Energiepass: Verbrauchs- oder Bedarfsausweis?
(8. Juni 2005) Der Bund der Energieverbraucher hat zur Diskussion des Energiepasses eine Stellungnahme abgegeben:
Es ist nicht nur höchst wünschenswert sondern ab 2006 auch durch eine EU-Richtlinie vorgeschrieben, Besitzer und Mieter über den energetischen Zustand und die zu erwartenden Heizkosten zu informieren.
Dazu kann man von den tatsächlichen Verbräuchen der Vergangenheit ausgehen. Oder man analysierte die Beschaffenheit des Gebäudes und der Heizung.
Die Entscheidung zwischen beiden Methoden als verbindliche Vorschrift für den neuen Energiepass ist heftig umstritten. Die Wohnungswirtschaft scheut vor den hohen Kosten des Bedarfsausweises zurück und bevorzugt den wesentlich kostengünstigeren Verbrauchsausweis. Denn Verbrauchsdaten liegen ohnehin für jedes Gebäude vor, während für den Bedarfsnachweis das Gebäude erst durch Experten vermessen und analysiert werden muss. Energieberater und die Anbieter entsprechender Software favorisieren den Bedarfsnachweis und die damit einhergehende Schwachstellenanalyse.
Zwischen Bedarf und Verbrauch besteht eine einfache Beziehung:
Bedarf + Witterung + Nutzerverhalten + Fehler = Verbrauch
Selbst bei geringem Bedarf, z.B. durch gute Dämmung, kann der Verbrauch hoch sein, wenn es extrem kalt ist oder der Nutzer die Räume bei offenem Fenster überheizt. Und schließlich gibt es überall Fehler: Bei der Schätzung des Bedarfs, der Witterung und des Verbrauchs.
Der Mieter möchte für eine neue Wohnung wissen, mit welchen Heizkosten er zu rechnen hat. Der Verbrauch des Vormieters ist dafür ein schlechter Anhaltspunkt. Denn die Energieverbräuche selbst in energetisch völlig identischen Wohnungen schwanken erfahrungsgemäß um das Vier- bis Sechsfache - je nach Nutzerverhalten.
Aber auch die Bedarfsberechnung lässt kaum Rückschlüsse auf künftige Verbräuche zu. Denn die Rechenmethoden sind fehlerbehaftet und auch die Eingabedaten sind sehr ungenau. Die Abweichungen zwischen Bedarf und Verbrauch sind sehr groß. Eine Patentlösung gibt es deshalb nicht. Und weder Bedarfs- noch Verbrauchsberechnungen sind besonders verlässlich.
Eine genaue und kostengünstige Bedarfsermittlung wäre zwar wünschenswert. Sie ist aber derzeit nicht verfügbar, scheitert an ungenauen Rechenverfahren und schlechten empirischen Datengrundlagen. Der Bedarfsausweis täuscht eine nicht vorhandene Genauigkeit vor. In Fachkreisen sind die systematischen und erheblichen Fehler des genormten Verfahrens zur Bedarfsermittlung bekannt.
Eine grobe Aussage, die ein Gebäude zwischen Passivhaus und Energieschleuder richtig einordnet, lässt sich sowohl mit dem Bedarfs- als auch mit dem Verbrauchsverfahren treffen. Dies genügt, um künftige Mieter und Käufer vor Energieschleudern zu warnen und damit Investitionsanreize auszulösen.
Weil beide Verfahren sehr unscharfe Ergebnisse liefern, sollte das kostengünstigere Verfahren, also ein modifiziertes Verbrauchsverfahren bevorzugt werden. In größeren Mietgebäuden kann man durch Mittelung über einige Jahre und ähnlich beschaffene Wohnungen das Nutzerverhalten neutralisieren. Für Neubauten geben die Planungsunterlagen Aufschluss über die energetische Gebäudequalität.
Für eine anstehende konkrete Sanierung eines Gebäudes sind standardisierte Verfahren wenig geeignet. Eingehende Analysen und genaue Bedarfsberechnungen sind unumgänglich.
Fazit:
- Der Mieter braucht den Verbrauchspass, um seinen Verbrauch zu verstehen und einzuordnen. Die geplante für alle Gebäude verpflichtende Einführung löst die notwendigen Investitionsimpulse aus.
- Der Bedarfspass ist ein Beratungsinstrument, um Schwachstellen zu analysieren und Handlungsmöglichkeiten auszuloten. Der Bund der Energieverbraucher hält Bedarfspässe für unerlässlich. Er lehnt jedoch eine gesetzliche Verpflichtung zur flächendeckenden Ausstellungen von Bedarfspässen entschieden ab. Der dringend notwendige Modernisierungsprozess des Gebäudebestandes sollte staatlich unterstützt werden. Eine aufkommensneutrale Förderung hat der Umweltpreisträger Dr. Wolfgang Feist entwickelt.