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Der große Umschlag

Fallende Fördermengen heizen Ölpreise an

Die aktuellen Entwicklungen der globalen Ölmärktebestätigen die Kernaussagen der von Experten der Energy WatchGroup vorgestellten Erdöl-Studie

Fallende Fördermengen heizen Ölpreise an

(24. Mai 2008) Die aktuellen Entwicklungen der globalen Ölmärkte bestätigen die Kernaussagen der von Experten der Energy Watch Group vorgestellten Erdöl-Studie, einer umfassenden Analyse von Daten zur weltweiten Erdölförderung.

"Peak Oil ist jetzt. Die weltweite Ölförderung hat mit großer Wahrscheinlichkeit das Fördermaximum bereits überschritten und wird weiter zurückgehen. Dies ist die Hauptursache des steigenden Ölpreises. Die Hoffnung auf das Platzen einer angeblichen Spekulationsblase ist vergeblich", erklärt Dr. Werner Zittel, als Mitautor der von der Ludwig Bölkow Systemtechnik GmbH verfassten Studie auf einer Pressekonferenz der Energy Watch Group in Berlin. Bis zum Jahr 2030 könnte die weltweite Ölförderung auf die Hälfte zurückgehen. Wegen des zunehmenden Verbrauchs in den wenigen verbleibenden Erdöl exportierenden Staaten selbst, bedeutet dies, dass die auf dem Weltmarkt verfügbaren Ölmengen noch schneller abnehmen werden als die Förderung", so Zittel.

Dr. Josef Auer von der als eher konservativ bekannten Deutschen Bank Research stellt klar: "Wagt man einen längerfristigen Blick auf die Energieversorgung, liegt zumindest was das Erdöl betrifft die Zukunft schon hinter uns. Deshalb ist das Szenario vom Ende der fossilen Kohlenwasserstoffe kein Horrorgemälde pessimistischer Weltuntergangspropheten, sondern eine in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ernst zu nehmende Verknappungsperspektive. Vorausschauende Politiker, Unternehmenslenker und Ökonomen sollten sich jetzt auf diese Zeit vorbereiten, um die Übergänge möglichst effektiv gestalten zu können."

Axel Graf Bülow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Freier Tankstellen, richtet daher einen Appell an die Bundesregierung: "Die Biokraftstoffpolitik der Bundesregierung wird durch die derzeitigen Ölmarktrealitäten immer wieder links und rechts überholt. Es sollten aber schon unter dem Gesichtspunkt der Versorgungsabhängigkeit alle Anstrengungen unternommen werden, Biokraftstoffe nach vorn zu bringen. Investitionen sollten stärker in Energieeinsparung und in nachhaltig produzierte Biokraftstoffe fließen."

"Institutionelle Frühwarnsysteme haben versagt, mit drastischen Konsequenzen für die Industrie und Verbraucher. Die IEA und Mineralölkonzerne haben über Jahrzehnte die irreführende Botschaft ausgesendet, dass es auf sehr lange Sicht genügend Öl gäbe, die Preise niedrig blieben und angeblich keine Erdöl-Vermeidungsstrategien nötig seien. Dies hat sich als fataler Irrtum erwiesen. Wichtige Zeit ging verloren, die die Volkswirtschaften zur Vorbereitung auf die Erdölverknappung benötigt hätten.", sagte Hans-Josef Fell MdB, Sprecher für Energie- und Technologiepolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen. Der Politiker Fell findet dazu auch klare Worte: "Wer in der Politik nun die Senkung von Energiesteuern oder Subventionen wie die Erhöhung der Pendlerpauschale vorschlägt, ruft zu Subventionen in Brandbeschleuniger auf, da hier offensichtlich der Brand mit Benzin gelöscht werden soll. Weitaus ökonomischer und auch nachhaltiger wäre es, jetzt den Umstieg auf Erneuerbare Energien zu forcieren".

Dr. Aribert Peters, Vorsitzender des Bundes der Energieverbraucher, schätzt die Preiserhöhungen ab, die einem Förderrückgang folgen. Ein jährlicher Ölpreisanstieg zwischen 30 und 50 Prozent muss aufgrund vorliegender Studien angenommen werden, damit die Nachfrage sich dem abnehmenden Angebot anpasst. "Das wird die sozial Schwachen besonders hart treffen, die heute schon am Existenzrand leben". Peters empfiehlt: "Deutschland sollte sich nach dem Vorbild Schwedens möglichst schnell und gezielt von fossilen Brennstoffen verabschieden. Den sozialen Folgen sollte mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Eine minimale Menge an Strom und eine warme Wohnung gehören zum Existenzminimum."

Erdöl und damit Benzin, Diesel und Kerosin werden immer mehr zu Luxusgütern. Die privaten Haushalte und die Staatshaushalte der Importländer geraten unter Druck. Nach den Analysen der Energy Watch Group bieten auch Erdgas, Kohle und Uran keinen sicheren Ausweg aus der Erdölkrise. Da es sich um endliche Ressourcen handelt, deren Preise in der Vergangenheit schon bei den ersten Verknappungshinweisen stark stiegen. Mit ihrer Analyse entzieht die Energy Watch Group euphorischen Verfügbarkeitsspekulationen den Boden. Das "Prinzip Hoffnung" konservativer Energie-Player und Teilen des politischen Establishments wird sich nicht erfüllen. Die Zeit des billig verfügbaren Erdöls ist vorbei.

Veranstalter der Pressekonferenz ist die Energy Watch Group (EWG) Die EWG wurde auf Initiative internationaler Parlamentarier gegründet. Träger ist die Ludwig-Bölkow-Stiftung. In diesem Projekt analysieren unabhängige Wissenschaftler insbesondere ökonomische und technologische Zusammenhänge der Verfügbarkeit von fossilen und regenerativen Energien.

Die Ergebnisse der Untersuchungen

Russische Ölförderung rückläufig

Ein Drittel deutschen Öls kommt aus Russland

Russische Ölförderung rückläufig

(16. April 2008) Die Erdölproduktion in Russland hat ihren Höhepunkt erreicht. Die Warnung hat nicht irgendwer ausgesprochen, sondern der Vizechef des großen russischen Ölkonzerns Lukoil, Leonid Fedun.

Im vergangenen Jahr belief sich die Fördermenge in Russland auf 9,95 Millionen Barrel pro Tag. Einen höheren Betrag werde er "in diesem Leben" wohl nicht mehr sehen, sagte Fedun der "Financial Times". Mit anderen Worten: Ab jetzt geht es mit der Fördermenge bergab. Die Einschätzung sorgte an den Märkten für Unruhe. Der Ölpreis kletterte in New York auf ein neues Rekordhoch von mehr als 113 US-Dollar pro Barrel.

Russland ist der zweitgrößte Ölproduzent der Welt nach Saudi-Arabien. Doch ausgerechnet im ölreichen Westsibirien sei "die Phase intensiven Wachstums der Ölförderung vorüber", sagte Fedun dem Bericht zufolge. Dabei verglich er Russland mit Produktionsgebieten wie der Nordsee und Mexiko, wo die Ölförderung ebenfalls stark rückläufig ist.

Untermauert wird Feduns Warnung von aktuellen Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA). Demnach ist die russische Ölförderung in den ersten drei Monaten dieses Jahres bereits zurückgegangen, wie das "Wall Street Journal" berichtet.

Es ist das erste Mal in diesem Jahrzehnt, dass Russland weniger Öl produziert. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ging die Förderung um ein Prozent zurück. In den Jahren zuvor war die russische Ölproduktion zum Teil noch zweistellig gewachsen.

Das Problem der Russen: In die Ölförderung wird zu wenig investiert. In jüngster Zeit wurden private Firmen durch massive Staatseingriffe regelrecht abgeschreckt. Krassestes Beispiel war die Verstaatlichung des Ölkonzerns Jukos. Für Unruhe sorgte aber auch der Fall Shell: Das britisch-niederländische Unternehmen wurde gezwungen, die Hälfte seiner Anteile an einem großen Förderprojekt an der russischen Ostküste zu verkaufen. BP geriet ebenfalls unter Druck: Im vergangenen Monat verhaftete der Geheimdienst einen Mitarbeiter wegen angeblicher Industriespionage.

Russland ist der mit Abstand größte Erdöllieferant der Bundesrepublik und liefert etwa ein Drittel der insgesamt importierten Ölmengen.

Der große Umschlag

(14. September 2004) - Less Magoon, leitender Mitarbeiter des US Geological Survey hat in einem Poster im Jahre 2001 den "Big Rollover", den großen Umschlag beschrieben. Wir übersetzen hier das Interview, das auf dem Poster enthalten ist.
Geht uns bald das Öl aus?

Die Frage ist falsch. Die Frage ist, "Wann kommt der große Umschlag" (englisch "The Big Rollover ") ?

Was ist denn der "große Umschlag "?

Das ist der Zeitpunkt, zu dem die Nachfrage die Förderkapazität übersteigt.

Gab es schon einmal solche Umschläge in der Vergangenheit?

In kleinerem Maßstab durchaus. In den USA gab es den Umschlag im Jahr 1970. Können Sie sich noch an die langen Schlangen vor den Tankstellen im Jahr 1973 erinnern? Auch in der früheren Sowjetunion gab es diesen Umschlag im Jahr 1985. Der große Umschlag ist jedoch weltweit und nicht regional.

Bedeutet das, dass uns die Energie ausgehen wird?

Nicht ganz! Es bedeutet eine Verknappung der bequemsten Energieart, die unsere Flugzeuge, Züge und Autos bewegt hat! Bis heute haben auf den Märkten die Käufer das Sagen, aber nach dem großen Umschlag sind es die Verkäufer. Das Öl wird uns nicht ausgehen, aber es wird wertvoller werden.

1388 2432 Der große Umschlag

Grafik aus dem Poster des US Geological Survey

Sollten wir uns irgendwie auf den großen Umschlag vorbereiten?

Es ist ähnlich wie bei der Angst vor der Jahrtausendwende: darüber reden ... reden ... reden! Jemand hat einmal gesagt: "Du kannst ein Problem erst dann lösen, wenn du weißt, dass du eines hast ." Wenn die gegenseitigen Beschuldigungen hinter uns liegen, dann werden die wirklichen Lösungen von unseren kreativsten Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und Politikern kommen. Wir sind alle zusammen betroffen!

Wäre es nicht klüger, das Problem zu lösen, bevor uns der große Umschlag überrollt hat?

Absolut richtig! Es gibt nichts besseres, als zu planen und dies umzusetzen bevor die Ölverknappung beginnt. Wir können eine Situation, in der es nur Verlierer gibt umwandeln in eine Situation, in der es nur Gewinner gibt, wenn wir jetzt starten.

Wie sieht es mit Saudi-Arabien aus?

Saudi-Arabien könnte seine Förderung noch um drei Millionen Barrel täglich erhöhen. Je nach Nachfrage könnte das für ein paar mehr Jahre reichen.

Aber was ist dann? Werden unsere technischen Fortschritte uns künftig nicht so viel Öl neu finden lassen, wie wir verbrauchen?

Nein! Wir haben unglaubliche technologische Fortschritte gemacht. Aber wo nichts ist, kann auch nichts gefunden werden. In den vergangenen fünf Jahren haben wir 27 Milliarden Barrel jährlich verbraucht, aber nur drei Milliarden Barrel jährlich neu entdeckt. Wir konnten also nur einen Liter Öl ersetzen von neun verbrauchten Litern.

Wann wird denn nun der große Umschlag kommen?

Keiner kann das genau wissen. Die Prognosen liegen irgendwo zwischen den Jahren 2003 und 2020. Nahezu alle sind sich darüber einig, dass wir dies noch erleben werden und zwar möglicherweise schon sehr bald.

Wie sollen wir uns auf den großen Umschlag vorbereiten?

Dran bleiben. Wenn wir das Problem nicht bald erkennen und lösen, dann wird es uns sonst stark beuteln.

letzte Änderung: 13.10.2014