitraum vorsieht, wäre die Richtigkeit der Preisanhebung für den Kunden objektiv nicht nachvollziehbar, da er kein Einsichtsrecht in die Jahresabrechnungen besitzt. Als Folge hiervon wären Preisanhebungen während eines laufenden Vertrags nicht möglich.

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Leonora Holling | Rechtsanwältin mit Kanzlei in Düsseldorf, erste Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher

Diese Unwirksamkeit der verwendeten Preisänderungsklausel hat jetzt Fernwärmeunternehmen dazu veranlasst, Sonderkündigungen der bestehenden Fernwärmeverträge auszusprechen. Gleichzeitig wird im Wege der Änderungskündigung dem Kunden ein neuer Vertrag mit wirksamer Klausel angeboten. Sollte dieser nicht unterzeichnet werden, wird mit Einstellung der Versorgung gedroht. Auch bei Annahme eines berechtigten Interesses des Fernwärmeversorgungsunternehmens an einer Weitergabe von steigenden Beschaffungskosten dürfte ein Sonderkündigungsrecht des Versorgers abzulehnen sein. Insoweit hat sich dieses nämlich an den bestehenden Vertrag zu halten und trägt bereits ab Vertragsschluss das Beschaffungskostenrisiko. Die Vorschrift des § 314 BGB, den Versorger gern als Begründung eines Sonderkündigungsrechts ins Feld führen, dürfte nicht einschlägig sein. Die Versorger legen nämlich gerade nicht offen, dass die fehlende Möglichkeit der Weitergabe von Beschaffungskosten sie in existentielle Schwierigkeiten bringt. Es werden nur allgemeine Floskeln als Begründung geliefert. Daher ist zu vermuten, dass diese Vorgehensweise der Optimierung der eigenen Marge dient. Mittelfristig ist zu erwarten, dass die Gerichte diese neue Problematik im Fernwärmebereich bewerten und entscheiden müssen.

letzte Änderung: 02.05.2023