ED 01/11
Mit zehn Prozent Aufwand gleicher Nutzen Aus dem gemessenen Verbrauch lässt sich die Energie-Effizienz eines Gebäudes einfacher, kostengünstiger und verlässlicher ableiten als aus theoretisch errechneten Bedarfskennwerten

Mit zehn Prozent Aufwand gleicher Nutzen

Aus dem gemessenen Verbrauch lässt sich die Energie-Effizienz eines Gebäudes einfacher, kostengünstiger und verlässlicher ableiten als aus theoretisch errechneten Bedarfskenn- werten. Die Beziehung zwischen beiden Verfahren liefert der bezogene Wärmeverlust H. Das von dena und Bauwirtschaft favorisierte Bedarfskennwertverfahren liefert unrealistisch hohe Einsparerwartungen bei Gebäudesanierungen.

(2. Januar 2005) - Die EU-Gebäuderichtlinie schreibt ab Januar 2006 Energiepässe für Gebäude vor. Wie das konkret auszusehen hat, bleibt jedem Land selbst überlassen. Dem Verbraucher muss ein Vergleich und eine Beurteilung der Gesamtenergie-Effizienz eines Gebäudes ermöglicht werden. Dafür kommen in Frage:

  • Gebäudetypologien
  • Verbrauchskennwert
  • Theoretische Bedarfsrechnungen

Derzeit gibt es für die Umsetzung des Energiepasses in deutsches Recht zwei Positionen:

  • die Position der Wohnungswirtschaft, die kostensparend mit bereits vorhandenen Verbrauchsdaten arbeiten will und
  • die Position von Bauwirtschaft und Deutscher Energieagentur (dena), die auf Bedarfswerte und aufwändige Berechnungsverfahren schwört.
Bedarfskennwerte

Die Bedarfsberechnungen bestimmen aus den Wandstärken, den Baumaterialien und den Gebäudemassen die Dämmwirkung der Gebäudehülle. Macht man zusätzliche Annahmen über den Nutzungsgrad der Heizung, das Klima und die Verbrauchsgewohnheiten, dann kann man daraus den Brennstoffverbrauch errechnen.

Die üblichen Berechnungsprogramme und darauf aufbauende Entwürfe für Energiepässe berechnen den zu erwartenden Brennstoffverbrauch nicht. Der Bewohner hat zwar eine Angabe, über die Energie-Effizienz und einen "Bedarfswert". Er weiß aber nicht, wie hoch sein Brennstoffverbrauch sein wird. Für Neubauten und Gebäudesanierung gibt es keine Verbrauchsmessungen - hier ist man auf Bedarfsberechnungen angewiesen.

Verbrauchskennwerte

Die Verbrauchskennwerte gehen vom tatsächlichen Brennstoffverbrauch aus und korrigieren diesen um die klimatischen Besonderheiten für die Verbrauchsperiode und die Region. In einem warmen Jahr verbraucht ein Haus in Freiburg weniger Brennstoff als das exakt gleiche Haus in Garmisch-Partenkirchen in einem kühlen Jahr. Will man die Energie-Effizienz des Hauses beurteilen, so müssen diese Einflüsse herausgerechnet werden, um zu einem vergleichbaren Ergebnis zu gelangen.

importiertes Content-Bild aus EW_IMAGES

Die Brücke: Bezogener Wärmeverlust H

Um die Brücke zwischen Bedarfs- und Verbrauchskennwerten zu schlagen, braucht man Daten über das Klima und die Verbrauchsgewohnheiten der Bewohner. Für Wirtschaftlichkeitsberechnungen von Energieeinsparmaßnahmen liefern Verbrauchswerte besonders vertrauenswürdige Informationen. Die Bedarfsberechnungen prognostizieren dagegen große Verbrauchsunterschiede zwischen Neubauten und bestehenden Gebäuden, obwohl die tatsächlichen Verbräuche häufig in der gleichen Größenordnung liegen.

Wirtschaftlichheits-Berechnungen errechnen Einsparungen, die praktisch weit geringer ausfallen. Darauf weisen Katrin Jagnow und Dieter Wolff in einem Fachbeitrag hin (E-A-V: "Energieanalyse aus dem Verbrauch", TGA Fachplaner 9-2004 Seite 26-33 und "Mit 10% Aufwand gleicher Nutzen", TGA Fachplaner 12-2004, Seite 50-52).

H aus Verbräuchen bestimmen

Jagnow/Wolff stellen ein einfaches Verfahren für die Bestimmung des bezogenen Wärmeverlustes H aus einfachen Messungen vor. Trägt man die aus dem monatlichen Brennstoffverbrauch errechnete Heizleistung über den Außentemperaturen auf, so ergibt sich eine Gerade. Die Steigung dieser Geraden entspricht der in allen neuen Normen verwendeten bezogenen Wärmeverlustleistung H in Watt pro Grad Kelvin. Diese Größe stellt die Brücke dar zwischen theoretischen bauphysikalischen Berechnungen zum Beispiel des dena-Verfahrens und empirisch gemessenem Verbrauch.

Dies ist, so Jagnow/Wolff, weder in Kreisen der Bautechnik noch der Heizungs- und Versorgungstechnik bekannt oder realisiert. Bei der Interpretation der Messdaten sind zusätzlich auch innere Wärmegewinne durch Personen und Gebäude sowie solare Einstrahlungsgewinne und Verluste durch Lüftung zu berücksichtigen.

Der normierte Heizwärmeverbrauch lässt sich durch einfach Multiplikation des bezogenen Wärmeverlustes mit den normierten Heizgradtagen errechnen. In Gebäuden mit Wärmemengenzählern lassen sich die benötigten Monatswerte ohne zusätzlichen Messaufwand auswerten. Der Wärmepass lässt sich als Zusatzdienstleistung von Heizkostenabrechnungsfirmen anbieten. Für Gebäude mit hohem Verbrauch und/oder bevorstehender Sanierung fordern Jagnow/Wolff die Installation von Öl- beziehungsweise Wärmemengenzählern zur Erstellung eines Wärmepasses.

Falsche Erwartungen durch unrealistische Randbedingungen

Die Gefahr von Bedarfskennwerten besteht in der Erweckung von teilweise unrealistisch hohen Erwartungen an Einsparungen. Die Baubranche könnte ein Interesse daran haben, die Randbedingungen des Rechenverfahrens entsprechend zu verhandeln.

Die nach der Energieeinsparverordnung errechneten Werte liegen oft geringer als der spätere tatsächliche Verbrauch. Nach dem dena-Verfahren für die Bedarfskennwerte liegen die Verbrauchswerte häufig unter den Bedarfswerten, begründet durch unrealistische Randbedingungen für die Bedarfsrechnung.

"Hoffentlich wird man nicht erst dann auf dieses Ergebnis aufmerksam, wenn sich aus den reinen Bedarfsrechnungen für eine Modernisierung Einsparungen ergeben, die höher als der vorher gemessene Verbrauch sind", schließt der Beitrag von Jagnow/Wolff.

letzte Änderung: 05.11.2018