ED 02/17 Die Welt reparieren oder wegwerfen? (S.22-25)
Klimaanlagen kommen teuer zu stehen Es gibt Geräte, deren Anschaffung nicht viel kostet. Teuer werden sie erst, wenn man den Stecker in die Steckdose steckt und sie benutzt.

Klimaanlagen kommen teuer zu stehen

Raumklimageräte boomen: Allein 2002 wurden 140.000 Geräte verkauft. Sie drohen zum Massenartikel zu werden. Heizungsbau und Stromversorger wittern bereits das Geschäft mit den energieintensiven Haushaltsgeräten und rühren kräftig die Werbetrommel. Weil Käufer den enormen Verbrauch meist falsch einschätzen, kommt für viele das böse Erwachen erst mit der Stromrechnung.
Von Oliver Stens

(5. Juni 2004) - Es gibt Geräte, deren Anschaffung nicht viel kostet. Teuer werden sie erst, wenn man den Stecker in die Steckdose steckt und sie benutzt. Dazu gehören in zunehmendem Maße Klimaanlagen für daheim. Beim Verkauf steht der Anschaffungspreis im Vordergrund, die Betriebskosten geraten leicht aus dem Blick.

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Leistung, Verbrauch und Kosten

Der Zusammenhang zwischen elektrischer Leistungsaufnahme, Benutzungsdauer und Strompreis ist längst nicht jedem bekannt. Meist beginnt die Unklarheit schon in der Unterscheidung zwischen der elektrischen Leistung (Watt) und dem Verbrauch (Kilowattstunden). Die Watt-Angabe sagt aber nicht viel über den Verbrauch aus.

Wird sie mit der jährlichen Nutzungsdauer in Stunden multipliziert, ergibt das den Verbrauch in Kilowattstunden pro Jahr. Auch das ist für viele noch nicht anschaulich genug. Erst wenn man diesen mit dem Strompreis multipliziert, kommt man auf die Kosten in Euro pro Jahr. Darunter kann sich jeder etwas vorstellen.

1337 Wohnzimmer mit Klimaanlage

Wer die Anschaffung einer Klimaanlage erwägt, sollte sich gleich einen Nebenjob zur Finanzierung der Stromkosten suchen. Der Betrieb kann jährlich 350 Euro kosten.

Unzureichende Kennzeichnung

In Anzeigen rufen Hersteller den Jahrhundertsommer 2003 noch einmal in Erinnerung und versprechen mit den kompakten Hausklimageräten "Kühle statt Schwüle". Seit Mai tourt beispielsweise der südhessische Energieversorger Entega mit den Elektroinnungen durch sein Versorgungsgebiet, um über die kompakten Heimklimageräte zu "informieren". Es ist zu befürchten, dass sie dabei potenzielle Käufer nicht ausreichend über die finanziellen Folgen dieser Anschaffung beraten.

Ein Beispiel: Ein Ehepaar kauft sich für seine Zwei-Zimmer-Wohnung ein vergleichsweise kleines Mobilgerät mit 2.000 Watt Anschlussleistung. Dieses läuft in den drei Sommermonaten mit einer Auslastung von 50 Prozent. Typischerweise wird die Raumtemperatur um etwa drei Grad abgesenkt. Bei der nächsten Stromrechnung: 350 Euro mehr. Durch das Mobilgerät hat sich der Jahresverbrauch nahezu verdoppelt.

Der Verbrauch kann je nach Raumgröße, Fensterflächen und Temperaturen stark nach oben und unten abweichen, da die Einschaltdauer der Anlage entsprechend variiert. Das Energie-Verbrauchs-Kennzeichnungs-Gesetz schreibt zwar vor, dass Leistungs- und Energieverbrauchsdaten in Werbung und beim Verkauf genannt werden müssen. Doch wegen oben genannten Unwägbarkeiten finden sich auch bei den Klimageräten keine griffigen Angaben, aus denen wenigstens die Größenordnung der Kosten hervorginge.

Das Haus als Kühlschrank?

Das Kälteerzeugungsprinzip der Raumklimageräte entspricht dem des Kühlschranks. Aber statt 200 Litern Inhalt müssen ein bis zwei Wohnräume gekühlt werden. Ein Kompressor, zehnmal so stark wie beim Kühlschrank, erzeugt über ein Kältemittel gleichzeitig Kälte und Wärme. Während Kühlschränke die Wärme an der Rückwand an den Raum abgeben, bläst das Raumklimagerät die Warmluft mit einem Abluftschlauch durch ein gekipptes Fenster nach draußen.

Von da aus strahlt und strömt leider immer neue Wärme in den Raum nach. Statt die Sonnenenergie in Strom zu verwandeln, verbraucht das Gerät Strom, um die Sonnenenergie zu beseitigen. Ebenso betrüblich ist die Wechselwirkung zwischen Klimaanlage und Klimaveränderung. Der Grund für die ständige Erwärmung der Erdatmosphäre ist bekanntlich der CO2-Ausstoß. Da Klimaanlagen durch ihren Strombedarf zu noch mehr CO2-Ausstoß führen, bewirken sie einen kräftigen Tritt aufs Gaspedal der Klimaerwärmung.

Amerikanische Verhältnisse

Wie folgenschwer eine breite Einführung von Klimaanlagen wäre, zeigt ein Blick über den Atlantik. Wo ein großer Anteil der Haushalte mit Klimaanlagen ausgestattet ist, werden die Leistungsspitzen der Stromnetze nicht im Winter erreicht, sondern im Sommer, wenn alle Klimageräte brummen.

1337 Grafik: USA Sommer 1999: Lastspitze durch Klimaanlagen

Spitzenlast und Ausfälle der Stromversorgung werden in den USA maßgeblich durch Klimaanlagen verursacht.

Landesweite Stromausfälle sind die Folge, nicht nur in Kalifornien. Deutschland darf sich in eine Abhängigkeit wie in den USA gar nicht erst hineinbegeben. Eine Verbreitung von Klimaanlagen in Privathaushalten wäre für unsere Energieversorgung fatal, für das Weltklima eine Katastrophe und für Energieverbraucher unbezahlbar.

In Krankenhäusern, Seniorenheimen und so weiter haben Klimaanlagen ihre Berechtigung. Wer hingegen als gesunder Mensch eine Klimaanlage betreibt, ist entweder unwissend oder er handelt verantwortungslos angesichts der sich immer deutlicher abzeichnenden Weltklimaveränderung.

Prima Klima ohne Anlage

Zum Schutz vor der Sommerhitze gibt es bessere Möglichkeiten. Morgens Lüften, Fensterflächen gezielt abschatten oder einen kleinen, mobilen Ventilator benutzen. Alternativen, die einen Bruchteil kosten. Lassen Sie sich beraten - aber vielleicht besser nicht von Ihrem Stromversorger.

letzte Änderung: 30.07.2023