Kleinstwindanlagen: Mehr als Spielzeug?
Die Entwicklung der Windenergie übertrifft weltweit alle Prognosen und begründet die Hoffnung auf eine schnelle Energieversorgung durch Erneuerbare. Das Interesse an kleinen Windrädern ist riesengroß: Könnte nicht eine solche Anlage im eigenen Garten oder auf dem Hausdach Strom erzeugen? Zahlreiche Anbieter bieten entsprechende Systeme zu erschwinglichen Kosten an. Doch lohnt sich der Aufwand?
(7. Juni 2011, ergänzt am 19. März 2012) Gegen moderne Anlagen nehmen sich die Windräder aus der Mitte der 80er Jahre fast wie Spielzeug aus: Damals betrug die durchschnittliche Leistung eines Windrads 30 Kilowatt bei einer Rotorengröße von 15 Metern. Heute dagegen dominieren Anlagen mit über 2.000 Kilowatt Leistung und die Nabenhöhe liegt bei etwa 100 Metern. Große Windparks entstehen dort, wo es viel Wind gibt. Kleine Anlagen erzeugen den Strom dagegen direkt dort, wo er gebraucht wird, also in der Nähe von hohen Bäumen und Häusern.
Die Windgeschwindigkeit macht's
Je Quadratmeter Rotorfläche ernten große Windkraftanlagen bei einer Windgeschwindigkeit von acht Metern pro Sekunde über 1.000 Kilowattstunden Strom jährlich. Kleine Windkraftanlagen erzeugen dagegen 50 Kilowattstunden bei drei Metern pro Sekunde und 140 Kilowattstunden bei vier Metern pro Sekunde. Ein solcher Vergleich der Erträge bei unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten sieht zwar auf den ersten Blick unfair aus, doch entspricht dies den durchschnittlichen Betriebsbedingungen von großen beziehungsweise kleinen Windanlagen.
Das Beispiel zeigt den gravierenden Unterschied zwischen Photovoltaik und Windenergie: Bei der Photovoltaik bringt jeder Quadratmeter einer Anlage den gleichen Ertrag, unabhängig von der Größe der Anlage. Bei Windanlagen schwankt dagegen der Ertrag erheblich: Zum einen hängt der Ertrag von den Windverhältnissen ab und steigt mit der Windgeschwindigkeit in dritter Potenz. Doch sobald das Windrad an keiner besonders exponierten Stelle steht, verringert sich der Ertrag deutlich, denn der Wind verwirbelt an Hindernissen, Bäumen und Gebäuden.
In Siedlungsgebieten oder dörflichen Regionen bleiben die Windverhältnisse und somit die Erträge mangelhaft, selbst wenn man hohe Masten baut. Anders kann es auf dem flachen Land aussehen, am Meeresrand oder in Mittelgebirgen. Doch ein hoher Ertrag ist oft nicht das einzige Ziel. Viele Verbraucher haben einfach nur Spaß an der eigenen Energieernte, wie groß oder klein sie auch sein mag.
Ernüchternde Praxis
Doch bevor man sich ein kleines Windrad kauft, sollte man sich gründlich informieren und aus den teilweise ernüchternden Erfahrungen anderer lernen. Denn kleine Windräder haben besondere Probleme:
- Die Stromausbeute kleiner Windräder ist sehr gering. Regelmäßig beträgt sie nur einen Bruchteil dessen, was die Käufer erwarten. Das liegt daran, dass die Leistung der Anlagen mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit steigt. Wenn also die Windgeschwingkeit vier Meter pro Sekunde beträgt, liegt die Leistung beispielsweise bei 4 x 4 x 4 = 64. Beträgt das Windtempo aber nur zwei Meter pro Sekunde, sinkt die Leistung auf 2 x 2 x 2 = 8. Selbst auf einem zehn Meter hohen Mast oder einem Gebäude wird man im Jahresmittel kaum über eine Windgeschwindigkeit von drei Metern pro Sekunde kommen. Der Jahresertrag bei sehr kleinen Windrädern liegt in Deutschland empirisch bei etwa 80 Kilowattstunden je Quadratmeter Rotorfläche.
- Die Anlagen sind oft technisch nicht ausgereift und gehen kaputt.
- Für besiedelte Gebiete liegen keine Winddaten vor, weil die Windmessungen eine hindernisfreie Strömung voraussetzen.
- Die Aufstellung ist schwierig. Die Windgeschwindigkeit nimmt mit der Aufstellhöhe zu. Hohe Masten sind in Wohngebieten nicht nur optisch ein Problem, sondern müssen auch so stabil gebaut sein, dass sie auch bei Sturm sicher stehen. Wer sein Windrad auf dem Dach anbringt, muss damit rechnen, dass die Schwingungen des Windrads das Gebäude schädigen.
- Auch die Geräuschentwicklung führt gerade in Siedlungsgebieten oft zu Problemen.
- Die Anbieter liefern oft keine oder geschönte Ertragsprognosen. Sofern solche Daten überhaupt vorliegen, enthalten sie meist zu hohe Werte für die bei einer bestimmten Windgeschwingkeit gelieferte Leistung. Für verwirbelte Strömungen, die praktisch immer vorliegen, gelten die Leistungsangaben nicht. Die Leistungsangaben beziehen sich auf Windgeschwindigkeiten, die in der Praxis nie erreicht werden.
- Die Anlagen müssen oft auch behördlich genehmigt werden.
Prognose versus Wirklichkeit
Das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik in Kassel hat ein Programm zur Abschätzung des Ertrags entwickelt und zur freien Verfügung ins Internet gestellt (www.windmonitor.de unter „Service/Ertragsschätzung kleiner Windenergieanlagen"). Man sollte bei den Daten jedoch realistische Windgeschwindigkeiten eingeben. Beispiel: Errichtet man in einem dörflichen Gebiet auf sechs Metern Höhe eine Anlage mit einem Meter Durchmesser, dann kann man bei einer Windgeschwindigkeit von durchschnittlich drei Metern pro Sekunde jährlich 38 Kilowattstunden Strom erwarten und bei einem 20 Meter hohen Mast 126 Kilowattstunden.
Größenverhältnisse: Kleine Anlagen (S) und kleinste Anlagen (XS)
Im Juni 2005 berichteten wir über ein Windrad der Firma Windsave, das mit einem Durchmesser von 1,74 Meter angeblich an jeder Hauswand angebracht werden kann und bei zwölf Metern pro Sekunde Wind ein Kilowatt elektrische Leistung liefert. Im Encraft Warwick Wind Trial Projekt wurden zwei Jahre lang 26 an Gebäuden montierte Windanlagen vermessen und der Ertrag mit den Prognosen verglichen.
Ein Beispiel zeigt dabei, wie sehr sich Werbeversprechen und Realität unterscheiden: Auf der Stadthalle von Daventry in Großbritannien wurde eine Windsave WS1000 auf einer Höhe von 15 Metern zwei Meter über dem Giebel errichtet. Man erwartete eine Windgeschwindigkeit von 5,4 Metern pro Sekunde. Tatsächlich gemessen wurden jedoch nur 2,74 Meter pro Sekunde. Dadurch sank der erwartete Ertrag der Anlage von 204 Kilowattstunden auf 109 Kilowattstunden. Weil man Gebäudeschäden mit dem Windrad in Verbindung brachte, wurde die Anlage im Mai 2008 stillgelegt.
Erfahrungen von Betreibern
Das Fraunhofer Institut Windenergie und Energiesystemtechnik hat 51 Betreiber von Klein- und von Kleinstwindanlagen telefonisch befragt (2,5 bis 75 kW). Nur 21 Prozent gaben dabei an, dass sich ihre Ertragserwartungen erfüllt hatten. Lediglich sieben Prozent konnten einen Gewinn erwirtschaften. 28 Prozent würden dennoch noch einmal eine Anlage anschaffen.
XS | S | |||
Ja | Nein | Ja | Nein | |
Wurden Ihre Erwartungen erfüllt? | 3 | 16 | 10 | 22 |
Konnten Sie Gewinn erwirtschaften? | 0 | 19 | 7 | 15 |
Würden Sie noch einmal eine KWA installieren? | 13 | 5 | 15 | 7 |
Ist Ihre Anlage noch in Betrieb? | 8 | 15 | 22 | 6 |
Hatten Sie Beschwerden von Nachbarn? | 4 | 15 | 6 | 15 |
Gab es schwerwiegende Probleme im Betrieb? | 12 | 7 | 12 | 8 |
Zufriedenheit von Anlagenbetreibern
Fazit:
All diese Probleme lassen sich lösen. Es stellt sich aber unter dem Strich die Frage, ob Aufwand und Ertrag in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Wer Spaß an eigener Energieproduktion hat, technisch erfahren ist, keine finanziellen Interessen hat und die erwähnten Hürden nehmen will, der sollte sich eine eigene Anlage als Hobby zulegen. Wer jedoch mit regenerativ erzeugtem Strom einen Beitrag zur Energiewende leisten will, sollte sich besser an einer großen Windanlage beteiligen, eine Photovoltaik-Anlage installieren oder ein Blockheizkraftwerk betreiben. Anders sieht es in dünn besiedelten Gebieten in Entwicklungsländern aus: Probleme mit Nachbarn oder Behörden sind dort kaum zu erwarten, das Gelände ist hindernisfrei und es gibt oft kein Stromnetz als Alternative. Für solche Einsatzgebiete gibt es bereits sehr günstige Kleinanlagen, oft in Eigenbau gefertigt.
Weitere Informationen
- Warwick-Studie: Warwick Wind Trials Final Report (PDF, 7,11 MB) www.warwickwindtrials.org.uk
- Forum zu Kleinwindanlagen
- Anlagenhersteller: Eine aktuelle Übersicht über die am Markt verfügbaren Kleinwindanlagen erhält man bei www.kleinwindanlagen.de
- Bundesverband Kleinwindanlagen (BVKW): www.bundesverband-kleinwindanlagen.de
- Literatur: Wind Power for Dummies by Ian Woofenden, John Wiley & Sons, 2009, broschiert, 384 Seiten, leider nur auf Englisch erhältlich, (19,99 Euro) ISBN: 978-0-470-49637-4, eine englische Rezension von Paul Gipe
- Verbraucherzentrale NRW e.V.: Kleine Windenergieanlagen: Stromerzeugung in eigener Hand
- News zu Klein-Windkraft-Anlagen: www.klein-windkraftanlagen.com