Zur Kasse, bitte!
Zu viel für Strom, Gas oder Fernwärme bezahlt? Hier erfahren Sie, wie Sie sich Ihr Geld zurückholen können.
(8. April 2011) Jeder Versorger, der unberechtigt zu hohe Preise für Energiebezug verlangt und erhalten hat, muss diese Summe nun zurückzahlen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) bezeichnet dies als "ungerechtfertigte Bereicherung" und regelt dies in § 812.
Auch wenn die Preiserhöhung überzogen ist und der Versorger dadurch seinen Gewinn erhöht, dann ist die Erhöhung unzulässig. Er hat dann gegen die gesetzlich in BGB § 315 vorgeschriebene Billigkeit der Preiserhöhung verstossen.
Hat der Versorger die Preise erhöht, obwohl er dazu gar kein Recht hatte, dann kann man den zuviel bezahlten Betrag zurückverlangen, auch vor Gericht.
Alle Sondervertragskunden und alle Fernwärmeverbraucher können nach der jetzigen Rechtslage davon ausgehen, dass jedes bisher vertraglich vereinbarte Preisänderungsrecht ihres Versorgers unwirksam ist. Weiteres dazu hier.
Das gilt jedoch nicht zwingend auch für Tarifkunden, also die Kunden der Grundversorgung. Für sie muss im Streitfall ein Gericht gemäß § 315 Abs. 3 BGB den "billigen Preis" festsetzen. Erst so lässt sich klären, ob der Tarifkunde zu viel gezahlt hat. In diesem Artikel geht es daher in erster Linie um Sondervertragskunden.
Widerspruch wichtig?
Preiserhöhungen ohne vertragliche Grundlage sind unwirksam, auch wenn der Verbrauchen ihnen nicht ausdrücklich widersprochen oder seine Zahlungen unter Vorbehalt geleistet hat. Das hat der BGH eindeutig entschieden (Urteil vom 14. Juli 2010, VIII ZR 246/08, Tz 59): eine vorbehaltlose Zahlung kann nicht als stillschweigende Zustimmung zur Preiserhöhung angesehen werden.
Es versteht sich von selbst, dass dann praktisch fast jeder Sondervertragskunde einen Rückforderungsanspruch besitzt.
Die Versorgungsunternehmen rechnen mit Verbraucherrückforderungen und haben Rückstellungen in Milliardenhöhe gebildet. Lassen Sie dieses Geld nicht verfallen, es gehört Ihnen.
Drei Jahre Verjährungsfrist
Rückforderungsansprüche verjähren genau wie Nachforderungen des Energieversorgers binnen drei Jahren zum Jahresende. Das bedeutet, dass ein Verbraucher einen etwaigen Rückforderungsanspruch aufgrund einer Jahresrechnung von 2008 nach dem 31. Dezember 2011 nicht mehr erfolgreich gerichtlich geltend machen kann.
Nägel mit Köpfen machen
Wenn die Preiserhöhungen nichtig waren, dann gilt der Preis vor der Erhöhung weiter. Der Rückzahlungsanspruch errnet sich aus der Differenz zwischen gezahltem Preis und korrektem Preis, multipliziert mit der Verbrauchsmenge. Die entsprechenden Teilbeträge für jede Verbrauchsperiode und Preiserhöhungen müssen berechnet und addiert werden.
Wer einen Rückforderungsanspruch für sich errechnet hat, sollte seinem Versorger schriftlich Gelegenheit zur Rückzahlung zu geben. Wichtig ist es, die Höhe der Forderung zu nennen und eine Frist zu setzen, etwa einen Zeitraum von 14 Tagen. Unterlässt man dies, läuft man Gefahr, dass der Versorger den Anspruch im Prozess sofort anerkennt und man auf Gerichts- und Anwaltskosten "sitzen bleibt".
Zahlt der Versorger innerhalb der Frist nicht, sollte man seinen Anspruch umgehend gerichtlich geltend machen oder mit diesem Anspruch zukünftige Forderungen des Versorgers aufrechnen.
Anders sieht es bei Versorgern aus, die öffentlich erklärt haben, keine Rückzahlungen zu leisten, so etwa Regionalgas Euskirchen, EWE, ENSO oder GASAG: Hier kann man sich das Schreiben an den Versorger sparen und sollte direkt eine Klage einreichen.
Regionale Unterschiede
In einigen Regionen sind Rückforderungsklagen reine Selbstläufer, die man auch ohne anwaltliche Beratung selbst erledigen kann, so zum Beispiel bei der EWE oder Regionalgas Euskirchen. In anderen Regionen widerum haben Verbraucher kaum eine Chance, weil die Richter die BGH-Rechtsprechung ignorieren und eine Berufung nicht zugelassen wird.
Rechnung kürzen statt klagen
Statt den Versorger auf Rückforderung zu verklagen, können Sie - sofern Sie den Anbieter nicht gewechselt haben - auch Ihre Abschlagszahlungen kürzen und mit den in der Vergangenheit zu viel bezahlten Beträgen verrechnen. Teilen Sie dies einfach Ihrem Versorger mit. Wenn Sie allerdings mehr Energie verbrauchen, dann müssen Sie Ihre Abschläge entsprechend anpassen. Es empfiehlt sich dringend, die Abschlagszahlungen nicht völlig einzustellen, sondern stattdessen die Verrechnung über einen längeren Zeitraum zu strecken.
Musterschreiben
Zu Ihrer Unterstützung können Sie auch das nachfolgende Musterschreiben verwenden, um Ihren Versorger zur Rückzahlung zu veranlassen.
Download Musterschreiben für Rückforderung (Stand: 08.04.11)