ED 04/21 Windkraftzubau: NRW bremst Energiewende (S.19)

Archiv-News zur Windenergie bis 2006

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Windmüller klagen gegen E.on

(3. Juli 2006) Mehrere Windparkbetreiber in Schleswig-Holstein haben beim Landgericht Itzehoe Schadenersatzklagen gegen den Stromnetzbetreiber E.ON Netz eingereicht.

Windmüller klagen gegen E.on

(3. Juli 2006) Mehrere Windparkbetreiber in Schleswig-Holstein haben beim Landgericht Itzehoe Schadenersatzklagen gegen den Stromnetzbetreiber E.ON Netz eingereicht. Sie werfen dem Unternehmen vor, den ungeliebten Windstrom unter dem Vorwand technischer Probleme zu blockieren.

Im vergangenen Jahr seien die Windräder an etwa 40 windreichen Tagen für mehrere Stunden vom Netz genommen worden und dieses Jahr bewege man sich auf einen Ausfall von 15% hin, so der Bundesverband Windenergie (BWE). Das habe gravierende Folgen für die wirtschaftliche Grundlage von Windparks. E.ON Netz sieht möglichen Entschädigungsklagen gelassen entgegen. Die Abschaltung sei nötig, um die Leitungen bei einer Überproduktion an Windstrom vor Überhitzung zu schützen. Durch das Erzeugungsmanagement, also die Drosselung der Einspeisung bei Starkwind und voller Auslastung des Netzes, sichere man die Stabilität des Netzbetriebs bei maximaler Auslastung. Dadurch habe E.ON Netz den zusätzlichen Anschluss von mehr als 1000 MW Windstrom ans Netz ermöglicht.

Landkarte der Windgeschwindigkeiten: Genug Energie für alle Welt

(18. Mai 2005) Bei einer effektiveren Ausbeute würde die Windkraft ausreichen, um den weltweiten Bedarf an elektrischer Energie zu decken. Das geht aus einer Analyse von Messungen an 8000 Orten hervor.

Landkarte der Windgeschwindigkeiten: Genug Energie für alle Welt

(18. Mai 2005) Bei einer effektiveren Ausbeute würde die Windkraft ausreichen, um den weltweiten Bedarf an elektrischer Energie zu decken. Das geht aus einer Analyse von Messungen an 8000 Orten hervor. Zur besseren Nutzung des Windpotenzials haben Forscher der Stanford University in Kalifornien eine globale Karte erstellt, aus der die Orte mit den durchgehend höchsten Windgeschwindigkeiten abzulesen sind.

Als lukrativ gelten Winde, die in einer Höhe von 80 Metern über dem Erdboden wenigstens 6,9 Meter pro Sekunde vorankommen. Sie werden als Winde der Klasse 3 bezeichnet und sind an der Nordsee, der Südspitze Südamerikas, der australischen Insel Tasmanien und an den Grossen Seen im Norden der USA üblich. Die Winde müssten gezielter ausgebeutet werden als bislang, schreiben die Forscher. Der Bericht des Stanford-Teams um Cristina Archer und Mark Jacobson erscheint im "Journal of Geophysical Research-Atmospheres", wie der Herausgeber dieser Fachzeitschrift am Dienstag ankündigte. "Das wichtigste Ergebnis unserer Studie ist, dass das Potenzial für preisgünstige Windenergie grösser ist, als wir bisher angenommen hatten", sagt Archer.

Planung, Wind & Entgelte

(1. Mai 2005) - SPD und Grüne streiten zur Zeit über die Vereinfachung des Planungsrechts. Nach einem Gesetzentwurf von Verkehrsminister Stolpe wird das Planungsverfahren beim Infrastrukturausbau beschleunigt.

Planung, Wind & Entgelte

(1. Mai 2005) - SPD und Grüne streiten zur Zeit über die Vereinfachung des Planungsrechts. Nach einem Gesetzentwurf von Verkehrsminister Stolpe wird das Planungsverfahren beim Infrastrukturausbau beschleunigt. Mit kürzeren Klagewegen und weniger formalisierten Vorgaben für den Umgang der Behörden mit Einsprüchen sollen neue Verkehrswege und Stromleitungen bundesweit schneller geplant werden können. Stolpe verspricht sich eine zeitliche Verkürzung um 30%, weil es eine Klageinstanz weniger geben soll. Das Gesetz soll Anfang 2006 in Kraft treten.

Die Grünen befürchten, dass die Vereinfachung der Planungsverfahren auf Kosten der Bürgerrechte geht. Nach Ansicht des Verbandes der Netzbetreiber (VDN), Berlin, ist der neue Gesetzentwurf nur ein Mindestmaß. Der weitere Ausbau der Windenergie werde ohne vereinfachte Planungsverfahren für Netze nicht möglich sein. Die Netzbetreiber fürchten, dass sie wegen der Planungshemmnisse bei den bisher üblichen Freileitungen gezwungen sein könnten, künftig unterirdische Kabel zu verlegen. Diese seien zwar planungsrechtlich weniger problematisch, so der VDN, kosteten aber das Acht- bis Zehnfache. Dann drohe ein dramatischer Anstieg der Netzdurchleitungsentgelte.

Fliegende Windmühlen

(12. April 2005) - Nach einem "Spiegel"-Bericht könnten in 5000 m Höhe schwebende Windräder Strom für unter 2 Cent je kWh herstellen.

Fliegende Windmühlen

(12. April 2005) - Nach einem "Spiegel"-Bericht könnten in 5000 m Höhe schwebende Windräder Strom für unter 2 Cent je kWh herstellen. Erste Tests der University of Technology in Sydney mit fliegenden elektrischen Generatoren (FEG) seien erfolgreich verlaufen. Im Vergleich zu Windkrafträdern am Boden lasse sich die Effizienz teils verdreifachen, weil Höhenwinde weitaus zuverlässiger wehten. Gemeinsam mit der Firma Sky WindPower aus dem amerikanischen San Diego soll nun ein Prototyp über der kalifornischen Wüste getestet werden, die Genehmigung der Luftfahrtbehörden liegt vor. Bislang fehlen aber noch Investoren für das 3 Mio Dollar teure Projekt.

Strom im Norden jetzt zu 30 Prozent aus Windkraft

(25. Januar 2004) - Der Anteil der Windenergie am Stromverbrauch in Schleswig-Holstein ist im vergangenen Jahr auf fast 30 Prozent gestiegen.

Strom im Norden jetzt zu 30 Prozent aus Windkraft

(25. Januar 2004) - Der Anteil der Windenergie am Stromverbrauch in Schleswig-Holstein ist im vergangenen Jahr auf fast 30 Prozent gestiegen. Nach jüngsten Zahlen aus dem Wirtschaftsministerium sind im Norden derzeit 2608 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 2106 Megawatt in Betrieb. "Ich bin damit zuversichtlich, dass wir unsere Zielmarke erreichen und den Anteil der Windenergie am Gesamtstromverbrauch bis zum Jahr 2010 auf 50 Prozent erhöhen werden", sagte Wirtschaftsminister Bernd Rohwer (SPD) am Sonnabend der Deutschen Presse-Agentur (dpa). 2003 waren es noch gut 23 Prozent.

2004 wurden im Land 93 Anlagen mit einer Leistung von 168 Megawatt errichtet. Rohwer betonte aber, "dass im Rahmen eines zukunftsfähigen Energie-Mix auch andere regenerative sowie konservative Energien weiter gefördert und ausgebaut werden müssen". Auch volkswirtschaftlich schlug die Windenergie 2004 beachtlich zu Buche: Bei einer Vergütung von 8,7 Cent je Kilowattstunde lag die Wertschöpfung bei 339 Millionen Euro. Die Windenergiebranche beschäftigt im Land 4500 Menschen.

Der Ersatz vieler kleiner Windkraftanlagen durch wenige leistungsstärkere werde fortgesetzt, sagte Rohwer. So wurden im vergangenen Jahr 32 kleine Anlagen mit einer Leistung von 14,4 Megawatt abgebaut.

Wirkungsvolles Windrad

(20. September 2004) - Für eine Windkraftanlage an der norwegischen Küste hat Siemens einen getriebelosen Synchrongenerator mit einem Wirkungsgrad von 98% entwickelt.

Wirkungsvolles Windrad

(20. September 2004) - Für eine Windkraftanlage an der norwegischen Küste hat Siemens einen getriebelosen Synchrongenerator mit einem Wirkungsgrad von 98% entwickelt, der mit Hilfe von Permanentmagneten die Windenergie des Rotors ohne reibungs- und Wärmeverluste in Strom umwandelt. Dadurch läuft die Anlage bereits bei niedrigen Windgeschwindigkeiten oder kurzen Böen an.

Darüber hinaus benötigt der neue Generatortyp kein Getriebeöl. Die Anlage mit 3 MW Leistung auf dem Hundhammerfjell ist mit einem Rotordurchmesser von 87 m und einer Rotorturmhöhe von 80 m die weltweit größte mit einem getriebelosen Synchrongenerator.

Gut prognostizierbar

(14. Juni 2004) - Windböen und kurzzeitige Windänderungen haben keine negativen Auswirkungen auf das Verbundnetz. Denn sie mitteln sich über eine größere Zahl von Windkraftanlagen heraus (siehe Grafik).

Gut prognostizierbar

(14. Juni 2004) - Windböen und kurzzeitige Windänderungen haben keine negativen Auswirkungen auf das Verbundnetz. Denn sie mitteln sich über eine größere Zahl von Windkraftanlagen heraus (siehe Grafik). Moderne drehzahlvariable Windkraftanlagen können kurze Schwankungen als kinetische Energie zwischenspeichern. Langfristige Schwankungen der Windkraft im Jahresverlauf können im Kraftwerksverbund genauso ausgeglichen werden wie Schwankungen im Stromverbrauch.

Im Minuten- und Stundenbereich müssen Reserven für unerwartete Schwankungen der Windleistung vorgehalten werden. Je genauer die Windprognose, umso geringer ist der erforderliche Ausgleich. Je früher die genaue Windleistung bekannt ist, umso kostengünstiger können Leistungsschwankungen ausgeglichen werden.

Das ISET-Institut in Kassel hat sehr genaue Prognosemodelle unter der Bezeichnung "AWPT" (Advanced Wind Power Prediction Tool) entwickelt. Es stützt sich auf die Vorhersage der Windgeschwindigkeit durch den deutschen Wetterdienst und nutzt künstliche neuronale Netze zur Hochrechnung der Windleistung. Das AWPT ist bei E.on und RWE bereits im Einsatz.

Die Vorhersagegenauigkeit ist erstaunlich gut: Für den Folgetag wird eine Genauigkeit von über neunzig Prozent erreicht. Die Kurzzeitprognose von einer bis acht Stunden ist mit einem Fehler von nur sechs Prozent behaftet.

Streit im Spiegel

Im «Spiegel»-internen Streit um die Windenergie blieb ein Artikel ungedruckt, der heute Chefredakteur Aust bei der Verteidigung gegen Kritik an der mangelnden «inneren Pressefreiheit» des Magazins als Argument dient. Hier lesen Sie

Streit im Spiegel

Im «Spiegel»-internen Streit um die Windenergie blieb ein Artikel ungedruckt, der heute Chefredakteur Aust bei der Verteidigung gegen Kritik an der mangelnden «inneren Pressefreiheit» des Magazins als Argument dient. Die Netzeitung hat den Artikel dokumentiert.

(5. April 2004) - Die Netzeitung veröffentlichte heute einen Artikel von Gerd Rosenkranz und Harald Schumann, der in der Redaktion des «Spiegel» zum Eklat geführt hat. Der Artikel stammt aus dem Oktober 2003, damals ließ ihn die Chefredaktion des «Spiegel» nicht erscheinen. Im «Spiegel» vom 29. März 2004 erschien dann ein Artikel, dessen Tendenz sich klar gegen die Windkraft richtete. Schumann kündigte daraufhin nach mehr als 17 Jahren Redaktionsmitgliedschaft, in der «Spiegel»-Redaktion wurde Kritik an der Chefredaktion laut. Nachdem Chefredakteur Stefan Aust sich gegen Kritik aus seiner Redaktion verteidigte, indem er indirekt die Qualität des Artikels vom Oktober öffentlich in Zweifel zog, entschloss sich Schumann, den Artikel zur Dokumentation in der Netzeitung freizugeben. Die Fakten im Artikel waren aktuell zu dessen Recherchezeit im Frühherbst 2003. Inzwischen hat sich in Sachen Emissionshandel Wirtschaftsminister Clement durchgesetzt, beim Erneuerbare-Energien-Gesetz wurde die Windkraftförderung vor allem auf Offshore-Projekte konzentriert.

Von Gerd Rosenkranz und Harald Schumann Die Stromwirtschaft steht vor gewaltigen Umwälzungen: Ein Drittel des Kraftwerksparks muss erneuert werden - die ideale Gelegenheit für mehr Wettbewerb und Klimaschutz. Doch das Duopol von RWE und E.on blockiert mit aller Macht neue Konkurrenten aus der Wind- und Gaskraftbranche.

Ein Parkplatz, ein zweistöckiger Plattenbau, ringsum Felder und Strommasten - das Gebäude am Ende der Straße «Vor dem Nordwald« in Lehrte bei Hannover macht nicht viel her. Doch der Schein trügt.

Denn hier, in der »Hauptschaltleitung« der Firma E.on Netz, hat eine Handvoll Ingenieure die Macht über Chaos und Ordnung in Deutschland. Abgeschirmt hinter Sicherheitsschleusen und schusssicherem Glas steuern sie rund um die Uhr ein technisches Wunderwerk für 30 Millionen Stromkunden zwischen Flensburg und München: Die Stabilität der Stromversorgung.

Weil Elektrizität nicht speicherbar ist, muss jederzeit genau so viel ins Netz eingespeist werden, wie auch nachgefragt wird - für Techniker wie Markus Wallura, 36, »ein toller Job«. Im Takt von Millisekunden liefern über hundert Kraftwerke, Überlandleitungen und Unterverteiler die notwendigen Daten auf die fünf Bildschirme an seinem Arbeitsplatz.

Gleich ob ein Atomkraftwerk abgeschaltet wird, ob in der Halbzeitpause eines Länderspiels Millionen Kühlschränke anspringen oder ob auffrischender Wind ein paar tausend Windgeneratoren in Gang setzt: Die E.on-Techniker und ihre Mitstreiter in den anderen drei deutschen Stromleitstellen müssen die Schwankung ausgleichen. Mal fahren sie per Mausklick Wasserkraftturbinen binnen Sekunden hoch- und wieder runter, mal muss der Reservedampf eines Kohlemeilers schnell zu Strom gemacht werden, dann wieder erhält der Leiter des konzerneigenen Kraftwerksparks die Aufforderung, eines seiner Atomkraftwerke zu drosseln.

Noch vor drei Jahren, so berichtet der Meister der Strombalance, »war das eher langweilig«. Fast alles lief nach Plan, der Elektrizitätsbedarf der Massengesellschaft ist vorhersagbar und den Saft lieferten die E.on-Kraftwerke. Doch seitdem Strom europaweit wie eine Ware gehandelt wird und Wind-, Wasserkraft- oder Biogasanlagen Vorfahrt bei der Stromlieferung haben, ist alles anders. »Jetzt toben sich in unserm Netz alle möglichen Leute aus«, freut sich Wallura. »Nun ist immer was los, das macht es interessant.«

Das Oligopol der Konzerne steht in Frage

Doch was den Ingenieuren eine berufliche Herausforderung bringt, ist der Beginn eines tiefgreifenden Umbruchs in der deutschen Stromwirtschaft. Der wachsende Betrieb an den Arbeitsplätzen der Netzwächter signalisiert, dass erstmals das bisher unangefochtene Oligopol der Konzerne RWE, E.on, EnBW und Vattenfall in Frage in steht. Nicht nur aus dem politisch geförderten Boom für Windkraft- und Biogas-Anlagen droht ihnen der Verlust von Marktanteilen. Zugleich drängen Investoren, zum Teil aus dem Ausland, mit neuen Gaskraftwerken auf den deutschen Markt. Außerdem wollen große deutsche Industrie-Unternehmen mit eigenen Heizkraftwerken antreten, die neben der Prozesswärme für Chemieanlagen oder Schwimmbäder auch Überschussstrom ins Netz speisen.

All das trifft die Stromkonzerne zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt: Weil ihr Kraftwerkspark großteils veraltet ist, wird in den kommenden zwei Dekaden neue Kapazität im Umfang von 40.000 Megawatt Leistung benötigt, entsprechend der Größe von etwa 30 Atomkraftwerken der Brokdorf-Klasse.

Noch ist völlig offen, welche Akteure mit welchen Technologien den Totalumbau des jährlich mehr als 50 Milliarden Euro schweren Strommarkts umsetzen werden. Denn welche Technik künftig rentabel ist, hängt beinahe vollständig von den Rahmenbedingungen ab, die die Bundesregierung in den nächsten Monaten beschließen muss. Gleich mit drei Gesetzesvorhaben will Rot-Grün die energiepolitischen Weichen stellen, um die nötigen Milliardeninvestitionen in Gang zu setzen. Geregelt werden müssen

  • die Ausgabe und der Handel mit Emissionszertifikaten für Klimagifte, die ab 2005 EU-weit eingeführt werden und deren Preis vor allem darüber entscheidet, ob neue Braunkohlenkraftwerke mit ihren enormen Kohlendioxid-Emissionen in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben;
  • die künftigen Vergütungssätze für Strom aus erneuerbaren Energiequellen, von deren Höhe unter anderem der Bau geplanter Windkraftwerke auf dem Meer abhängt;
  • und die Einrichtung einer Regulierungsbehörde für den Wettbewerb in den Stromnetzen, der bisher häufig an den überhöhten Durchleitungsgebühren der Konzerne scheitert.
Frontlinie quer durch die Koalition

Die Reichweite und die Konsequenzen aller drei Vorhaben könnten kaum größer sein. Die Ausgestaltung der entsprechenden Gesetze werde «das Gesicht der Elektrizitätswirtschaft noch über die Mitte des Jahrhunderts hinaus prägen», erwartet Hans-Joachim Ziesing, Energieexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin.

Unvermeidlich hat sich daher ein Machtkampf zwischen den alten Strommonopolisten und ihren Konkurrenten und Kritikern entzündet, dessen Frontlinie quer durch die rot-grüne Regierungskoalition verläuft. Dabei verfolgen Umweltminister Jürgen Trittin und sein Dauerkontrahent Wirtschaftsminister Wolfgang Clement grundlegend verschiedene Strategien.

Geht es nach Trittin, wird Deutschland dem Zeitalter des Klimawandels mit einem Energiemix aus Wind-, Wasser- Biogas- und Erdgaskraft begegnen, der den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent senkt und den Herstellern der neuen Technologien eine weltweite Marktführung verschafft. «Es wird mehr Gaskraftwerke geben und mehr Strom aus erneuerbaren Energien», hofft der Umweltminister, «aber auch weiter eine beachtliche Zahl Kohlekraftwerke».

Clement dagegen hält jede grundlegende Veränderung des hergebrachten Energiemixes für eine «gefährliche Utopie». Er streitet für eine weitgehende Beibehaltung des alten Systems zentraler Großkraftwerke, betrieben von wenigen großen Konzernen, die sich im europäischen Wettbewerb behaupten können. Nur so lasse sich verhindern, dass Deutschland «Stromimportland» werde und seine technologische Führung bei den Kohletechnologien verliere, glaubt Clement.

Zwar weiß Trittin die Mehrheit der Abgeordneten in beiden Fraktionen der Koalition auf seiner Seite. Gleichwohl verfügt der Wirtschaftsminister bislang über die stärkeren Bataillone. Denn die Spitzenmanager der Konzerne RWE und E.on, die heute über 80 Prozent des Strommarktes halten, setzen die Schröder-Regierung massiv unter Druck - ganz im Sinne Clements.

Vor allem der Essener Stromriese RWE (Jahresumsatz 43,9 Milliarden Euro) hat viel zu verlieren und droht offen mit einem Investitionsboykott. Fundament und wichtigste Einnahmequelle des Konzerns sind die 18 Kraftwerke im rheinischen Braunkohlenrevier, die teilweise schon über drei Jahrzehnte in Betrieb sind und dringend erneuert werden müssen.

Dafür aber, so forderte kürzlich Finanzvorstand Klaus Sturany, müsse die Bundesregierung stabile Rahmenbedingungen schaffen. Klimaschutzziele, die über das - von Deutschland schon heute weitgehend erfüllte  Protokoll von Kyoto hinaus gehen, müssten mit «volkswirtschaftlichen Schäden» bezahlt werden. Halte die Bundesregierung daran fest, so Sturany, «dann investieren wir nicht». Prompt spricht auch Minister Clement, der sich schon als Regierungschef in Düsseldorf für die RWE-Braunkohle stark machte, vom «drohenden Investitionsstop». Sein Staatssekretär Georg Wilhelm Adamowitsch, ehedem selbst Manager bei den inzwischen von RWE geschluckten Vereinigten Elektrizitätswerken Westfalen (VEW), versprach schon mal, die Regierung werde den «Klimaschutz nicht im nationalen Alleingang» betreiben und auch den Netzbetrieb gewiss nicht «kaputt regulieren». Die Strombranche fordere zu Recht «Renditesicherheit für 35 Jahre».

Aber selbst wenn sie wollte, könnte die Regierung solche Garantien gar nicht abgeben. Niemand weiß heute, welche Richtung die Energiepolitik einschlagen wird, wenn die Konsequenzen des heraufziehenden Klimawandels weltweit spürbar werden. In Wahrheit dient die Drohkulisse der Stromer und ihres Ministers denn auch vor allem einem Zweck: Neue Wettbewerber klein zu halten.

«Marktbeherrschendes Duopol»

Dabei hatte doch eigentlich alles ganz anders kommen sollen. Als die Kohl-Regierung 1998 die EU-weit vorgesehene Liberalisierung des Strommarkts in Deutschland gleich stufenlos umsetzte, schien es zunächst, dass die alten Monopolisten der deutschen Stromwirtschaft nun endlich die Marktwirtschaft lernen müssten. Wo früher gesetzlich garantierte Gebietsmonopole den damals acht Verbundunternehmen exklusive Lieferechte und satte Preise sicherten, mussten sie nun plötzlich um die Abnehmer konkurrieren und ihre Stromnetze für die Durchleitung der Lieferungen ihrer Mitbewerber öffnen.

Die Alt-Monoplisten reagierten auf den verordneten Wettbewerb aber zunächst mit einer beispiellosen Fusionswelle. Aus der früheren Veba, deren Stromtochter Preußen-Elektra und dem Bayernwerk wurde die heutige E.on. Und die Essener RWE schluckten die VEW. Das "marktbeherrschende Duopol" wie es die Ökonomen der Monopolkommission der Bundesregierung nannten, kontrolliert nun vier Fünftel der gesamten Stromerzeugung. Den Rest teilen sich die schwedische Vattenfall, die den ostdeutschen Versorger Veag und die Hamburger Elektrizitätswerke kauften sowie die Energie Baden-Württemberg (EnBW), an der der französische Staatskonzern EdF einen Anteil von 34,5 Prozent hält.

Diese Konkurrenz muss das Duopol allerdings nicht fürchten. Denn es hält zugleich auch die Mehrheit bei 41 der 54 regionalen Verteilerunternehmen und an mehr als 130 Stadtwerken. Wer größere Marktanteile erobern will, kommt deshalb am Netz von E.on und RWE nicht vorbei. Genau an diesem Punkt hatte das Projekt Stromwettbewerb aber von Beginn an einen grundlegenden Konstruktionsfehler. Weder die alte Regierung noch die rot-grüne Koalition wagte es, die Machtbasis der großen Stromkonzerne anzutasten: Die Verfügung über das Verteilungsnetz. Anders als bei der Telekom , in deren Netz die eigens eingerichtete Regulierungsbehörde den Wettbewerbern freie Bahn schaffte, blieb es den Stromern und ihren industriellen Großkunden selbst überlassen, die Tarife für die Durchleitung von Strom festzulegen.

Das Ergebnis ist vernichtend und kommt die deutsche Volkswirtschaft teuer zu stehen. Zwar warben die Konzerne und zahlreiche kleinere Handelsunternehmen zunächst bundesweit mit Billigtarifen um neue Kunden und schickten die Preise auf Talfahrt. Furore machte vor allem die Karlsruher EnBW mit ihrer Billigmarke Yello, die fast eine Million Kunden fand.

Doch die Billiganbieter konnten ihre Preise nicht lange halten. Denn das neue Duopol nutzte konsequent seine Stromnetze, um durch überhöhte Gebühren den lästigen Wettbewerb abzustellen. So mussten Unternehmen, wie etwa der Hamburger Öko-Strom-Anbieter Lichtblick plötzlich für die Durchleitung ihres Produkts mehr als doppelt so viel bezahlen wie für die Stromerzeugung selbst. Zur Rechtfertigung der Wucherpraxis nutzten die Platzhirsche der Branche «alle Tricks, um dem Netz sachfremde Kosten zuzuordnen», beklagt Ulf Böge, Präsident des Bundeskartellamtes. So fanden Böges Beamte heraus, dass zum Beispiel die E.on-Tochter Teag in Thüringen sogar Werbemaßnahmen und Personalkosten dem Neztbetrieb zuschlug, die damit gar nichts zu tun haben. In mehreren Musterverfahren will Böge nun klären, ob er mit Hilfe des Kartellrechts die Gebühren drücken kann. Derweil sind die meisten unabhängigen Anbieter aber schon in Konkurs gegangen. Auch die EnBW-Firma Yello schreibt Millionenverluste. Und die Strompreise haben längst wieder das alte Niveau erreicht. Konnte sich ein dreiköpfiger Haushalt im Jahr 2000 noch für weniger als 41 Euro monatlich mit Strom versorgen, zahlt er dafür nun wieder über 50 Euro. Von dieser Steigerung entfällt nur etwa die Hälfte auf die Ökosteuer und andere staatliche Gebühren. Den Rest streichen die Konzerne ein. Trotz alledem sahen Ex-Wirtschaftsminister Werner Müller und sein Nachfolger Clement dem Treiben untätig zu. Erst als die EU-Kommission im Frühjahr ultimativ die Einrichtung einer Kontrollbehörde forderte, wie sie in den anderen EU-Staaten längst üblich ist, schwenkte Clement ein und sagte zu, der Regulierungsbehörde für Telekom und Post ab nächstem Jahr auch die Aufsicht über die Stromnetze zu übetragen.

Völlig offen ist allerdings, mit welchen Kompetenzen und nach welchen Kriterien die Behörde die Stromer an die Leine nehmen kann. Im Kern geht es dabei um die Höhe der Rendite, die den Betreibern zustehen soll. Weil der Netzbetrieb ohne jedes unternehmerische Risiko ist, hält etwa Kartellwächter Böge eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals knapp über dem Niveau von Bundessschatzbriefen für angemessen. Dieses Ansinnen weisen die Konzerne jedoch brüsk zurück. «Versorgungssicherheit gibt es nicht zum Nulltarif», erklärte E.on-Chef Bernotat rundheraus und verwies drohend auf die großen Stromausfälle in den USA und Italien infolge der dort schlecht ausgelegten Netze.

Kritiker wie die grüne Energiepolitikerin Michaele Hustedt verweisen dagegen auf die durchweg niedrigeren Netzentgelte in anderen EU-Staaten. Der Wettbewerb dürfe doch nicht für immer auf der Strecke bleiben, «nur weil ein paar Unternehmen den Marktzugang kontrollieren».

«Verbrannte Erde» für die Windkraftbranche

Diese Kontrolle ist den Strombossen zu ihrem Ärger an einer wichtigen Stelle jedoch schon entglitten. Weil die rot-grüne Regierung die Weichen entsprechend stellte, müssen sie eine unerwartet starke Konkurrenz notgedrungen dulden: Die Windkraftbranche. Binnen fünf Jahren schnellte die installierte Leistung der Dreiflügler in Deutschland von knapp 3000 auf über 13.000 Megawatt nach oben. Mehr als 14.000 Windrotoren liefern derzeit rund fünf Prozent des deutschen Stromverbrauchs und ersparen der Atmosphäre jährlich rund 18,5 Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid.

Basis dieses Erfolgs ist das vor drei Jahren verabschiedete Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Das schlanke Regelwerk mit nur zwölf Paragraphen verpflichtet die Elektrizitätsversorger, den Ökostrom zu einem mittleren Preis von derzeit etwa 8,8 Cent pro Kilowattstunde in ihre Stromnetze einzuspeisen. Ohne die garantierte Vergütung wäre der Grünstrom gegenüber der Erzeugung in alten, abgeschriebenen Kohle- oder Atomkraftwerken noch nicht wettbewerbsfähig.

Folglich bekämpften die Konzerne das Gesetz vor allen denkbaren Gerichten - und blitzten überall ab: beim Bundesverfassungsgericht, beim Bundesgerichtshof und beim Europäischen Gerichtshof. Ausdrücklich stuften die Luxemburger Richter die Vergütungsregelung nicht als «unzulässige Beihilfe», also Subvention, ein.

Tatsächlich fließt kein Cent der Vergütung für Ökostrom aus öffentlichen Haushalten. Zur Kasse gebeten werden vielmehr die Stromverbraucher, an die die Netzbetreiber ihre Mehrkosten weitergeben können. Eine vierköpfige Familie kostet das nach Berechnungen des Bundesumweltministeriums derzeit etwa einen Euro pro Monat.

Die Regelung hat eine einzigartige industriepolitische Erfolgsgeschichte ausgelöst. Mit 3,5 Milliarden Euro jährlich setzt die durchweg mittelständisch geprägte Windtechnikbranche mehr um als alle Unternehmen der Bio- und Gentechnologie zusammen. In Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein oder Ostfriesland gehören Windanlagenhersteller zu den umsatzstärksten Betrieben. Bei Branchenmessen wie der «Husumwind» im vergangenen Monat verbreiten junge Ingenieure und Geschäftsleute inmitten der sonstigen wirtschaftlichen Depression Optimismus und Dynamik .

Vor fünf Jahren habe man kaum mit Generatoren der Megawattklasse operiert. «Jetzt bieten wir schon Anlagen mit fünf Megwatt Leistung an», begeistert sich Fritz Vahrenholt, Ex-Umweltsenator in Hamburg und heute Chef der Windkraftschmiede Repower. Und während in der Energiewirtschaft insgesamt seit 1997 fast 90.000 Arbeitsplätze abgebaut wurden, wuchs die Beschäftigtenzahl in der jungen Windindustrie auf inzwischen rund 45.000.

Trotzdem setzte sich ausgerechnet Minister Clement, eigentlich für wirtschaftliche Erfolge zuständig, an die Spitze einer aus den Konzernzentralen von RWE und E.on lancierten Kampagane gegen die Windkraft. Seit Monaten bezichtigt er die Rotorbranche der «Abzocke» und wettert gegen eine «Überförderung», deren Kosten bald so hoch seien «wie bei der Steinkohle».

Als Hebel zum Ausbremsen der Windstromer nutzte Clement die anstehende Novellierung des EEG, die Rot-Grün schon im Koalitionsvertrag verabredet hatte. Die von Trittin vorgeschlagene schrittweise Absenkung der Vergütung für Windstrom um 22 Prozent bis 2010 sei viel zu gering, behauptete er. Nötig sei vielmehr eine Kürzung um mindestens 35 Prozent. Zudem sollte der Zuwachs an Windstrom künftig planwirtschaftlich gesteuert werden. Die Stromunternehmen sollten den geduldeten Zuwachs ausschreiben und an den günstigsten Anbieter vergeben - ein Modell, das die britische Regierung mangels Erfolg gerade wieder abgeschafft hat.

Mit seinem Vorschlag hatte Clement zwar selbst in der eigenen SPD-Fraktion keine Chance. Sie erteilte ihm im September eine offene Abfuhr. Dafür weiß der Minister den Branchenriesen E.on an seiner Seite, der die «Ausschreibung von Pilotprojekten in Nord- und Ostsee» fordert.

Gleichwohl wird das Vorhaben vermutlich in den Regierungsfraktionen scheitern. Aber die seit Monaten anhaltende Unsicherheit über die künftige Bezahlung der Windstromer hat die beabsichtigte Wirkung trotzdem erzielt: Die Windkraftbranche rauscht in ihre erste Rezession. Der größte Finanzier für Windparks, die Commerzbank, hat sich zurückgezogen. Und Betreiber wie die Firma Umweltkontor finden kaum noch private Anleger für ihre Projekte.

«So wird verbrannte Erde gemacht», ärgert sich Joachim Fuhrländer, mit rund 50 Millionen Euro Jahresumsatz erfolgreicher Rotorhersteller aus dem Westerwald. Bald sei «der Inlandsmarkt tot» und «eine in Deutschland entwickelte Spitzentechnik wird ins Ausland getrieben». Seine Umsätze macht Fuhrländer mittlerweile zu vier Fünfteln in Spanien, Italien, Brasilien, Japan und China. Folgerichtig hat er begonnen, die Produktion ins Ausland zu verlegen. Auch Repower-Chef Vahrenholt schlägt Alarm. In einem Brandbrief beschwor er seinen Genossen und Duz-Freund Wolfgang Clement, mit seinem Kurs nicht «das Ende der Windenergie in Deutschland» einzuläuten.

Dabei sind die von Clements Ministerium und den Stromversorgern in die Welt gesetzten Zahlen über die Kosten des Windkraftausbaus grob irreführend. Die von Clement befürchtete Kostenexplosion bei den Erneuerbaren Energien wird voraussichtlich gar nicht eintreten (siehe Kasten: Was kostet die Windkraft?).

Einen Teil des Gegenwinds für ihre Branche haben sich die Windstromer allerdings selbst zuzuschreiben. Viel zu lange unterschätzten sie den Zorn aufgebrachter Landbewohner und Wochenendhausbesitzer, die ihre ländliche Ruhe durch die Drehflügler gestört sehen und die Verschandelung traditioneller Kulturlandschaften beklagen. Längst stimmen auch Lokalpolitiker und Landesminister beider großer Parteien in den anschwellenden Proteststurm gegen die «Verspargelung» der Landschaft ein, neuen Windparkprojekten schlägt viel Widerstand entgegen. Das ist auch bei Energiereformer Trittin angekommen. Mit seinem Ende August vorgelegten Entwurf für die EEG-Novelle tritt er darum gezielt auf die Bremse. Eine Kürzung der Basisvergütung soll überhöhte Renditen an den Windstandorten entlang der Küstenlinien kappen. Vor allem aber will der Minister die Förderbedingungen an «windschwächeren Standorten» im Binnenland so herunter fahren, dass sich die Rotoren dort nicht mehr rechnen.

Im Gegenzug soll die Vergütung für geplante Großanlagen in Nord- und Ostsee günstiger ausfallen als zuvor geplant. Auf dem offenen Meer erwartet Trittin bis 2010 den Bau von Offshore-Windparks mit einer Leistung von 2.000 bis 3.000 Megawatt. Binnen 20 Jahren sollen - meist außer Sichtweite der Küsten - bis zu 25.000 Megawatt installiert sein und 15 Prozent des deutschen Strombedarfs decken. Doch auch dieses Konzept stößt bei den Konzernen auf massive Gegenwehr: Die Offshore-Technik sei zu teuer, nicht ausgereift und zu weit weg von den Verbrauchsschwerpunkten, meint E.on-Chef Wulf Bernotat. Nötig sei eine generelle Begrenzung der Windverstromung.

Die Mär von der teuren Regelenergie

Als zentrales Argument verweisen die Windkraftskeptiker auf das vermeintliche Grundproblem dieser Energiequelle: Ihre unsichere Verfügbarkeit. Das unstete Wetter verursache Zusatzkosten in Höhe von «mehreren hundert Millionen Euro» jährlich, die in der Umlage der Vergütungszahlungen noch gar nicht enthalten seien, klagen Clements Ministeriale in einem Positionspapier.

In der Praxis müssten die großen Versorger permanent Kraftwerke im Leerlauf betreiben, um sie im Fall abflauender Winde zuschalten zu können. Diese Regelenergie und die Reservehaltung verursache schon jetzt Mehrbelastungen von bis zu 2,5 Cent pro Kilowattstunde Windstrom, behauptete auch E.on-Vorstand Jürgen Elsässer, fast soviel, wie konventionell erzeugter Strom ohnehin kostet. Dabei unterschlagen die Windkraftkritiker freilich, dass wegen der Schwankungen von Angebot und Nachfrage im Netz von jeher Reserven bereit stehen mussten, auch ganz ohne die lästigen Propeller. Schließlich werden auch Großkraftwerke von Zeit zu Zeit gewartet oder müssen ersetzt werden, wenn ein Defekt sie lahm legt. Während der Hitzeperiode dieses Sommers fiel nicht nur die Windkraftleistung auf müde zehn Prozent. Auch Atomkraftwerke mussten wegen der zu starken Erwärmung des Kühlwassers aus den Flüssen heruntergedrosselt werden.

Gleichwohl drückt der Windstrom bei den traditionellen Stromerzeugern auf die Rendite. Denn jede Kilowattstunde Ökostrom senkt ihre eigenen Erlöse. Schuld daran tragen Strommanager freilich auch selbst. Nicht nur weigern sie sich bisher konsequent, selbst in die Ökostrom-Produktion einzusteigen, obwohl das Gesetz dies ausdrücklich zulässt. E.on betreibt ganze 65 der in Deutschland installierten 13.000 Megawatt Windkraft. Zudem setzen sie viel zu einseitig auf Atom- und Braunkohlekraftwerke, deren Betrieb sich nur lohnt, wenn sie rund um die Uhr laufen. Wenn sie dagegen bei kräftigem Wind heruntergefahren werden müssen, mindert das direkt die Erlöse, eingesparte Brennstoffkosten spielen praktisch keine Rolle. Anders wäre das beim Einsatz von Gaskraftwerken, deren größter Kostenblock der Brennstoff ist. Doch die gibt es kaum im Kraftwerks-Portfolio der Konzerne.

Wie die Windkraft so die E.on-Bilanz vermiesen kann, erfuhr Netzwächter Markus Wallura zum Beispiel in der Nacht vom 20. auf den 21. September. Wegen der aufkommenden Herbstwinde schnellte da die Leistung der Windrotoren in der E.on-Regelzone binnen sechs Stunden von fast Null auf 2.500 Megawatt hoch. Flexibel handhabbare Gas- und Wasserkraftwerke hatte E.on während dieser Nacht nicht mehr zur Verfügung. Als Wallura darum wegen der Vorfahrtsrechte für Windstrom die Drosselung der ins Netz eingespeisten Leistung anforderte, mussten seine Kollegen ein Atomkraftwerk herunterfahren - für die E.on-Manager ein ärgerlicher Umsatzausfall.

Dabei wären moderne Gaskraftwerke ein probates und durchaus profitables Instrument, die Nebenkosten der sauberen aber unstet anfallenden Windkraft auszugleichen. Mit den so genannten Gas- und Dampfkraftwerken (GuD) steht eine unschlagbar effiziente Technologie zur Verfügung. Sie verwandeln bis zu 60 Prozent der eingesetzten Energie in Elektrizität und blasen dabei nur halb so viel Kohlendioxid pro Kilowattstunde in die Atmosphäre wie Kohlekraftwerke. Darum sind sie seit über zehn Jahren in aller Welt die Technik der Wahl. Großbritannien stellte binnen weniger Jahre ein Drittel seiner Stromerzeugung auf Gaskraft um und erfüllt deshalb schon heute die Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls. Der Kraftwerksbauer Siemens macht denn auch weltweit Milliardenumsätze mit den GuD-Turbinen - nur nicht in Deutschland.

«Kohleschutzklausel» per Erdgassteuer

Hierzulande stammen gerade einmal neun Prozent der Stromproduktion aus Erdgas und dies fast ausschließlich von industriellen oder kommunalen Kraftwerksbetreibern. Diesen Zustand hat die Allianz der beiden Braunkohlen-Konzerne RWE und Vattenfall unter Führung von Minister Clement jedoch absichtlich herbeigeführt. Denn ihnen ist es gelungen, den Brennstoff Erdgas künstlich teuer zu halten. Während Kohle und Uran steuerfrei verstromt werden, erhebt der Bund ausgerechnet auf das vergleichsweise saubere Erdgas die Mineralölsteuer in Höhe von 3,5 Euro pro Megawattstunde - nach Meinung von DIW-Experte Ziesing eine «ganz klare Kohleschutzklausel, die den Wettbewerb verhindert».

Diesem Unfug wollten die Grünen schon nach dem Machtwechsel 1998 ein Ende machen. Doch schon damals drohten die RWE-Gewaltigen, ihr 10-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm zur Erneuerung der Braunkohlekraftwerke zu stornieren und den von der SPD gegen die Grünen durchgesetzten Tagebau Garzweiler II gar nicht erst «aufzuschließen».

Im Bundestag warnte Reinhard Schultz, SPD-Abgeordneter aus dem westfälischen Everswinkel, vor «einem Verdrängungswettbewerb zugunsten von Gas im Strommarkt». Die Pläne, donnerte sein Parteifreund Werner Labsch aus dem ostdeutschen Braunkohlegebiet, würden sich «als trojanisches Pferd zur Zerstörung unserer einheimischen Energiebasis» entpuppen. Schließlich drohte Clement im Bundesrat gemeinsam mit der CDU-Opposition die Ökosteuer-Pläne der Regierung zu Fall zu bringen. Das zeigte Wirkung.

Bei einem Spitzengespräch im Kanzleramt setzte er einen Kompromiss durch, der vom ursprünglichen Vorhaben wenig übrig ließ: Die Befreiung der Erdgasverstromung von der Kohleschutzsteuer wurde auf fünf Jahre begrenzt. Noch dazu sollten nur Investoren profitieren, deren Kraftwerke spätestens 39 Monate nach In-Kraft-Treten der Regelung ans Netz geschaltet würden. Außerdem wurde die Steuerbefreiung beschränkt auf Kraftwerke, die mindestens 57,5 Prozent der eingesetzten Energie in Strom umwandeln. So blieben ökologisch sinnvolle Heizkraftwerke, die neben Strom auch Heiz- und Prozesswärme liefern, von vorneherein ausgeschlossen.

Als das Gesetz im Dezember 2002 - nach drei Jahren - endlich den Bundestag und die EU-Notifizierung passiert hatte, waren gerade noch zwei Unternehmen in der Lage, überhaupt entsprechende Projekte zu realisieren. Im vorpommerschen Lubmin bereitet die Firma Concord-Power, eine Tochter des EnBW-Konzerns, ein 1200-Megawatt-Kraftwerk vor. Und im Chemiepark Knapsack bei Köln plant die Firma Intergen, ein Joint-Venture des Öl-Riesen Shell mit dem US-Konzern Bechtel, einen 800-Megawatt-Meiler.

Doch seit die 39-Monats-Frist läuft sind zehn Monate vergangen - und nichts ist passiert. Zwar hat selbst Clement-Nachfolger Peer Steinbrück dem Knapsack-Projekt im Juli seinen Segen gegeben und sogar Kanzler Schröder verwandte sich für das 500-Millionen-Investment in Köln. Doch Minister Clement verweigert einfach seine Unterschrift unter die notwendige Durchführungsverordnung, mit der das Messverfahren für den Wirkungsgrad bestimmt wird. Nebenbei lässt Clement streuen, die Investoren hätten wegen der gestiegenen Erdgaspreise das Interesse an dem Projekt verloren. Das bestreitet Intergen-Projektleiter Mathew Brett jedoch rundheraus. Nicht zum Spaß habe man mehrere Millionen Euro in die Erschließung des Standorts und das Genehmigungsverfahren investiert. «Wir wollen auf jeden Fall bauen», beteuerte Brett noch im September.

Inzwischen mussten aber sowohl Intergen als auch Concord-Power einräumen, wegen der endlosen Verzögerungen in Berlin seien die Projekte nicht mehr innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist zu realisieren. Auch wenn Clement - wie er mehrfach ankündigte - grünes Licht gebe, müsse die Frist verlängert werden. Und das wird wieder dauern. Das Gesetz müsste noch einmal durch den Bundestag und durch die Notifizierungsprozedur in Brüssel. «Das sind Praktiken wie in einer Bananerepublik», empört sich Herrmann Scheer, Energieexperte der SPD-Fraktion.

So hintertreiben die selben Akteure, die einen Mangel an Planungssicherheit beklagen und mit Investitionsstop drohen, mit aller Macht die Milliarden-Investitonen möglicher Konkurrenten, die sofort bauen würden, wenn die Regierung sie nur ließe.

Das gleiche Falschspiel läuft bei der Blockade des Zubaus von Fernwärme- oder Blockheizkraftwerken, die effizient und klimaschonend Strom, Heiz- und Prozesswärme in Kombination erzeugen können. Solche Meiler, ergab ein Gutachten für die Energie-Enquete des Bundestages, könnten über die Hälfte des deutschen Strombedarfs decken und ein Fünftel der Treibhausgase einsparen. Niederländer und Dänen produzieren darum fast 40 Prozent ihrer Stromversorgung in Kraft-Wärme-Koppelung (KWK), Deutschland kommt gerade einmal auf zehn Prozent.

Bundesweit müssen bis 2010 über zwei Millionen Heizungsanlagen modernisiert werden - eigentlich die ideale Gelegenheit, die KWK-Technik auch in Deutschland auszubauen. Doch als das Bundeskabinett vor drei Jahren beschloss, allen Stromversorgern vorzuschreiben, den KWK-Anteil über ein Quotensystem wenigstens zu verdoppeln, löste auch dieses Vorhaben einen Sturmlauf der Stromlobby aus.

Mit dem damaligen Wirtschaftsminister Werner Müller an der Spitze, heute Chef des Kohlekonzerns RAG, setzte sie wiederum einen Kompromiss durch, in dem auf die Quote verzichtet wurde. Stattdessen sollte eine gesonderte Vergütung von KWK-Strom Investoren motivieren, verstärkt in die klimaschonende Technik und die Modernisierung bestehender Anlagen einzusteigen. Insgesamt sollte die Einigung bis 2010 zu einer Kohlendioxid-Einsparung von elf Millionen Tonnen führen.

Abzocke mit der Kraft-Wärme-Koppelung

Inzwischen ermittelten Gutachter des Umweltministeriums, dass bis zum Ende der gesetzten Frist gerade mal die Hälfte der erhofften Treibhausgas-Reduktion zustande kommt. Gleichzeitig bremsten die Konzerne und die ihnen angeschlossenen regionalen Verteilerunternehmen private Newcomer rabiat aus. Die von der Konkurrenz eingespeisten Kilowattstunden aus KWK-Anlagen taxierten sie auf ganze 1,41 Cent, auf die sie dann den im KWK-Gesetz vorgeschriebenen Bonus aufschlugen. Im Ergebnis verdienten viele Betreiber nach der Verabschiedung des Gesetzes weniger als zuvor. Wie dreist die Stromer vorgehen, musste zum Beispiel das Ingenieur-Unternehmen Freischlad & Assmann erfahren. Dieses betreibt im Auftrag der hessischen Kommune Eschenburg ein gasgefeuertes Heizkraftwerk für das örtliche Schwimmbad und produziert 300.000 Kliowattstunden Strom für das Netz der E.on-Tochter EAM. Weil die Heizwärme nicht immer gebraucht wird, muss das Schwimmbad auch 15.000 Kilowattstunden jährlich zukaufen. Während die EAM den gelieferten Strom mit 3,3 Cent pro Kilowattstunde vergütet, verlangt sie aber für den Zukauf 45 Cent - zwischen Zu- und Verkauf klafft ein Faktor von mehr als 13. «Diese Praxis benachteiligt massiv private Investoren in der KWK-Stromerzeugung», ärgert sich Anlagenbetreiber Hans-Joachim Freischlad. E.on kassiere «den Gewinn einer Investition, für die sie nichts bezahlt haben».

Trotz all dieser Blockadestrategien können sich die Konzerne jedoch keineswegs in Sicherheit wiegen. Denn ein weiteres politisches Großprojekt wird die Karten im EU-Energiemarkt schon bald neu mischen: Die von den EU-Regierungen bereits beschlossene Einführung des europaweiten Handels mit Emissionszertifikaten. Erstmals soll damit der Ausstoß von Treibhausgasen für die Industrie einen Preis bekommen - mit der Folge, dass die Verstromung von Braun- und Steinkohle womöglich drastisch teurer wird.

Das EU-Gesetz sieht vor, dass alle Industrieunternehmen mit Feuerungsanlagen über 20 Megawatt Leistung Zertifikate erhalten, die sie zum Ausstoß einer bestimmten Menge Kohlendioxid berechtigen. Betroffen sind in Deutschland rund 2400 Anlagen, die zusammen über 50 Prozent der deutschen Treibhausgas-Emissionen verursachen. Der Rest stammt aus den Motoren der Autoflotte sowie den privaten Haushalten und dem Kleingewerbe.

Die insgesamt ausgegebene Menge der Zertifikate orientiert sich an den Verpflichtungen, die jedes EU-Land im Rahmen des Kyoto-Protokolls zur Minderung der Klimabelastung übernommen hat. Bis 2012 muss Deutschland demnach 21 Prozent weniger Klimagifte in die Atmosphäre blasen als 1990. Auf Energiewirtschaft und Industrie entfallen hierzulande gut 500 Millionen Tonnen.

Die Zertifikate sollen die Unternehmen untereinander handeln können. Auf diesem Weg, so die Grundidee, erfolgen die nötigen Investitionen dort, wo sie die geringsten Kosten verursachen. Spart etwa ein Kraftwerksbetreiber durch neue Technik mehr Kohlendioxid ein, als er muss, kann er überschüssige Zertifikate an andere verkaufen, die sich die entsprechenden Investitionen nicht leisten wollen.

Dabei braucht sich die deutsche Industrie eigentlich keine großen Sorgen zu machen. Weil sich Deutschland vor allem wegen des Umbaus der DDR-Energiewirtschaft Anfang der neunziger Jahre dem 21-Prozent-Ziel bereits auf zwei Prozent genähert hat, kann sie die Reduktionsverpflichtungen bis 2012 ohne großen Aufwand bewältigen.

Beim jüngsten Energiegipfel im Kanzleramt versprach Minister Trittin den versammelten Chefs der Stromkonzerne darum, es werde kostenlos genügend Zertifikate für alle geben. Der Vattenfall-Konzern soll ein Extra-Kontingent für die bereits abgeschlossene Modernisierung seiner Braunkohlekraftwerke in Ostdeutschland erhalten. Selbst für den Ersatz der Atomkraftwerke durch erdgas- oder kohlebefeuerte Meiler will Trittin Zusatzertifikate ausgeben. Für wachstumsbedingte Emissionen und Newcomer am Markt soll außerdem ein Reservefonds bereit stehen.

All das droht jedoch die Zertifikate zu inflationieren und ihren Preis zu drücken. Um dennoch die nationalen Klimaschutzpflichten einhalten zu können, müssten «zusätzliche einschneidende Maßnahmen bei Verkehr und privaten Haushalten» ergriffen werden, heißt es ahnungsvoll in einem internen Vermerk des Umweltministeriums. Das klingt nach Mautgebühren für alle, Tempolimit oder schärferen Wärmeschutzbestimmungen.

Doch ob die Politik am Ende Autofahrer und Hausbesitzer mit neuen Belastungen vergrault, um die großen Unternehmen zu entlasten, bezweifeln selbst die Strommanager. «Das Treffen beim Kanzler», frozzelt deshalb E.on-Chef Bernotat, «war harmonisch, weil es harmonisch sein sollte - das Fingerhakeln kommt erst noch».

Emissionshandel: Milliarden-Poker um heiße Luft

Tatsächlich hat längst ein zähes Ringen der Lobbyisten um die Zuteilung der Zertifikate im «nationalen Allokationsplan» eingesetzt, für den Umweltminister Trittin die Feder führt. Denn auch wenn die Unternehmen in Deutschland vergleichsweise großzügig mit Zertifikaten ausgestattet würden, werden diese am Ende mehrere Milliarden Euro wert sein.

Schuld daran sind die EU-Staaten Spanien, Italien, Österreich und die Niederlande, die bei der Minderung des Kohlendioxid-Ausstoßes um Jahre hinterher hinken. Im europäischen Handel werden die Zertifikate also durchaus gefragt sein - ein Umstand der vor allem den Kohelabteilungen der Stromkonzerne Sorgen bereitet. Zwar mögen sie zunächst genügend Zertifikate für ihre laufenden Anlagen bekommen. Deren Wert muss in der Kalkulaltion für die anstehenden Kraftwerksneubauten gleichwohl berücksichtigt werden, schließlich könnten die Unternehmen sie auch anderweitig verkaufen und in emissionsärmere Technik investieren.

Zwangsläufig wird damit vor allem der Braunkohlestrom in Konkurrenz zu Erdgas- und Ökostrom teurer. So könnte der künstliche Wettbewerbsvorteil durch die Erdgassteuer schnell dahin schmelzen. Steige der Preis für eine Tonne CO2 über 15 Euro pro Tonne, «wird die Braunkohle unrentabel», kalkuliert RWE-Finanzvorstand Sturany.

Noch größere Sorge bereitet Sturany und seinen Kollegen die Frage, wie es mit den Zertifikaten nach 2012 weitergehen wird. Wenn die international vereinbarten Klimaschutzziele, wie allgemein erwartet, weiter verschärft werden, wird automatisch der Preis für die Zertifikate steigen. Unvermeidlich käme der deutsche Strommix in Bewegung, selbst wenn Clement und seine Nachfolger sich dagegen stemmen.

Zumindest beim E.on-Konzern, dessen Stromerzeugung bislang vor allem auf den 14 Atomkraftwerken des Unternehmens beruht, gelten solche Szenarien offenbar durchaus als realistisch. Sollte es beim Atomausstieg bleiben, dann sei Erdgas ab 2010 natürlich der Rohstoff der Wahl, versichern E.on-Manager. Schließlich hat der selbe Konzern sich auch schon Deutschlands größten Gasversorger, die Ruhrgas, gekauft. Und auch Wind-Großkraftwerke auf dem Meer sind in der Düsseldorfer Zentrale des deutschen Marktführers längst in Planung. Gleich bei drei der geplanten Offshore-Projekte hat sich E.on vorsorglich eingekauft. Für das Vorhaben «Sky 2000» in der Lübecker Bucht läuft ungeachtet der Skespis des Konzernchefs sogar schon die Ausschreibung zur Beschaffung der notwendigen Technologie.

So ist es keineswegs unwahrscheinlich, dass die Netzwächter in Lehrte dereinst noch viel mehr Windkraftwerke ausregulieren müssen als heute. Allerdings käme der saubere Strom dann nicht mehr von der Konkurrenz. Die E.on-Techniker könnten den Strommix wieder unter sich ausmachen.

Windenergie hat Zukunft

Von der Windenergie wird erwartet, was niemals von Kohlekraft und Kernkraft gefordert wurde: Argumente gegen den Spiegel-Titel

Windenergie hat Zukunft

Von der Windenergie wird erwartet, was niemals von Kohlekraft und Kernkraft gefordert wurde: Argumente gegen den Spiegel-Titel "Windmühlen Wahn".

(31. März 2004) - Das relativ windarme Deutschland ist Nummer Eins in Sachen Windenergie. Grund zum Jubeln oder schon wieder eine Verschwendung von Steuergeldern? Das Dossier in der aktuellen Ausgabe des Spiegel "Der Windmühlen Wahn" tendiert zur zweiten Meinung - und misst dabei mit zweierlei Maß, denn von der Windenergie wird immer noch erwartet, was niemals von Kohlekraft und Kernkraft gefordert wurde.

Die Kritikpunkte sind bekannt: Die Windkraft ist zu teuer, kann ohne Subventionen nicht auskommen und ist sowieso nicht umweltfreundlich. Außerdem verschandeln Windkraftanlagen die Landschaft. Auf die übelsten Verzerrungen hat die Windindustrie schon reagiert , beispielsweise auf die Behauptung des Spiegel, es sei leichter, eine Baugenehmigung für eine Windkraftanlage als für einen Kiosk am Badesee zu bekommen. Auch die Kostenberechnungen für Windparkinvestoren sind im Spiegel so dargestellt, als gäbe es besondere Abschreibungsmöglichkeiten für Windkraft. In Wirklichkeit nutzt man lediglich die bestehende Gesetzeslage.

Manchmal widerspricht sich das Dossier selbst. Einerseits wird behauptet, Investoren würden viel Geld bei Windparks zum Fester rausschmeißen ("nur die Verluste gelten als sicher"), anderseits seien solche Windparks dank der Subventionen "Lizenzen zum Geldrucken". Beides geht nicht. Zwar haben manche großen Windfirmen wie Plambeck und die Umweltkontor AG in den letzten Jahren kräftig an Wert verloren, aber anderen Nemax-Firmen geht es noch schlechter. Und die Umweltkontor AG hat vor allem in der Biomasse-Sparte fehlinvestiert, nicht in Wind. Diese Fehlinvestition betrifft außerdem die ganze Biomasse-Branche: Die Farmatic AG hat erst kürzlich wegen der unsicheren Förderungspolitik für Biomasse Insolvenz gemeldet .

"Die schlimmsten Verheerungen seit dem dreißigjährigen Krieg."

So wird ein Kritiker der Windanlagen in Brandenburg im Spiegel-Dossier zitiert. Dabei wird die ganze Absurdität der Kritik offenbar. Vergessen wird beim Vergleich "Windpark/30-jähriger Krieg" beflissentlich, was die Landschaft seit 1648 sonst alles verschandelt hat: das frühe Industriezeitalter, in dem Schornsteine die Luft verpesteten und Fabriken Flüsse vergifteten; der Bau der Strassen, Autobahnen und Zuggleise; die Zersiedlung der Städte und last but not least die rund 180.000 in Deutschland installierten Strommasten. Dagegen nehmen sich die rund 15.000 Windkraftanlagen (WKA) recht bescheiden aus.

Wieso regt man sich darüber auf? Nun, "man" regt sich eigentlich gar nicht darüber auf. Auch wenn das Spiegel-Dossier behauptet, der Widerstand gegen die Windkraft wachse, bleibt die Windkraft unangefochten die Energiequelle, die sich die meisten Menschen wünschen, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in der EU und in den USA, vermutlich sogar weltweit ("Der deutsche Erfolg, das niederländische Problem und das amerikanische Desaster") .

Der Dichter Botho Strauß, der auch im Dossier zitiert wird, vergleicht die WKA zwar mit anderen industriellen Errungenschaften, sieht die Lage aber trotzdem dramatisch:

"Eine brutalere Zerstörung der Landschaft, als sie mit Windkrafträdern zu spicken und zu verriegeln, hat zuvor keine Phase der Industrialisierung verursacht."

Quantifizieren lässt sich das nicht - man verweist lediglich auf "400.000 Zugvögel", die den "Vogelschreddern" in einem geplanten Offshore-Windpark zum Opfer fallen könnten. Es gibt durchaus aktuelle Studien, die das Gegenteil bei den Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee belegen: z.B. 1 toter Vogel pro WKA / Jahr . Hinzu kommt, dass an den Masten der WKA unter Wasser offenbar künstliche Riffs entstehen, die von Fischen und Muscheln besiedelt werden.

Vor allem aber wird deutlich, dass mit zweierlei Maß gemessen wird, denn die Windkraft muss Ansprüchen genügen, die noch nie an Kohle und Kernkraft gestellt wurden, und wenn die Windkraft die Förderung bekommt, die Kohle und Kernkraft seit eh und je kriegen, wird diese Unterstützung allein bei der Windkraft bemängelt. Erstens ist sehr umstritten, ob die Bilanz der WKAs bei Vögeln überhaupt negativ ist: Zwar werden schätzungsweise 1-3 Vögel pro Jahr/WKA getötet, aber die saubere Luft durch weniger Emissionen entlastet alle lebenden Tierarten ("Die Windenergieanlage als Vogelfalle") . Zweitens wird immer angenommen, man hätte die Wahl zwischen Windkraft und unberührten Kulturlandschaften - oder wie es im Dossier heißt "Geld gegen Landschaft".

Warum war es bei Kohle anders? Der richtige Vergleich (wenn wir davon ausgehen, dass wir nicht auf Strom verzichten wollen) wäre zwischen Windkraft und anderen Energien wie Kohle und Kernkraft. Dann wird aber der Vergleich schwierig, denn niemand hat jemals wissenschaftlich versucht, die Zahl der durch die Emissionen eines Kohlekraftwerks getöteten Vögel zu ermitteln, sieht man von der groben Schätzung eines kanadischen Ingenieurs ab, der die Zahl der durch Windkraft geretteten Vögel auf 1710 p.a. beziffert.

NIMBY - not in my backyard

Ähnlich sieht es aus, wenn es um die "Verschandelung" der Landschaft geht. Dass es zu Widerstand gegen Windparks gekommen ist, wundert nicht, denn die Menschen wehren sich meistens gegen alles, was nach Industrie aussieht, sobald es nebenan stehen soll - ein Phänomen, das auf englisch unter dem Kürzel NIMBY (zu deutsch etwa: nicht in meinem Garten) bekannt ist.

Hand aufs Herz: Was finden Sie eigentlich unschön auf diesem Foto?  (Mit freundlicher Genehmigung des Bundesverband WindEnergie e.V.)

Die Menschen wollen sauberen Strom, aber sehen will man davon gar nichts außer der Steckdose. Man wünscht sich wohl ein riesiges Sonnenenergie-Kraftwerk in der Sahara, das durch einen noch nicht erfundenen Supraleiter mit dem Alten Kontinent verbunden ist - und dann bitte ohne diese lästigen politischen Turbulenzen in den dortigen Ländern, die unsere liebe Stromversorgung beeinträchtigen könnten. Ach ja, habe ich vergessen, dass das alles billig sein soll?

Die Kohleindustrie hat schon ganze Dörfer verschlungen und Berge versetzt. Windanlagen können dagegen abgebaut werden - und man sieht nichts mehr. Es findet kein bleibender Eingriff in der Natur statt. Gegen die Kernkraft ist auch protestiert worden, was immer verschwiegen wird, wenn es um die "Verspargelung der Landschaft" durch WKA geht. Selbst der Begriff "Verspargelung" ist schlecht gewählt, denn viele Süddeutsche kriegen gar nicht genug vom Spargel. Die Landschaft im Badnerland ist jetzt schon vom Gemüse her verspargelt, und das finden alle gut so.

Das Spiegel-Dossier listet Fälle auf, in denen Bürgermeister sich vergeblich gegen den Bau einer WKA kämpfen. Angeblich können sich die Kommunen gegen den Bau von WKA nicht wehren. Das ist zwar richtig, denn die Kommunen können nicht einfach beschließen, dass sie keine WKA haben wollen, genauso wie sie nicht beschließen können, dass sie keine Kohle- und Kernkraftwerke haben wollen. Wenn jede Kommune sich gegen Kraftwerke wehren könnte, würde es keine geben. Die Kommunen können aber durchaus sogenannte "Vorrangflächen" für WKA ausweisen.

Laut Josef Pesch, Geschäftsführer der Freiburger fesa GmbH , haben manche Kommunen in Norddeutschland versucht, sich gegen WKA zu wehren, indem sie besonders windschwache Gebiete als Vorrangflächen ausgewiesen haben. Sie wollten damit die Windfirmen abschrecken, aber diese klagten und bekamen recht. Die Gerichte beschlossen, dass auch die Flächen, die diese Kommunen nicht als Vorrangflächen vorgesehen hatten, für den Bau von Windparks nun offen waren. Anders gesagt: Ausgerechnet die Kommunen, die Widerstand geleistet haben, durften am wenigsten über den Standort mitreden. Diese Kommunen fühlten sich übertrumpft, aber sie hatten selbst zu tricksen versucht, ohne die Gesetzeslage ausreichend zu kennen.

Verschwiegen werden im Spiegel dabei die umgekehrten Fälle, z.B. in Freiburg, wo die Bürgermeister sich seit Ende 2003 für den Bau von 2 Windanlagen gegen den erbitterten Widerstand der Stuttgarter Landesregierung gewehrt haben. Die Windanlagen am Schauinsland speisen seit September 2003 Strom ins Netz ein, aber Stuttgart zog im Oktober 2003 die Baugenehmigung zurück - einen Monat danach. Angeblich verschandeln diese WKA die Landschaft. Interessanterweise gibt es keinen nennenswerten Widerstand gegen die WKA im Schwarzwald, wo Umfragen belegt haben, dass zwischen 65% und 83% der Menschen die Windanlagen haben wollen. Der Widerstand kommt aus der fernen schwäbischen Landeshauptstadt - von oben herab.

Das Spiegel-Dossier behandelt sogar die Teilnahme der Gemeinden an lokalen Windparks als "rechtliche Grauzone". Die Windindustrie soll also nicht die Gelder, die an die Kommunen zurückfließen, von der Zahl der installierten WKA abhängig machen. Und wenn die Kommunen da mitmachen, sind sie laut Spiegel "geldgierig". Worin sich diese Politik von der allgemeinen bundesdeutschen Tagespolitik unterscheidet, verrät der Spiegel nicht. Vermutlich berechnet der Spiegel seine Werbegebühren auch pro Seite.

Apropos Kosten

Die Windenergie ist offenbar die einzige Energieform - ja, man könnte sagen, die einzige Industrie überhaupt -, die ohne Subventionen auskommen soll. Das Dossier beschwert sich über "21.750 Euro für jeden der 40.000 Arbeitsplätze in der Windindustrie". Es wird dabei verschwiegen, dass dies lediglich ein Bruchteil der Subventionen für Kohle ist: Die Subventionen machen für alle erneuerbaren Energien (EE) gerade mal 22 Prozent der Subventionen für die Kohleindustrie aus. Zugleich sind jetzt schon mehr Menschen in der EE-Industrie als in der Kohlewirtschaft tätig : 130.000 gegen rund 90.000. Die Süddeutsche Zeitung schätzt die Zahl der in der Windindustrie Beschäftigen übrigens auf rund 45.000.

Dabei wird zur Zeit sieben mal mehr Energie durch die Kohle als durch EE erzeugt. Anders gesagt: Die EE sind zwar teuer, aber auch arbeitsintensiv - genau das, was ein schwacher Arbeitsmarkt braucht. Das Geld zirkuliert also innerhalb des Binnenmarkts, es wird dabei keine Energie importiert und es entsteht eine kräftige Exportindustrie. Zwar ist der Export in den letzten Jahren bescheiden geblieben, weil zu wenige andere Länder sich zur Windenergie bekannt haben, aber die Zielsetzung in der EU wird bis mindestens 2010 einen Boom auslösen ("Atomkraft wird es auch in Zukunft geben, aber anders als Sie denken") , von dem deutsche Windfirmen stark profitieren werden.

"Schattenkraftwerke"

Zweierlei Maß, wo man nur hinschaut: Weil die Windkraft so boomt, müssen wohl die Stromnetze mancherorts ausgebaut werden. Dabei werden Stromnetze seit eh und je für jedes große Kohle- oder Kernkraftwerk ausgebaut. Ironischerweise müssen die Stromnetze gerade für EE wenig ausgebaut werden, weil die EE-Anlagen eher klein und dezentral sind, d.h. der Strom wird zunehmend vor Ort statt in entfernten Großkraftwerken produziert.

Der Windenergie wird auch vorgeworfen, sie würde am Ende gar nicht so viel Emissionen einsparen, weil die Großkraftwerke immer unwirtschaftlich herauf- und heruntergefahren werden müssen, was auch noch weitere Kosten verursacht. Die Windindustrie hält dagegen, dass die Windprognosen sehr gute Vorhersagen ableiten lassen. Anfang des Jahres kam es sogar zu einem Streit, weil die großen Energieversorger ihre Preiserhöhungen mit höheren Kosten durch EE begründeten. Angeblich müsse viel Regelenergie in Reserve gehalten werden. Es stellte sich aber heraus, dass die meiste Regelenergie ausgerechnet in dem Netz mit der im Verhältnis wenigsten Windenergie parat gehalten wurde: im RWE-Netz. Außerdem überstiegen die Preiserhöhungen der Versorger in manchen Fällen die Kosten für EE.

Richtig ist, dass der Strom aus EE immer von den Versorgern gekauft werden muss, und zwar unabhängig vom aktuellen Strombedarf. Das schöne neue Wort "Schattenkraftwerk" hat sich für diese Regelenergie eingebürgert. Damit sind nämlich nicht etwa die Großkraftwerke selbst gemeint, sondern die durch die EE verdrängte oder vermiedene Produktion durch diese Kraftwerke. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil immer wieder fälschlich behauptet wird, man müsse mehr Kohlekraftwerke bauen, um die Ausfälle der WKA zu kompensieren. Das muss nicht sein.

Anders ausgedrückt: Die großen Kohle- und Kernkraftwerke können immer wieder nicht mit voller Kapazität laufen. Die Kosten für diese sogenannten "Schattenkraftwerke" beziffert das Spiegel-Dossier auf 100 Millionen Euro. Der Bundesverband Erneuerbare Energien hält dagegen, dass die Versorger im Jahre 2003 500 Millionen mehr von ihren Kunden verlangt haben, als das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) fordert. Mit anderen Worten: Die Versorger decken ihre Kosten durchaus, verwenden aber offenbar das EEG als Scheinargument für weitere Preiserhöhungen.

Laut Spiegel ist die Windenergie ein deutsches Vorzeigeprojekt wie die deutsche Maut - das hätte TollCollect gerne

Es stimmt auch nicht, dass Umweltschutzorganisationen Sturm gegen WKA laufen. Neben Greenpeace befürwortet auch BUND die Windenergie eindeutig, wie aus dem Positionsblatt Windenergie hervorgeht:

"Der BUND befürwortet den weiteren Ausbau der Windenergie-Nutzung in Deutschland als eine dezentrale erneuerbare Energiequelle. Dieser Ausbau muß in Natur und Mensch schonender und geordneter Weise erfolgen. Windenergie als eine besonders umweltfreundliche und dauerhafte Energiequelle wird bei der Stromversorgung im ökologischen Energie-Mix der nachhaltigen Energiewirtschaft eine wichtige Rolle spielen."

Insgesamt liefert das gesamte Online-Dossier - mit Artikeln seit 1997 - ungewollt eine ausbalanciertere Betrachtung, als es auf den ersten Blick erscheint, denn die Spiegel-Artikel von 1997-2004 zeigen, dass die Argumente der Kritiker sich nicht an den Erfolg der Windkraft anpassen. Schon längst widerlegte Argumente werden immer noch vorgetragen. Es ändern sich nur die Zahlen: Im Artikel von 1997 heißt es, die Windkraft decke lediglich 0,7 Prozent des deutschen Stromverbrauchs. 2004 waren es rund 4%. Die deutsche Maut kann von solchen "Problemen" nur träumen.

Craig Morris

Wind ist billiger als Kohle

(15. März 2004) - Strom aus heimischer Windkraft ist inzwischen billiger als Strom aus deutscher Steinkohle. Das wird deutlich, wenn man die Kohlesubventionen einmal auf die Kilowattstunde Strom herunter rechnet

Wind ist billiger als Kohle

(15. März 2004) - Strom aus heimischer Windkraft ist inzwischen billiger als Strom aus deutscher Steinkohle. Das wird deutlich, wenn man die Kohlesubventionen einmal auf die Kilowattstunde Strom herunter rechnet: Im vergangenen Jahr wurde die Steinkohle in Deutschland vom Staat mit 3,3 Milliarden Euro alimentiert. Bei einer Jahresfördermenge von 26,3 Millionen Tonnen sind das 12,5 Cent pro Kilogramm.

Da aus einem Kilogramm Kohle in den bestehenden Kraftwerken im Mittel exakt drei Kilowattstunden Strom gewonnen werden können, entfällt auf jede Kilowattstunde eine Subvention von 4,2 Cent. Das heißt natürlich nicht, dass Kohlestrom nur 4,2 Cent kostet. Vielmehr muss dieser Betrag aufgewendet werden, um die Stromkosten auf Marktpreisniveau herunter zu schrauben - und das liegt inzwischen im Mittel bei knapp vier Cent.

Die Summe von Marktpreis und Subventionsbetrag ergibt nun den Preis einer Kilowattstunde Steinkohlestrom aus deutschen Landen: rund acht Cent. Im Vergleich dazu sind einige erneuerbare Energien billiger. Moderne Windkraftanlagen erzeugen - über ihren Betriebszeitraum von 20 Jahren gerechnet - die Kilowattstunde für sieben bis acht Cent. Bei kleinen Wasserkraftanlagen liegt der kostendeckende Satz laut Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) bei maximal 7,67 Cent.

(Bernward Janzing)

Windenergie: Stürmisch gewachsen

2002 wurden in Deutschland 2328 Windenergieanlagen mit 3247 MW Leistung neu installiert, 22% mehr als 2001.

Windenergie: Stürmisch gewachsen

2002 wurden in Deutschland 2328 Windenergieanlagen mit 3247 MW Leistung neu installiert, 22% mehr als 2001. Anfang 2003 waren somit bundesweit 13 759 Anlagen mit 12 001 MW Leistung installiert, 37% mehr als 2001. Mit 3,5 Mrd Euro Jahresumsatz, 20% mehr als 2001, und eine um 5000 auf 40 000gestiegene Mitarbeiterzahl sei Windenergie ein bedeutenderWirtschaftsfaktor, in einigen Landkreisen an Nord- und Ostsee noch vor Landwirtschaft und Tourismus, so die Windbranche im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Der Anteil des potenziellen Jahresenergieertrags aus Windenergie am Nettostromverbrauch stieg von 3% in 2001 auf 4,7% in 2002. Dabei reicht die Spanne von 28,75% in Schleswig-Holstein, 21,5% in Mecklenburg-Vorpommern und 19,2% in Sachsen-Anhalt bis zu 0,3% in Hamburg, Baden-Württemberg und Bayern sowie 0,0% in Berlin.

Triumph ohne Ende

Die Windkraft überspringt bald die 5%-Hürde und wirddamit zu einer ernstzunehmenden Energiequelle für Deutschland.

Triumph ohne Ende

Die Windkraft überspringt bald die 5%-Hürde und wird damit zu einer ernstzunehmenden Energiequelle für Deutschland.

Im ersten Quartal des Jahres 2002 gingen in Deutschland 50 Prozent mehr Windkraftleistung ans Netz als im ersten Quartal des Rekordjahres 2001: In drei Monaten wurden 353 Windräder mit einer Gesamtleistung von 457 Megawatt (MW) neu errichtet. Das entspricht etwa der Windkraft-Leistung, die im windreichen Großbritannien in den vergangenen 20 Jahren aufgebaut worden ist.

Fast 12.000 Windräder in Deutschland

Damit etabliert sich die Windkraft immer mehr zu einem festen Bestandteil des deutschen Energieversorgungssystems.

Fast 12.000 Windräder in Deutschland

Damit etabliert sich die Windkraft immer mehr zu einem festen Bestandteil des deutschen Energieversorgungssystems. Ende März 2002 waren bundesweit knapp 11.800 Windräder mit einer Gesamtleistung von rund 9.200 MW installiert, das sind etwa fünf Prozent mehr als Ende des vergangenen Jahres. Mit dieser installierten Leistung lassen sich in einem normalen Windjahr rund 3,5 Prozent des deutschen Stromverbrauchs decken. Bei gleicher Ausbaudynamik in den nächsten Monaten wird der Windstrom-Anteil an der Stromerzeugung Ende des Jahres bei über vier Prozent liegen. Der seit Jahren anhaltende Aufschwung in Deutschland ist Folge einer vernünftigen Einspeiseregelung: Das im April 2000 in Kraft getretene Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verpflichtet die Netzbetreiber, für Strom aus regenerativen Energiequellen eine Mindestvergütung zu zahlen.

Weltweit starkes Wachstum

Weltweit waren Ende letzten Jahres rund 25.000 MW installiert.Allein im Jahr 2001 gab es einen weltweiten Zuwachs derKapazitäten um 31 Prozent oder 5.500 MW.

Weltweit starkes Wachstum

Weltweit waren Ende letzten Jahres rund 25.000 MW installiert. Allein im Jahr 2001 gab es einen weltweiten Zuwachs der Kapazitäten um 31 Prozent oder 5.500 MW. Seit 1995 hat sich die weltweit installierte Windkraftwerksleistung verfünffacht. Im selben Zeitraum nahm die Nutzung der Kohle zur Stromerzeugung um neun Prozent ab. Die aus Windkraft produzierte Strommenge lag bei rund 50 Milliarden Kilowattstunden, genug um Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden mit Strom zu versorgen. Eine Befragung im Auftrag der Hamburg Messe ergab, dass bis 2005 europaweit 42.000 MW und weltweit 60.000 MW Windenergieleistung installiert sein werden. Bis 2010 könnten es dann europaweit 70.000 MW und weltweit 120.000 MW an Leistung sein. Zum Vergleich: Die Höchstlast aller Stromverbraucher in Deutschland beträgt derzeit etwa 70.000 MW, in Europa bei 300.000 MW.

Erzeugungskosten sinken

Niedersachsen Windland Nr. 1

Erzeugungskosten sinken

Hinter dem Windkraft-Weltmeister Deutschland (8.754 MW) folgen die USA (4.258 MW), Spanien (3.337 MW), Dänemark (rund 2.500 MW) und Indien (rund 1.500 MW). Die Aussichten sind weltweit glänzend. In den USA sind die Kosten für Windstrom stark gesunken: Von 35 US-Cents Mitte der Achtziger auf vier US-Cents je Kilowattstunde im Jahr 2001 (www.earth-policy.org). Es gibt schon langfristige Bezugsverträge mit drei US-Cents je Kilowattstunde. Die Steuerstundung für Windkraft hat viele neue Anlagen entstehen lassen. Die Verlängerung dieser Förderung durch Washington ist derzeit noch ungewiss.

Niedersachsen Windland Nr. 1

Bei der regionalen Verteilung der Windkraft-Leistung in Deutschland im Jahr 2002 bleibt Niedersachsen mit rund 135 Megawatt neu installierter Leistung weiterhin das Windland Nummer eins. Zwischen Harz und Nordsee drehten sich Ende März 3.143 Anlagen (2.562 MW). Die Windkraft kann damit mittlerweile rund zehn Prozent des niedersächsischen Strombedarfs decken. Den größten Windstrom-Anteil gibt es bundesweit allerdings in Schleswig-Holstein: Dort können die insgesamt 2.372 Anlagen (1.591 MW) mittlerweile über 25 Prozent des Strombedarfs decken. Es folgen Mecklenburg-Vorpommern mit rund 20 Prozent und Sachsen-Anhalt mit rund zwölf Prozent.

Windschwach und baustark

Das Jahr 2001 ist eines der windschwächsten Jahre gewesen. In den sonst windstarken nördlichen Regionen waren Ertragseinbußen von bis zu 30 Prozent hinzunehmen.

Windschwach und baustark

Das Jahr 2001 ist eines der windschwächsten Jahre gewesen. In den sonst windstarken nördlichen Regionen waren Ertragseinbußen von bis zu 30 Prozent hinzunehmen. Im Süden der Republik und in mittleren Lagen sei der Einbruch nicht so stark gewesen, er betrage bis zu 15 Prozent, so der Bundesverband Windenergie. Auch die Windrichtungsverteilung sei untypisch gewesen und habe sich ertragsmindernd ausgewirkt. Dies zeigt, wie wichtig ausreichende Liquiditätsreserven bei der Planung sind, die auch Kosten für die Instandhaltung einzukalkulieren haben.
Der Windkraftausbau ging 2001 rasant weiter: 2.079 Windräder mit einer Leistung von 2.659 Megawatt wurden neu errichtet. Dies entspricht der Leistung, die im Pionierland Dänemark in den letzten 20 Jahren errichtet wurde. Gegenüber dem Vorjahr stieg der Zuwachs um 60 Prozent. Die Windkraft kann damit 3,5 Prozent des bundesdeutschen Stromverbrauchs decken.

Führender Hersteller: Enercon

Windkraft-Technik

Führender Hersteller: Enercon

Marktführer im ersten Quartal 2002 ist das Auricher Windkraft-Unternehmen Enercon mit einem Anteil von 51,4 Prozent an der neu installierten Leistung. In der Hersteller-Rangliste folgen die Firmen Enron Wind (demnächst General Electric) aus Salzbergen (Marktanteil: 14,4 %), AN Windenergie GmbH aus Bremen (10,7 %), die Vestas Deutschland GmbH aus Husum (8,0 %), die DeWind AG aus Lübeck (6,8 %), und die Nordex AG aus Hamburg (6,1 %). Der Umsatz der Branche wird in diesem Jahr schätzungsweise bei über 3,5 Milliarden Euro liegen.

Windkraft-Technik

Eine moderne Windkraft-Anlage der Megawatt-Klasse hat eine Nennleistung von 1,5 Megawatt und einen Rotordurchmesser von 70 Metern. An einem durchschnittlichen Standort erzeugt solch eine Windturbine im Jahr rund 3,5 Millionen Kilowattstunden Strom ? genug Energie für 1.000 Vier-Personen-Haushalte. Eine Windturbine für die Offshore-Nutzung wird künftig eine Nennleistung zwischen drei und fünf Megawatt haben. Eine Fünf-MW-Anlage kann dank der stärkeren Winde auf hoher See im Jahr rund 17,5 Millionen Kilowattstunden Ökostrom produzieren - genug Energie für rund 5.000 Vier-Personen-Haushalte.

RWE: Windkraftanlagen geschröpft

Ende August hat RWE in Windkraftanlagen ohne jede Information oder Absprache mit den Eigentümern

RWE: Windkraftanlagen geschröpft

(16. Oktober 2003) Ende August hat RWE in Windkraftanlagen ohne jede Information oder Absprache mit den Eigentümern "neue Messeinrichtungen" installiert. Darüber wurden die Betreiber mit Schreiben vom 10. September informiert. Die monatlichen Kosten von 250 DM werden automatisch vom Konto abgezogen. Damit erhöhen sich die jährlichen Fixkosten von 60 auf etwa 3.000 DM, so der Betreiber der Windanlage Hürtgenwald Heinz Mühlensiepen, der dies für "moderne Wegelagerei" hält.

Fliegende Windmühlen

Jetstream - Der Spiegel berichtet über das Projekt des australischen Ingenieurs Roberts.

Fliegende Windmühlen

Jetstream

Der Spiegel berichtet über das Projekt des australischen Ingenieurs Bryan Roberts. Er will Windmühlen 4.500 Meter über der Erde fliegen lassen und den Strom über Verbindungs und Haltekabel zur Erde leiten. In luftiger Höhe weht der Jetstream genannte Wind mit Windstärke 12. Der Winddrachen wird von Hubschraubern in die Luft getragen und hält sich dann von allein in der Höhe. Die Gyromill ist ein Kombination aus Windmühle und Hubschrauber.

Urteil erschüttert Betreiber

Viele Windenergieanlagen ohne Betriebsgenehmigung?

Urteil erschüttert Betreiber - Viele Windenergieanlagen ohne Betriebsgenehmigung?

(26. August 2004) - In einer neuen Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht - 4 C 9.03 - die Genehmigungspflicht für Windenergieanlagen nach Bau-, beziehungsweise Immissionsschutzrecht abweichend von der bisherigen Praxis neu definiert.

Eine nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungspflichtige Windfarm liegt nach Ansicht der Bundesrichter bereits dann vor, wenn Windenergieanlagen im räumlichen Zusammenhang errichtet werden. Dieses Urteil führt in der Praxis dazu, dass Baugenehmigungen für Windenergieanlagen in Zukunft praktisch eine Ausnahme bilden werden und stattdessen immissionsschutzrechtliche Genehmigungen maßgeblich werden.

Die Entscheidung führt dazu, dass vielen baurechtlich genehmigten Vorhaben die Betriebsgenehmigung fehlt. Die Entscheidung wirft sowohl für laufende Genehmigungsverfahren als auch für bestehende Windparks eine Reihe von rechtlichen Fragen für Planer und Behörden auf, zumal die maßgebliche Rechtsänderung bereits seit Mitte 2001 eingetreten ist.

Der Spezialist für Genehmigungsrecht in der Kanzlei Blanke Meier Evers, Rechtsanwalt Dr. Andreas Hinsch, weist darauf hin, dass im Hinblick auf die neue rechtliche Situation Strategien entwickelt werden müssen, um den Betrieb der Anlagen zu sichern. "Wir haben bereits für einige Betreiber erste Schritte in dieser Richtung unternommen und Kontakt zu Genehmigungsbehörden aufgebaut. Dem ersten Eindruck nach zeichnet sich ab, dass kooperative Lösungen gefunden werden können", erklärt Dr. Hinsch.

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letzte Änderung: 27.07.2018