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Der faire Gaspreis Die Rechtslage ist nun klar: Die Preisanhebungen bei Sondervertrags-Gaskunden waren nahezu alle unberechtigt.

Der faire Gaspreis

Die Rechtslage ist nun klar: Die Preisanhebungen bei Sondervertrags-Gaskunden waren nahezu alle unberechtigt. Hundertausende von Verbrauchern haben in den vergangenen Jahren Preiserhöhung ohne Rechtsgrund bezahlt. Sie haben einen Rechtsanspruch auf Rückerstattung dieses Geldes. Sie sollten nun rasch dieses Geld zurückfordern und notfalls auf Rückzahlung klagen oder die laufenden Gaspreise entsprechend reduzieren: Also nur noch den "fairen" Gaspreis entrichten. 

(27. November 2008)

Viele Versorger unterliegen gerichtlich

Endlich gute Nachrichten für gebeutelte Verbraucher: Zahlreiche Gerichte lassen den Versorgern die überhöhten und unzulässigen Gaspreiserhöhungen nicht mehr durchgehen. In den letzten Wochen reihte sich eine freudige Botschaft an die andere: Im Verfahren um die Gaspreiserhöhungen der Oldenburger EWE AG hat das Landgericht Hannover den 67 klagenden Kunden Recht gegeben. Demnach ist die Gaspreiserhöhung vom September 2004 unwirksam.

Der Versorger habe nicht eindeutig auf die Vertragsbedingungen hingewiesen, so das Gericht. Die Rückforderungsansprüche der Kläger liegen im Schnitt bei 1300 Euro (Urteil vom 28. Oktober 2008 - Az: 21 O 104/06 ). Das Oberlandesgericht Oldenburg gab am 5. September 2008 im Berufungsverfahren um Gaspreiserhöhungen der Oldenburger EWE AG den 56 klagenden Verbrauchern Recht. Damit hoben die Richter ein gegenteiliges Urteil des Landgerichts Oldenburg auf (Urteil vom 5. September 2008 - Az: 12 U 49/07).

Das Urteil stellt fest: Im Sonderkundenbereich gelten die gesetzlichen Vorschriften über die Belieferung von Tarifkunden nicht. Fehlende Transparenz einer Preisanpassungsklausel kann weder durch ein Kündigungsrecht, noch durch die Billigkeitskontrolle oder ergänzende Vertragsauslegung kompensiert werden.

Die Berliner Gasag hat vor dem Kammergericht Berlin einen wichtigen Prozess um Gaspreiserhöhungen verloren (Urteil vom 28. Oktober 2008 - Az 21 U 160/ 06). Kunden der Gasag hatten vor drei Jahren wegen der elfprozentigen Preiserhöhung am 1. Oktober 2005 mit Unterstützung der Berliner Verbraucherzentrale eine Sammelklage eingereicht und vor dem Landgericht gewonnen. Das Urteil wurde jetzt durch den 21. Zivilsenat des Kammergerichts bestätigt.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschied im Verfahren gegen die Stadtwerke Dreieich. Es erklärte die Preisklausel, die den Gaspreis an den Ölpreis bindet, für unwirksam. . Das Landgericht Dortmund hatte am 18. Januar 2008 entschieden, dass der Versorger RWE Weser-Ems zu viel bezahlte Beträge zurückerstatten muss, weil die Preiserhöhungen ohne vertragliche Grundlage erfolgten (Az: 6 O 341/06).

Unberechtigte Preiserhöhungen

Im Kern drehen sich alle Gerichtsverfahren um die gleiche Frage: War der Gasversorger überhaupt zur Preiserhöhung berechtigt? Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofes hatte diese Frage in seinem Urteil vom 29. April 2008 (Az: KZR 2/07 ) bereits entschieden. Danach muss eine Preiserhöhung in einem Sondervertrag so vereinbart sein, dass sie den Kunden nicht unangemessen benachteiligt.

Was bedeutet das nun konkret für eine Preisanpassungsklausel? Dazu hat der achte Senat des BGH am 21. September 2005 eine Grundsatzentscheidung gefällt (Az VIII ZR 38/05). Im Urteil heißt es wörtlich: "Die Klausel darf nicht zu einer ausschließlichen oder überwiegenden Wahrung der Verwenderinteressen führen. Diese Schranke wird nicht eingehalten, wenn die Preisanpassungsklausel es dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne jede Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (...)"

Diesen Anforderungen an den Inhalt einer zulässigen Kostenelementeklausel hält eine Preisänderungsklausel unter folgenden Voraussetzungen nicht stand:

  • Wenn die Klausel die Preisänderung an die Entwicklung bestimmter Betriebskosten koppelt, die die Kunden nicht kennen und nicht in Erfahrung bringen können.
  • Wenn die einzelnen Kostenelemente im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kalkulation des Gaspreises nicht gewichtet sind.
  • Wenn eine Klausel Preiserhöhungen auch dann erlaubt, wenn nur einer der aufgeführten Kostenfaktoren steigt, die Gesamtkosten wegen eines Kostenrückgangs in anderen Bereichen aber gleich bleiben.

Erfolgreich geklagt hatte damals der Bund der Energieverbraucher e.V. gegen Preisanpassungsklauseln des Flüssiggasanbieters Scharr KG. In drei weiteren Entscheidungen hat der BGH seither diese Linie bekräftigt (VIII ZR 25/06 und III ZR 247/06 und III ZR 63/07).

Konsequenz: Überzahlte Gaspreise einbehalten

Wenn die Preiserhöhungen unwirksam waren, dann sind die Preise zu zahlen, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschluss galten. Dies ist der faire, also der gerichtlich anerkannte Gaspreis.

Dieser Preis kann sogar deutlich niedriger liegen als der Tarif, den der Verbraucher aufgrund seines Protestes unter Berufung auf § 315 des BGB zu zahlen bereit war. In jedem Fall muss der Versorger dem Kunden zu viel gezahlte Beträge erstatten. Das kann aber nicht nur für die Verbraucher gelten, die selbst gegen die Erhöhungen geklagt haben. Die ENSO zum Beispiel hatte nach dem BGH-Urteil den Protestkunden günstigere Tarife abgerechnet, nicht jedoch allen Kunden. Das ist jedoch eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung, die das Kartellrecht verbietet (GWB § 20 Abs. 1 und § 19, Abs. 1).

Dieses Gesetz gilt nicht nur gegenüber Unternehmen sondern, auch für Verbraucher. Deshalb hat Professor Kurt Markert, früherer Leiter der Energieabteilung des Bundeskartellamts, die zuständige Landeskartellbehörde in Dresden um ein Einschreiten gebeten. Der Bund der Energieverbraucher e.V. hat sich dieser Beschwerde angeschlossen.

So funktioniert der Protest

Es gibt einen raschen und unkomplizierten Weg für Verbraucher, ihr Geld zurückzuholen. Dazu kürzen Sie den fairen Preis um den Betrag, den sie in den in den vergangenen drei Jahren (Verjährungsfrist) zu viel bezahlt haben. Der Versorger darf die Gaslieferungen dennoch nicht einstellen, denn das Gesetz verpflichtet ihn zur Grundversorgung und überdies berufen sich die Kunden auf die fehlende Billigkeit nach § 315 BGB. Der Versorger kann den Sondervertrag zwar versuchen zu kündigen. Das ist aber rechtsmissbräuchlich, weil er sich dadurch nur seiner Verpflichtung zur Rückzahlung entziehen will. Man kann der Kündigung deshalb widersprechen und darauf bestehen, dass das Unternehmen weiter nach dem bisherigen Vertrag liefert.

Die Erfahrungen in der Praxis haben gezeigt, dass es ratsam ist, die Abschlagszahlung nicht auf Null zu reduzieren, sondern die "Rückerstattung" über einen längeren Zeitraum zu erstrecken. Verbraucher sollten und dies dem Versorger mitteilen. Verbleibende Zahlungsverpflichtungen sollten sie pünktlich erfüllen. Dem Versorger bleibt in dieser Situation nur die Klage gegen den Verbraucher. Aufgrund der derzeit sehr klaren Rechtslage und auch der vielen gleichlautenden gerichtlichen Entscheidungen gehen Experten davon aus, dass die Versorger davor zurückschrecken. Dennoch besteht ein gewisses Restrisiko. Trotz gefestigter Rechtsprechung kann es vorkommen, dass Gerichte den Versorgern Recht geben, ohne dass ein Einspruch möglich ist.

Der faire Gaspreis steht allen Sondervertragskunden zu, und zwar unabhängig davon, ob ein Verbraucher bislang schon Widerspruch eingelegt hat. Einzige Ausnahme: Verbraucher, die erst kürzlich zu einen günstigeren Tarif oder einem anderen Gasanbieter gewechselt haben, denn sie haben mit Abschluss des neuen Vertrags die neuen Preise akzeptiert.

Eine Frage des Vertrags

Grundversorgung oder Sondervertragskunde? Dieser Unterschied spielt für den Preisprotest eine entscheidende Rolle, denn nur für Sondervertragskunden muss eine Preisanhebung vertraglich vereinbart sein. Für Kunden der Grundversorgung gilt dagegen ein gesetzliches Preisanpassungsrecht. Unabhängig vom Vertrag können sich jedoch alle Verbraucher auf BGB § 315 berufen, wonach Preiserhöhungen der Billigkeit entsprechen müssen. Beim Strom sind fast alle Kunden in der Grundversorgung, beim Gas sind die Heizgaskunden meist auch Sondervertragskunden.

Drohgebärden der Versorger

Viele Versorger schreiben die Protestkunden an und drohen mit Gerichtsverfahren, wenn sie nicht binnen einer Frist bezahlen. Dabei berufen sich die Unternehmen regelmäßig auf das BGH-Urteil vom 13. Juni 2007, wonach Unternehmen gestiegene Bezugskosten an die Kunden weitergeben dürfen. Mit Formulierungen wie "Inzwischen hat der Bundesgerichtshof ein Urteil gefällt (...)" versuchen viele Versorger, den Anschein zu erwecken, als handle sich um ein neues Urteil, das sich auf das jeweilige Unternehmen bezieht.

Verbraucher sollten sich davon nicht einschüchtern lassen -- sie brauchen ein entsprechendes Schreiben nicht einmal zu beantworten. Anders verhält es sich, wenn der Versorger den Verbraucher in einen neuen Tarif eingruppiert. Dagegen sollten sich Verbraucher wehren oder zumindest schriftlich Widerspruch geltend machen. Langjährige Protestkunden, die bereits seit 2005 die Preise kürzen, brauchen starke Nerven, denn so mancher Versorger droht ihnen erneut mit einer Klage, sofern der Verbraucher nicht schriftlich auf die Geltendmachung der Verjährung verzichtet. Darauf sollten sich Betroffene nur einlassen, wenn unbedingt eine Klage vermieden werden soll, raten die Juristen des Bundes der Energieverbraucher e.V.

Bisherige Tarifkunden sollten ihre Jahresrechnungen und monatlichen Abschlagszahlungen auf die Preise kürzen, die sie zuletzt unwidersprochen gezahlt haben. Darüber hinaus sollten sie jeder weiteren Energiepreiserhöhung schriftlich widersprechen. Es gilt, besonderes Augenmerk auf die Abschlagszahlungen in der Jahresschlussrechnung zu richten. Teilweise verrechnen Versorger laufende Abschläge mit angeblichen Altforderungen aus den Vorjahren. Dahinter verbirgt sich eine unzulässige Aufrechnung mit gekürzten Beträgen des Vorjahres, der Verbraucher ausdrücklich widersprechen müssen.

letzte Änderung: 01.06.2018