Fernwärme
Fernwärmekunden sind der Preiswillkür ihres Versorgers nahezu schutzlos ausgeliefert. Denn die Fernwärmepreise werden lediglich sporadisch durch die Kartellbehörden und nicht durch den Wettbewerb kontrolliert: ein Anbieter- oder Brennstoffwechsel ist unmöglich. Das ist eine anachronistische und in unserer Gesellschaft einmalige Benachteiligung und Entrechtung der betroffenen Verbraucher.
Der Bund der Energieverbraucher e.V. hat Untersuchungen und Gutachten für Sie zusammengestellt unter bdev.de/fwmaterial
Die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts aus dem Jahr 2012 bietet weitere Informationen. bdev.de/fwkartellamt
Im Jahr 2016 hat die Verbraucherzentrale einen Praxisbericht: "Fernwärme und Verbraucherschutz" für das Justiz- und Verbraucherministerium erarbeitet und veröffentlicht. Link
Vor den Tricks vieler Fernwärmeunternehmen warnt Werner Siepe.
Fernwärme durch Wärmegenossenschaften
Die Wärmewende in Deutschland sollte nicht nur technisch, sondern auch sozial-ökonomisch innovativ gestaltet werden. Wärmegenossenschaften unterstützen die Gebäudeeigentümer und helfen die beste Heizungsoption zu finden, wenn Fernwärme vor Ort Vorteile bietet.
Von Martin Lohrmann
(14. Oktober 2024) Die Bundesregierung setzt stark auf den Ausbau der Fernwärmeversorgung, um bis 2045 eine treibhausgasneutrale Wärmeversorgung zu erreichen. Diese Pläne werden von etablierten Fernwärmeanbietern unterstützt, die auf hohe öffentliche Förderung und zusätzliches privates Kapital hoffen. Allerdings gibt es Misstrauen seitens der Gebäudeeigentümer und Verbraucher, da die Fernwärme ein lokales Monopol darstellt. Kritisiert werden eine intransparente Preisbildung und hohe Kosten sowie lange Fristen für die Dekarbonisierung.
Martin Lohrmann hat ein Ingenieurbüro in Bad Säckingen. Er hat zur Realisierung von rund 30 Wärmenetzen beigetragen, darunter in elf Genossenschaften und etlichen weiteren Bürgerenergieprojekten. Aktuell liegt sein Arbeitsschwerpunkt auf der Nutzung von Umgebungswärme für den Aufbau von Niedertemperaturwärmenetzen.
Dänisches Modell als Vorbild
In Dänemark ist Fernwärme als Teil der sozialen Daseinsvorsorge organisiert. Soweit Gewinne anfallen, werden sie an die Verbraucher rückvergütet. Die Infrastruktur gehört entweder den Kommunen oder den lokalen Fernwärmegenossenschaften. Damit wird eine Wärmeversorgung zu niedrigsten Kosten erreicht. Durch die Bildung von Wärmegenossenschaften könnte auch in Deutschland die Unterstützung für den Fernwärmeausbau viel stärker ausfallen.
Bürgerenergie in der EU
Über zwei Millionen Bürger engagieren sich EU-weit in Bürgerenergieprojekten (Energy Communities, EC). Europaweit gibt es Austausch- und Unterstützungsprojekte:
Wärmegenossenschaften
Durch Wärmegenossenschaften könnten günstige Fernwärmepreise erreicht werden:
- Selbstwirksamkeit: Das gemeinschaftliche Wirken der Gebäudeeigentümer stärkt das Selbstbewusstsein aller Beteiligten und die gesellschaftliche Zusammenarbeit.
- Hydraulische Optimierung: Vor Inbetriebnahme des Netzes unterstützt die Genossenschaft die Optimierung der Heizkreise in den anzuschließenden Gebäuden, was eine energieeffiziente Wärmegewinnung ermöglicht und Kosten senkt.
- Finanzielle Beiträge: Gebäudeeigentümer sind bereit, in gut geplante Projekte zu investieren, um sich langfristig niedrige Heizkosten zu sichern.
- Hohe Anschlussdichte: Diese senkt die Kapitalkosten pro Hausanschluss.
- Flexible Preisgestaltung: Genossenschaften können Preise flexibel anpassen und unterstützen Maßnahmen zur Wärmeeinsparung.
Herausforderungen und Empfehlungen
Von der Öffentlichkeit werden Wärmegenossenschaften in Deutschland kaum wahrgenommen. Es bedarf bewusster Entscheidungen der kommunalen Entscheidungsträger, solche Projekte gemeinsam mit den Gebäudeeigentümern zu realisieren. Stadtwerke könnten die technische und kaufmännische Betriebsführung anbieten. Das Eigentum an den Wärmenetzen muss bei den Gebäudeeigentümern liegen, um deren Kapital zu mobilisieren und niedrige Heizkosten zu gewährleisten.
Bürger gestalten die Wärmewende
Eine erfolgreiche Wärmewende kann auch hierzulande hohe Unterstützung finden, wenn sie nicht nur technisch und betriebswirtschaftlich, sondern auch sozial-ökonomisch und menschenbezogen geplant wird. Der Blick nach Dänemark zeigt, dass eine sozial ausgerichtete Fernwärmeversorgung dynamisch und erfolgreich sein kann.
Bürger-Energie Ebenweiler
Gelungenes Beispiel für eine Energie- beziehungsweise Wärmegenossenschaft ist die Bürger-Energie Ebenweiler (BEE). Entstanden ist die Genossenschaft aus einer Bürgerinitiative. Sie versorgt in der kleinen Gemeinde im Landkreis Ravensburg schon seit zwölf Jahren ihre Mitglieder mit regenerativer Nahwärme. Damit stärkt sie die lokale Wirtschaft und bietet eine kostengünstige und nachhaltige Wärmeversorgung.
Preispoker bei Fernwärmeverträgen
Während Energieverbraucher zunehmend sensibler auf Preiserhöhungen reagieren und die Arbeitspreise von Wärmelieferanten mit anderen Energieträgern vergleichen, haben Gerichte in den vergangenen Jahren immer wieder Preisänderungsklauseln kassiert. Wärmelieferanten versuchen nun verstärkt über den Grundpreis auf ihre Kosten zu kommen.
Von Leonora Holling
(29. November 2021) Den Bund der Energieverbraucher erreichen zunehmend Anfragen von Mitgliedern, denen ihr Versorger ein vermeintlich gutes Angebot macht. Ganz offensichtlich hat die Wärmebranche inzwischen erkannt, dass VerbraucherInnen steigende Preise bei der Wärmebelieferung kritisch beleuchten und nicht mehr bereit sind, ungerechtfertigt überteuerte Preise zu zahlen. Wenn Ihnen aber Ihr Wärmeversorger das Angebot modifizierter Fernwärmebezugsverträge mit niedrigeren Arbeitspreisen unterbreitet – oder Ihnen gar eine Änderungskündigung ausspricht, dann ist höchste Vorsicht vor einer Falle geboten.
Eine unzulässige Arbeitspreis-Preisänderungsklausel aus alten Tagen – für Verbraucher nicht zu durchschauen und an Preisfaktoren gekoppelt, die mit der tatsächlichen Wärmeversorgung nichts zu tun hat.
Preisänderungsklauseln
In der Vergangenheit waren die Preisänderungsklauseln für den Arbeitspreis pro Kilowattstunde (kWh) häufig leicht zu beanstanden. Entweder stellte die Preisänderungsklausel nicht auf den tatsächlich verwendeten Wärmeträger, sondern auf Faktoren mit höheren Preissteigerungen ab, war vollkommen unverständlich formuliert – oder im schlimmsten Fall sogar beides. Reihenweise kassierten Gerichte Preisänderungsklauseln aus den genannten Gründen. Klagen von Energieverbrauchern gegen Preissteigerungen hatten vor diesem Hintergrund überwiegend Aussicht auf Erfolg.
Grundpreis, die sichere Nummer
Die Wärmelieferungsbranche regiert nunmehr verstärkt auf mit dem Angebot neuer Verträge, die bezüglich der Preisgestaltung die Arbeitspreise senken, dafür Grundpreise in den Fokus nehmen und nicht selten um weitere Serviceentgelte oder Dienstleistungspreise erweitern. Der „Grundpreis“ ersetzt dabei nicht selten einen bisherigen „Leistungspreis“, einen „Investitionspreis“ oder ähnlichen Preisbezeichnungen. Wahrscheinlich versucht die Versorgerseite hier mit dem Begriff des Grundpreises eine möglichst wenig angreifbare Einnahmequelle zu etablieren. Der Vorteil des Begriffes Grundpreis ist nämlich, dass nicht überprüfbar ist, was diesen ausmacht. Auch die Frage, wie die Wärme tatsächlich erzeugt wird, spielt hier keine Rolle mehr. Anders als beim Arbeitspreis dürfte es bei einem Grundpreis auch zulässig sein, auf Faktoren mit hohen Teuerungsraten abzustellen. Gerne genommen sind hier beispielsweise die Tarifentgelte von Lokomotivführern. Selbst ein Wärmeversorger, der kostenfrei verfügbaren Abfall verbrennt, darf hier gute Einnahmesteigerungen über die kommenden Jahre erwarten.
Energiesparen zwecklos
Ein weiterer Vorteil für die Versorger besteht bei einer Preisverlagerung vom Arbeitspreis auf einen Grundpreis zudem darin, dass Energieverbraucher durch ihr Verbrauchsverhalten nur noch sehr begrenzt Einfluss auf die Höhe ihrer Jahresrechnung nehmen können. Selbst die Investition in eine bessere Wärmedämmung von Gebäuden berechtigt den „Allgemeinen Bedingungen für die Fernwärme“ (AVBFernwärmeV) zu Folge nicht zur Reduzierung der Anschlussleistung und damit des Grundpreises. Egal, wie sparsam Energieverbraucher sind, egal wie viel Hausbesitzer in die Energieeffizienz von Gebäuden investieren: Die Rechnung bleibt hoch und der Versorger hat eine sichere Einnahme. Dabei wird die maßgebliche Anschlussleistung meist allein durch das Fernwärmeunternehmen vorgegeben, ohne dass hier ein Verhandlungsspielraum eingeräumt wird. Die vorgegebene Anschlussleistung muss seitens des Versorgungsunternehmens nur dann reduziert werden, wenn nachweislich eine Eigenversorgung mit erneuerbaren Energieträgern erfolgt. Ansonsten verbleibt es, im schlimmsten Fall unabhängig vom tatsächlichen Bedarf, bei der vereinbarten Wärmeleistung.
Drum prüfe, wer sich bindet
Energieverbraucher sollten wissen, dass sie sich mit der Unterzeichnung einer Vertragsänderung oder eines neuen Wärmelieferungsvertrages mit Verlagerung von Kosten auf einen Grundpreis über die nächsten Jahre sicheren Preissteigerungen ausliefern. Hiergegen nach Unterzeichnung vorzugehen, dürfte sehr schwierig werden. Deshalb rät der Bund der Energieverbraucher dazu, sich vor der Unterzeichnung langjähriger Verträge stets rechtlich beraten zu lassen und sich nicht von vermeintlich günstigeren Preisen pro Kilowattstunde blenden zu lassen.
Netzausbau wider Willen?
Von Leonora Holling
(2. Dezember 2020) Verträge über die Nutzung von Grundstücken zum Zwecke der Verlegung von Fernwärmeleitungen unterliegen keinen spezialgesetzlichen Regelungen. Vielmehr muss zwischen dem ausbauenden Fernwärmeunternehmen und dem Eigentümer, über dessen Grundstück die Leitung gelegt werden soll, ein individueller Vertrag geschlossen werden. Vielerorts lässt sich jedoch beobachten, dass neue Wohnbauprojekte zunehmend durch einen zwingenden Anschluss an eine Fernwärmeversorgung gekennzeichnet sind und entsprechende Gestattungen eine Bedingung zum Erwerb des Eigenheims gehören.
Neue Wärmenetze werden hingegen zumeist über öffentlichen Grund verlegt, sodass die Möglichkeit zum Wärmenetzausbau mit der Zustimmung oder Ablehnung der örtlichen Kommune steht oder fällt. Bisher wurde angenommen, dass Kommunen als Grundstückseigentümer über eine marktbeherrschende Stellung aufgrund ihres gesetzlichen Wegemonopols verfügen. Daher wurde bisweilen die Auffassung vertreten, dass Fernwärmeunternehmen gegenüber Kommunen einen kartellrechtlichen Anspruch auf Abschluss eines solchen Gestattungsvertrages aus § 19 und § 33 GWB besitzen.
Dies hat das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) mit Urteil vom 26. März 2020 (Az. 2 U 82/19) relativiert. Das OLG kommt zu dem Schluss, dass die Kommunen nicht verpflichtet sind, Wegenutzungsrechte für Fernwärme anzubieten. Dies folge daraus, dass § 46 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) für Fernwärme nicht gelte. Nicht diskutiert hat das OLG, ob das Wegemonopol der Kommunen eine kartellrechtliche Verpflichtung nach sich zieht, eine Gestattungsmöglichkeit ausschreiben zu müssen. Dies dürfte jedoch in der Praxis scheitern, da wohl kaum mehrere Fernwärmeunternehmen an einem Standort in Wettbewerb treten wollen. Auch im Hinblick auf Artikel 14 Abs. 4 der EU-Energieeffizienz-Richtlinie, dass die Mitgliedsstaaten angemessene Maßnahmen zu ergreifen haben, um eine Infrastruktur für effiziente Fernwärme und Fernkälteversorgung aufzubauen, erscheint diese Auffassung des OLG kontraproduktiv.
OLG Rostock und BGH beschäftigten sich mit dem sogenannten Ausbeutungsmissbrauch bei Fernwärme
Netze nicht marktbeherrschend
Von Leonora Holling
(23. November 2020) Das OLG Rostock hat am 5. März 2020 geurteilt, dass Fernwärmeunternehmen keine marktbeherrschende Stellung innehaben, da der Kunde sich stets zwischen Fernwärme und anderen Heizsystemen entscheiden kann (Az. 16 U 1/18). Zudem gebe es, so das Gericht, bei Fernwärme einen echten Preiswettbewerb auf dem Wärmemarkt. Denn durch attraktive Preise zur Gewinnung von Neukunden würden auch Bestandskunden an diesen Preisgestaltungen teilhaben. Die Beratungspraxis vom Bund der Energieverbraucher zeigt entgegen der Annahme der Richter jedoch, dass in vielen Fällen Wärmenetzbetreiber mit jedem Kunden individuelle Tarife abschließen und Bestandskunden nur selten von Preissenkungen oder gar Neukundentarifen profitieren.
Auch der Bundesgerichtshof hatte sich jüngst mit Fernwärmepreisen im Hinblick auf einen sogenannten Ausbeutungsmissbrauch zu beschäftigen (Az. KZR 110/18). Dazu verglich der Kartellsenat die Preise eines in Verdacht geratenen Fernwärmeversorgungsunternehmens mit den Preisen anderer Versorger. Dies beachtet jedoch nicht die vielfältigen Faktoren der Preisgestaltung. Hier geht es etwa um die Brennstoffe, Einbindung externer Wärmequellen und Verteilung der Wärme. Außerdem müssen sich die Fernwärmeversorger im Wettbewerb der Heizsysteme behaupten. Verbraucher sind daher gut beraten, sich vor Anschluss an ein Fernwärmenetz genau über die zu erwartenden Wärmekosten zu informieren und sich diese durch den Anbieter individuell bestätigen zu lassen.
Die Politik lässt die Energiewirtschaft auf allen Ebenen gewähren.
Stiefkind des Verbraucherschutzes
In großen Städten wohnen 70 Prozent aller Verbraucher zur Miete. Zwischen Versorgungsunternehmen und Vermieter sind ihre Handlungsmöglichkeiten gering. Besonders betroffen sind häufig Mieter in fernwärmebeheizten Wohnungen. Die Politik lässt die Energiewirtschaft auf allen Ebenen gewähren. Es ist an der Zeit, dass mit mehr Verantwortung für den Klimaschutz auch wieder politische Steuerungsinstrumente genutzt werden.
Von Gunhild Duske, Lübeck
(24. April 2007) - Zu den kommunalen Klimaschutzmaßnahmen gehört besonders in Ballungsgebieten die Förderung der Fernwärme. Um viele emissionsreiche Einzelfeuerungsanlagen wirtschaftlich zu ersetzen, ist eine hohe Anschlussdichte erforderlich. So lassen sich 20 bis 30 Prozent der durch Heizen verursachten Emissionen einsparen.
Glückliches Flensburg
Die günstigsten Fernwärmepreise bei einer Anschlussdichte von über 90 Prozent hat Flensburg. Bereits 1969 begann man dort mit dem Ausbau des Versorgungsnetzes. Das stadteigene Kraftwerk wurde 1971 zum Heizkraftwerk mit 170 Megawatt elektrischer und 800 Megawatt thermischer Leistung umgebaut. Vier Reserveheizwerke garantieren die Versorgungssicherheit. Unmengen von CO2-, Staub- und anderen Emissionen sind während mehr als 30 Jahren vermieden worden. Dieser Erfolg für den Klimaschutz ist einer vorausschauenden Planung und einer vernünftigen, maßvollen Preispolitik zu verdanken.
Glückliches Flensburg: Günstige Fernwärmepreise und hohe Anschlussdichte.
Fernwärme förderungswürdig
Damit sich umweltfreundliche Fernwärme durchsetzen kann, muss sie kostengünstig sein. Die Besteuerung von Heizkosten sollte sich an deren Umweltverträglichkeit orientieren. Fernwärme verdient daher einen reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Für eine geringere Besteuerung spricht Folgendes:
- Raumwärme ist Teil der Daseinsvorsorge.
- Wärmelieferung ist eine Dienstleistung.
- Wärmelieferungen sind fast ausschließlich regionale Monopole.
Aber:
- Es ist keine Preisregulierung durch Wettbewerb verschiedener Anbieter möglich.
- Es gibt bislang keine Preisaufsicht für Fern-/Nahwärme. Nicht einmal die Landeskartellbehörden kümmern sich um Fernwärmepreise, obwohl dies zu ihrem gesetzlichen Auftrag gehört.
Die zu beheizenden Gebäude sollten einen guten Dämmstandard haben (+/- 150 kWh/m2) oder aber vor dem Anschluss an Fernwärme nachgedämmt werden. Denn diese Heizform ist je Kilowattstunde teurer als Öl oder Gas. Schlechte Dämmung ist deshalb ein unbezahlbarer Luxus. Ein kommunaler Anschluss- und Benutzungszwang ist durch örtliche Satzung nur für Neubaugebiete zulässig.
Öffentliche Preiskontrolle unabdingbar
Für die Fernwärme muss eine langfristige Preisbindung und -kontrolle sichergestellt werden (Negatives Beispiel: Böblingen). Die Preisbildung sollte transparent sein und öffentlich kontrolliert werden. Die Preisänderungsklauseln müssen den neuesten gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Die Verbrauchsabrechnungen sollten für die Mieter übersichtlich und nachvollziehbar gestaltet sein. Bei extrem hohen Heizkosten müssen die Stadtwerke eine "Plausibilitätsprüfung" vornehmen. Der Vermieter muss durch den Abrechnungsservice feststellen lassen, ob Ablesefehler vorliegen. Eine Energieberatung hilft dabei, das Verbrauchsverhalten der Betroffenen zu optimieren. Bei ungünstiger Lage der Wohnung im Gebäude sollte in bestimmten Wohnungen die Grundmiete gesenkt werden (Grafik).
Fernwärme im sanierungsbedürftigen Wohnungsbestand
Der Wohnungsbestand in Städten mit großen Kriegsschäden und/oder hoher Flüchtlingszuwanderung nach 1945 (z. B. Lübeck) hat schlechte bis miserable Wärmedämmung, also hohe Verbräuche (bis zu 290 kWh/m2) bei der Raumheizung. Meist gehören diese Miethäuser/Siedlungen großen Wohnungsbaugesellschaften, neuerdings zunehmend auch "Heuschrecken". Diese sind bekanntermaßen nicht an energiesparenden Investitionen - sondern an der nackten Rendite interessiert.
Mieter können keine baulichen Veränderungen vornehmen. Die Risiken einer Innendämmung (Holzverschalung, Thermotapeten etc.) sind noch nicht lange und vor allem nicht allgemein bekannt: Bauschäden und Schimmelbefall mit erheblichen gesundheitlichen Folgen! Mieter können praktisch nur durch rationales Heizen und kontrolliertes Lüften ihre Wärme-Verbräuche mindern. Das aber auch nur in den engen Grenzen, die durch die bauliche Substanz und die Lage der Wohnung im Gebäude gezogen sind. Wessen Wohnung im Erdgeschoss über einer ungedämmten Kellerdecke, im Dachgeschoss unter einem ungedämmten Bodenraum oder an der Nordost-Seite des Gebäudes liegt, der wundert sich, wenn er bei gleicher Größe der Wohnung doppelte oder dreifache Heizkosten hat wie ein anderer Mieter etwa im ersten oder zweiten Stock in einer innenliegenden Wohnung im gleichen Haus (Grafik).
Je nach Lage einer Wohnung im Gebäude ist der Heizenergieverbrauch unterschiedlich.
Die hohen Kosten können sie nicht senken, egal was sie tun. Denn durch den Umlageschlüssel ("Grundkosten": Verbrauchskosten) der Kosten für die gesamte Liegenschaft im Verhältnis von 50:50, seltener 40:60 oder 30:70 wird ein großer Teil der Heizkosten nach Quadratmetern umgelegt und nur die verbleibenden 50/ 60/70 Prozent nach den Verbrauchseinheiten. Durch vernünftiges Heizverhalten können Mieter nur zwölf Prozent bis maximal 20 Prozent der Kosten beeinflussen (vgl. Adolf Krohn).
Contracting
Nicht zu verwechseln mit dem sinnvollen Einspar-Contracting ist das Anlagen-Contracting oder Betriebsführungs-Contracting auf dem Wärmemarkt. Das ist vor allem ein einträgliches und dauerhaftes Geschäft. Der Versorger (Contractor) sichert sich oft sogar per Grundbucheintrag dauerhaft seine Rechte. Mit Geschick gelang es den Stadtwerken Lübeck, von den großen Wohnungsunternehmen per Contracting die Beheizung der Wohnblocks übertragen zu bekommen. Die längst abgeschriebenen, zum Teil rettungslos veralteten Heizzentralen wurden "outgesourced". Erneuerung und/oder Umrüstung übernahmen die Stadtwerke.
Eine "win-win"-Situation? So scheint es! Natürlich gibt es auch dabei Verlierer, nämlich die Mieter, die zum Beispiel in Lübeck innerhalb von zwei Jahren 100 bis 200 Prozent höhere Heizkosten hatten ("Lübecker Fernwärmeschock 2002!"). Doch so paradox es klingt: Auch an dieser Stelle war das Klima der größte Verlierer. Die Fernwärmeversorgung wurde für die Verbraucher unattraktiv. Viele Mieter glaubten, "… die Fernwärme ist schuld an der Kostenexplosion!" Tatsächlich war es die Preispolitik der Stadtwerke nach deren Privatisierung im Jahr 2000.
Der Weg zum gerechten Preis
Die "Preisfrage" lautet: Wie kommt man zu einer gerechten Preis-Bildung? Welche Modelle einer Staffelung des Fernwärmepreises sind sozial gerecht? Könnte ein Wärme-Pass, der bei jeder Neuvermietung einer Wohnung dem Mietvertrag beizufügen wäre, das Problem lösen? Das setzt allerdings voraus, dass die Mieter die begrenzten Einspar-Potenziale kennen und auch nutzen können. Zudem ist erforderlich, dass sie ihre Rechte als Verbraucher kennen und auch den Mut haben, sie zu nutzen, dass sie gegen undurchschaubare Abrechnungen und intransparente Preisbestimmungen Widerspruch einlegen. Das geschieht zum Beispiel indem sie sich Hilfe und Unterstützung beim Bund der Energieverbraucher oder bei den örtlichen Verbraucherzentralen holen, dass sie sich mit Nachbarn zusammentun und ihre Rechnungen vergleichen, dass sie Nachbarn, Kollegen und Freunde informieren und ihnen Mut machen, es ihnen gleich zu tun.
Zusammenfassung
- Fernwärme/Nahwärme aus hoch effizienten Erzeugungsanlagen (Kraft-Wärme-Kopplung) dient dem Klimaschutz.
- Dicht besiedelte Wohngebiete ermöglichen eine hohe Anschlussdichte. Das macht die Fernwärme für den Versorger und damit auch für den Kunden wirtschaftlich. Vorbedingung sind gut gedämmte Gebäude.
- Maßvolle, transparente Preispolitik erhöht die Akzeptanz der Kunden und ermöglicht eine hohe Anschlussdichte.
- MieterInnen brauchen eine intensive Energieberatung, um ihr Heiz-Verhalten zu optimieren und die Kosten zu minimieren. Sie brauchen mehr Beratung über ihre Rechte als Verbraucher gegenüber Versorgern und Vermietern und Unterstützung dabei, diese Rechte auch mutig durchzusetzen.